Lotichius, Jan (2017)
Modellbildung der Messunsicherheit resistiver Sensorsysteme.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung
Kurzbeschreibung (Abstract)
Resistive Sensoren stellen im weltweiten Sensormarkt das größte Segment in Stückzahlen dar. Ihr Wirkprinzip beruht auf der Umformung einer Messgröße in eine Änderung der Strom-Spannungs-Kennlinie eines Messwiderstands. Dieses Wirkprinzip wird für Temperatursensoren sowie elektromechanische Sensoren verwendet. Letztere wandeln Kraft, Druck, Drehmoment oder Weg in die Zwischengröße Dehnung, die dann von resistiven Messwiderständen erfasst wird. Allen Sensoren ist gemein, dass sie eine Widerstandsänderung im Prozentbereich oder kleiner um einen Grundwiderstand herum erfassen und dass ihre Unsicherheit bewertet werden muss. Ein Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zu zeigen, wie eine Unsicherheitsanalyse auch vor der Durchführung von zeitaufwändigen Messungen während der Entwicklung eines Sensorsystems eingesetzt werden kann. So sollen Entwickler von Sensorsystemen in die Lage versetzt werden, anhand von Datenblattangaben schnell eine Unsicherheitsanalyse zu erstellen. Aus dieser Unsicherheitsanalyse können sofort Aussagen abgeleitet werden, welche Eingangsgrößen bei verschiedenen Arbeitspunkten maßgeblich für die Unsicherheit der Ausgangsgröße sind. Entsprechend kann eine Optimierung der in der Entwicklung befindlichen Sensoren durch Reduktion ihrer Messunsicherheit erfolgen.
Die Beurteilung der Unsicherheit von Sensorsystemen erfolgte lange auf Basis der klassischen Fehlerrechnung. Diese weist jedoch Definitionsschwierigkeiten auf und vernachlässigt die stochastische Natur von Fehlern. Sie wird daher zunehmend durch den probabilistischen und wissensbasierten Ansatz des "Guide to the expression of uncertainty in measurements" (GUM) abgelöst. In der vorliegenden Arbeit wird der Ansatz des GUM so erweitert, dass er auch bei der Entwicklung von Sensoren gewinnbringend eingesetzt werden kann. Der Gewinn entsteht durch ein automatisiertes Verfahren, das neben der Messunsicherheit selbst auch die dominanten Ursachen von Abweichung und Messunsicherheit eines simulierten oder gemessenen Sensors berechnet. Der Einsatz des Verfahrens wird an Beispielen der Auswerteelektronik resistiver Sensoren gezeigt.
Einen weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit stellt die Analyse einer zeitbasierten Auswertung resistiver Sensoren als Alternative zur spannungsbasierten Auswertung dar. Dies erscheint vielversprechend, da Zeit die am genauesten messbare Größe im SI-System ist. Allerdings zeigt sich im Verlauf der Untersuchungen, dass die Umformerschaltung einen limitierenden Faktor darstellt und die spannungsbasierte Messung präzisere Ergebnisse erlaubt.
Zunächst wird ein Überblick über Prinzipien der Umformung von Dehnung in Widerstandsänderung gegeben. Dabei erfolgt die Herleitung der elektromechanischen Kopplung für isotrope und anisotrope Materialien aus den grundlegenden Gleichungen. Anschließend wird die Auswertung der Widerstandsänderung über die Zwischengrößen Spannung und Zeit betrachtet. Die Beschreibung ist jeweils unterteilt in Umformerschaltungen und Digitalisierung der Zwischengröße. Die Umformerschaltungen werden verglichen, und erstmals werden Formeln für den Signal-Rausch-Abstand hergeleitet. Dies schließt eine Betrachtung des resultierenden Rauschens der Schaltungen mit mehreren Messwiderständen ein. Weiterhin werden Kompensationsmöglichkeiten von Abweichungen diskutiert und auf Basis der Literatur ein erweitertes Kompensationsverfahren bei zeitbasierter Auswertung hergeleitet.
Der Einsatz des GUM als Simulationswerkzeug in der Entwicklung wird theoretisch diskutiert und anschließend an Beispielen erarbeitet. Als Mehrwert gegenüber der Vorgehensweise des GUM sind mit dem vorgeschlagenen verbesserten Verfahren die zusätzliche Analyse der Abweichung und die Identifizierung der dominanten Ursachen von Abweichung und Messunsicherheit möglich.
