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Zur gekoppelten morphologischen Simulation der Dynamik sandiger Küsten unter Strömungs- und Seegangseinfluss

Dahlem, Jan-Gregor (2018)
Zur gekoppelten morphologischen Simulation der Dynamik sandiger Küsten unter Strömungs- und Seegangseinfluss.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Simulationen küstennaher Sedimenttransportprozesse helfen Ingenieuren, an der Küste gelegene Bauwerke zu bemessen und den Siedlungsraum Küste für dessen Bewohner sicher zu machen. So erfordern der Bau und der Unterhalt von Deichen, der Fahrrinnenunterhalt und der Fahrrinnenausbau sowie der allgemeine Küstenschutz allein in Deutschland jährlich mehrere hundert Millionen Euro. Dabei ist der Einfluss der Wellen auf den Sedimenttransportprozess gerade im Küstenbereich eine wichtige Größe. Wellenerzeugte Turbulenzen führen zu erheblich gesteigerten Suspensionskonzentrationen und somit auch zu steigenden Sedimenttransportraten. Durch gekoppelte numerische Verfahren für Strömung, Seegang und Morphodynamik kann dieser Prozess simuliert werden. Die Erfahrungen mit dieser vergleichsweise neuen Technik sind noch nicht ausreichend. Daher werden in der vorliegenden Arbeit die Güte sowie die Sensitivität der Simulationsergebnisse mit und ohne Berücksichtigung von Seegang untersucht und bewertet. Zunächst werden die im natürlichen Küstenraum auftretenden Phänomene beschrieben. Dies geschieht für verschiedene Küstenformen mit sandigen Böden. Die auftretenden Prozesse werden im Weiteren, unterteilt nach Strömung, Welle und Sedimenttransport, dargestellt und der aktuelle Stand der Forschung vorgestellt. Unter anderem werden analytische und numerische Ansätze zur Beschreibung von Einzelprozessen sowie von Prozesssystemen aufgezeigt und erläutert. Weiterhin werden die Wechselwirkungen der Einzelprozesse analysiert. Das Morphodynamikmodell TIMOR 3 und das spektrale Wellenmodell WWM II werden gekoppelt betrieben, um die oben beschriebene Dynamik des Küstenraumes simulieren zu können. Hierzu wird ein der ostfriesischen Nordseeküste mit ihren Barriereinseln nachempfundener Testfall entwickelt. Anhand des Testfalls werden Simulationen bei unterschiedlichen Wellen-, Tide- und Wasserstandsbedingungen bzw. mit unterschiedlichen Sandkörnungen durchgeführt. So wird der Einfluss einzelner Faktoren auf das Simulationsergebnis ermittelt. Die Untersuchungen am Testfall zeigen die Abhängigkeit der morphodynamischen Ergebnisse von Wellen und im Besonderen von deren Angriffsrichtung. Bei geringen Fließtiefen von ca. 2 m sorgt der Seegang für eine weitere Vertiefung der durch die Strömung entstehenden Rinnen. Sind bei größeren Tidehüben die durch die Strömung erzeugten Erosionen höher und damit die Fließtiefen größer, wirken die Wellen ausgleichend auf das Bodenrelief. Das entstehende Rinnenprofil verläuft mit Welleneinfluss kontinuierlicher. Unter Seegangseinfluss sind die Rinnenstrukturen im Außenbereich weniger stark ausgebildet als ohne. Die erhöhten Sedimentfrachten bei Seegang – insbesondere der Suspensionstransport – außerhalb der Rinnen, wirkt hier ausgleichend. Im landseitigen Bereich der Inseln ist dieser Effekt durch die Abschattung schwächer ausgeprägt. Jedoch sind auch hier die Rinnen oder Rinnensysteme bei Welleneinfluss schwächer ausgebildet. Die in der Literatur oft genutzten Begriffe Küstenlängs- und Küstenquertransport sind für die in dieser Arbeit genutzten Simulationsmodelle nur eingeschränkt nutzbar. Es sind theoretische iii Definitionen, die entwickelt wurden, als flächige Computermodelle noch nicht existierten. Zur vereinfachten Darstellung der Transportvorgänge wurden diese in küstenparallel und quer zur Küste verlaufende Anteile unterteilt. Die Untersuchungen mit den gewählten Sieblinien liefern die erwarteten Ergebnisse. Grobes Sediment reagiert weit weniger auf den Seegang als Mittel- oder Feinsand. Durch die Einfallsrichtung der einwirkenden Wellen wird insbesondere die Lage der Rinnen bestimmt. Die maximalen