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Gekapselte Trajektorienfolgeregelung für autonomes Fahren

Homolla, Tobias (2023)
Gekapselte Trajektorienfolgeregelung für autonomes Fahren.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00023144
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Die Bewegungsregelung als Teil der autonomen Fahrzeugführung besteht aus den beiden Teilfunktionen der Bewegungsplanung und Bewegungsausführung. Beide wurden im Kontext von Fahrerassistenzsystemen und Anwendungen aus der Robotik bereits intensiv untersucht, jedoch haben bestehende Ansätze gemein, dass sie häufig auf einen spezifischen Anwendungsfall zugeschnitten sind sowie die beiden Teilfunktionen als Einheit betrachten und daher integriert entwickeln. Als Gegenentwurf zu integrierten Systemarchitekturen haben modulare, serviceorientierte Architekturen für Kraftfahrzeuge zunehmend an Bedeutung gewonnen, mit den Zielen, die resultierende Systemkomplexität zu senken, die Wiederverwertbarkeit von entwickelten Modulen in verschiedenen Anwendungen zu fördern sowie die Wart- und Updatebarkeit der Fahrzeuge zu verbessern. Die Modularisierung kann dabei auch auf die Bewegungsregelung angewendet werden und ermöglicht durch funktionale Trennung der Bewegungsplanung und –ausführung die konsequente Kapselung der ausführenden Fahrdynamik- und Trajektorienregelung (FTR), mit dem Ziel der Minimierung von Abhängigkeiten innerhalb des konsistenten Gesamtsystems. Dies legt die Grundlage für eine dynamische Rekonfiguration der Dienste im Fahrzeug, basierend auf dem derzeitigen Betriebsmodus. Neben den genannten Vorteilen führt die Entkopplung der beiden Teilfunktionen der Bewegungsregelung zu neuartigen Herausforderungen wie inkonsistenten Lokalisierungsinformationen, einer grundlegenden Asynchronität der Funktionen und der Notwendigkeit, die Bewegungsplanung möglichst ohne fahrzeugspezifische Adaptionen zu gestalten.

Die vorliegende Arbeit untersucht die Auswirkungen einer gekapselten FTR auf die autonome Fahrzeugführung und präsentiert Lösungen, um die resultierenden Herausforderungen zu beherrschen. Aufbauend auf einer Anforderungsdefinition an die betrachtete FTR liegt als Ergebnis der Arbeit zunächst eine Analyse der Herausforderungen für die Bewegungsregelung innerhalb der definierten Systemarchitektur vor. Durch die Trennung der planenden und ausführenden Ebene führen inkonsistente Lokalisierungsinformationen zu unerwünschtem Verhalten wie einer systematischen Regelabweichung. Die Arbeit stellt den Lösungsraum dar, um solche Effekte zu vermeiden. So wird u. a. gezeigt, dass eine zusätzliche Lokalisierungsangleichung in Form einer Posen-Offsetkorrektur erforderlich ist, um den Einfluss abweichender Lokalisierungsinformationen auf die Regelgüte zu minimieren. Die Planung kinematisch und dynamisch nicht umsetzbarer Trajektorien hat einen negativen Einfluss auf die Fahrzeugführung und muss daher verhindert werden. Es wird dargelegt, dass über eine Rückmeldung von kinematischen und dynamischen Grenzen an die Bewegungsplanung sichergestellt werden kann, dass die Planungsebene nur erfüllbare Aufgaben an die FTR stellt und dass der Planungsalgorithmus darüber hinaus nicht an das betrachtete Fahrzeug adaptiert werden muss. Anforderungen hinsichtlich der Unabhängigkeit von einer konkreten Planungsinstanz sowie der Robustheit ggü. Planungslatenzen und Asynchronitäten werden durch die Definition einer geeigneten Trajektorienschnittstelle erfüllt. Die Schnittstelle ermöglicht darüber hinaus die Ausnutzung der Kenntnis zukünftiger Systemzustände im Rahmen einer prädiktiven Vorsteuerung, wodurch eine Umsetzung des transienten Fahrzeugverhaltens im offenen Regelkreis ermöglicht und somit eine Anpassung der Bewegungsplanung auf die nachgelagerte Aktorik verhindert wird.

