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Experimentelle Einflussgrößenanalyse der Partikelemission von Pkw-Scheibenbremsen

Niemann, Hartmut (2021)
Experimentelle Einflussgrößenanalyse der Partikelemission von Pkw-Scheibenbremsen.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00019209
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Der Betrieb von Scheibenbremsen geht mit der Emission von Verschleißpartikeln einher, die wesentlich zur Gesamtemission von Pkw beiträgt. Für zukünftige Fahrzeugentwicklungen besteht ein Bedarf danach, Stellhebel im Sinne von potentiellen Einflussgrößen auf das Emissionsverhalten zu kennen, um diese als Reduktionsmaßnahmen gezielt nutzen zu können. Hieraus leiten sich die Fragestellungen ab, welche Einflussgrößen auf das Partikelemissionsverhalten existieren und welchen quantitativen Effekt diese Einflussgrößen auf Emissionsgrößen wie die Partikelmassen- und Partikelanzahlemission haben. Darauf aufbauend leitet sich zudem die Frage ab, welche Mechanismen für diese Effekte ursächlich sind.

Hypothetische Reduktionsansätze sind die Änderung der Fahrzeugmasse, die indirekte Beeinflussung von Scheibentemperaturen, die Vermeidung von Restschleifmomenten sowie die Verwendung emissionsarmer Reibmaterialien. Der Stand der Forschung enthält diesbezüglich keine umfassende empirische Erkenntnisgrundlage. Eine weitere bekannte Reduktionsmaßnahme ist eine anteilige Substitution der Reibbremse durch regenerative Bremssysteme. Fahrzeuge mit geringer elektrischer Antriebsleistung können jedoch nur einen leistungsabhängigen Anteil der Reibbremsbetätigungen vermeiden. Ein empirisches Modell (Black-Box) zur simulativen Vorhersage dieses Reduktionspotentials ist nach aktuellem Stand der Forschung nicht bekannt.

Der einerseits an empirischen Grundlagen orientierte und andererseits anwendungsorientierte Ansatz dieser Arbeit besteht daher in der empirischen Einflussgrößenanalyse und der darauf aufbauenden empirischen Modellbildung des Partikelemissionsverhaltens von Pkw-Scheibenbremsen auf einem Schwungmassenprüfstand, um den Effekt dieser Einflussgrößen vorherzusagen.

Die Einflussgrößenanalyse ergab, dass die Geschwindigkeit einen näherungsweise quadratischen bis kubischen Effekt auf PM10-Emissionen aufweist, wohingegen der Effekt des Bremsdruckes auf die PM10-Emission näherungsweise linear ist. Die Geschwindigkeit hat zudem einen gegenläufigen Effekt auf den mittleren Durchmesser PM10-relevanter Partikel. Hiermit lässt sich der überproportionale Effekt der Geschwindigkeit qualitativ erklären, da hohe Geschwindigkeiten die Emission kleiner Partikeldurchmesser begünstigen und somit überproportional häufig den Abscheidedurchmesser von PM10 unterschreiten könnten. Neben dem dominanten Effekt der Geschwindigkeit weist das Emissionsverhalten zudem zeitvariante Effekte in Abhängigkeit der Geschwindigkeits- und Druckhistorie bzw. der Temperaturhistorie auf. Versuchsergebnisse deuten auf ein Reservoirverhalten des Belages bzw. auf thermische Zersetzungsprozesse als ursächliche Mechanismen für das zeitvariante Verhalten hin. Das Reservoirverhalten wurde darüber hinaus als Hauptquelle für Emissionen bei nicht betätigter Bremse identifiziert.

Die empirischen Erkenntnisse sind in einem Modell zusammengeführt, das zur Vorhersage von PM10-Emissionen in WLTP-Fahrzyklen mit variablen Trägheitsmomenten verwendet wurde. Die in diesen Fahrzyklen simulativ vorhergesagte Massenemission stimmt dabei mit der gemessenen Massenemission bis auf eine maximale kumulative Abweichung pro Zyklus von 30 % überein und weist eine maximale Abweichung pro Einzelbremsung um bis zu Faktor 4 auf. Eine Analyse der Abweichung pro Einzelbremsung ergibt keine Korrelation zu bekannten Einflussgrößen. Es bleibt offen, ob die Modellierung anderer, bisher unbekannter Einflussgrößen, diese Varianz senken kann.

