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Festklopfen und Festwalzen von austenitisch ferritischem Gusseisen (ADI)

Müller, Clemens ; Scheil, Jan ; Groche, Peter ; Steitz, Manuel ; Stein, Philipp (2016)
Festklopfen und Festwalzen von austenitisch ferritischem Gusseisen (ADI).
Buch, Bibliographie

Kurzbeschreibung (Abstract)

Um Gewicht im Automobil zu sparen, werden immer häufiger höherfeste Bleche für Karosserieteile verwendet. Für den Werkzeugbau bedeutet dies, dass die Oberflächen der Tiefziehwerkzeuge höheren Belastungen standhalten müssen. Eine Möglichkeit, Werkzeuge an die hohen Belastungen anzupassen, ist das (Randschicht-) Härten. Der dabei auftretende Verzug, so wie die teils hohen Anschaffungskosten (bspw. Laseranlage für das Laserhärten) stellen sowohl technologische als auch, vor allem für KMUs, wirtschaftliche Hemmnisse dar. Gegenstand des vorliegenden Forschungsvorhabens war es daher, den im Werkzeugbau weitverbreiteten Werkzeugwerkstoff EN-JS2070 für das Tiefziehen höherfester Bleche weiter zu qualifizieren, so dass auf einen Härteprozess verzichtet werden kann. Hierzu wird der Werkstoff durch eine gezielte Wärmebehandlung in den sogenannten ADI-Zustand überführt. In diesem Zustand weist der Werkstoff einen, von den Wärmebehandlungsparametern abhängigen, Anteil metastabilen Austenits auf. Bei mechanischer Belastung wandelt dieser Anteil in harten Martensit um. Die mechanische Belastung erfolgt im Projekt durch die Oberflächenbearbeitungsverfahren maschinelles Oberflächenhämmern und Festwalzen. Beide Verfahren ermöglichen gleichzeitig die Einglättung der Oberfläche auf Polierqualität. Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden zunächst wesentliche Wärmebehandlungsparameter bezüglich der Gefügestruktur des ADI ermittelt. Die Untersuchungen zeigen, dass der Anteil metastabilen Austenits maßgeblich von der Austenitisierungs- und Ausferritisierungstemperatur abhängig ist. Für ein stabiles Gefüge sind zudem spezifische Haltezeiten einzuhalten. Versuche zum Einfluss der Gefügestruktur auf das Bearbeitungsergebnis durch das maschinelle Oberflächenhämmern und Festwalzen zeigen, dass ein Anteil von 52 an metastabilem Austenit bei 2,04 gew. Kohlenstoff zu hohen Oberflächenhärten bei gleichzeitig geringen Rauigkeiten führt. Auch die ADI-Wärmebehandlung führt zu Verzug der Bauteile. Da der Härteprozess jedoch vor der finalen Oberflächenbearbeitung stattfindet, können Formabweichungen durch einen nachgelagerten Fräsprozess behoben werden. Da das Fräsen eine mechanische Belastung des Werkstoffs darstellt, wurde der Einfluss verschiedener Fräsparameter auf die Gefügestruktur untersucht. Es zeigte sich, dass bereits beim Fräsen metastabiler Austenit in harten Martensit umwandelt. Der Anteil an umgewandelten, metastabilen Austenit ist dabei maßgeblich vom Anstellwinkel des Fräskopfs abhängig. Unter einem Anstellwinkel von 0 ° wandelt dabei mehr metastabiler Austenit um, als bei einem Anstellwinkel von 7,5 °. Die übrigen Fräsparameter wie Vorschubgeschwindigkeit und Zustellung beeinflussen das Gefüge nur geringfügig. Bezüglich des Einglättungsverhaltens und der Härtesteigerung der Bauteile erwies sich ein hoher Energieeintrag als geeignet. Beim maschinellen Oberflächenhämmern wird dies durch die Kombination eines kleinen Hammerkopfdurchmesser, eines großen Hubs und eines geringen Abdruck- und Zeilenabstands erreicht. Für einen hohen Energieeintrag beim Festwalzen sind ebenfalls ein geringer Zeilenabstand sowie ein hoher Walzdruck zu wählen. Im Gegensatz zum EN-JS2070 im Ausgangszustand, weist der ADI keine Oberflächenzerrüttung bei hohen mechanischen Belastungen auf. Oberflächenrauigkeiten von Ra < 0,1 µm sind erreichbar. Die mittels Festwalzen bearbeiteten Oberflächen weisen dabei geringfügig kleinere Rauhigkeitskennwerte auf. Gegenüber dem EN-JS2070 im Ausgangszustand weist der ADI bei Verschleißversuchen (Zylinder-Ebenen-Streifenziehversuch) ein stark adhäsives Verhalten auf. Während der EN-JS2070 vornehmlich abrasiv verschleißt, sind beim ADI keine abrasiven Verschleißspuren festzustellen. Der Wechsel des Verschleißmechanismus wird durch die, gegenüber dem EN-JS2070, unterschiedliche Gefügestruktur des ADI begründet. Durch eine, mittels maschinellem Oberflächenhämmern, eingebrachte Mikrostruktur wird der adhäsive Verschleiß beim ADI nahezu vollständig unterdrückt. In diesem Fall sind Verschleißkennwerte wie an lasergehärteten und polierten Proben, bei verkürzter Prozesskette, erreichbar. Versuche zum Nitrieren der ADI-Oberflächen waren nicht zielführend, da der metastabile Austenit bereits bei der Wärmebehandlung vollständig in harten Martensit umwandelt. Die Vorteile einer randschichtnahen Härtesteigerung bei duktilem Kern, können entsprechend nicht mehr genutzt werden.Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass der EN-JS2070 durch eine gezielte Wärmebehandlung und eine angepasste Bearbeitungsstrategie an die Anforderungen für das Tiefziehen höherfester Bleche weiterqualifiziert werden konnte. Das Ziel des Projektes wurde somit erreicht.

