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Modellierung des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen zur Unterstützung des lebenszyklusorientierten Carbon Accounting für Unternehmen

Zeulner, Julia (2023)
Modellierung des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen zur Unterstützung des lebenszyklusorientierten Carbon Accounting für Unternehmen.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00024077
Ph.D. Thesis, Primary publication, Publisher's Version

Abstract

Basierend auf dem Green Deal hat Deutschland das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 festgesetzt (Bundesregierung 2021). Obwohl das verarbeitende Gewerbe 2019 für 15,5 % der national emittierten Treibhausgase (THG) verantwortlich war (UBA 2021b), existieren diesbezüglich keine direkten regulativen Vorgaben für den Industriezweig. Die politische Agenda weist lediglich das Zielbild der „Sauberen Produktion“ aus und nennt als Hauptansatzpunkte die Energieminderung und -effizienz (COM 2021). Für eine nachhaltige THG-Emissionsminderung auf Unternehmensebene bedarf es zunächst eines adäquaten Bilanzierungsvorgehens auf Prozessebene, um das THG-Inventar zu erfassen (Carbon Accounting). Der auf der Ökobilanz (engl. Life Cycle Assessment, LCA) (DIN EN ISO 14040:2020; DIN EN ISO 14044:2020) basierende Standard DIN EN ISO 14067:2019 für das Carbon Accounting von Produkten bietet als einziges Rahmenwerk die Möglichkeit, partielle Lebenswegabschnitte eines Produktlebenszyklus zu bilanzieren und somit die Produktion mit ihren Fertigungsprozessen als Hauptemittent abzubilden. Aufgrund des Stellenwertes von Zerspanungsprozessen innerhalb des verarbeitenden Gewerbes (Denkena et al. 2020), deren Umweltrelevanz, v. a. in Bezug auf den Energiebedarf (Panagiotopoulou et al. 2022), sowie dem Mangel einer adäquaten Bilanzierungsmethodik liegt der Forschungsschwerpunkt dieser Dissertation auf der Entwicklung eines lebenszyklus- und praxisorientierten Modellierungs- sowie Carbon Accounting Ansatzes des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen für Unternehmen. Bei der lebenszyklusorientierten Systemmodellierung von Fertigungsprozessen ist ein detailliertes Systemverständnis grundlegend. Daher wurde zunächst die Zusammensetzung des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen analysiert. Neben dem Energiebedarfsanteil für die eigentliche Zerspanung ist dieser vor allem von der Konstruktion der Werkzeugmaschine in Form der installierten Aggregate (konstante und variable Verbrauchergruppen) sowie von den Betriebszuständen abhängig. Für ein ganzheitliches und verursachergerechtes LCA des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen müssen diese Aufwendungen disaggregiert in die Modellierung einfließen. Auf Basis zweier Inputmodelle (Kellens et al. 2012; Balogun und Mativenga 2013) wurde ein parametrisierter Ansatz zur Ermittlung des Gesamtenergiebedarfs von Zerspanungsprozessen, der Extended Energy Modeling Approach (EEMA), entwickelt. Dieser beinhaltet als Hauptelemente Leistungskennwerte der Verbrauchergruppen in Abhängigkeit der Betriebszustände. Der EEMA bildet die Berechnungsgrundlage für das LCA. Aufgrund der modellbasierten Parametrisierung liegt der Mehrwert einerseits darin, wiederverwendbare LCA-Datensätze für den Energiebedarf von Zerspanungsprozessen auf einer Werkzeugmaschine zu generieren. Andererseits können generische Datensätze abgeleitet werden, welche durch die Integration in konventionelle Datenbanken die LCA-Datenlandschaft nachhaltig verbessern können. Diese Verbindung des EEMA mit dem LCA begründet zudem den systematischen Verfahrensansatz unter Berücksichtigung der Anforderungen nach DIN EN ISO 14067:2019, der für Unternehmen zur Unterstützung des prozessbezogenen Carbon Accounting entwickelt wird. Neben dessen Eignungsprüfung anhand der THG-Bilanzierung eines realen Zerspanungsprozesses werden weitere Anwendungsmöglichkeiten der entwickelten Methodiken im unternehmerischen Kontext vorgestellt sowie Grenzen des Ansatzes diskutiert. Im Bereich des LCA bietet die entwickelte Methodik einerseits Verbesserungspotenziale hinsichtlich der Verfügbarkeit praxisnaher Daten und steigert somit die Aussagekraft ermittelter Umweltwirkungen von produkt- und prozessbezogenen LCA-Studien. Andererseits hilft der entwickelte systematische Verfahrensansatz Unternehmen bei einem effizienten Carbon Accounting des Energiebedarfs ihrer Zerspanungsprozesse und schafft durch die hohe Transparenz die Grundlage, Treiber der prozessbedingten THG-Emissionen zu identifizieren und damit verbundene THG-Emissionen nachhaltig zu senken.

