Mülhause, Jens (2017)
Entwicklung eines Simulationsmodells zur Bewertung der oberleitungsgebundenen Elektrifizierung von Fernbussen.
Technische Universität Darmstadt
Masterarbeit, Bibliographie
Kurzbeschreibung (Abstract)
Mit der Fernverkehrsliberalisierung vom 01. Januar 2013 hat sich der Markt der Personenbeförderung auf der Langstrecke maßgeblich verändert. Während im Jahr 2012 der Marktanteil der Fernbuslinienverkehre bezogen auf alle im Fernverkehr beförderten Personen mit 2,474 Mio. Passagieren bei ca. 1,8 % lag, ist dieser Wert im Jahr 2016 mit 23,879 Mio. Passagieren auf knapp über 14,7 % gestiegen. Dabei haben Untersuchungen des IGES-Institutes gezeigt, dass ein Großteil dieser Neukunden nicht vom privaten Pkw zum Fernbus gewechselt sind, obwohl laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) „der Bus eine echte Alternative zum Auto“ darstellt. 44 % der Fernbuskunden hingegen generieren sich aus ehemaligen Kunden des Nah- und Fernverkehrs der Deutschen Bahn. Werden nun noch die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten, veröffentlicht durch das Umweltbundesamt (UBA), miteinbezogen, so ist ein negativer Trend erkennbar. Dieser beschreibt wachsende modale Verkehrsverlagerungen im öffentlichen Personenfernverkehr (ÖPFV) vom ökologisch günstigen Schienenfernverkehr hin zum ungünstigeren Fernbuslinienverkehr. Dies widerstrebt jedoch inhaltlich den Zielen und Vorgaben der Bundesregierung zum Klimaschutz und der damit verbundenen Reduktion der Schadstoffemissionen im Verkehrswesen in Deutschland. Aufgrund dessen besteht die Relevanz im Bereich des Fernbuslinienverkehrs diesem Trend zu begegnen und ihn zur Erreichung der Ziele des Klimaschutzes zu nutzen. Dies soll insbesondere durch gezielten Ersatz des von konventionellen Energieträgern abhängigen Fuhrparks durch moderne umweltfreundliche Antriebstechnologien im Fernbussegment erreicht werden. Zumal im Bereich des Güterfernverkehrs die Ertüchtigung des Bundesfernstraßennetzes mit Oberleitungen zur Fahrzeugversorgung erprobt wird und dies ebenfalls für den ÖPFV in Betracht gezogen werden sollte. Im Kontext der aktuellen Forschungen im Bereich der Elektrifizierung öffentlicher Verkehre auf der Langstrecke werden jedoch Fernbuslinien-verkehre vernachlässigt, wodurch sich im Bereich der Elektrifizierung des ÖPFVs eine Forschungslücke ergibt. Wie die Forschungsprojekte im Güterfernverkehr zeigen, ist die infrastrukturseitige Technologie bereits vorhanden. Ebenso existieren alle notwendigen Technologien auf der Fahrzeugseite aus dem Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). So werden in dieser Arbeit zunächst die wesentlichen Elemente der fahrzeugseitigen Komponenten beschrieben, sowie Betriebskonzepte erläutert, die den Betrieb von elektrifizierten ÖPFVs ermöglichen. Basierend auf diesen Erkenntnissen ergeben sich durch das technische Know-How, den grundsätzlichen politischen Willen, die vollkommene Abhängigkeit der Fernbuslinienbetreiber von konventionellen Energieträgern und die Chancen, die sich durch den Trend vorhanden sind, enorme Potentiale zum Einsatz alternativer Oberleitungsantriebe im ÖPFV. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickeln sich für die anschließende Arbeit die zentralen Fragen: Ist der Einsatz oberleitungsgebundener Antriebssysteme im öffentlichen Personenfernverkehr aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sinnvoll? Ist der Einsatz oberleitungsgebundener Antriebssysteme im öffentlichen Personenfernverkehr aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll? Zur Beantwortung dieser Fragen wird mittels eines Repräsentanten für die ÖPFVs der Regellinienbetrieb eines aktuell bestehenden Linienverkehrsangebots betrachtet. Hierzu wird die Linie des RMV-AirLiners im südlichen