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Experimentelle Analyse der menschlichen Kraftwahrnehmung als ingenieurtechnische Entwurfsgrundlage für haptische Systeme

Hatzfeld, Christian (2013)
Experimentelle Analyse der menschlichen Kraftwahrnehmung als ingenieurtechnische Entwurfsgrundlage für haptische Systeme.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Gegenstand dieser Arbeit ist die Ermittlung von Kennwerten der haptischen Kraftwahrnehmung des Menschen und die Anwendung der Ergebnisse auf die Entwurfsmethodik haptischer Systeme. Sie ist motiviert durch unzureichende Grundlagen beim Entwurf haptischer Systeme, insbesondere zur Anwendung in der minimalinvasiven Chirurgie und der invasiven Herzdiagnostik, und wurde im Rahmen des Projekts WE2308/7-1 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Die Arbeit umfasst eine Analyse des Stands der Forschung und des Wissens über die haptische Wahrnehmung mit dem Fokus auf die Entwicklung haptischer Systeme. Neben den biologischen Grundlagen zu Mechanorezeptoren und der Darstellung von Wahrnehmungskennwerten in der Psychophysik werden insbesondere der Interaktionscharakter der Haptik und die dazugehörigen ergonomischen Aspekte vorgestellt. Typische Anwendungen haptischer Systeme und der Entwicklungsprozess bilden die Basis für die Ableitung der Forschungsfragestellungen dieser Arbeit. Dies sind die Ermittlung der absoluten und differentiellen Wahrnehmungsschwelle vibrotaktiler Kräfte sowie die quantitative Analyse externer Einflussfaktoren darauf. Der neuartige Ansatz dieser Arbeit ist dabei die Stimulusdefinition durch harmonische Kräfte im Gegensatz zur Definition über kinematische Größen, was dem aktuellen Stand der Technik zur Ermittlung haptischer Wahrnehmungskennwerten entspricht.

Zur Ermittlung der Kraftwahrnehmungskennwerte wird ein Messplatz entworfen. Er besteht aus einer geregelten elektrodynamischen Kraftquelle und Sensoren zur Ermittlung von Auslenkung und Geschwindigkeit. Damit können Kräfte bis zu 5 N im Frequenzbereich bis 1000 Hz bei einer minimalen Auslenkung von 200 µm bei allen Frequenzen dargestellt werden. Die dynamischen Einflüsse des Aufbaus werden auf Basis konzentrierter Bauelemente modelliert, auf Basis dieses Modells können die dynamischen Einflüsse analysiert und für die Messung kompensiert werden. Die Analyse der Eigenfehler des Messplatzes ergibt einen maximalen Fehler der Kraftdarstellung von 5 %, der bei der minimalen mechanischen Impedanz des Nutzers auftritt.

Zur Messung von Wahrnehmungsschwellen werden klassische und adaptive psychometrische Verfahren recherchiert und miteinander verglichen. Dies geschieht durch eine Monte-Carlo-Simulation von drei Adaptive-Staircase-Methoden mit unterschiedlichen Verlaufsregeln (1up-2down, 1up-3down, Approximation nach Kesten), der ML-Test-Methode nach Harvey et al., der PEST-Methode nach Taylor und Creelman und der Psi-Methode nach Kontsevich und Tyler. Als Antwortparadigmen werden 2- und 3-Alternative-Forced-Choice Paradigmen (AFC) und ein Ja/Nein-Paradigma untersucht. Die Bewertung erfolgt anhand der aus der Simulation ermittelten Werte zur Genauigkeit, Effizienz und Robustheit der Methoden. Zum Einsatz in den Probandentests kommt eine 1up-2down-Staircase-Methode mit einem 3AFC-Paradigma.

