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Die Dynamik und Stabilität von räumlichen Nahrungsnetzen

Plitzko, Sebastian (2016)
Die Dynamik und Stabilität von räumlichen Nahrungsnetzen.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Ökosysteme, genauer gesagt die hier behandelte Untergruppe der Nahrungsnetze, sind in ihrem dynamischen Verhalten und der Stabilität stets Effekten ausgesetzt, die eben dieses nachhaltig beeinflussen können. Um die Reaktion des gesamten Systems besser verstehen zu können, wird in dieser Arbeit untersucht, wie die Artenvielfalt und die Stabilität der Populationen von Eigenschaften, wie unter anderem der Migrationsbereitschaft der Populationen, der Gesamtspezieszahl aber auch dem Jagdverhalten, abhängt.

Die Beziehung zwischen der Komplexität und der Stabilität in großen Nahrungsnetzmodellen wird zu Beginn der Arbeit untersucht. Hierzu werden Fixpunkte der Populationsdynamik mittels linearer Stabilitätsanalyse und der kürzlich eingeführten generalisierten Methode analysiert. Zuerst werden generelle Bedingungen hergeleitet, die zu einem positiven Komplexität-Stabilitäts-Verhältnis führen. Dies sind zum einen große Ressourcenbestände als Energielieferant und zum anderen eine stark dichteabhängige Mortalität, die die Konsumentenpopulation limitiert. Ein weiterer Fokus ist die Suche nach möglichst realistischen Werten für die Parameter der generalisierten Methode. Die empirisch unterstützen generalisierten Parameter liegen zumeist in einem Bereich, in dem eine positive Beziehung zwischen der Nahrungsnetzkomplexität und der Stabilität bestehen kann.

Im Anschluss daran wird mit Hilfe von Computersimulationen für die Populationsdynamik von Systemen mit vielen Spezies die Stabilität von Nahrungsnetzen, die über mehrere Habitate (patches) verteilt und durch Migration miteinander verbunden sind, untersucht. Als Maß der Stabilität wird zum einen der Anteil an überlebenden Spezies (robustness, im Folgenden Robustheit genannt) genommen und zum anderen die Wahrscheinlichkeit, dass die Dynamik einen Fixpunkt erreicht. Beides wird abhängig von der Nahrungsnetzkomplexität, der Habitat-Anordnung und den Migrationsregeln untersucht. Es wird gezeigt, dass Migration im Allgemeinen die Robustheit erhöht. Dieser Anstieg ist für mittlere Migrationsraten und sternenförmige Anordnungen von Habitaten am stärksten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fixpunkt erreicht wird, nimmt für mittlere Migrationsraten ab und zeigt einen deutlichen Maximalwert für höhere Migrationsraten im Falle der sternförmigen Topologie. Diese verschiedenen Beobachtungen werden durch den Rettungseffekt (rescue effect), durch die dynamisch-bedingte Koexistenz von Spezies und durch den Aufbau von Biomassenvorräten in stark verknüpften Habitaten erklärt. Mit wachsender Spezieszahl werden die Unterschiede verschiedener Habitatanordnungen kleiner und die geringere Wahrscheinlichkeit für das Erreichen eines Fixpunktes verschwindet. Dies bedeutet, dass komplexe Nahrungsnetze in gewisser Weise dynamisch einfacher als Nahrungsnetze, die aus wenigen Spezies bestehen, zu verstehen sind.

Zur Vertiefung des Verständnisses der kombinierten Eigenschaften von lokalen und räumlichen Effekten wird eine Analyse mittels der generalisierten Methode vom kleinsten System, d.h. ein 2-Habitat, 2-Spezies System, gemacht. Bekannte Ergebnisse über die stabilisierenden Parameter aus den großen Systemen der vorherigen Kapiteln werden hier nochmal für ein isoliertes Räuber-Beute-System bestätigt. Dies erfolgt im ersten Schritt analytisch und zusätzlich mittels der linearen Stabilitätsanalyse. Hier, wie auch in der kommenden räumlichen Untersuchung, kann man durch Wahl bestimmter Parameterbereiche unterschiedliche Szenarien (z.B. "innerhalb der Räuberpopulation herrscht keine Konkurrenz oder für zwei Habitate "die Beute migriert nicht) für die Systeme generieren. Mit dem zweiten Habitat wird die räumliche Komponente hinzugefügt und acht unterschiedliche Konfigurationen auf den Zusammenhang ihrer Parameter mit der Stabilität untersucht. Es zeigt sich, dass die lokalen Parameter weiterhin den größten Einfluss haben und Migration generell den Anteil an stabilen Netzen abnehmen lässt. Eine positive Korrelation der Migrationsintensität mit der Stabilität ist für Parameter, die die Biomassenabnahme beschreiben, möglich. Für ein System mit adaptiver Migration wird am Ende noch eine kurze Analyse der vorliegenden Oszillationen durchgeführt. Es zeigt sich anhand der Eigenvektoren, dass generell synchrone und asynchrone Oszillationen möglich sind, wobei entscheidend der Wert der zugehörigen Eigenwerte ist.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2016
Autor(en): Plitzko, Sebastian
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Die Dynamik und Stabilität von räumlichen Nahrungsnetzen
Sprache: Deutsch
Referenten: Drossel, Prof. Dr. Barbara ; Hamacher, Prof. Dr. Kay
Publikationsjahr: 2016
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 17 Februar 2016
URL / URN: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/5382
Kurzbeschreibung (Abstract):

Ökosysteme, genauer gesagt die hier behandelte Untergruppe der Nahrungsnetze, sind in ihrem dynamischen Verhalten und der Stabilität stets Effekten ausgesetzt, die eben dieses nachhaltig beeinflussen können. Um die Reaktion des gesamten Systems besser verstehen zu können, wird in dieser Arbeit untersucht, wie die Artenvielfalt und die Stabilität der Populationen von Eigenschaften, wie unter anderem der Migrationsbereitschaft der Populationen, der Gesamtspezieszahl aber auch dem Jagdverhalten, abhängt.

