Christ, Oliver (2009)
Sensomotorische Faktoren bei der Entstehung muskulärer Ko-Kontraktionen. Eine experimentelle Untersuchung behavioraler Parameter bei erzeugter sensomotorischer Inkongruenz am PC-Arbeitsplatz.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung
Kurzbeschreibung (Abstract)
In der Dissertation werden Auswirkungen sensomotorischer Inkongruenz beim Tastschreiben und der Bedienung von Pointing Devices (PC- Maus und Stift/Tablett) auf die muskuläre Koordination untersucht. Im Vordergrund steht dabei die nahezu zeitgleiche und damit möglicherweise dysfunktionale Erregung muskulärer Gegenspieler (Ko-Kontraktionen muskulärer Antagonisten). Dieser wird eine Mitwirkung bei der Entstehung chronifizierender muskuloskeletaler Schmerzstörungen im oberen Bewegungsapparat von Bildschirmarbeitskräften zugeschrieben. Die folgenden beiden Fragenstellungen wurden in zwei Experimenten untersucht: 1. Können bei hochgradig überlernten Bewegungen an Pointing Devices (PC-Maus und –Stift) muskuläre Ko-Kontraktionen durch eine Störung der Augen-Hand-Koordination (verzögerte visuelle Rückmeldung) ausgelöst werden und sind diese auch im passiven Organ beobachtbar (bilateraler Transfer)? 2. Ist die Entstehung muskulärer Ko-Kontraktionen bei ballistischen Fingerbewegungen (Tastschreiben) abhängig von thermischen Bedingungen und können letztere sich bei unilateraler Applizierung auch bilateral auf zentral-motorische Parameter wie z. B. die Tastendruckdauer auswirken? Nach Darstellung der arbeitswissenschaftlichen Bedeutung muskuloskeletaler Schmerzstörungen am PC-Arbeitsplatz werden psychomotorische Parameter der Bedienung von PC-Eingabegeräten beschrieben. Da der Rückmeldung aus peripheren Systemen wie Sehnen, Muskeln und Gelenken eine besondere Rolle beim Auftreten von Bewegungsschmerzen zukommen könnte, wird mittels bestehender Literatur (McCabe et al., 2005; Sorgatz, 2005; Blakemore et al., 2000; Fink et al., 1999; von Holst & Mittelstaedt, 1950) ein heuristisches Modell abgeleitet. Damit wird ein Zusammenhang von Empfindung und ausgeführter Bewegung mittels eines Vergleichsprozesses (Komparator) zwischen hinführender-rückgekoppelter (efferenter) und zurückführender (reafferenter) Information im Organismus postuliert. Treten beim Vergleich zwischen den Informationssträngen akut nicht behebbare Inkongruenzen auf, könnten sie zur Fehlererregung muskulärer Gegenspieler und damit über dysfunktionale Ko-Kontraktionen zum exzentrischen Kontrahieren im schwächeren Muskel führen; ein Prozess, der Faserrisse nach sich ziehen kann. Den daraus folgenden nozizeptiven Erregungen wird nach dem Pain Adaption Model (Lund et al., 1991) durch weitere Ko-Kontraktionen begegnet, die zu einer Hemmung des Bewegungsablaufs führen sollen. Solche Inkongruenzen zwischen Rückmeldungen über den intendierten und den tatsächlich erfolgenden Bewegungsablauf sollen in dieser Arbeit durch zwei Maßnahmen herbeigeführt werden. Zum einen durch eine Inkongruenz zwischen propriozeptiver Rückmeldung aus dem sich bewegenden Organ und der visuellen Kontrolle dieser Bewegung, zum anderen durch Veränderungen der thermischen Bedingung im Bewegungsorgan. In der ersten Studie wird die Wirkung visueller Verzögerung (und somit die Inkongruenz von visueller und propriozeptiver Rückmeldung) bei der Arbeit mit Pointing Devices (PC- Maus/ Stift-Tablett), in der zweiten Studie die Wirkung von nicht adäquaten zusätzlichen thermischen Reizen (Inkongruenz durch zusätzliche sensorische Information) bei unterschiedlicher lateraler Belastung während des 10-Finger-Tastschreibens untersucht. Die Ergebnisse der ersten Studie zeigen unter visueller Verzögerung erhöhte Ko-Kontraktionen, längere Reaktionszeiten sowie erhöhtes Beanspruchungsempfinden bei den Probandinnen. Dabei besteht unter visueller Verzögerung eine Abhängigkeit der muskulären Aktivität des bewegenden (ipsilateralen) sowie nicht bewegenden (kontralateralen) Arms von der Art des Eingabegeräts. Bei der PC-Maus ist die ipsilaterale Erhöhung muskulärer Ko-Kontraktionen auf die erhöhte Aktivität des Agonisten