Schönberger, Marika (2016)
Optimierung der Lichtsignalsteuerung unter der Berücksichtigung des
Fußgängerverkehrs.
Technische Universität Darmstadt
Masterarbeit, Bibliographie
Kurzbeschreibung (Abstract)
Lichtsignalsteuerungen dienen der Steuerung des multimodalen Verkehrs, besonders im städtischen Bereich. Das Ziel einer optimalen Signalsteuerung ist die Anpassung an die Verkehrsverhältnisse zur Minimierung der negativen Auswirkungen, wie hohe Wartezeiten. Häufig werden hierbei jedoch nur Kfz- Wartezeiten in die Optimierung einbezogen. Ein multimodaler Ansatz zur Berücksichtigung der Belange aller Verkehrsteilnehmer fehlt in den überwiegenden Fällen. Die vorliegende Master-Arbeit befasst sich daher mit der Entwicklung einer Optimierungsmethode unter der Berücksichtigung des Fußgängerverkehrs. Unterschieden wird hierbei zwischen der offline-Optimierung anhand fester Werte und der online-Optimierung als Anpassung an aktuelle Messdaten. Die Steuerung von Lichtsignalanlagen lässt sich in mehrere Verfahren gliedern. Die einfachste Form ist das Festzeitprogramm, auch festes Schaltprogramm genannt, das sich aus unveränderlichen Parametern zusammensetzt. Es handelt sich hierbei um ein stationäres Verfahren. Instationäre Verfahren bieten die Möglichkeit auf die aktuelle Verkehrssituation zu reagieren. Eine erste Anpassung ist durch die Signalprogrammauswahl möglich, die abhängig vom Verkehr oder einem Betriebszeitenplan erfolgen kann. Mit Hilfe der Signalprogrammmodifikation können die Freigabezeiten oder die Phasenfolge an die Verkehrsverhältnisse angepasst werden. Bis auf einige sicherheitstechnische Aspekte sind alle Elemente der Signalsteuerung bei dem Verfahren der Signalprogrammbildung veränderlich. Die Umsetzung der instationären Verfahren ist regel-/messwertbasiert und modellbasiert/adaptiv möglich. Regel- bzw. messwertbasierte Verfahren durchlaufen sekündlich eine Ablauflogik mit logischen und zeitlichen Bedingungen zur Anpassung situationsabhängiger Parameter. Die Qualität der Signalsteuerung ist abhängig vom planenden Ingenieur. Eine Optimierung findet nicht statt. Modellbasierte bzw. adaptive Steuerungsverfahren arbeiten mit verschiedenen Modellen. Verkehrsmodelle dienen zur Erfassung des Verkehrs und zur Ermittlung weiterer Kenngrößen, wie beispielsweise den Wartezeiten. Das Optimierungsmodell sucht anhand einer vorgegebenen Zielfunktion und unter der Variation der Steuerungsparameter nach dem optimalen Signalprogramm. Das Ziel der offline-Optimierung ist die Erstellung optimaler Festzeitprogramme anhand von Zähldaten zur tageszeitabhängigen Signalprogrammauswahl. Die online-Optimierung erfolgt mit Hilfe eines adaptiven Steuerungsverfahrens. Die Entwicklung der Optimierungsmethode gliedert sich hierbei in die Auswahl eines Verfahrens zur Kenngrößenermittlung, in die Erstellung einer neuen Zielfunktion und die Auswahl eines geeigneten Optimierungsverfahrens. Die Kenngrößenermittlung der offline-Optimierung erfolgt rechnerisch. So bietet das HBS (2015)1 Vorgaben zur Ermittlung von Wartezeiten sowohl für den Kfz- als auch den Fußgängerverkehr. Als Eingangsgrößen dienen die ausgewerteten Verkehrsbelastungen der Spitzenstunden einer Verkehrserhebung. Die Kenngrößenermittlung der online-Optimierung erfolgt anhand von Modellen. Verkehrsnachfragemodelle dienen der Beschreibung aktueller Verkehrsdaten und ihrer Prognose. Die Nachbildung des Verkehrsablaufs erfolgt durch Verkehrsflussmodelle. Verkehrswirkungsmodelle leiten abschließend die verkehrsbedingten Wirkungen, unter anderem die Wartezeiten, ab. Bei der Zielfunktion handelt es, sich in Anlehnung an die Bewertungsmethode nach Hunter et al. (2011)2, um eine, in Abhängigkeit der Teilnehmerzahl