Typ des Eintrags: Buch
Erschienen: 2016
Autor(en): Müller, Clemens ; Scheil, Jan ; Groche, Peter ; Steitz, Manuel ; Stein, Philipp
Art des Eintrags: Bibliographie
Titel: Festklopfen und Festwalzen von austenitisch ferritischem Gusseisen (ADI)
Sprache: Deutsch
Publikationsjahr: 2016
Verlag: EFB: Europäische Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung e.V.
Reihe: EFB-Forschungsbericht
Band einer Reihe: 443
URL / URN: http://ble-x.de/mydocs/1341
Kurzbeschreibung (Abstract):

Um Gewicht im Automobil zu sparen, werden immer häufiger höherfeste Bleche für Karosserieteile verwendet. Für den Werkzeugbau bedeutet dies, dass die Oberflächen der Tiefziehwerkzeuge höheren Belastungen standhalten müssen. Eine Möglichkeit, Werkzeuge an die hohen Belastungen anzupassen, ist das (Randschicht-) Härten. Der dabei auftretende Verzug, so wie die teils hohen Anschaffungskosten (bspw. Laseranlage für das Laserhärten) stellen sowohl technologische als auch, vor allem für KMUs, wirtschaftliche Hemmnisse dar. Gegenstand des vorliegenden Forschungsvorhabens war es daher, den im Werkzeugbau weitverbreiteten Werkzeugwerkstoff EN-JS2070 für das Tiefziehen höherfester Bleche weiter zu qualifizieren, so dass auf einen Härteprozess verzichtet werden kann. Hierzu wird der Werkstoff durch eine gezielte Wärmebehandlung in den sogenannten ADI-Zustand überführt. In diesem Zustand weist der Werkstoff einen, von den Wärmebehandlungsparametern abhängigen, Anteil metastabilen Austenits auf. Bei mechanischer Belastung wandelt dieser Anteil in harten Martensit um. Die mechanische Belastung erfolgt im Projekt durch die Oberflächenbearbeitungsverfahren maschinelles Oberflächenhämmern und Festwalzen. Beide Verfahren ermöglichen gleichzeitig die Einglättung der Oberfläche auf Polierqualität. Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden zunächst wesentliche Wärmebehandlungsparameter bezüglich der Gefügestruktur des ADI ermittelt. Die Untersuchungen zeigen, dass der Anteil metastabilen Austenits maßgeblich von der Austenitisierungs- und Ausferritisierungstemperatur abhängig ist. Für ein stabiles Gefüge sind zudem spezifische Haltezeiten einzuhalten. Versuche zum Einfluss der Gefügestruktur auf das Bearbeitungsergebnis durch das maschinelle Oberflächenhämmern und Festwalzen zeigen, dass ein Anteil von 52 an metastabilem Austenit bei 2,04 gew. Kohlenstoff zu hohen Oberflächenhärten bei gleichzeitig geringen Rauigkeiten führt. Auch die ADI-Wärmebehandlung führt zu Verzug der Bauteile. Da der Härteprozess jedoch vor der finalen Oberflächenbearbeitung stattfindet, können Formabweichungen durch einen nachgelagerten Fräsprozess behoben werden. Da das Fräsen eine mechanische Belastung des Werkstoffs darstellt, wurde der Einfluss verschiedener Fräsparameter auf die Gefügestruktur untersucht. Es zeigte sich, dass bereits beim Fräsen metastabiler Austenit in harten Martensit