Mit dem Messplatz und dem ausgewählten Messverfahren werden absolute Wahrnehmungsschwellen für vibrotaktile Kräfte an der Fingerspitze ermittelt. Dabei werden 9 Frequenzen im Bereich von 5 bis 1000 Hz untersucht, die niedrigste Wahrnehmungsschwelle wird mit einer Kraftamplitude von 0,5 mN bei 160 Hz gemessen. Weiterhin werden differentielle Wahrnehmungsschwellen für drei verschiedene Referenzreizintensitäten - nahe der absoluten Wahrnehmungsschwelle und für Referenzreize von 0,25 N und 0,5 N - gemessen. Die ermittelten Werte liegen für die größeren Referenzreize zwischen 5 bis 20 dB, steigen aber auf 18 bis 41 dB, wenn sich der Referenzreiz der Wahrnehmungsschwelle annähert. Alle Versuche werden mit mindestens 25 Probanden durchgeführt.

Zur Untersuchung der quantitativen Abhängigkeiten wird ein Versuchsplan umgesetzt. Die statistische Auswertung der Ergebnisse bestätigt den hochsignifikanten Einfluss der Frequenz auf die absolute und die differentielle Wahrnehmungsschwelle. Weiterhin werden Einflüsse des Alters, der Fingerspitzengröße und der feinmotorischen Tätigkeit der Versuchspersonen in unterschiedlich hohen Maßen festgestellt. Aus den Ergebnissen kann erstmalig die Bedeutung der mechanischen Impedanz als Kopplungsparameter zwischen der Wahrnehmung von Kräften und kinematischen Größen experimentell nachgewiesen werden.

Aus den Ergebnissen werden Empfehlungen für den Entwurf haptischer Systeme abgeleitet und beispielhaft anhand der Konzeption eines Sensors für ein minimalinvasives Instrument dargestellt. Durch den Zusammenhang zwischen Kraft- und Auslenkungswahrnehmung über die mechanische Impedanz kann das Konzept der haptischen Transparenz mit den Ergebnissen dieser Arbeit zu einem Optimierungskriterium unter Berücksichtigung von Wahrnehmungseigenschaften erweitert werden.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2013
Autor(en): Hatzfeld, Christian
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Experimentelle Analyse der menschlichen Kraftwahrnehmung als ingenieurtechnische Entwurfsgrundlage für haptische Systeme
Sprache: Deutsch
Publikationsjahr: 2013
Ort: München
Verlag: Dr.-Hut-Verlag
Reihe: EMK-Dissertationsreihe
Band einer Reihe: Bd. 26
URL / URN: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/3392
Kurzbeschreibung (Abstract):

Gegenstand dieser Arbeit ist die Ermittlung von Kennwerten der haptischen Kraftwahrnehmung des Menschen und die Anwendung der Ergebnisse auf die Entwurfsmethodik haptischer Systeme. Sie ist motiviert durch unzureichende Grundlagen beim Entwurf haptischer Systeme, insbesondere zur Anwendung in der minimalinvasiven Chirurgie und der invasiven Herzdiagnostik, und wurde im Rahmen des Projekts WE2308/7-1 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Die Arbeit umfasst eine Analyse des Stands der Forschung und des Wissens über die haptische Wahrnehmung mit dem Fokus auf die Entwicklung haptischer Systeme. Neben den biologischen Grundlagen zu Mechanorezeptoren und der Darstellung von Wahrnehmungskennwerten in der Psychophysik werden insbesondere der Interaktionscharakter der Haptik und die dazugehörigen ergonomischen Aspekte vorgestellt. Typische Anwendungen haptischer Systeme und der Entwicklungsprozess bilden die Basis für die Ableitung der Forschungsfragestellungen dieser Arbeit. Dies sind die Ermittlung der absoluten und differentiellen Wahrnehmungsschwelle vibrotaktiler Kräfte sowie die quantitative Analyse externer Einflussfaktoren darauf. Der neuartige Ansatz dieser Arbeit ist dabei die Stimulusdefinition durch harmonische Kräfte im Gegensatz zur Definition über kinematische Größen, was dem aktuellen Stand der Technik zur Ermittlung haptischer Wahrnehmungskennwerten entspricht.