gewichtete, mittlere Wartezeit aller Verkehrsteilnehmer. In der Offline-Optimierung sind dies die jeweils höchste mittlere Wartezeit des Kfz-Verkehrs und die höchste maximale Wartezeit des Fußgängerverkehrs nach HBS (2015)1. Für eine situationsabhängige Gewichtung der Wartezeiten wurden zusätzlich verschiedene Gewichtungsfaktoren eingeführt. Eine Abwägung zwischen Fußgängern und Fahrzeugen diente hierbei als Grundlage. Kraftfahrzeuge bieten einen hohen Komfort und die Möglichkeit der individuellen Fortbewegung bei kurzen Reisezeiten. Hohe Wartezeiten führen zu einem vermehrten Ausstoß von Emissionen in Form von Schadstoffen und Lärm. Aufgrund ihres hohen Platzbedarfs und begrenzter Flächen im Kreuzungsbereich, sind Überstauungen innerhalb des Knotenpunktes bei hohen Wartezeiten möglich und können sich negativ auf das gesamte Netz auswirken. Der Fußgängerverkehr gilt als besonders umweltfreundlich und die Baukosten der Infrastruktur sind gering. Aufgrund seiner fehlenden „Hülle“ ist er Umwelteinflüssen schutzlos ausgeliefert. Unfälle sind zwar relativ selten, die Verletzungen in der Regel jedoch schwerwiegender. Fußgänger reagieren besonders empfindlich auf lange Wartezeiten. „Rotgehen“ oder das Ausweichen auf die Strecke können die Folge sein. Zur Berücksichtigung dieser Faktoren wurden für die Offline-Optimierung folgende Gewichtungsmöglichkeiten eingeführt. Der Standortfaktor berücksichtigt die Merkmale der näheren Umgebung, wie lärmempfindliche oder schutzbedürftige Einrichtungen. Der Faktor der Netzbedeutung bezieht die Relevanz des Knotenpunktes für die Teilnehmergruppen, wie z.B. seine Verbindungsfunktion, in die Bewertung ein. Geringe Aufstellflächen, sowohl für den Kfz- als auch den Fußgängerverkehr, werden durch den Faktor der Knotenpunktsform berücksichtigt. Der historische Faktor lässt Umwelt- und Unfalldaten in die Gewichtung der Wartezeiten einfließen. Innerhalb der Online-Optimierung stehen zwei weitere Gewichtungsfaktoren zur Verfügung. Der witterungsabhängige Faktor berücksichtigt die Schutzlosigkeit des Fußgängers bei Niederschlägen. Überschreitungen von Emissionsgrenzwerten sollen durch die Gewichtung des Kfz-Verkehrs mit dem umweltabhängigen Faktor vermieden werden. Unter Optimierung versteht man das beste Resultat, das unter gegeben Bedingungen erreicht werden kann. Mathematisch betrachtet, handelt es sich um die optimale Lösung einer Funktion in Form eines Minimums oder Maximums. Ein lokales Optimum beschränkt sich auf einen Teilbereich des Lösungsraumes, währenddessen das globale Optimum das Minimum bzw. Maximum des gesamten Lösungsraumes darstellt. Das Optimierungskriterium definiert den Zielfunktionswert, wobei es sich in der Optimierung von Lichtsignalanlagen häufig um die minimalen Wartezeiten handelt. Optimierungsparameter dienen der Lösung des Optimierungsproblems und umfassen hier alle veränderlichen Bestandteile des Signalprogramms, wie die Phasenaufteilung und -folge oder die Freigabezeiten der Signalgruppen. Die Verfahren zur Lösung von Optimierungsproblemen lassen sich in vier Gruppen unterteilen. Die exakten Verfahren führen zur sicheren Lösung des Problems nach einer endlichen Anzahl von Schritten. Beispiele hierfür sind die vollständige Enumeration oder analytische Verfahren. Näherungsverfahren konvergieren lediglich gegen das gesuchte Optimum. Aussagen über die Güte der ermittelten Lösung sind hierbei möglich. Das Probierverfahren produziert systematisch willkürliche Lösungen, wodurch Angaben über die Qualität der Lösung nicht gegeben werden können. Heuristiken dienen der Findung einer möglichst guten Lösung in kurzer Zeit. Verwendungen finden sich vor allem in Bereichen, in denen andere Verfahren aufgrund der hohen