umwandelt. Der Anteil an umgewandelten, metastabilen Austenit ist dabei maßgeblich vom Anstellwinkel des Fräskopfs abhängig. Unter einem Anstellwinkel von 0 ° wandelt dabei mehr metastabiler Austenit um, als bei einem Anstellwinkel von 7,5 °. Die übrigen Fräsparameter wie Vorschubgeschwindigkeit und Zustellung beeinflussen das Gefüge nur geringfügig. Bezüglich des Einglättungsverhaltens und der Härtesteigerung der Bauteile erwies sich ein hoher Energieeintrag als geeignet. Beim maschinellen Oberflächenhämmern wird dies durch die Kombination eines kleinen Hammerkopfdurchmesser, eines großen Hubs und eines geringen Abdruck- und Zeilenabstands erreicht. Für einen hohen Energieeintrag beim Festwalzen sind ebenfalls ein geringer Zeilenabstand sowie ein hoher Walzdruck zu wählen. Im Gegensatz zum EN-JS2070 im Ausgangszustand, weist der ADI keine Oberflächenzerrüttung bei hohen mechanischen Belastungen auf. Oberflächenrauigkeiten von Ra < 0,1 µm sind erreichbar. Die mittels Festwalzen bearbeiteten Oberflächen weisen dabei geringfügig kleinere Rauhigkeitskennwerte auf. Gegenüber dem EN-JS2070 im Ausgangszustand weist der ADI bei Verschleißversuchen (Zylinder-Ebenen-Streifenziehversuch) ein stark adhäsives Verhalten auf. Während der EN-JS2070 vornehmlich abrasiv verschleißt, sind beim ADI keine abrasiven Verschleißspuren festzustellen. Der Wechsel des Verschleißmechanismus wird durch die, gegenüber dem EN-JS2070, unterschiedliche Gefügestruktur des ADI begründet. Durch eine, mittels maschinellem Oberflächenhämmern, eingebrachte Mikrostruktur wird der adhäsive Verschleiß beim ADI nahezu vollständig unterdrückt. In diesem Fall sind Verschleißkennwerte wie an lasergehärteten und polierten Proben, bei verkürzter Prozesskette, erreichbar. Versuche zum Nitrieren der ADI-Oberflächen waren nicht zielführend, da der metastabile Austenit bereits bei der Wärmebehandlung vollständig in harten Martensit umwandelt. Die Vorteile einer randschichtnahen Härtesteigerung bei duktilem Kern, können entsprechend nicht mehr genutzt werden.Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass der EN-JS2070 durch eine gezielte Wärmebehandlung und eine angepasste Bearbeitungsstrategie an die Anforderungen für das Tiefziehen höherfester Bleche weiterqualifiziert werden konnte. Das Ziel des Projektes wurde somit erreicht.

Freie Schlagworte: Maschinelles Oberflächenhämmern, ADI, Festwalzen, Oberflächeneinglättung, Verschleiß, Streifenziehen
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften
11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften > Materialwissenschaft
11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften > Materialwissenschaft > Fachgebiet Physikalische Metallkunde
16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU)
Hinterlegungsdatum: 10 Nov 2016 06:39
Letzte Änderung: 26 Nov 2020 10:24
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