zurückführbar. Beim Stiftklick scheinen andere als die bei der Mausarbeit beteiligten agonistischen Muskeln aktiviert zu werden. Auffällig bei der Stiftarbeit ist eine verringerte ipsilaterale und erhöhte kontralaterale muskuläre Aktivierung unter visueller Verzögerung. Die Ergebnisse der zweiten Studie zeigen beim Schreiben an der Tastatur unter vorheriger Kältereizung eine erhöhte muskuläre Aktivität, höhere Ko-Kontraktionen und langsameres Tippen mit längerer Tastendruckdauer. Dabei ist die Veränderung der muskulären Aktivität aufgrund früherer thermischer Reizung unabhängig von dem sich bewegenden Organ (mit den Fingern der rechten oder linken Hand angeschlagenen Tasten). Wie bei der Arbeit mit der PC-Maus scheinen muskuläre Ko-Kontraktionen den Tastenanschlag erst zu ermöglichen. Die Veränderung der muskulären Aktivität ist je nach Art der Reizung abhängig vom Reizort, jedoch unabhängig von der sich bewegenden Seite. Beide Studien zeigen, dass Ko-Kontraktionen (im Verlauf der Fingerbewegungen) unter sensomotorischer Inkongruenz durch eine Aktivitätssteigerung des Flexors (Agonist) gekennzeichnet sind. Diese Ko-Kontraktionen unterschieden sich damit von denen, die bei Schmerzen zu beobachten sind (Aktivitätsabnahme des Agonisten bei Aktivitätszunahme des Antagonisten). Daraus resultierende Berechnungsgrundlagen eines Belastungs-Ko-Kontraktionsindex sowie das Einbeziehen von Schmerzpatienten in weitere Studien werden diskutiert.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2009 | ||||
Autor(en): | Christ, Oliver | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Sensomotorische Faktoren bei der Entstehung muskulärer Ko-Kontraktionen. Eine experimentelle Untersuchung behavioraler Parameter bei erzeugter sensomotorischer Inkongruenz am PC-Arbeitsplatz. | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Sorgatz, Prof. Dr. Hardo ; Rohrmann, Prof. Dr. Sonja | ||||
Publikationsjahr: | 16 Februar 2009 | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 29 Januar 2009 | ||||
URL / URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-13263 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | In der Dissertation werden Auswirkungen sensomotorischer Inkongruenz beim Tastschreiben und der Bedienung von Pointing Devices (PC- Maus und Stift/Tablett) auf die muskuläre Koordination untersucht. Im Vordergrund steht dabei die nahezu zeitgleiche und damit möglicherweise dysfunktionale Erregung muskulärer Gegenspieler (Ko-Kontraktionen muskulärer Antagonisten). Dieser wird eine Mitwirkung bei der Entstehung chronifizierender muskuloskeletaler Schmerzstörungen im oberen Bewegungsapparat von Bildschirmarbeitskräften zugeschrieben. Die folgenden beiden Fragenstellungen wurden in zwei Experimenten untersucht: 1. Können bei hochgradig überlernten Bewegungen an Pointing Devices (PC-Maus und –Stift) muskuläre Ko-Kontraktionen durch eine Störung der Augen-Hand-Koordination (verzögerte visuelle Rückmeldung) ausgelöst werden und sind diese auch im passiven Organ beobachtbar (bilateraler Transfer)? 2. Ist die Entstehung muskulärer Ko-Kontraktionen bei ballistischen Fingerbewegungen (Tastschreiben) abhängig von thermischen Bedingungen und können letztere sich bei unilateraler Applizierung auch bilateral auf zentral-motorische Parameter wie z. B. die Tastendruckdauer auswirken? Nach Darstellung der arbeitswissenschaftlichen Bedeutung muskuloskeletaler Schmerzstörungen am PC-Arbeitsplatz werden psychomotorische Parameter der Bedienung von PC-Eingabegeräten beschrieben. Da der Rückmeldung aus peripheren Systemen wie Sehnen, Muskeln und Gelenken eine besondere Rolle beim Auftreten von Bewegungsschmerzen zukommen könnte, wird mittels bestehender Literatur (McCabe et al., 2005; Sorgatz, 2005; Blakemore et al., 2000; Fink et al., 1999; von Holst & Mittelstaedt, 1950) ein heuristisches Modell abgeleitet. Damit wird ein Zusammenhang von Empfindung und ausgeführter Bewegung mittels eines Vergleichsprozesses (Komparator) zwischen hinführender-rückgekoppelter (efferenter) und zurückführender (reafferenter) Information im Organismus postuliert. Treten