Rechenzeiten an ihre Grenzen gelangen, wie das Lösen NP-schwerer Probleme. Unterschieden wird hierbei zwischen Konstruktionsheuristiken für das Finden einer ersten guten Lösung und den Verbesserungsheuristiken zur stetigen Verbesserung der Ergebnisse. Metaheuristiken dienen der systematischen Überwindung lokaler Optima. Häufig zur Optimierung von Lichtsignalsteuerungen verwendete Verfahren sind populationsbasierte Heuristiken, wie der genetische Algorithmus. In Anlehnung an die Evolutions- und Vererbungslehre nach Darwin und Mendel unterscheidet der Algorithmus zwischen einem Gen, einem Chromosom und einer Population. Ein Gen entspricht einem Teil der Lösung, das Chromosom einer möglichen Gesamtlösung des Optimierungsproblems und die Population einer Menge von Chromosomen. Über mehrere Generationen werden durch Rekombination und Mutation neue Populationen möglicher Lösungen produziert. Abhängig ihres Fitnesswertes, der über die Zielfunktion ermittelt wird, werden schlechte Lösungen selektiert. Die beste Lösung ist nach der Erreichung eines vorgegebenen Abbruchkriteriums gefunden. Ausgehend von diesen Erkenntnissen gliedert sich die entwickelte Optimierungsmethode in die rechnerische bzw. modellhafte Kenngrößenermittlung, die Bestimmung der Gewichtungsfaktoren und die abschließende Optimierung der Zielfunktion in Form der multimodalen Gesamtwartezeit mit Hilfe eines genetischen Algorithmus. Die Anwendung und Überprüfung der Methode erfolgte anhand der Offline- Optimierung eines 4-armigen Knotenpunktes in der Darmstädter Innenstadt. Die Offline-Optimierung des Fallbeispiels wurde in mehrere Teilprobleme zerlegt. Eine Verkehrszählung diente der Erhebung der Eingangsgrößen zur rechnerischen Ermittlung der Kenngrößen und zur verkehrsabhängigen Gewichtung. Die Festlegung der Phasenaufteilung und -folge erfolgte unter der Abwägung qualitativer und sicherheitstechnischer Aspekte sowie unter der Berücksichtigung der maßgebenden Verkehrsstärken. Die optimale Phasenfolge bestimmte sich anhand der kritischen Zwischenzeitensummen verschiedener Varianten. Anschließend erfolgte die Beurteilung des Knotenpunktes anhand der situationsabhängigen Gewichtungsfaktoren. Die Optimierung wurde mit Hilfe eines genetischen Algorithmus des Programms MATLAB durchgeführt. Unter der Variation der Gewichtungsfaktoren zeigten sich folgende Ergebnisse. Ein erster Einfluss der Fußgängerwartezeiten innerhalb der Zielfunktion zeigte sich bei einer 4-fachen bzw. 2-fachen Gewichtung der Anzahl der Fußgänger. Während die maximalen Fußgängerwartezeiten sich um mehrere Sekunden verringerten, stiegen die Kfz-Wartezeiten kaum. Eine weitere Verbesserung der Fußgängerwartezeiten erfolgte durch die 8-fache bzw. 25-fache Gewichtung in der Abendspitze. Aufgrund des Erreichens der minimalen Phasenlänge einer einzelnen Phase, stiegen die Kfz-Wartezeiten anderer Ströme mit der höheren Gewichtung der Fußgänger im weiteren Verlauf stark an. Bei einer Gewichtung mit dem Faktor „38“ bzw. „46“ übertrafen die Wartezeiten des Kfz-Verkehrs die Fußgängerwartezeiten. Die mittleren Wartezeiten, bezogen auf die Teilnehmerzahl der Gruppen, erhöhten sich aufgrund der geringen Anzahl an Fußgängern stetig. Zur Überprüfung der entwickelten Optimierungsmethode erfolgte die Simulation des Fallbeispiels durch das mikroskopische Verkehrsflussmodell VISSIM. Aufgrund fehlender Datensätze zur Überprüfung des simulierten Netzes konnten hierbei lediglich qualitative Aussagen getroffen werden. Die Simulation erfolgte anhand der zuvor ermittelten optimalen Signalprogramme unterschiedlich gewichteter Zielfunktionen. Die Ergebnisse entsprachen den Erkenntnissen der Optimierung qualitativ. Mit steigender Gewichtung der