Tiefen werden nur gering beeinflusst. Bei aus Nordwesten kommenden Wellen verschiebt sich die Rinne im Seegatt nach Osten. Neben dem Testfall wird in einer weiteren Untersuchung ein Teil des natürlichen Wattsystems der Ostfriesischen Inseln simuliert. Der Bereich zwischen den Inseln Juist und Wangerooge sowie dem Festland wird dazu im Modell zum Simulationsbeginn eingeebnet. Simuliert wird einmal mit dem eingeebneten und einmal mit dem ursprünglichen System. Der Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass ein gekoppeltes Modellsystem in der Lage ist, die qualitative Entwicklung eines Küstengebietes vorherzusagen. Ausgehend von dem eingeebneten Testfall wurde das Gebiet außerdem mit verschiedenen morphodynamischen Beschleunigungsfaktoren modelliert. Die Simulationen zeigen, dass auch bei der Verwendung eines großen Faktors von 350 die Ergebnisse nur sehr geringe Abweichungen gegenüber zehnfach kleineren Faktoren aufweisen. Vervollständigt wird die Untersuchung durch die Anwendung der Simulation für einen natürlichen Küstenraum, wobei eine gemessene Topografie zugrunde gelegt wird. Die Bucht von Paranaguá in Brasilien dient hierfür als Simulationsgebiet. Ziel dieser Simulation ist die Optimierung der Baggerstrategie in der Zufahrt zur Bucht mit Hilfe der gekoppelten Modellierung. Zusätzlich wird der Einfluss eines Leitwerkes entlang der stark sedimentationsgefährdeten Fahrrinne in der Einfahrt zur Bucht untersucht. Für die Bucht von Paranaguá können gute Übereinstimmungen mit den natürlichen Tiefenverteilungen erzielt werden. Der Vergleich verschiedener Klappstellen liefert geeignete Ergebnisse zur Verbesserung der Baggerstrategie. Die Wahl der Klappstellen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Sedimentationen in der Fahrrinne. Das in der Variantenuntersuchung entlang der Fahrrinne installierte Leitwerk liefert als Ergebnis stark verringerte Baggermengen.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2018
Autor(en): Dahlem, Jan-Gregor
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Zur gekoppelten morphologischen Simulation der Dynamik sandiger Küsten unter Strömungs- und Seegangseinfluss
Sprache: Deutsch
Referenten: Zanke, Prof. Dr. Ulrich ; Lehmann, Prof. Dr. Boris ; Mayerle, Prof. Dr. Roberto
Publikationsjahr: 2018
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 19 Januar 2017
URL / URN: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/7197
Kurzbeschreibung (Abstract):

Simulationen küstennaher Sedimenttransportprozesse helfen Ingenieuren, an der Küste gelegene Bauwerke zu bemessen und den Siedlungsraum Küste für dessen Bewohner sicher zu machen. So erfordern der Bau und der Unterhalt von Deichen, der Fahrrinnenunterhalt und der Fahrrinnenausbau sowie der allgemeine Küstenschutz allein in Deutschland jährlich mehrere hundert Millionen Euro. Dabei ist der Einfluss der Wellen auf den Sedimenttransportprozess gerade im Küstenbereich eine wichtige Größe. Wellenerzeugte Turbulenzen führen zu erheblich gesteigerten Suspensionskonzentrationen und somit auch zu steigenden Sedimenttransportraten. Durch gekoppelte numerische Verfahren für Strömung, Seegang und Morphodynamik kann dieser Prozess simuliert werden. Die Erfahrungen mit dieser vergleichsweise neuen Technik sind noch nicht ausreichend. Daher werden in der vorliegenden Arbeit die Güte sowie die Sensitivität der Simulationsergebnisse mit und ohne Berücksichtigung von Seegang untersucht und bewertet. Zunächst werden die im natürlichen Küstenraum auftretenden Phänomene beschrieben. Dies geschieht für verschiedene Küstenformen mit sandigen Böden. Die auftretenden Prozesse werden im Weiteren, unterteilt nach Strömung, Welle und Sedimenttransport, dargestellt und der aktuelle Stand der Forschung vorgestellt. Unter anderem werden analytische und numerische Ansätze zur Beschreibung von Einzelprozessen sowie von Prozesssystemen aufgezeigt und erläutert. Weiterhin werden die Wechselwirkungen der Einzelprozesse analysiert. Das Morphodynamikmodell TIMOR 3 und das