Rhein-Main-Gebiet gewählt. Als Untersuchungs-gegenstand verfügt diese über eine Großzahl von Eigenschaften längerer Fernbuslinien. Zum einen hat dieses Linienverkehrsangebot eine elementare Verbindungsfunktion zwischen der Darmstädter Innenstadt und dem Frankfurter Flughafen, zum anderen wird diese Linie mit Reisebussen betrieben, die bei einer hohen Durchschnittsgeschwindigkeit einen großen Anteil des Umlaufs im Bundesfernstraßennetz durchführen. Dabei sind die Reisedistanzen der Fahrgäste und deren Gepäckanteil im Gegensatz zu Fahrten im Nahverkehr hoch. Gleichzeitig hat die Routenführung des RMV-AirLiners im Bereich der BAB 5 die Besonderheit über die künftige Teststrecke für oberleitungsgebundene Güterfernverkehre zu verlaufen, die im Rahmen des Projektes ELISA der Technischen Universität Darmstadt projektiert ist. Durch das Projekt ELISA erfolgt eine Erprobung oberleitungsgebundener Antriebssysteme für öffentliche Güterfernverkehre erstmals im öffentlichen Verkehrsraum mittels der Installation eines zweipoligen Oberleitungssystems mit einer Länge von 6 bis 8 Kilometern je Fahrtrichtung. Die Modellierung dieses Regellinienbetriebs erfolgt auf Basis der Simulationsumgebung AnyLogic. Dabei wird zuerst ein unparametrisiertes Modell des RMV-AirLiners auf Grundlage aller notwendigen Variablen, Strukturen und Betriebsabläufe erstellt. Diese werden aus der vorhergehenden, umfangreichen Literaturrecherche gewonnen. Im Anschluss wird die Simulation eines Betriebstags des RMV-AirLiners in Echtzeit unter variablen Bedingungen im agentenbasierten, dynamischen Modell für die eingesetzten konventionell angetriebenen Reisebusse Setra S431 DT durchgeführt. Ziel dessen ist es, die Referenzwerte für die verursachten klima- und gesundheitsaktiven Luftschadstoffe Kohlendioxid (CO2), Stickoxide (NOx) und Feinstäube (PM), sowie Lärm zu generieren, um diese für ein Betriebsjahr hochzurechnen und damit die Umweltkosten auf volkswirtschaftlicher Ebene zu bestimmen. Darüber hinaus wird der Betrieb des RMV-AirLiners auch im Hinblick auf die betriebswirtschaftlichen Kosten für die Fernbuslinienverkehrsanbieter betrachtet. So werden Referenzwerte für Betriebs- und Kapitalkosten ermittelt. Im Vorfeld der weiteren Simulation werden ausgehend vom heutigen Stand der Technik zwei Prototypen oberleitungsgebundener Reisebusse erstellt, um diese im Rahmen der Simulation in AnyLogic mit dem Regellinienbetrieb unter Anwendung konventioneller Antriebe zu vergleichen. Dabei wird auf Basis existierender Technologie aus dem Bereich des ÖPNVs sowohl ein seriell-hybrider, als auch ein rein elektrisch betriebener batterie-elektrischer Oberleitungsreisebus entwickelt. Darüber hinaus werden für die anschließende Simulation auf dieser Basis zwei Betriebsszenarien erstellt, durch die verschiedene Grade der Elektrifizierung des Umlaufs abgebildet werden. Im Rahmen des ersten Szenarios werden die Bedingungen einer circa 20-prozentigen Elektrifizierung im Kontext des Projektes ELISA – ergänzt um zwei Zwischen-ladestationen – untersucht. Die Bedingungen eines mehr als 60-prozentigen Elektrifizierungs-grades durch eine Vollelektrifizierung der BAB 5 werden innerhalb des Szenario 2 eruiert. Zudem erfolgt durch das Einbeziehen verschiedener Temperaturbereiche die Untersuchung der Witterungseinflüsse auf den Betrieb. In diesem Zusammenhang werden somit für die verschiedenen Kombinationen aus alternativer Antriebskonfiguration, Betriebsszenario und äußeren Einflüssen die Umweltemissionen für die volkswirtschaftliche Kostenrechnung, sowie die Betriebs- und Kapitalkosten für die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung ermittelt. Diese werden genauso wie die Referenzwerte auf ein Betriebsjahr hochgerechnet. Daraufhin erfolgt ein Vergleich der durch die