Fußgängerwartezeiten, verringerten sich deren Reisezeitverluste, während die Verlustzeiten des Kfz-Verkehrs mit zunehmender Stärke stiegen. Bei der Anwendung der Optimierungsmethode und der Bewertung des Knotenpunktes hinsichtlich der situationsabhängigen Gewichtungsfaktoren sind die Auswirkungen vor Ort differenziert zu betrachten. Eine hohe Gewichtung der Fußgängerwartezeiten erhöht den Komfort und macht den fußläufigen Verkehr unter Umständen attraktiver. Sicherheitsrisiken wie das „Rotgehen“ oder die Gefährdung von Kindern können durch kurze Wartezeiten reduziert werden. Geringe Fußgängerwartezeiten erhöhen in der Regel jedoch gleichzeitig die Wartezeiten des Kfz-Verkehrs. Hohe Reisezeitverluste und mögliche Überstauungen in benachbarte Knotenpunkte sind die Konsequenz. Der erhöhte Ausstoß von Abgasen oder Lärm betrifft gerade die nähere Umgebung und damit auch den wartenden Fußgänger. Ein erster Vorschlag ist die standardmäßige Gewichtung der Fußgängerwartezeiten mit dem Faktor „3“ als Ausgleich der Komforteinbußen des ungeschützten Fußgängers. Ein weiterer Einfluss ist durch den Planer mit Hilfe der situationsabhängigen Gewichtungsfaktoren möglich. In folgenden Studien sind die Teilnehmergruppen Radfahrer und ÖPNV in die Optimierungsmethode einzubeziehen. Größere Feldstudien zur Überprüfung der Gewichtungsfaktoren sowie die Umsetzung der Methode als adaptive Signalsteuerung sind Ziel der weiteren Entwicklung.
Typ des Eintrags: | Masterarbeit | ||||
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Erschienen: | 2016 | ||||
Autor(en): | Schönberger, Marika | ||||
Art des Eintrags: | Bibliographie | ||||
Titel: | Optimierung der Lichtsignalsteuerung unter der Berücksichtigung des Fußgängerverkehrs | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Jiang, M. Sc. Wei | ||||
Publikationsjahr: | 2016 | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 2016 | ||||
URL / URN: | https://www.verkehr.tu-darmstadt.de/media/verkehr/fgvv/beruf... | ||||
Zugehörige Links: | |||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Lichtsignalsteuerungen dienen der Steuerung des multimodalen Verkehrs, besonders im städtischen Bereich. Das Ziel einer optimalen Signalsteuerung ist die Anpassung an die Verkehrsverhältnisse zur Minimierung der negativen Auswirkungen, wie hohe Wartezeiten. Häufig werden hierbei jedoch nur Kfz- Wartezeiten in die Optimierung einbezogen. Ein multimodaler Ansatz zur Berücksichtigung der Belange aller Verkehrsteilnehmer fehlt in den überwiegenden Fällen. Die vorliegende Master-Arbeit befasst sich daher mit der Entwicklung einer Optimierungsmethode unter der Berücksichtigung des Fußgängerverkehrs. Unterschieden wird hierbei zwischen der offline-Optimierung anhand fester Werte und der online-Optimierung als Anpassung an aktuelle Messdaten. Die Steuerung von Lichtsignalanlagen lässt sich in mehrere Verfahren gliedern. Die einfachste Form ist das Festzeitprogramm, auch festes Schaltprogramm genannt, das sich aus unveränderlichen Parametern zusammensetzt. Es handelt sich hierbei um ein stationäres Verfahren. Instationäre Verfahren bieten die Möglichkeit auf die aktuelle Verkehrssituation zu reagieren. Eine erste Anpassung ist durch die Signalprogrammauswahl möglich, die abhängig vom Verkehr oder einem Betriebszeitenplan erfolgen kann. Mit Hilfe der Signalprogrammmodifikation können die Freigabezeiten oder die Phasenfolge an die Verkehrsverhältnisse angepasst werden. Bis auf einige sicherheitstechnische Aspekte sind alle Elemente der Signalsteuerung bei dem Verfahren der Signalprogrammbildung veränderlich. Die Umsetzung der instationären Verfahren ist regel-/messwertbasiert und modellbasiert/adaptiv möglich. Regel- bzw. messwertbasierte Verfahren