spektrale Wellenmodell WWM II werden gekoppelt betrieben, um die oben beschriebene Dynamik des Küstenraumes simulieren zu können. Hierzu wird ein der ostfriesischen Nordseeküste mit ihren Barriereinseln nachempfundener Testfall entwickelt. Anhand des Testfalls werden Simulationen bei unterschiedlichen Wellen-, Tide- und Wasserstandsbedingungen bzw. mit unterschiedlichen Sandkörnungen durchgeführt. So wird der Einfluss einzelner Faktoren auf das Simulationsergebnis ermittelt. Die Untersuchungen am Testfall zeigen die Abhängigkeit der morphodynamischen Ergebnisse von Wellen und im Besonderen von deren Angriffsrichtung. Bei geringen Fließtiefen von ca. 2 m sorgt der Seegang für eine weitere Vertiefung der durch die Strömung entstehenden Rinnen. Sind bei größeren Tidehüben die durch die Strömung erzeugten Erosionen höher und damit die Fließtiefen größer, wirken die Wellen ausgleichend auf das Bodenrelief. Das entstehende Rinnenprofil verläuft mit Welleneinfluss kontinuierlicher. Unter Seegangseinfluss sind die Rinnenstrukturen im Außenbereich weniger stark ausgebildet als ohne. Die erhöhten Sedimentfrachten bei Seegang – insbesondere der Suspensionstransport – außerhalb der Rinnen, wirkt hier ausgleichend. Im landseitigen Bereich der Inseln ist dieser Effekt durch die Abschattung schwächer ausgeprägt. Jedoch sind auch hier die Rinnen oder Rinnensysteme bei Welleneinfluss schwächer ausgebildet. Die in der Literatur oft genutzten Begriffe Küstenlängs- und Küstenquertransport sind für die in dieser Arbeit genutzten Simulationsmodelle nur eingeschränkt nutzbar. Es sind theoretische iii Definitionen, die entwickelt wurden, als flächige Computermodelle noch nicht existierten. Zur vereinfachten Darstellung der Transportvorgänge wurden diese in küstenparallel und quer zur Küste verlaufende Anteile unterteilt. Die Untersuchungen mit den gewählten Sieblinien liefern die erwarteten Ergebnisse. Grobes Sediment reagiert weit weniger auf den Seegang als Mittel- oder Feinsand. Durch die Einfallsrichtung der einwirkenden Wellen wird insbesondere die Lage der Rinnen bestimmt. Die maximalen Tiefen werden nur gering beeinflusst. Bei aus Nordwesten kommenden Wellen verschiebt sich die Rinne im Seegatt nach Osten. Neben dem Testfall wird in einer weiteren Untersuchung ein Teil des natürlichen Wattsystems der Ostfriesischen Inseln simuliert. Der Bereich zwischen den Inseln Juist und Wangerooge sowie dem Festland wird dazu im Modell zum Simulationsbeginn eingeebnet. Simuliert wird einmal mit dem eingeebneten und einmal mit dem ursprünglichen System. Der Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass ein gekoppeltes Modellsystem in der Lage ist, die qualitative Entwicklung eines Küstengebietes vorherzusagen. Ausgehend von dem eingeebneten Testfall wurde das Gebiet außerdem mit verschiedenen morphodynamischen Beschleunigungsfaktoren modelliert. Die Simulationen zeigen, dass auch bei der Verwendung eines großen Faktors von 350 die Ergebnisse nur sehr geringe Abweichungen gegenüber zehnfach kleineren Faktoren aufweisen. Vervollständigt wird die Untersuchung durch die Anwendung der Simulation für einen natürlichen Küstenraum, wobei eine gemessene Topografie zugrunde gelegt wird. Die Bucht von Paranaguá in Brasilien dient hierfür als Simulationsgebiet. Ziel dieser Simulation ist die Optimierung der Baggerstrategie in der Zufahrt zur Bucht mit Hilfe der gekoppelten Modellierung. Zusätzlich wird der Einfluss eines Leitwerkes entlang der stark sedimentationsgefährdeten Fahrrinne in der Einfahrt zur Bucht untersucht. Für die Bucht von Paranaguá können gute Übereinstimmungen mit den natürlichen Tiefenverteilungen erzielt werden. Der Vergleich verschiedener Klappstellen liefert geeignete Ergebnisse zur Verbesserung der Baggerstrategie. Die Wahl der Klappstellen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Sedimentationen in der Fahrrinne. Das in der Variantenuntersuchung entlang der Fahrrinne installierte Leitwerk liefert als Ergebnis stark verringerte Baggermengen.