Als Beispiele werden verschiedene integrierte Bausteine (Texas Instruments INA114, Texas Instruments ADS1220, ams PS09) sowie Laborgeräte (Keithley 2450, Keithley 2182A, National Instruments 4330, HBM ML38B, HBM DMP41) einer Unsicherheitsanalyse unterzogen. Als Ergebnis der Unsicherheitsanalyse stehen die Abweichung, Messunsicherheit, die jeweils dominanten Größen sowie der Signal-Rausch-Abstand bei verschiedenen Sensorsignalen zur Verfügung. Für ein Signal von \SI{2}{\milli\volt\per\volt} ergeben sich Signal-Rausch-Abstände zwischen 1000 und 236000 Schritten entsprechend 60 bis \SI{107}{\db}.
Die Unsicherheitsanalysen werden an zwei Beispielen (Texas Instruments ADS1220, ams PS09) experimentell überprüft. Im Fall des spannungsbasiert arbeitenden ADS1220 ergibt sich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Modell und Messungen. Für den zeitbasiert arbeitenden PS09 stehen nicht alle benötigten Daten für eine Simulation mit der gewünschten Unsicherheit zur Verfügung. Daher muss mit Vermutungen gearbeitet werden. Im Vergleich mit den Messungen lässt sich schlussfolgern, dass die benötigte und die tatsächliche Bandbreite genauer spezifiziert werden müssen. Bei verschiedenen Konfigurationsparametern des Bausteins zeigt sich ein Verhalten, das von der Simulation signifikant abweicht. Mögliche Erklärungen werden diskutiert.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
---|---|---|---|---|---|
Erschienen: | 2017 | ||||
Autor(en): | Lotichius, Jan | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Modellbildung der Messunsicherheit resistiver Sensorsysteme | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Werthschützky, Prof. Dr. Roland ; Hinrichsen, Prof. Dr. Volker | ||||
Publikationsjahr: | 2017 | ||||
Ort: | Darmstadt | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 27 Juni 2017 | ||||
URL / URN: | http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/6845 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Resistive Sensoren stellen im weltweiten Sensormarkt das größte Segment in Stückzahlen dar. Ihr Wirkprinzip beruht auf der Umformung einer Messgröße in eine Änderung der Strom-Spannungs-Kennlinie eines Messwiderstands. Dieses Wirkprinzip wird für Temperatursensoren sowie elektromechanische Sensoren verwendet. Letztere wandeln Kraft, Druck, Drehmoment oder Weg in die Zwischengröße Dehnung, die dann von resistiven Messwiderständen erfasst wird. Allen Sensoren ist gemein, dass sie eine Widerstandsänderung im Prozentbereich oder kleiner um einen Grundwiderstand herum erfassen und dass ihre Unsicherheit bewertet werden muss. Ein Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zu zeigen, wie eine Unsicherheitsanalyse auch vor der Durchführung von zeitaufwändigen Messungen während der Entwicklung eines Sensorsystems eingesetzt werden kann. So sollen Entwickler von Sensorsystemen in die Lage versetzt werden, anhand von Datenblattangaben schnell eine Unsicherheitsanalyse zu erstellen. Aus dieser Unsicherheitsanalyse können sofort Aussagen abgeleitet werden, welche Eingangsgrößen bei verschiedenen Arbeitspunkten maßgeblich für die Unsicherheit der Ausgangsgröße sind. Entsprechend kann eine Optimierung der in der Entwicklung befindlichen Sensoren durch Reduktion ihrer Messunsicherheit erfolgen. Die Beurteilung der Unsicherheit von Sensorsystemen erfolgte lange auf Basis der klassischen Fehlerrechnung. Diese weist jedoch Definitionsschwierigkeiten auf und vernachlässigt die stochastische Natur von Fehlern. Sie wird daher zunehmend durch den probabilistischen und wissensbasierten Ansatz des "Guide to the expression of uncertainty in measurements" (GUM) abgelöst. In der vorliegenden Arbeit wird der Ansatz des GUM so erweitert, dass er auch bei der Entwicklung von Sensoren gewinnbringend eingesetzt werden kann. Der Gewinn entsteht durch ein automatisiertes Verfahren, das neben der Messunsicherheit selbst auch die dominanten Ursachen von Abweichung und Messunsicherheit eines simulierten oder gemessenen Sensors