durchlaufen sekündlich eine Ablauflogik mit logischen und zeitlichen Bedingungen zur Anpassung situationsabhängiger Parameter. Die Qualität der Signalsteuerung ist abhängig vom planenden Ingenieur. Eine Optimierung findet nicht statt. Modellbasierte bzw. adaptive Steuerungsverfahren arbeiten mit verschiedenen Modellen. Verkehrsmodelle dienen zur Erfassung des Verkehrs und zur Ermittlung weiterer Kenngrößen, wie beispielsweise den Wartezeiten. Das Optimierungsmodell sucht anhand einer vorgegebenen Zielfunktion und unter der Variation der Steuerungsparameter nach dem optimalen Signalprogramm. Das Ziel der offline-Optimierung ist die Erstellung optimaler Festzeitprogramme anhand von Zähldaten zur tageszeitabhängigen Signalprogrammauswahl. Die online-Optimierung erfolgt mit Hilfe eines adaptiven Steuerungsverfahrens. Die Entwicklung der Optimierungsmethode gliedert sich hierbei in die Auswahl eines Verfahrens zur Kenngrößenermittlung, in die Erstellung einer neuen Zielfunktion und die Auswahl eines geeigneten Optimierungsverfahrens. Die Kenngrößenermittlung der offline-Optimierung erfolgt rechnerisch. So bietet das HBS (2015)1 Vorgaben zur Ermittlung von Wartezeiten sowohl für den Kfz- als auch den Fußgängerverkehr. Als Eingangsgrößen dienen die ausgewerteten Verkehrsbelastungen der Spitzenstunden einer Verkehrserhebung. Die Kenngrößenermittlung der online-Optimierung erfolgt anhand von Modellen. Verkehrsnachfragemodelle dienen der Beschreibung aktueller Verkehrsdaten und ihrer Prognose. Die Nachbildung des Verkehrsablaufs erfolgt durch Verkehrsflussmodelle. Verkehrswirkungsmodelle leiten abschließend die verkehrsbedingten Wirkungen, unter anderem die Wartezeiten, ab. Bei der Zielfunktion handelt es, sich in Anlehnung an die Bewertungsmethode nach Hunter et al. (2011)2, um eine, in Abhängigkeit der Teilnehmerzahl gewichtete, mittlere Wartezeit aller Verkehrsteilnehmer. In der Offline-Optimierung sind dies die jeweils höchste mittlere Wartezeit des Kfz-Verkehrs und die höchste maximale Wartezeit des Fußgängerverkehrs nach HBS (2015)1. Für eine situationsabhängige Gewichtung der Wartezeiten wurden zusätzlich verschiedene Gewichtungsfaktoren eingeführt. Eine Abwägung zwischen Fußgängern und Fahrzeugen diente hierbei als Grundlage. Kraftfahrzeuge bieten einen hohen Komfort und die Möglichkeit der individuellen Fortbewegung bei kurzen Reisezeiten. Hohe Wartezeiten führen zu einem vermehrten Ausstoß von Emissionen in Form von Schadstoffen und Lärm. Aufgrund ihres hohen Platzbedarfs und begrenzter Flächen im Kreuzungsbereich, sind Überstauungen innerhalb des Knotenpunktes bei hohen Wartezeiten möglich und können sich negativ auf das gesamte Netz auswirken. Der Fußgängerverkehr gilt als besonders umweltfreundlich und die Baukosten der Infrastruktur sind gering. Aufgrund seiner fehlenden „Hülle“ ist er Umwelteinflüssen schutzlos ausgeliefert. Unfälle sind zwar relativ selten, die Verletzungen in der Regel jedoch schwerwiegender. Fußgänger reagieren besonders empfindlich auf lange Wartezeiten. „Rotgehen“ oder das Ausweichen auf die Strecke können die Folge sein. Zur Berücksichtigung dieser Faktoren wurden für die Offline-Optimierung folgende Gewichtungsmöglichkeiten eingeführt. Der Standortfaktor berücksichtigt die Merkmale der näheren Umgebung, wie lärmempfindliche oder schutzbedürftige Einrichtungen. Der Faktor der Netzbedeutung bezieht die Relevanz des Knotenpunktes für die Teilnehmergruppen, wie z.B. seine Verbindungsfunktion, in die Bewertung ein. Geringe Aufstellflächen, sowohl für den Kfz- als auch den Fußgängerverkehr, werden durch den Faktor der Knotenpunktsform berücksichtigt. Der historische Faktor lässt Umwelt- und Unfalldaten in die Gewichtung der