Simulation gewonnenen Kostensituation konventioneller und alternativer (Oberleitungs-) Antriebe, sowie die Bewertung der Kosten-reduktion durch den Regellinienbetrieb des RMV-AirLiners mittels der alternativ angetriebenen oberleitungsgebundenen Reisebusse. Die Anwendung des Modells zeigt, dass durch den Einsatz dieser und dem damit erfolgten Ersatz der konventionellen Antriebstechnik bei einer Jahreskilometerleitung von 745.307 km im Rahmen der Elektrifizierung durch ELISA pro Jahr zwischen 263,7 t und 283,2 t CO2, zwischen 4,9 t und 5,4 t NOx, sowie zwischen 117,6 kg und 127,5 kg Feinstaub eingespart werden. Das entspricht 31,9 % des jährlichen CO2-Ausstoßes, über 90 % des NOx-Ausstoßes und über 86 % der Feinstaubemissionen. Darüber hinaus sind gerade im innerstädtischen Umfeld bei kleinen Geschwindigkeiten zusätzliche Reduktionen der Lärmemissionen vorhanden, die jedoch nur bedingt quantifizierbar sind. Über das Jahr hinweg lassen sich somit Umweltkosten zwischen 136 Tsd. EUR und knapp 147 Tsd. EUR einsparen. Dies stellt eine Reduktion der volkswirtschaftlichen Kosten von bis zu 59 % dar, wobei der batterie-elektrische Oberleitungsantrieb durch das rein elektrische Fahren Vorteile gegenüber dem seriell-hybriden Oberleitungsantrieb besitzt. Durch den Einsatz alternativer Antriebe in Bezug auf eine Vollelektrifizierung der BAB 5 stellen sich die gleichen Werte ein, wobei der seriell-hybride Oberleitungsantrieb hierbei dem batterie-elektrischen Oberleitungsantrieb ebenbürtig ist. Werden die betriebswirtschaftlichen Kosten des RMV-AirLiners im Regellinienbetrieb mit alternativen Oberleitungsantrieben betrachtet, so kann grundsätzlich gesagt werden, dass die Betriebs- und Kapitalkosten der ungünstigsten Kombination von Antriebskonfiguration und Betriebsszenario nicht um mehr als 4 % über den Kosten des Einsatzes konventioneller Antriebe liegen. Im Gegensatz dazu besteht sogar das Potential einer Kostenreduktion von mehr als 1 % durch den Einsatz alternativer Oberleitungsantriebe, wenn es gelingt, einen rein elektrischen Fahrtablauf zu gewährleisten. Auf betriebswirtschaftlicher Ebene stellt der Regellinienbetrieb des RMV-AirLiners unter den gewählten Bedingungen kein Kostenproblem dar. Es kann zusammengefasst werden, dass der Einsatz oberleitungsgebundener Antriebssysteme in Reisebussen im Allgemeinen und der Einsatz batterie-elektrischer Oberleitungsantriebe in Reisebussen im Speziellen für den Einsatz im Fernbuslinienverkehr unter den gewählten Bedingungen sinnvoll ist. Vor allem in Bezug auf die Potentiale dieser Antriebe ergeben sich damit die volkswirtschaftlichen Vorteile, während die Kosten auf betriebswirtschaftlicher Ebene kein Hindernis darstellen, sondern auch die Chance eines zukunftssicheren und image-trächtigen Betriebs bieten. Gleichzeitig werden durch die Simulation weitere Fragen im Kontext des Projektes ELISA beantwortet. So ist für einen rein elektrischen Betrieb des RMV-AirLiners mit batterie-elektrischen Oberleitungsreisebussen eine elektrifizierte Strecke von 13,9 km pro Fahrtrichtung notwendig. Unter der Nutzung der projektierten Oberleitungsstrecke, die mit 6,5 km angenommen wird, sind Energiespeicher von 340 kWh in den Fahrzeugen nötig, um einen betriebssicheren Ablauf des Linienverkehrs unter Vorhaltung ausreichender Energiereserven zu ermöglichen und gleichzeitig durch optimale Batterienutzung die Langlebigkeit dieser sicherzustellen. Abschließend erfolgt eine kritische Würdigung der Modellergebnisse. Dabei werden die zentralen Aspekte der Arbeit nochmals zusammengefasst und kritisch reflektiert, sowie diskutiert. Im Rahmen eines Ausblicks werden offene Fragen formuliert und weitere Forschungsmöglichkeiten auch im Hinblick auf die ungenutzten Potentiale des erstellten Modells aufgezeigt.