Item Type: Ph.D. Thesis
Erschienen: 2023
Creators: Zeulner, Julia
Type of entry: Primary publication
Title: Modellierung des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen zur Unterstützung des lebenszyklusorientierten Carbon Accounting für Unternehmen
Language: German
Referees: Schebek, Prof. Dr. Liselotte ; Rohde, Prof. Dr. Clemens
Date: 2023
Place of Publication: Darmstadt
Collation: XI, 178 Seiten
Refereed: 18 April 2023
DOI: 10.26083/tuprints-00024077
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/24077
Abstract:

Basierend auf dem Green Deal hat Deutschland das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 festgesetzt (Bundesregierung 2021). Obwohl das verarbeitende Gewerbe 2019 für 15,5 % der national emittierten Treibhausgase (THG) verantwortlich war (UBA 2021b), existieren diesbezüglich keine direkten regulativen Vorgaben für den Industriezweig. Die politische Agenda weist lediglich das Zielbild der „Sauberen Produktion“ aus und nennt als Hauptansatzpunkte die Energieminderung und -effizienz (COM 2021). Für eine nachhaltige THG-Emissionsminderung auf Unternehmensebene bedarf es zunächst eines adäquaten Bilanzierungsvorgehens auf Prozessebene, um das THG-Inventar zu erfassen (Carbon Accounting). Der auf der Ökobilanz (engl. Life Cycle Assessment, LCA) (DIN EN ISO 14040:2020; DIN EN ISO 14044:2020) basierende Standard DIN EN ISO 14067:2019 für das Carbon Accounting von Produkten bietet als einziges Rahmenwerk die Möglichkeit, partielle Lebenswegabschnitte eines Produktlebenszyklus zu bilanzieren und somit die Produktion mit ihren Fertigungsprozessen als Hauptemittent abzubilden. Aufgrund des Stellenwertes von Zerspanungsprozessen innerhalb des verarbeitenden Gewerbes (Denkena et al. 2020), deren Umweltrelevanz, v. a. in Bezug auf den Energiebedarf (Panagiotopoulou et al. 2022), sowie dem Mangel einer adäquaten Bilanzierungsmethodik liegt der Forschungsschwerpunkt dieser Dissertation auf der Entwicklung eines lebenszyklus- und praxisorientierten Modellierungs- sowie Carbon Accounting Ansatzes des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen für Unternehmen. Bei der lebenszyklusorientierten Systemmodellierung von Fertigungsprozessen ist ein detailliertes Systemverständnis grundlegend. Daher wurde zunächst die Zusammensetzung des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen analysiert. Neben dem Energiebedarfsanteil für die eigentliche Zerspanung ist dieser vor allem von der Konstruktion der Werkzeugmaschine in Form der installierten Aggregate (konstante und variable Verbrauchergruppen) sowie von den Betriebszuständen abhängig. Für ein ganzheitliches und verursachergerechtes LCA des Energiebedarfs von Zerspanungsprozessen müssen diese Aufwendungen disaggregiert in die Modellierung einfließen. Auf Basis zweier Inputmodelle (Kellens et al. 2012; Balogun und Mativenga 2013) wurde ein parametrisierter Ansatz zur Ermittlung des Gesamtenergiebedarfs von Zerspanungsprozessen, der Extended Energy Modeling Approach (EEMA), entwickelt. Dieser beinhaltet als Hauptelemente Leistungskennwerte der Verbrauchergruppen in Abhängigkeit der Betriebszustände. Der EEMA bildet die Berechnungsgrundlage für das LCA. Aufgrund der modellbasierten Parametrisierung liegt der Mehrwert einerseits darin, wiederverwendbare LCA-Datensätze für den Energiebedarf von Zerspanungsprozessen auf einer Werkzeugmaschine zu generieren. Andererseits können generische Datensätze abgeleitet werden, welche durch die Integration in konventionelle Datenbanken die LCA-Datenlandschaft nachhaltig verbessern können. Diese Verbindung des EEMA mit dem LCA begründet zudem den systematischen Verfahrensansatz unter Berücksichtigung der Anforderungen nach DIN EN ISO 14067:2019, der für Unternehmen zur Unterstützung des prozessbezogenen Carbon Accounting entwickelt wird. Neben dessen Eignungsprüfung anhand der THG-Bilanzierung eines realen Zerspanungsprozesses werden weitere Anwendungsmöglichkeiten der entwickelten Methodiken im unternehmerischen Kontext vorgestellt sowie Grenzen des Ansatzes diskutiert. Im Bereich des LCA bietet die entwickelte Methodik einerseits Verbesserungspotenziale hinsichtlich der Verfügbarkeit praxisnaher Daten und steigert somit die Aussagekraft ermittelter Umweltwirkungen von produkt- und prozessbezogenen LCA-Studien. Andererseits hilft der entwickelte systematische Verfahrensansatz Unternehmen bei einem effizienten Carbon Accounting des Energiebedarfs ihrer Zerspanungsprozesse und schafft durch die hohe Transparenz die Grundlage, Treiber der prozessbedingten THG-Emissionen zu identifizieren und damit verbundene THG-Emissionen nachhaltig zu senken.