Wartezeiten einfließen. Innerhalb der Online-Optimierung stehen zwei weitere Gewichtungsfaktoren zur Verfügung. Der witterungsabhängige Faktor berücksichtigt die Schutzlosigkeit des Fußgängers bei Niederschlägen. Überschreitungen von Emissionsgrenzwerten sollen durch die Gewichtung des Kfz-Verkehrs mit dem umweltabhängigen Faktor vermieden werden. Unter Optimierung versteht man das beste Resultat, das unter gegeben Bedingungen erreicht werden kann. Mathematisch betrachtet, handelt es sich um die optimale Lösung einer Funktion in Form eines Minimums oder Maximums. Ein lokales Optimum beschränkt sich auf einen Teilbereich des Lösungsraumes, währenddessen das globale Optimum das Minimum bzw. Maximum des gesamten Lösungsraumes darstellt. Das Optimierungskriterium definiert den Zielfunktionswert, wobei es sich in der Optimierung von Lichtsignalanlagen häufig um die minimalen Wartezeiten handelt. Optimierungsparameter dienen der Lösung des Optimierungsproblems und umfassen hier alle veränderlichen Bestandteile des Signalprogramms, wie die Phasenaufteilung und -folge oder die Freigabezeiten der Signalgruppen. Die Verfahren zur Lösung von Optimierungsproblemen lassen sich in vier Gruppen unterteilen. Die exakten Verfahren führen zur sicheren Lösung des Problems nach einer endlichen Anzahl von Schritten. Beispiele hierfür sind die vollständige Enumeration oder analytische Verfahren. Näherungsverfahren konvergieren lediglich gegen das gesuchte Optimum. Aussagen über die Güte der ermittelten Lösung sind hierbei möglich. Das Probierverfahren produziert systematisch willkürliche Lösungen, wodurch Angaben über die Qualität der Lösung nicht gegeben werden können. Heuristiken dienen der Findung einer möglichst guten Lösung in kurzer Zeit. Verwendungen finden sich vor allem in Bereichen, in denen andere Verfahren aufgrund der hohen Rechenzeiten an ihre Grenzen gelangen, wie das Lösen NP-schwerer Probleme. Unterschieden wird hierbei zwischen Konstruktionsheuristiken für das Finden einer ersten guten Lösung und den Verbesserungsheuristiken zur stetigen Verbesserung der Ergebnisse. Metaheuristiken dienen der systematischen Überwindung lokaler Optima. Häufig zur Optimierung von Lichtsignalsteuerungen verwendete Verfahren sind populationsbasierte Heuristiken, wie der genetische Algorithmus. In Anlehnung an die Evolutions- und Vererbungslehre nach Darwin und Mendel unterscheidet der Algorithmus zwischen einem Gen, einem Chromosom und einer Population. Ein Gen entspricht einem Teil der Lösung, das Chromosom einer möglichen Gesamtlösung des Optimierungsproblems und die Population einer Menge von Chromosomen. Über mehrere Generationen werden durch Rekombination und Mutation neue Populationen möglicher Lösungen produziert. Abhängig ihres Fitnesswertes, der über die Zielfunktion ermittelt wird, werden schlechte Lösungen selektiert. Die beste Lösung ist nach der Erreichung eines vorgegebenen Abbruchkriteriums gefunden. Ausgehend von diesen Erkenntnissen gliedert sich die entwickelte Optimierungsmethode in die rechnerische bzw. modellhafte Kenngrößenermittlung, die Bestimmung der Gewichtungsfaktoren und die abschließende Optimierung der Zielfunktion in Form der multimodalen Gesamtwartezeit mit Hilfe eines genetischen Algorithmus. Die Anwendung und Überprüfung der Methode erfolgte anhand der Offline- Optimierung eines 4-armigen Knotenpunktes in der Darmstädter Innenstadt. Die Offline-Optimierung des Fallbeispiels wurde in mehrere Teilprobleme zerlegt. Eine Verkehrszählung diente der Erhebung der Eingangsgrößen zur rechnerischen Ermittlung der Kenngrößen und zur verkehrsabhängigen Gewichtung. Die Festlegung der Phasenaufteilung und -folge erfolgte unter der Abwägung qualitativer