Typ des Eintrags: | Masterarbeit | ||||
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Erschienen: | 2017 | ||||
Autor(en): | Mülhause, Jens | ||||
Art des Eintrags: | Bibliographie | ||||
Titel: | Entwicklung eines Simulationsmodells zur Bewertung der oberleitungsgebundenen Elektrifizierung von Fernbussen | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Rolko, M. Sc. Kevin | ||||
Publikationsjahr: | 2017 | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 2017 | ||||
URL / URN: | https://www.verkehr.tu-darmstadt.de/media/verkehr/fgvv/beruf... | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Mit der Fernverkehrsliberalisierung vom 01. Januar 2013 hat sich der Markt der Personenbeförderung auf der Langstrecke maßgeblich verändert. Während im Jahr 2012 der Marktanteil der Fernbuslinienverkehre bezogen auf alle im Fernverkehr beförderten Personen mit 2,474 Mio. Passagieren bei ca. 1,8 % lag, ist dieser Wert im Jahr 2016 mit 23,879 Mio. Passagieren auf knapp über 14,7 % gestiegen. Dabei haben Untersuchungen des IGES-Institutes gezeigt, dass ein Großteil dieser Neukunden nicht vom privaten Pkw zum Fernbus gewechselt sind, obwohl laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) „der Bus eine echte Alternative zum Auto“ darstellt. 44 % der Fernbuskunden hingegen generieren sich aus ehemaligen Kunden des Nah- und Fernverkehrs der Deutschen Bahn. Werden nun noch die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten, veröffentlicht durch das Umweltbundesamt (UBA), miteinbezogen, so ist ein negativer Trend erkennbar. Dieser beschreibt wachsende modale Verkehrsverlagerungen im öffentlichen Personenfernverkehr (ÖPFV) vom ökologisch günstigen Schienenfernverkehr hin zum ungünstigeren Fernbuslinienverkehr. Dies widerstrebt jedoch inhaltlich den Zielen und Vorgaben der Bundesregierung zum Klimaschutz und der damit verbundenen Reduktion der Schadstoffemissionen im Verkehrswesen in Deutschland. Aufgrund dessen besteht die Relevanz im Bereich des Fernbuslinienverkehrs diesem Trend zu begegnen und ihn zur Erreichung der Ziele des Klimaschutzes zu nutzen. Dies soll insbesondere durch gezielten Ersatz des von konventionellen Energieträgern abhängigen Fuhrparks durch moderne umweltfreundliche Antriebstechnologien im Fernbussegment erreicht werden. Zumal im Bereich des Güterfernverkehrs die Ertüchtigung des Bundesfernstraßennetzes mit Oberleitungen zur Fahrzeugversorgung erprobt wird und dies ebenfalls für den ÖPFV in Betracht gezogen werden sollte. Im Kontext der aktuellen Forschungen im Bereich der Elektrifizierung öffentlicher Verkehre auf der Langstrecke werden jedoch Fernbuslinien-verkehre vernachlässigt, wodurch sich im Bereich der Elektrifizierung des ÖPFVs eine Forschungslücke ergibt. Wie die Forschungsprojekte im Güterfernverkehr zeigen, ist die infrastrukturseitige Technologie bereits vorhanden. Ebenso existieren alle notwendigen Technologien auf der Fahrzeugseite aus dem Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). So werden in dieser Arbeit zunächst die wesentlichen Elemente der fahrzeugseitigen Komponenten beschrieben, sowie Betriebskonzepte erläutert, die den Betrieb von elektrifizierten ÖPFVs ermöglichen. Basierend auf diesen Erkenntnissen ergeben sich durch das technische Know-How, den grundsätzlichen politischen Willen, die vollkommene Abhängigkeit der Fernbuslinienbetreiber von konventionellen Energieträgern und die Chancen, die sich durch den Trend vorhanden sind, enorme Potentiale zum Einsatz alternativer Oberleitungsantriebe im ÖPFV. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickeln sich für die anschließende Arbeit die zentralen Fragen: Ist der Einsatz oberleitungsgebundener Antriebssysteme im öffentlichen Personenfernverkehr aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sinnvoll? Ist der Einsatz oberleitungsgebundener Antriebssysteme im öffentlichen Personenfernverkehr aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll? Zur Beantwortung dieser Fragen wird mittels eines Repräsentanten für die ÖPFVs der Regellinienbetrieb eines aktuell bestehenden Linienverkehrsangebots betrachtet. Hierzu wird die Linie des RMV-AirLiners im südlichen Rhein-Main-Gebiet gewählt. Als Untersuchungs-gegenstand verfügt diese über eine Großzahl von Eigenschaften längerer Fernbuslinien. Zum einen hat dieses Linienverkehrsangebot eine elementare Verbindungsfunktion zwischen der Darmstädter Innenstadt und dem Frankfurter Flughafen, zum anderen wird diese Linie mit Reisebussen betrieben, die bei einer hohen Durchschnittsgeschwindigkeit einen großen Anteil des Umlaufs im Bundesfernstraßennetz durchführen. Dabei sind die Reisedistanzen der Fahrgäste und deren Gepäckanteil im Gegensatz zu Fahrten im Nahverkehr hoch. Gleichzeitig hat die Routenführung des RMV-AirLiners im Bereich der BAB 5 die Besonderheit über die künftige Teststrecke für oberleitungsgebundene Güterfernverkehre zu verlaufen, die im Rahmen des Projektes ELISA der Technischen Universität Darmstadt projektiert ist. Durch das Projekt ELISA erfolgt eine Erprobung oberleitungsgebundener Antriebssysteme für öffentliche Güterfernverkehre erstmals im öffentlichen Verkehrsraum mittels der Installation eines zweipoligen Oberleitungssystems mit einer Länge von 6 bis 8 Kilometern je Fahrtrichtung. Die Modellierung dieses Regellinienbetriebs erfolgt auf Basis der Simulationsumgebung AnyLogic. Dabei wird zuerst ein unparametrisiertes Modell des RMV-AirLiners auf Grundlage aller notwendigen Variablen, Strukturen und Betriebsabläufe erstellt. Diese werden aus der vorhergehenden, umfangreichen Literaturrecherche gewonnen. Im Anschluss wird die Simulation eines Betriebstags des RMV-AirLiners in Echtzeit unter variablen Bedingungen im agentenbasierten, dynamischen Modell für die eingesetzten konventionell angetriebenen Reisebusse Setra S431 DT durchgeführt. Ziel dessen ist es, die Referenzwerte für die verursachten klima- und gesundheitsaktiven Luftschadstoffe Kohlendioxid (CO2), Stickoxide (NOx) und Feinstäube (PM), sowie Lärm zu generieren, um diese für ein Betriebsjahr hochzurechnen und damit die Umweltkosten auf volkswirtschaftlicher Ebene zu bestimmen. Darüber hinaus wird der Betrieb des RMV-AirLiners auch im Hinblick auf die betriebswirtschaftlichen Kosten für die Fernbuslinienverkehrsanbieter betrachtet. So werden Referenzwerte für Betriebs- und Kapitalkosten ermittelt. Im Vorfeld der weiteren Simulation werden ausgehend vom heutigen Stand der Technik zwei Prototypen oberleitungsgebundener Reisebusse erstellt, um diese im Rahmen der Simulation in AnyLogic mit dem Regellinienbetrieb unter Anwendung konventioneller Antriebe zu vergleichen. Dabei wird auf Basis existierender Technologie aus dem Bereich des ÖPNVs sowohl ein seriell-hybrider, als auch ein rein elektrisch betriebener batterie-elektrischer Oberleitungsreisebus entwickelt. Darüber hinaus werden für die anschließende Simulation auf dieser Basis zwei Betriebsszenarien erstellt, durch die verschiedene Grade der Elektrifizierung des Umlaufs abgebildet werden. Im Rahmen des ersten Szenarios werden die Bedingungen einer circa 20-prozentigen Elektrifizierung im Kontext des Projektes ELISA – ergänzt um zwei Zwischen-ladestationen – untersucht. Die Bedingungen eines mehr als 60-prozentigen Elektrifizierungs-grades durch eine Vollelektrifizierung der BAB 5 werden innerhalb des Szenario 2 eruiert. Zudem erfolgt durch das Einbeziehen verschiedener Temperaturbereiche die Untersuchung der Witterungseinflüsse auf den Betrieb. In diesem Zusammenhang werden somit für die verschiedenen Kombinationen aus alternativer Antriebskonfiguration, Betriebsszenario und äußeren Einflüssen die Umweltemissionen für die volkswirtschaftliche Kostenrechnung, sowie die Betriebs- und Kapitalkosten für die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung ermittelt. Diese werden genauso wie die Referenzwerte auf ein Betriebsjahr hochgerechnet. Daraufhin erfolgt ein Vergleich der durch die Simulation gewonnenen Kostensituation konventioneller und alternativer (Oberleitungs-) Antriebe, sowie die Bewertung der Kosten-reduktion durch den Regellinienbetrieb des