Alternative Abstract:
Alternative abstract Language

Based on the Green Deal, Germany has set the target of greenhouse gas neutrality by 2045 (Bundesregierung 2021). Although the manufacturing sector was responsible for 15.5 % of national greenhouse gas (GHG) emissions in 2019 (UBA 2021b), no direct regulatory requirements exist for the industrial sector. The political agenda merely proclaims the "Cleaner Production" goal and mentions energy reduction and efficiency as the main objectives (COM 2021). For a sustainable GHG emission reduction at the corporate level, an adequate accounting procedure at the process level is needed to capture the GHG inventory (carbon accounting). The DIN EN ISO 14067:2019 standard for product carbon accounting based on the methodology of Life Cycle Assessment (LCA) (DIN EN ISO 14040:2020; DIN EN ISO 14044:2020) is the only framework that offers the possibility to account for partial life cycle stages of a product's life cycle. Thus, the standard enables to map the actual production with its manufacturing processes as the main issuer. Due to the importance of machining processes within the manufacturing industry (Denkena et al. 2020), their environmental relevance, especially concerning their energy demand (Panagiotopoulou et al. 2022), and the lack of an adequate accounting approach, the research focus of the dissertation is on the development of a life cycle- and practice-oriented modeling and carbon accounting approach of the energy demand of machining processes for manufacturing companies. A detailed understanding of the system is fundamental in lifecycle-oriented system modeling of manufacturing processes. Thus, the composition of the energy demand of machining processes was analyzed first. In addition to the energy demand share for the cutting process, the total energy demand is primarily dependent on the design of the machine tool in the form of the installed aggregates (constant and variable consumer groups) as well as on the operating states. For a holistic and cause-related LCA of the energy demand of machining processes, these expenditures must be included within the modeling approach in a disaggregated manner. Based on two input models (Balogun und Mativenga 2013; Kellens et al. 2012b), a parameterized modeling approach for determining the total energy demand of machining processes, the Extended Energy Modeling Approach (EEMA), was developed. It includes as main elements power key values of the consumer groups depending on the operating states. The EEMA forms the calculation basis for the LCA. Due to the model-based parameterization, the added value lies on the one hand in generating reusable LCA datasets for the energy demand of machining processes on a machine tool. On the other hand, it is possible to derive generic datasets which can sustainably improve the LCA data landscape by integrating them into conventional databases. Furthermore, this linking of the EEMA with the LCA substantiates the systematic procedural approach for the life cycle- and practice-oriented carbon accounting considering the requirements according to DIN EN ISO 14067:2019, which is developed for companies to support process-related carbon accounting. In addition, a suitability test of the systematic procedural approach for the GHG balancing of a real-world machining process is conducted, further application possibilities of the developed methodologies in the corporate context are presented, and limitations of the methodological approaches are discussed. In the field of LCA, the methodology offers the potential for improving the availability of practice-related data and thus increases the credibility of the identified environmental impacts of product- and process-related LCA studies. Furthermore, the systematic approach helps companies with an efficient carbon accounting of the energy demand of their machining processes and, due to the high level of transparency, creates the necessary basis for identifying the drivers of process-related GHG emissions and reducing related emissions sustainably.

English
Status: Publisher's Version
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-240775
Classification DDC: 600 Technology, medicine, applied sciences > 624 Civil engineering and environmental protection engineering
600 Technology, medicine, applied sciences > 670 Manufacturing
Divisions: 13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences
13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institute IWAR
13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institute IWAR > Material Flow Management and Resource Economy
Date Deposited: 23 Jun 2023 12:03
Last Modified: 26 Jun 2023 06:00
PPN:
Referees: Schebek, Prof. Dr. Liselotte ; Rohde, Prof. Dr. Clemens
Refereed / Verteidigung / mdl. Prüfung: 18 April 2023
Export:
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