berechnet. Der Einsatz des Verfahrens wird an Beispielen der Auswerteelektronik resistiver Sensoren gezeigt. Einen weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit stellt die Analyse einer zeitbasierten Auswertung resistiver Sensoren als Alternative zur spannungsbasierten Auswertung dar. Dies erscheint vielversprechend, da Zeit die am genauesten messbare Größe im SI-System ist. Allerdings zeigt sich im Verlauf der Untersuchungen, dass die Umformerschaltung einen limitierenden Faktor darstellt und die spannungsbasierte Messung präzisere Ergebnisse erlaubt. Zunächst wird ein Überblick über Prinzipien der Umformung von Dehnung in Widerstandsänderung gegeben. Dabei erfolgt die Herleitung der elektromechanischen Kopplung für isotrope und anisotrope Materialien aus den grundlegenden Gleichungen. Anschließend wird die Auswertung der Widerstandsänderung über die Zwischengrößen Spannung und Zeit betrachtet. Die Beschreibung ist jeweils unterteilt in Umformerschaltungen und Digitalisierung der Zwischengröße. Die Umformerschaltungen werden verglichen, und erstmals werden Formeln für den Signal-Rausch-Abstand hergeleitet. Dies schließt eine Betrachtung des resultierenden Rauschens der Schaltungen mit mehreren Messwiderständen ein. Weiterhin werden Kompensationsmöglichkeiten von Abweichungen diskutiert und auf Basis der Literatur ein erweitertes Kompensationsverfahren bei zeitbasierter Auswertung hergeleitet. Der Einsatz des GUM als Simulationswerkzeug in der Entwicklung wird theoretisch diskutiert und anschließend an Beispielen erarbeitet. Als Mehrwert gegenüber der Vorgehensweise des GUM sind mit dem vorgeschlagenen verbesserten Verfahren die zusätzliche Analyse der Abweichung und die Identifizierung der dominanten Ursachen von Abweichung und Messunsicherheit möglich. Als Beispiele werden verschiedene integrierte Bausteine (Texas Instruments INA114, Texas Instruments ADS1220, ams PS09) sowie Laborgeräte (Keithley 2450, Keithley 2182A, National Instruments 4330, HBM ML38B, HBM DMP41) einer Unsicherheitsanalyse unterzogen. Als Ergebnis der Unsicherheitsanalyse stehen die Abweichung, Messunsicherheit, die jeweils dominanten Größen sowie der Signal-Rausch-Abstand bei verschiedenen Sensorsignalen zur Verfügung. Für ein Signal von \SI{2}{\milli\volt\per\volt} ergeben sich Signal-Rausch-Abstände zwischen 1000 und 236000 Schritten entsprechend 60 bis \SI{107}{\db}. Die Unsicherheitsanalysen werden an zwei Beispielen (Texas Instruments ADS1220, ams PS09) experimentell überprüft. Im Fall des spannungsbasiert arbeitenden ADS1220 ergibt sich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Modell und Messungen. Für den zeitbasiert arbeitenden PS09 stehen nicht alle benötigten Daten für eine Simulation mit der gewünschten Unsicherheit zur Verfügung. Daher muss mit Vermutungen gearbeitet werden. Im Vergleich mit den Messungen lässt sich schlussfolgern, dass die benötigte und die tatsächliche Bandbreite genauer spezifiziert werden müssen. Bei verschiedenen Konfigurationsparametern des Bausteins zeigt sich ein Verhalten, das von der Simulation signifikant abweicht. Mögliche Erklärungen werden diskutiert. |
||||
Alternatives oder übersetztes Abstract: |
|
||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-68457 | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 18 Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik 18 Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik > Institut für Elektromechanische Konstruktionen (aufgelöst 18.12.2018) 18 Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik > Mess- und Sensortechnik |
||||
Hinterlegungsdatum: | 29 Okt 2017 20:55 | ||||
Letzte Änderung: | 29 Okt 2017 20:55 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Werthschützky, Prof. Dr. Roland ; Hinrichsen, Prof. Dr. Volker | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 27 Juni 2017 | ||||
Export: | |||||
Suche nach Titel in: | TUfind oder in Google |
Frage zum Eintrag |
Optionen (nur für Redakteure)
Redaktionelle Details anzeigen |