beim Vergleich zwischen den Informationssträngen akut nicht behebbare Inkongruenzen auf, könnten sie zur Fehlererregung muskulärer Gegenspieler und damit über dysfunktionale Ko-Kontraktionen zum exzentrischen Kontrahieren im schwächeren Muskel führen; ein Prozess, der Faserrisse nach sich ziehen kann. Den daraus folgenden nozizeptiven Erregungen wird nach dem Pain Adaption Model (Lund et al., 1991) durch weitere Ko-Kontraktionen begegnet, die zu einer Hemmung des Bewegungsablaufs führen sollen. Solche Inkongruenzen zwischen Rückmeldungen über den intendierten und den tatsächlich erfolgenden Bewegungsablauf sollen in dieser Arbeit durch zwei Maßnahmen herbeigeführt werden. Zum einen durch eine Inkongruenz zwischen propriozeptiver Rückmeldung aus dem sich bewegenden Organ und der visuellen Kontrolle dieser Bewegung, zum anderen durch Veränderungen der thermischen Bedingung im Bewegungsorgan. In der ersten Studie wird die Wirkung visueller Verzögerung (und somit die Inkongruenz von visueller und propriozeptiver Rückmeldung) bei der Arbeit mit Pointing Devices (PC- Maus/ Stift-Tablett), in der zweiten Studie die Wirkung von nicht adäquaten zusätzlichen thermischen Reizen (Inkongruenz durch zusätzliche sensorische Information) bei unterschiedlicher lateraler Belastung während des 10-Finger-Tastschreibens untersucht. Die Ergebnisse der ersten Studie zeigen unter visueller Verzögerung erhöhte Ko-Kontraktionen, längere Reaktionszeiten sowie erhöhtes Beanspruchungsempfinden bei den Probandinnen. Dabei besteht unter visueller Verzögerung eine Abhängigkeit der muskulären Aktivität des bewegenden (ipsilateralen) sowie nicht bewegenden (kontralateralen) Arms von der Art des Eingabegeräts. Bei der PC-Maus ist die ipsilaterale Erhöhung muskulärer Ko-Kontraktionen auf die erhöhte Aktivität des Agonisten zurückführbar. Beim Stiftklick scheinen andere als die bei der Mausarbeit beteiligten agonistischen Muskeln aktiviert zu werden. Auffällig bei der Stiftarbeit ist eine verringerte ipsilaterale und erhöhte kontralaterale muskuläre Aktivierung unter visueller Verzögerung. Die Ergebnisse der zweiten Studie zeigen beim Schreiben an der Tastatur unter vorheriger Kältereizung eine erhöhte muskuläre Aktivität, höhere Ko-Kontraktionen und langsameres Tippen mit längerer Tastendruckdauer. Dabei ist die Veränderung der muskulären Aktivität aufgrund früherer thermischer Reizung unabhängig von dem sich bewegenden Organ (mit den Fingern der rechten oder linken Hand angeschlagenen Tasten). Wie bei der Arbeit mit der PC-Maus scheinen muskuläre Ko-Kontraktionen den Tastenanschlag erst zu ermöglichen. Die Veränderung der muskulären Aktivität ist je nach Art der Reizung abhängig vom Reizort, jedoch unabhängig von der sich bewegenden Seite. Beide Studien zeigen, dass Ko-Kontraktionen (im Verlauf der Fingerbewegungen) unter sensomotorischer Inkongruenz durch eine Aktivitätssteigerung des Flexors (Agonist) gekennzeichnet sind. Diese Ko-Kontraktionen unterschieden sich damit von denen, die bei Schmerzen zu beobachten sind (Aktivitätsabnahme des Agonisten bei Aktivitätszunahme des Antagonisten). Daraus resultierende Berechnungsgrundlagen eines Belastungs-Ko-Kontraktionsindex sowie das Einbeziehen von Schmerzpatienten in weitere Studien werden diskutiert. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Freie Schlagworte: | Psychologie, Psychomotorik, Ergonomie, HCI, RSI, EMG, Ko-Kontraktionen, sensomotorische Inkongruenz, | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 100 Philosophie und Psychologie > 150 Psychologie | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 03 Fachbereich Humanwissenschaften 03 Fachbereich Humanwissenschaften > Institut für Psychologie |
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Hinterlegungsdatum: | 24 Feb 2009 12:51 | ||||
Letzte Änderung: | 26 Aug 2018 21:25 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Sorgatz, Prof. Dr. Hardo ; Rohrmann, Prof. Dr. Sonja | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 29 Januar 2009 | ||||
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