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Simulations of coastal sediment transport processes help engineers design coastal structures and secure coastal residential areas for inhabitants. The construction and maintenance of dikes, the maintenance and expansion of channels, and the general protection of the coast cost several hundred million euros annually - in Germany alone. The influence of waves on the sediment transport process, especially in coastal regions, is an important factor. Wave-induced turbulence leads to considerably increased suspension concentration and, thus, to increasing sediment transport rates. This process can be simulated via coupled numerical methods for flow, waves, and morphodynamics. Experience using this relatively new technique is not sufficient yet. Therefore, the quality and sensitivity of simulation results, with and without consideration of sea disturbance, are examined and evaluated in this paper. First, the phenomena occurring in natural coastal regions are described. This is done for various coastlines with sandy soil. The occurring processes are described below, divided according to flow, wave, and sediment transport, and the current state of research is presented. Among other things, analytical and numerical approaches for the description of individual processes, as well as of process systems, are presented and explained. Furthermore, individual process interactions are analyzed. The morphodynamic model TIMOR 3 and the spectral wave model WWM II are coupled in order to simulate the above described coastal region dynamics. For this purpose, a test case based on the East Frisian North Sea coast, with its barrier islands, is developed. On the basis of the test case, simulations are carried out at different wave, tide, and water level conditions or with different sand grains. The influence of individual factors on the simulation result is determined. Test case studies show the dependence of the morphodynamic results on waves and, specifically, their direction of approach. With low flow depths of approximately 2 m, the swell provides for a further deepening of the channels as a result of the flow. If erosion generated by the flow is higher in the case of larger tidal ranges, and flow depths are greater, waves have a balancing effect on ground relief. The resulting channel profile is more balanced under the impact of waves. In the case of wave influence, the channel structures in the outer areas are less pronounced than without. Increased sediment load at sea – especially suspension transport – has a balancing effect outside the channels. Onshore, this effect is weaker due to shading. However, the channels or channel systems are also weaker here regarding wave influence. The terms „longitudinal and transverse coastal transport“, often used in literature, can only be applied to a limited extent for the simulation models used in this study. They are theoretical definitions that were developed when two-dimensional computer models did not exist. To simplify the presentation of transport processes, they were subdivided according to whether they ran parallel to a coast or transverse to a coast. v Tests using selected grading curves yield expected results. Coarse sediment reacts to the sea much less than medium or fine sand. The location of the channels is determined, in particular, by the direction of arrival of the influencing waves. The maximum depths are only slightly impacted. For waves coming from the northwest, the channel in the gat shifts eastward. In addition to the test case, a further study simulates part of the natural tidal systems of the East Frisian Islands. The area between the islands of Juist and Wangerooge, as well as the mainland, is leveled out in the model at the beginning of the simulation. One simulation using the leveled and one simulation using the original system are carried out. Comparison of the results shows that a coupled model system is able to predict the qualitative development of a coastal region. Based on the leveled test case, the area was also modeled using different morphodynamic acceleration factors. The simulations demonstrate that, even when a large factor of 350 is used, the results show very small deviations compared to factors that are tenfold smaller. The study is completed via the application of the simulation for a natural coastal region, using measured topography. For this purpose, Paranaguá Bay in Brazil serves as the simulation area. Optimization of the dredging strategy at the mouth of the bay, via the aid of coupled modeling, is the goal of this simulation. In addition, the influence of a training structure along the greatly sedimentation- endangered channel at the mouth of the bay is examined. For Paranaguá Bay, the results closely match the natural distribution of depths. Comparison of different dumping areas provides suitable results for dredging strategy improvement. Dumping area selection has a decisive influence on sedimentation in the channel. The training structure along the channel as a result of the variant analysis yields greatly reduced dredging volumes.

Englisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-71970
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Institut Wasserbau und Wasserwirtschaft
13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Institut Wasserbau und Wasserwirtschaft > Fachgebiet Wasserbau und Hydraulik
13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften
Hinterlegungsdatum: 21 Jan 2018 20:55
Letzte Änderung: 21 Jan 2018 20:55
PPN:
Referenten: Zanke, Prof. Dr. Ulrich ; Lehmann, Prof. Dr. Boris ; Mayerle, Prof. Dr. Roberto
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 19 Januar 2017
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