Zur Ermittlung der Kraftwahrnehmungskennwerte wird ein Messplatz entworfen. Er besteht aus einer geregelten elektrodynamischen Kraftquelle und Sensoren zur Ermittlung von Auslenkung und Geschwindigkeit. Damit können Kräfte bis zu 5 N im Frequenzbereich bis 1000 Hz bei einer minimalen Auslenkung von 200 µm bei allen Frequenzen dargestellt werden. Die dynamischen Einflüsse des Aufbaus werden auf Basis konzentrierter Bauelemente modelliert, auf Basis dieses Modells können die dynamischen Einflüsse analysiert und für die Messung kompensiert werden. Die Analyse der Eigenfehler des Messplatzes ergibt einen maximalen Fehler der Kraftdarstellung von 5 %, der bei der minimalen mechanischen Impedanz des Nutzers auftritt.

Zur Messung von Wahrnehmungsschwellen werden klassische und adaptive psychometrische Verfahren recherchiert und miteinander verglichen. Dies geschieht durch eine Monte-Carlo-Simulation von drei Adaptive-Staircase-Methoden mit unterschiedlichen Verlaufsregeln (1up-2down, 1up-3down, Approximation nach Kesten), der ML-Test-Methode nach Harvey et al., der PEST-Methode nach Taylor und Creelman und der Psi-Methode nach Kontsevich und Tyler. Als Antwortparadigmen werden 2- und 3-Alternative-Forced-Choice Paradigmen (AFC) und ein Ja/Nein-Paradigma untersucht. Die Bewertung erfolgt anhand der aus der Simulation ermittelten Werte zur Genauigkeit, Effizienz und Robustheit der Methoden. Zum Einsatz in den Probandentests kommt eine 1up-2down-Staircase-Methode mit einem 3AFC-Paradigma.

Mit dem Messplatz und dem ausgewählten Messverfahren werden absolute Wahrnehmungsschwellen für vibrotaktile Kräfte an der Fingerspitze ermittelt. Dabei werden 9 Frequenzen im Bereich von 5 bis 1000 Hz untersucht, die niedrigste Wahrnehmungsschwelle wird mit einer Kraftamplitude von 0,5 mN bei 160 Hz gemessen. Weiterhin werden differentielle Wahrnehmungsschwellen für drei verschiedene Referenzreizintensitäten - nahe der absoluten Wahrnehmungsschwelle und für Referenzreize von 0,25 N und 0,5 N - gemessen. Die ermittelten Werte liegen für die größeren Referenzreize zwischen 5 bis 20 dB, steigen aber auf 18 bis 41 dB, wenn sich der Referenzreiz der Wahrnehmungsschwelle annähert. Alle Versuche werden mit mindestens 25 Probanden durchgeführt.

Zur Untersuchung der quantitativen Abhängigkeiten wird ein Versuchsplan umgesetzt. Die statistische Auswertung der Ergebnisse bestätigt den hochsignifikanten Einfluss der Frequenz auf die absolute und die differentielle Wahrnehmungsschwelle. Weiterhin werden Einflüsse des Alters, der Fingerspitzengröße und der feinmotorischen Tätigkeit der Versuchspersonen in unterschiedlich hohen Maßen festgestellt. Aus den Ergebnissen kann erstmalig die Bedeutung der mechanischen Impedanz als Kopplungsparameter zwischen der Wahrnehmung von Kräften und kinematischen Größen experimentell nachgewiesen werden.

Aus den Ergebnissen werden Empfehlungen für den Entwurf haptischer Systeme abgeleitet und beispielhaft anhand der Konzeption eines Sensors für ein minimalinvasives Instrument dargestellt. Durch den Zusammenhang zwischen Kraft- und Auslenkungswahrnehmung über die mechanische Impedanz kann das Konzept der haptischen Transparenz mit den Ergebnissen dieser Arbeit zu einem Optimierungskriterium unter Berücksichtigung von Wahrnehmungseigenschaften erweitert werden.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Subject of this work is to determine the characteristics of human force perception and the application of the results on the design methodology of haptic systems. It is motivated by the insufficient development basis for the design of haptic systems, especially for minimal invasive surgery and invasive cardiac diagnostics. It contributes to project WE2308/7-1 funded by Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