Auf Basis der zuvor identifizierten Handlungsbedarfe wird eine Referenzarchitektur und -implementierung für die FTR entwickelt sowie in Versuchen mit Simulationen und Realfahrzeugen nachgewiesen, dass die zuvor identifizierten Herausforderungen mit den aufgezeigten Lösungen beherrscht werden können. Mit der Arbeit wird somit die Grundlage für informierte Entscheidungen über die Fahrzeug-Systemarchitektur gelegt, da die mit einer funktionalen Trennung der planenden und ausführenden Ebene verbundenen Vor- bzw. Nachteile transparent ersichtlich sind.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2023
Autor(en): Homolla, Tobias
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Gekapselte Trajektorienfolgeregelung für autonomes Fahren
Sprache: Deutsch
Referenten: Winner, Prof. Dr. Hermann ; Stiller, Prof. Dr. Christoph
Publikationsjahr: 2023
Ort: Darmstadt
Kollation: XXIV, 180 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 25 Januar 2023
DOI: 10.26083/tuprints-00023144
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/23144
Kurzbeschreibung (Abstract):

Die Bewegungsregelung als Teil der autonomen Fahrzeugführung besteht aus den beiden Teilfunktionen der Bewegungsplanung und Bewegungsausführung. Beide wurden im Kontext von Fahrerassistenzsystemen und Anwendungen aus der Robotik bereits intensiv untersucht, jedoch haben bestehende Ansätze gemein, dass sie häufig auf einen spezifischen Anwendungsfall zugeschnitten sind sowie die beiden Teilfunktionen als Einheit betrachten und daher integriert entwickeln. Als Gegenentwurf zu integrierten Systemarchitekturen haben modulare, serviceorientierte Architekturen für Kraftfahrzeuge zunehmend an Bedeutung gewonnen, mit den Zielen, die resultierende Systemkomplexität zu senken, die Wiederverwertbarkeit von entwickelten Modulen in verschiedenen Anwendungen zu fördern sowie die Wart- und Updatebarkeit der Fahrzeuge zu verbessern. Die Modularisierung kann dabei auch auf die Bewegungsregelung angewendet werden und ermöglicht durch funktionale Trennung der Bewegungsplanung und –ausführung die konsequente Kapselung der ausführenden Fahrdynamik- und Trajektorienregelung (FTR), mit dem Ziel der Minimierung von Abhängigkeiten innerhalb des konsistenten Gesamtsystems. Dies legt die Grundlage für eine dynamische Rekonfiguration der Dienste im Fahrzeug, basierend auf dem derzeitigen Betriebsmodus. Neben den genannten Vorteilen führt die Entkopplung der beiden Teilfunktionen der Bewegungsregelung zu neuartigen Herausforderungen wie inkonsistenten Lokalisierungsinformationen, einer grundlegenden Asynchronität der Funktionen und der Notwendigkeit, die Bewegungsplanung möglichst ohne fahrzeugspezifische Adaptionen zu gestalten.

Die vorliegende Arbeit untersucht die Auswirkungen einer gekapselten FTR auf die autonome Fahrzeugführung und präsentiert Lösungen, um die resultierenden Herausforderungen zu beherrschen. Aufbauend auf einer Anforderungsdefinition an die betrachtete FTR liegt als Ergebnis der Arbeit zunächst eine Analyse der Herausforderungen für die Bewegungsregelung innerhalb der definierten Systemarchitektur vor. Durch die Trennung der planenden und ausführenden Ebene führen inkonsistente Lokalisierungsinformationen zu unerwünschtem Verhalten wie einer systematischen Regelabweichung. Die Arbeit stellt den Lösungsraum dar, um solche Effekte zu vermeiden. So wird u. a. gezeigt, dass eine zusätzliche Lokalisierungsangleichung in Form einer Posen-Offsetkorrektur erforderlich ist, um den Einfluss abweichender Lokalisierungsinformationen auf die Regelgüte zu minimieren. Die Planung kinematisch und dynamisch nicht umsetzbarer Trajektorien hat einen negativen Einfluss auf die Fahrzeugführung und muss daher verhindert werden. Es wird dargelegt, dass über eine Rückmeldung von kinematischen und dynamischen Grenzen an die Bewegungsplanung sichergestellt werden kann, dass die Planungsebene nur erfüllbare Aufgaben an die FTR stellt und dass der Planungsalgorithmus darüber hinaus nicht an das betrachtete Fahrzeug adaptiert werden muss. Anforderungen hinsichtlich der Unabhängigkeit von einer konkreten Planungsinstanz sowie der Robustheit ggü. Planungslatenzen und Asynchronitäten werden durch die Definition einer geeigneten Trajektorienschnittstelle erfüllt. Die Schnittstelle ermöglicht darüber hinaus die Ausnutzung der Kenntnis zukünftiger Systemzustände im Rahmen einer prädiktiven Vorsteuerung, wodurch eine Umsetzung des transienten Fahrzeugverhaltens im offenen Regelkreis ermöglicht und somit eine Anpassung der Bewegungsplanung auf die nachgelagerte Aktorik verhindert wird.