Die vorliegende Arbeit erweitert zusammenfassend den Stand der Forschung um eine quantitative Beschreibung des Partikelemissionsverhaltens von Scheibenbremsen in Abhängigkeit von Betriebsgrößen, Reibmaterialien sowie konstruktiven Parametern. Des Weiteren ergänzt sie den bisherigen Erkenntnisstand dahingehend, dass ursächliche Mechanismen für das empirisch beschriebene Verhalten diskutiert und eingegrenzt sind und neue oder weiterhin bestehende Erkenntnislücken konkret aufgezeigt werden.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2021
Autor(en): Niemann, Hartmut
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Experimentelle Einflussgrößenanalyse der Partikelemission von Pkw-Scheibenbremsen
Sprache: Deutsch
Referenten: Winner, Prof. Dr. Hermann ; Ostermeyer, Prof. Dr. Georg-Peter
Publikationsjahr: 2021
Ort: Darmstadt
Kollation: XVIII, 128 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 6 Juli 2021
DOI: 10.26083/tuprints-00019209
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/19209
Kurzbeschreibung (Abstract):

Der Betrieb von Scheibenbremsen geht mit der Emission von Verschleißpartikeln einher, die wesentlich zur Gesamtemission von Pkw beiträgt. Für zukünftige Fahrzeugentwicklungen besteht ein Bedarf danach, Stellhebel im Sinne von potentiellen Einflussgrößen auf das Emissionsverhalten zu kennen, um diese als Reduktionsmaßnahmen gezielt nutzen zu können. Hieraus leiten sich die Fragestellungen ab, welche Einflussgrößen auf das Partikelemissionsverhalten existieren und welchen quantitativen Effekt diese Einflussgrößen auf Emissionsgrößen wie die Partikelmassen- und Partikelanzahlemission haben. Darauf aufbauend leitet sich zudem die Frage ab, welche Mechanismen für diese Effekte ursächlich sind.

Hypothetische Reduktionsansätze sind die Änderung der Fahrzeugmasse, die indirekte Beeinflussung von Scheibentemperaturen, die Vermeidung von Restschleifmomenten sowie die Verwendung emissionsarmer Reibmaterialien. Der Stand der Forschung enthält diesbezüglich keine umfassende empirische Erkenntnisgrundlage. Eine weitere bekannte Reduktionsmaßnahme ist eine anteilige Substitution der Reibbremse durch regenerative Bremssysteme. Fahrzeuge mit geringer elektrischer Antriebsleistung können jedoch nur einen leistungsabhängigen Anteil der Reibbremsbetätigungen vermeiden. Ein empirisches Modell (Black-Box) zur simulativen Vorhersage dieses Reduktionspotentials ist nach aktuellem Stand der Forschung nicht bekannt.

Der einerseits an empirischen Grundlagen orientierte und andererseits anwendungsorientierte Ansatz dieser Arbeit besteht daher in der empirischen Einflussgrößenanalyse und der darauf aufbauenden empirischen Modellbildung des Partikelemissionsverhaltens von Pkw-Scheibenbremsen auf einem Schwungmassenprüfstand, um den Effekt dieser Einflussgrößen vorherzusagen.

Die Einflussgrößenanalyse ergab, dass die Geschwindigkeit einen näherungsweise quadratischen bis kubischen Effekt auf PM10-Emissionen aufweist, wohingegen der Effekt des Bremsdruckes auf die PM10-Emission näherungsweise linear ist. Die Geschwindigkeit hat zudem einen gegenläufigen Effekt auf den mittleren Durchmesser PM10-relevanter Partikel. Hiermit lässt sich der überproportionale Effekt der Geschwindigkeit qualitativ erklären, da hohe Geschwindigkeiten die Emission kleiner Partikeldurchmesser begünstigen und somit überproportional häufig den Abscheidedurchmesser von PM10 unterschreiten könnten. Neben dem dominanten Effekt der Geschwindigkeit weist das Emissionsverhalten zudem zeitvariante Effekte in Abhängigkeit der Geschwindigkeits- und Druckhistorie bzw. der Temperaturhistorie auf. Versuchsergebnisse deuten auf ein Reservoirverhalten des Belages bzw. auf thermische Zersetzungsprozesse als ursächliche Mechanismen für das zeitvariante Verhalten hin. Das Reservoirverhalten wurde darüber hinaus als Hauptquelle für Emissionen bei nicht betätigter Bremse identifiziert.