RMV-AirLiners mittels der alternativ angetriebenen oberleitungsgebundenen Reisebusse. Die Anwendung des Modells zeigt, dass durch den Einsatz dieser und dem damit erfolgten Ersatz der konventionellen Antriebstechnik bei einer Jahreskilometerleitung von 745.307 km im Rahmen der Elektrifizierung durch ELISA pro Jahr zwischen 263,7 t und 283,2 t CO2, zwischen 4,9 t und 5,4 t NOx, sowie zwischen 117,6 kg und 127,5 kg Feinstaub eingespart werden. Das entspricht 31,9 % des jährlichen CO2-Ausstoßes, über 90 % des NOx-Ausstoßes und über 86 % der Feinstaubemissionen. Darüber hinaus sind gerade im innerstädtischen Umfeld bei kleinen Geschwindigkeiten zusätzliche Reduktionen der Lärmemissionen vorhanden, die jedoch nur bedingt quantifizierbar sind. Über das Jahr hinweg lassen sich somit Umweltkosten zwischen 136 Tsd. EUR und knapp 147 Tsd. EUR einsparen. Dies stellt eine Reduktion der volkswirtschaftlichen Kosten von bis zu 59 % dar, wobei der batterie-elektrische Oberleitungsantrieb durch das rein elektrische Fahren Vorteile gegenüber dem seriell-hybriden Oberleitungsantrieb besitzt. Durch den Einsatz alternativer Antriebe in Bezug auf eine Vollelektrifizierung der BAB 5 stellen sich die gleichen Werte ein, wobei der seriell-hybride Oberleitungsantrieb hierbei dem batterie-elektrischen Oberleitungsantrieb ebenbürtig ist. Werden die betriebswirtschaftlichen Kosten des RMV-AirLiners im Regellinienbetrieb mit alternativen Oberleitungsantrieben betrachtet, so kann grundsätzlich gesagt werden, dass die Betriebs- und Kapitalkosten der ungünstigsten Kombination von Antriebskonfiguration und Betriebsszenario nicht um mehr als 4 % über den Kosten des Einsatzes konventioneller Antriebe liegen. Im Gegensatz dazu besteht sogar das Potential einer Kostenreduktion von mehr als 1 % durch den Einsatz alternativer Oberleitungsantriebe, wenn es gelingt, einen rein elektrischen Fahrtablauf zu gewährleisten. Auf betriebswirtschaftlicher Ebene stellt der Regellinienbetrieb des RMV-AirLiners unter den gewählten Bedingungen kein Kostenproblem dar. Es kann zusammengefasst werden, dass der Einsatz oberleitungsgebundener Antriebssysteme in Reisebussen im Allgemeinen und der Einsatz batterie-elektrischer Oberleitungsantriebe in Reisebussen im Speziellen für den Einsatz im Fernbuslinienverkehr unter den gewählten Bedingungen sinnvoll ist. Vor allem in Bezug auf die Potentiale dieser Antriebe ergeben sich damit die volkswirtschaftlichen Vorteile, während die Kosten auf betriebswirtschaftlicher Ebene kein Hindernis darstellen, sondern auch die Chance eines zukunftssicheren und image-trächtigen Betriebs bieten. Gleichzeitig werden durch die Simulation weitere Fragen im Kontext des Projektes ELISA beantwortet. So ist für einen rein elektrischen Betrieb des RMV-AirLiners mit batterie-elektrischen Oberleitungsreisebussen eine elektrifizierte Strecke von 13,9 km pro Fahrtrichtung notwendig. Unter der Nutzung der projektierten Oberleitungsstrecke, die mit 6,5 km angenommen wird, sind Energiespeicher von 340 kWh in den Fahrzeugen nötig, um einen betriebssicheren Ablauf des Linienverkehrs unter Vorhaltung ausreichender Energiereserven zu ermöglichen und gleichzeitig durch optimale Batterienutzung die Langlebigkeit dieser sicherzustellen. Abschließend erfolgt eine kritische Würdigung der Modellergebnisse. Dabei werden die zentralen Aspekte der Arbeit nochmals zusammengefasst und kritisch reflektiert, sowie diskutiert. Im Rahmen eines Ausblicks werden offene Fragen formuliert und weitere Forschungsmöglichkeiten auch im Hinblick auf die ungenutzten Potentiale des erstellten Modells aufgezeigt. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr > Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik |
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Hinterlegungsdatum: | 26 Jan 2018 12:02 | ||||
Letzte Änderung: | 22 Jun 2018 14:28 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Rolko, M. Sc. Kevin | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 2017 | ||||
Export: | |||||
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