Auf Basis der zuvor identifizierten Handlungsbedarfe wird eine Referenzarchitektur und -implementierung für die FTR entwickelt sowie in Versuchen mit Simulationen und Realfahrzeugen nachgewiesen, dass die zuvor identifizierten Herausforderungen mit den aufgezeigten Lösungen beherrscht werden können. Mit der Arbeit wird somit die Grundlage für informierte Entscheidungen über die Fahrzeug-Systemarchitektur gelegt, da die mit einer funktionalen Trennung der planenden und ausführenden Ebene verbundenen Vor- bzw. Nachteile transparent ersichtlich sind.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The motion control as part of autonomous vehicle guidance consists of the two sub-functions motion planning and motion execution. Both have already been studied intensively in the context of driver assistance systems and applications from robotics, but existing approaches have in common that they are often tailored to a specific use case as well as consider the two sub-functions as a unit and therefore develop them in an integrated manner. As an alternative approach to integrated system architectures, modular, service-oriented architectures have recently gained importance for motor vehicles, with the goals of reducing the resulting system complexity, promoting the reusability of developed modules in different applications, and improving the maintainability and updatability of vehicles. Modularization can be applied to motion control as well and enables the encapsulation of the executing trajectory tracking control through functional separation of motion planning and execution, with the goal of minimizing dependencies within the consistent overall system. This lays the foundation for dynamic reconfiguration of the involved services based on the current vehicle operation mode. In addition to the aforementioned benefits, the separation of the sub-functions leads to novel challenges, such as inconsistent localization information, a fundamental asynchrony of functions, and the need to design motion planning without vehicle-specific adaptations.

This dissertation examines the impact of an encapsulated trajectory tracking control on autonomous vehicle guidance and presents solutions to address the resulting challenges. Based on a definition of requirements for the trajectory tracking control under consideration, the first result of the work is an analysis of the challenges for motion control within the defined architecture. Due to the separation of the planning and execution levels, inconsistent localization information lead to undesired behavior such as a systematic control error. The work presents the solution space to avoid such effects. Among other things, it is shown that an additional localization alignment in the form of a pose offset correction is required to minimize the influence of deviating localization information on the control performance. The planning of kinematically and dynamically unfeasible trajectories has a negative influence on the trajectory tracking control and must therefore be prevented. It is shown that a feedback of kinematic and dynamic limits to the motion planning algorithms can ensure that the planning stage only presents achievable tasks to the trajectory tracking control and that the planning algorithm does not need to be adapted to the vehicle under consideration. Requirements regarding the independence from a specific planning instance as well as the controller’s robustness towards planning latencies and asynchronies are fulfilled by the definition of a suitable trajectory interface. Furthermore, the interface allows the exploitation of knowledge about future system states in the context of a predictive feedforward control, enabling an open-loop execution of transient vehicle behavior and preventing a necessary adaptation of the motion planning to the downstream actuator systems.

Based on the previously identified required actions, a reference architecture and implementation for the trajectory tracking control is developed and it is demonstrated in experiments in simulations and with real vehicles that the identified challenges can be handled with the developed solutions. The research thus enables informed decisions on the system architecture used for automated vehicles since the advantages and disadvantages related to a functional separation of planning and control stages are evident for developers. The flexibility thus gained in the design of the higher-level system architecture supports objectives such as modularization and service-orientation, which are expected to become increasingly important in the future.

Englisch
Freie Schlagworte: Bewegungsregelung, Kapselung, Modularisierung, Trajektorienfolgeregelung, Autonomes Fahren
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-231442
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Fachgebiet Fahrzeugtechnik (FZD)
TU-Projekte: Bund/BMBF|16EMO0286|UNICARagil
Hinterlegungsdatum: 07 Feb 2023 09:09
Letzte Änderung: 08 Feb 2023 06:47
PPN:
Referenten: Winner, Prof. Dr. Hermann ; Stiller, Prof. Dr. Christoph
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 25 Januar 2023
Export:
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