Die empirischen Erkenntnisse sind in einem Modell zusammengeführt, das zur Vorhersage von PM10-Emissionen in WLTP-Fahrzyklen mit variablen Trägheitsmomenten verwendet wurde. Die in diesen Fahrzyklen simulativ vorhergesagte Massenemission stimmt dabei mit der gemessenen Massenemission bis auf eine maximale kumulative Abweichung pro Zyklus von 30 % überein und weist eine maximale Abweichung pro Einzelbremsung um bis zu Faktor 4 auf. Eine Analyse der Abweichung pro Einzelbremsung ergibt keine Korrelation zu bekannten Einflussgrößen. Es bleibt offen, ob die Modellierung anderer, bisher unbekannter Einflussgrößen, diese Varianz senken kann.

Die vorliegende Arbeit erweitert zusammenfassend den Stand der Forschung um eine quantitative Beschreibung des Partikelemissionsverhaltens von Scheibenbremsen in Abhängigkeit von Betriebsgrößen, Reibmaterialien sowie konstruktiven Parametern. Des Weiteren ergänzt sie den bisherigen Erkenntnisstand dahingehend, dass ursächliche Mechanismen für das empirisch beschriebene Verhalten diskutiert und eingegrenzt sind und neue oder weiterhin bestehende Erkenntnislücken konkret aufgezeigt werden.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The operation of disc brakes is associated with the emission of wear particles, which contributes significantly to the overall emissions of passenger cars. For future vehicle developments, there is a need to know the levers that can potentially influence emissions behavior in order to be able to use them as targeted reduction measures. This leads to the questions of which influencing variables exist on particle emission behavior and what quantitative effect these influencing variables have on emission variables such as particle mass and particle number emissions. Based on this, the question also arises as to which mechanisms are responsible for these effects.

Hypothetical reduction approaches include changing the vehicle mass, indirectly influencing disc temperatures, avoiding residual torques and using low-emission friction materials. The state of research does not contain a comprehensive empirical evidence base in this regard. Another known reduction measure is a proportional substitution of the friction brake by regenerative braking systems. However, vehicles with low electric drive power can only avoid a power-dependent share of friction brake actuations. According to the current state of research, an empirical model (black box) for the simulative prediction of this reduction potential is not known.

Therefore, the approach of this work, which is oriented on empirical principles on the one hand and application-oriented on the other hand, consists of the empirical analysis of the influencing parameters and the empirical modeling of the particle emission behavior of passenger car disc brakes on a flywheel dynamometer based on this analysis, in order to predict the effect of these influence variables.

The analysis of the influencing parameters showed that speed has an approximately quadratic to cubic effect on PM10 emissions, whereas the effect of brake pressure on PM10 emissions is approximately linear. Speed also has an opposite effect on the mean diameter of PM10-relevant particles. Hereby, the disproportionate effect of velocity can be qualitatively explained, since high velocities favor the emission of small particle diameters and thus could disproportionately often fall below the deposition diameter of PM10. In addition to the dominant effect of velocity, the emission behavior also exhibits time-varying effects depending on velocity and pressure history or temperature history. Experimental results suggest reservoir behavior of the pad or thermal decomposition processes as causal mechanisms for the time-varying behavior. Reservoir behavior was further identified as the main source of emissions when the brake is not applied.

The empirical findings are combined in a model that was used to predict PM10 emissions in WLTP driving cycles with variable moments of inertia. Here, the mass emission simulatively predicted in these driving cycles agrees with the measured mass emission up to a maximum cumulative deviation per cycle of 30% and exhibits a maximum deviation per individual braking by up to a factor of 4. An analysis of the deviation per individual braking does not reveal any correlation with known influencing variables. It remains open whether the modeling of other, so far unknown influencing variables, can reduce this variance.

In summary, the present work extends the state of research by a quantitative description of the particle emission behavior of disc brakes as a function of operating variables, friction materials and design parameters. Furthermore, it complements the current state of knowledge in that causal mechanisms for the empirically described behavior are discussed and narrowed down, and new or still existing knowledge gaps are concretely identified.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-192090
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Fachgebiet Fahrzeugtechnik (FZD)
16 Fachbereich Maschinenbau > Fachgebiet Fahrzeugtechnik (FZD) > Bremse
TU-Projekte: Daimler|1059295866|Partikelemissionsarm
Hinterlegungsdatum: 03 Sep 2021 12:17
Letzte Änderung: 07 Sep 2021 05:10
PPN:
Referenten: Winner, Prof. Dr. Hermann ; Ostermeyer, Prof. Dr. Georg-Peter
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 6 Juli 2021
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