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KulturZeitRaum - Das Feuilleton der ZiF

Wormer, Jörg (2006)
KulturZeitRaum - Das Feuilleton der ZiF.
In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht : ZIF, 11 (1)
Artikel, Bibliographie

Dies ist die neueste Version dieses Eintrags.

Kurzbeschreibung (Abstract)

Deutschland 2005 - Kunde aus einem Land, in dem traditionell eher die dunklen als die hellen Seiten thematisiert werden. Fünf Millionen registrierte Arbeitslose, Regierende, die die Bodenhaftung zu Bevölkerung und Partei verlieren, neoliberale Sozialdemokraten und sozialdemokratische Christdemokraten, vor Gewinn berstende Wirtschaftsunternehmen, die zur Verbesserung der Kostenstruktur weiterhin jeweils Tausende Arbeitskräfte entlassen, eine Presse, die so embedded ist, daß sie die beschönigende Wortwahl der Unternehmen für Entlassung, die "Freistellung", übernimmt: freilich ein Land mit Grund zu Besinnung und Umkehr. Damit aber nicht genug: eine Regierungspartei, die aus mangelndem innerparteilichem Rückhalt Neuwahlen einleitet, die für sie schlicht russisches Roulette sind, und schließlich Politiker, die den Wahlausgang allen medialen Ernstes wie folgt kommentieren: "Der Wähler hat uns vor eine sehr schwer lösbare Aufgabe gestellt" — und das wohlgemerkt in einer Situation, in der sage und schreibe drei Koalitionen mit breiter rechnerischer Mehrheit möglich gewesen wären: Rotgrünrot, Schwarzgelbgrün, Schwarzrot. Daß dann mit der großen Koalition eine Variante gewählt wurde, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bereits einmal zu den bisher größten innenpolitischen Verwerfungen geführt hatte, wurde mit der Argumentation verkauft, nur eine sehr breite Mehrheit könne die Kraft für die notwendigen tiefgreifenden Änderungen in Deutschland aufbringen. Die tiefgreifenden Änderungen aber gehen heute nicht mehr von der Politik aus, sondern von der Wirtschaft. Diese gibt, um in der Globalität und vor den Aktionären gute Figur zu machen, die Rahmenbedingungen vor, die früher das Primat der Politik waren. Und wo noch staatliche, gewachsene Strukturen von sozialer Marktwirtschaft existieren, werden sie mit schöner Regelmäßigkeit als der eigentliche Grund ausgegeben, weswegen die deutsche Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig sein und demzufolge naturgemäß auch die Arbeitslosigkeit nicht wirklich abgebaut werden könne. Seltsamerweise scheint die Politik selbst in dieser bedrängten Situation weder auf das Prinzip cartes sur table noch auf die Klugheit der Bevölkerung zu setzen.

Typ des Eintrags: Artikel
Erschienen: 2006
Autor(en): Wormer, Jörg
Art des Eintrags: Bibliographie
Titel: KulturZeitRaum - Das Feuilleton der ZiF
Sprache: Deutsch
Publikationsjahr: 2006
Ort: Darmstadt
Verlag: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt
Titel der Zeitschrift, Zeitung oder Schriftenreihe: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht : ZIF
Jahrgang/Volume einer Zeitschrift: 11
(Heft-)Nummer: 1
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Kurzbeschreibung (Abstract):

Deutschland 2005 - Kunde aus einem Land, in dem traditionell eher die dunklen als die hellen Seiten thematisiert werden. Fünf Millionen registrierte Arbeitslose, Regierende, die die Bodenhaftung zu Bevölkerung und Partei verlieren, neoliberale Sozialdemokraten und sozialdemokratische Christdemokraten, vor Gewinn berstende Wirtschaftsunternehmen, die zur Verbesserung der Kostenstruktur weiterhin jeweils Tausende Arbeitskräfte entlassen, eine Presse, die so embedded ist, daß sie die beschönigende Wortwahl der Unternehmen für Entlassung, die "Freistellung", übernimmt: freilich ein Land mit Grund zu Besinnung und Umkehr. Damit aber nicht genug: eine Regierungspartei, die aus mangelndem innerparteilichem Rückhalt Neuwahlen einleitet, die für sie schlicht russisches Roulette sind, und schließlich Politiker, die den Wahlausgang allen medialen Ernstes wie folgt kommentieren: "Der Wähler hat uns vor eine sehr schwer lösbare Aufgabe gestellt" — und das wohlgemerkt in einer Situation, in der sage und schreibe drei Koalitionen mit breiter rechnerischer Mehrheit möglich gewesen wären: Rotgrünrot, Schwarzgelbgrün, Schwarzrot. Daß dann mit der großen Koalition eine Variante gewählt wurde, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bereits einmal zu den bisher größten innenpolitischen Verwerfungen geführt hatte, wurde mit der Argumentation verkauft, nur eine sehr breite Mehrheit könne die Kraft für die notwendigen tiefgreifenden Änderungen in Deutschland aufbringen. Die tiefgreifenden Änderungen aber gehen heute nicht mehr von der Politik aus, sondern von der Wirtschaft. Diese gibt, um in der Globalität und vor den Aktionären gute Figur zu machen, die Rahmenbedingungen vor, die früher das Primat der Politik waren. Und wo noch staatliche, gewachsene Strukturen von sozialer Marktwirtschaft existieren, werden sie mit schöner Regelmäßigkeit als der eigentliche Grund ausgegeben, weswegen die deutsche Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig sein und demzufolge naturgemäß auch die Arbeitslosigkeit nicht wirklich abgebaut werden könne. Seltsamerweise scheint die Politik selbst in dieser bedrängten Situation weder auf das Prinzip cartes sur table noch auf die Klugheit der Bevölkerung zu setzen.

Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 400 Sprache > 400 Sprache, Linguistik
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften
02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften > Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft
02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften > Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft > Sprachwissenschaft - Mehrsprachigkeit
Hinterlegungsdatum: 02 Aug 2024 13:05
Letzte Änderung: 02 Aug 2024 13:05
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