The work includes an analysis of the state of art and actual research of haptic perception with a focus on the development of haptic systems. In addition to the biological basis of mechanoreceptors and the representation of perceptual characteristics in psychophysics, the interactive character of haptics and the ergonomic aspects of that interaction are addressed. Typical applications haptic systems and the associated development process are the basis for the derivation of the research focus of this work. It includes the determination of absolute and differential perception threshold for vibrotactile forces as well as the quantitative analysis of external factors influencing the perception threshold. The novel approach of this work is the definition of the test stimuli as a force over time in comparison to the definition as a kinematic quantity, which is the current state of the art for determining haptic perception parameters.

To determine force perception characteristics a test bench is designed. It consists of a controlled electrodynamic force source and sensors for determining displacement and velocity. Forces up to 5 N at frequencies up to 1000 Hz with a minimal displacement of 200 µm at all frequencies can be rendered by the source. The dynamic effects of the setup are modeled on the basis of concentrated network elements, based on this model, the dynamic effects are analyzed and compensated for the measurement. The analysis of the inherent error of the measuring setup calculates a maximum error of 5 % that occurs at the minimal mechanical impedance of the user.

To measure perception thresholds, classic and adaptive psychometric procedures are analyzed. This is done by a Monte Carlo simulation of three Adaptive Staircase Methods with different progression rules (2down-1up, 1up-3down, and Kesten-approximation), the ML-Test method by Harvey et al., the PEST method by Taylor and Creelman and the Psi method by Kontsevich and Tyler. 2- and 3-Alternative-Forced-Choice paradigms (xAFC) and a yes/no paradigm are examined. The review is based on the indicators of accuracy, efficiency and robustness of the methods obtained from the simulation. A 1up-2down-Staircase Method with a 3AFC paradigm is chosen for the experiment.

With the measuring setup and the selected measurement procedures, absolute perception thresholds for vibrotactile forces on the fingertip are calculated. 9 frequencies in the range of 5 to 1000 Hz are investigated. The lowest perception threshold is measured with a force amplitude of 0.5 mN at a frequency of 160 Hz. Furthermore differential perception thresholds for three different reference stimuli - near the absolute threshold, 0.25 N and 0.5 N - are measured. The calculated values are between 5 to 20 dB for larger reference stimuli , but increase to 18 to 41 dB when the reference stimulus approaches the absolute threshold. All experiments are conducted with at least 25 test subjects.

To investigate the quantitative dependency of perception on external parameters, a factorial experiment design is implemented. The statistical analysis of the results confirmes a highly significant effect of frequency on the absolute and differential perception threshold. Furthermore, age, fingertip size and fine motor activity of the subjects are found to be significant in different extents. The experiments proof the mechanical impedance as coupling parameter between the perception of forces and kinematic quantities for the first time empirically.

From the results of the experiments, recommendations for the design of haptic systems are derived and the design of a force sensor for a minimally invasive device is presented as an example. With the the mechanical impedance as a proven coupling parameter between the perception of forces and deflections, the concept of haptic transparency can be expanded to an optimization criterion with respect to properties of haptic perception.

Englisch
Freie Schlagworte: Haptische Wahrnehmung, Psychometrische Verfahren, Entwicklungsmethodik, Haptik
Schlagworte:
Einzelne SchlagworteSprache
haptic perception, psychometric procedures, development methodology, hapticsEnglisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-33924
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 100 Philosophie und Psychologie > 150 Psychologie
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 18 Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik > Mess- und Sensortechnik
18 Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik > Institut für Elektromechanische Konstruktionen (aufgelöst 18.12.2018)
18 Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik
Hinterlegungsdatum: 02 Jun 2013 19:55
Letzte Änderung: 21 Okt 2013 12:32
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haptic perception, psychometric procedures, development methodology, hapticsEnglisch
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