und sicherheitstechnischer Aspekte sowie unter der Berücksichtigung der maßgebenden Verkehrsstärken. Die optimale Phasenfolge bestimmte sich anhand der kritischen Zwischenzeitensummen verschiedener Varianten. Anschließend erfolgte die Beurteilung des Knotenpunktes anhand der situationsabhängigen Gewichtungsfaktoren. Die Optimierung wurde mit Hilfe eines genetischen Algorithmus des Programms MATLAB durchgeführt. Unter der Variation der Gewichtungsfaktoren zeigten sich folgende Ergebnisse. Ein erster Einfluss der Fußgängerwartezeiten innerhalb der Zielfunktion zeigte sich bei einer 4-fachen bzw. 2-fachen Gewichtung der Anzahl der Fußgänger. Während die maximalen Fußgängerwartezeiten sich um mehrere Sekunden verringerten, stiegen die Kfz-Wartezeiten kaum. Eine weitere Verbesserung der Fußgängerwartezeiten erfolgte durch die 8-fache bzw. 25-fache Gewichtung in der Abendspitze. Aufgrund des Erreichens der minimalen Phasenlänge einer einzelnen Phase, stiegen die Kfz-Wartezeiten anderer Ströme mit der höheren Gewichtung der Fußgänger im weiteren Verlauf stark an. Bei einer Gewichtung mit dem Faktor „38“ bzw. „46“ übertrafen die Wartezeiten des Kfz-Verkehrs die Fußgängerwartezeiten. Die mittleren Wartezeiten, bezogen auf die Teilnehmerzahl der Gruppen, erhöhten sich aufgrund der geringen Anzahl an Fußgängern stetig. Zur Überprüfung der entwickelten Optimierungsmethode erfolgte die Simulation des Fallbeispiels durch das mikroskopische Verkehrsflussmodell VISSIM. Aufgrund fehlender Datensätze zur Überprüfung des simulierten Netzes konnten hierbei lediglich qualitative Aussagen getroffen werden. Die Simulation erfolgte anhand der zuvor ermittelten optimalen Signalprogramme unterschiedlich gewichteter Zielfunktionen. Die Ergebnisse entsprachen den Erkenntnissen der Optimierung qualitativ. Mit steigender Gewichtung der Fußgängerwartezeiten, verringerten sich deren Reisezeitverluste, während die Verlustzeiten des Kfz-Verkehrs mit zunehmender Stärke stiegen. Bei der Anwendung der Optimierungsmethode und der Bewertung des Knotenpunktes hinsichtlich der situationsabhängigen Gewichtungsfaktoren sind die Auswirkungen vor Ort differenziert zu betrachten. Eine hohe Gewichtung der Fußgängerwartezeiten erhöht den Komfort und macht den fußläufigen Verkehr unter Umständen attraktiver. Sicherheitsrisiken wie das „Rotgehen“ oder die Gefährdung von Kindern können durch kurze Wartezeiten reduziert werden. Geringe Fußgängerwartezeiten erhöhen in der Regel jedoch gleichzeitig die Wartezeiten des Kfz-Verkehrs. Hohe Reisezeitverluste und mögliche Überstauungen in benachbarte Knotenpunkte sind die Konsequenz. Der erhöhte Ausstoß von Abgasen oder Lärm betrifft gerade die nähere Umgebung und damit auch den wartenden Fußgänger. Ein erster Vorschlag ist die standardmäßige Gewichtung der Fußgängerwartezeiten mit dem Faktor „3“ als Ausgleich der Komforteinbußen des ungeschützten Fußgängers. Ein weiterer Einfluss ist durch den Planer mit Hilfe der situationsabhängigen Gewichtungsfaktoren möglich. In folgenden Studien sind die Teilnehmergruppen Radfahrer und ÖPNV in die Optimierungsmethode einzubeziehen. Größere Feldstudien zur Überprüfung der Gewichtungsfaktoren sowie die Umsetzung der Methode als adaptive Signalsteuerung sind Ziel der weiteren Entwicklung. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr > Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik |
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Hinterlegungsdatum: | 28 Jan 2018 15:34 | ||||
Letzte Änderung: | 22 Jun 2018 15:00 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Jiang, M. Sc. Wei | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 2016 | ||||
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