Die Beziehung zwischen der Komplexität und der Stabilität in großen Nahrungsnetzmodellen wird zu Beginn der Arbeit untersucht. Hierzu werden Fixpunkte der Populationsdynamik mittels linearer Stabilitätsanalyse und der kürzlich eingeführten generalisierten Methode analysiert. Zuerst werden generelle Bedingungen hergeleitet, die zu einem positiven Komplexität-Stabilitäts-Verhältnis führen. Dies sind zum einen große Ressourcenbestände als Energielieferant und zum anderen eine stark dichteabhängige Mortalität, die die Konsumentenpopulation limitiert. Ein weiterer Fokus ist die Suche nach möglichst realistischen Werten für die Parameter der generalisierten Methode. Die empirisch unterstützen generalisierten Parameter liegen zumeist in einem Bereich, in dem eine positive Beziehung zwischen der Nahrungsnetzkomplexität und der Stabilität bestehen kann.

Im Anschluss daran wird mit Hilfe von Computersimulationen für die Populationsdynamik von Systemen mit vielen Spezies die Stabilität von Nahrungsnetzen, die über mehrere Habitate (patches) verteilt und durch Migration miteinander verbunden sind, untersucht. Als Maß der Stabilität wird zum einen der Anteil an überlebenden Spezies (robustness, im Folgenden Robustheit genannt) genommen und zum anderen die Wahrscheinlichkeit, dass die Dynamik einen Fixpunkt erreicht. Beides wird abhängig von der Nahrungsnetzkomplexität, der Habitat-Anordnung und den Migrationsregeln untersucht. Es wird gezeigt, dass Migration im Allgemeinen die Robustheit erhöht. Dieser Anstieg ist für mittlere Migrationsraten und sternenförmige Anordnungen von Habitaten am stärksten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fixpunkt erreicht wird, nimmt für mittlere Migrationsraten ab und zeigt einen deutlichen Maximalwert für höhere Migrationsraten im Falle der sternförmigen Topologie. Diese verschiedenen Beobachtungen werden durch den Rettungseffekt (rescue effect), durch die dynamisch-bedingte Koexistenz von Spezies und durch den Aufbau von Biomassenvorräten in stark verknüpften Habitaten erklärt. Mit wachsender Spezieszahl werden die Unterschiede verschiedener Habitatanordnungen kleiner und die geringere Wahrscheinlichkeit für das Erreichen eines Fixpunktes verschwindet. Dies bedeutet, dass komplexe Nahrungsnetze in gewisser Weise dynamisch einfacher als Nahrungsnetze, die aus wenigen Spezies bestehen, zu verstehen sind.

Zur Vertiefung des Verständnisses der kombinierten Eigenschaften von lokalen und räumlichen Effekten wird eine Analyse mittels der generalisierten Methode vom kleinsten System, d.h. ein 2-Habitat, 2-Spezies System, gemacht. Bekannte Ergebnisse über die stabilisierenden Parameter aus den großen Systemen der vorherigen Kapiteln werden hier nochmal für ein isoliertes Räuber-Beute-System bestätigt. Dies erfolgt im ersten Schritt analytisch und zusätzlich mittels der linearen Stabilitätsanalyse. Hier, wie auch in der kommenden räumlichen Untersuchung, kann man durch Wahl bestimmter Parameterbereiche unterschiedliche Szenarien (z.B. "innerhalb der Räuberpopulation herrscht keine Konkurrenz oder für zwei Habitate "die Beute migriert nicht) für die Systeme generieren. Mit dem zweiten Habitat wird die räumliche Komponente hinzugefügt und acht unterschiedliche Konfigurationen auf den Zusammenhang ihrer Parameter mit der Stabilität untersucht. Es zeigt sich, dass die lokalen Parameter weiterhin den größten Einfluss haben und Migration generell den Anteil an stabilen Netzen abnehmen lässt. Eine positive Korrelation der Migrationsintensität mit der Stabilität ist für Parameter, die die Biomassenabnahme beschreiben, möglich. Für ein System mit adaptiver Migration wird am Ende noch eine kurze Analyse der vorliegenden Oszillationen durchgeführt. Es zeigt sich anhand der Eigenvektoren, dass generell synchrone und asynchrone Oszillationen möglich sind, wobei entscheidend der Wert der zugehörigen Eigenwerte ist.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The dynamical behavior and stability of ecosystems, respectively the in this work discussed subgroup food webs, are typically influenced by effects, which can sustainably change those. To gain a better understanding of the reaction of the whole system, this work investigates the dependance on species diversity and the stability of the population in regard to for instance willingness to migrate, total number of species and hunting behavior. For spatially extended food webs, which play the main role in this work, of course spatial but also local effects are important.

Starting this work, the relation between complexity and stability in large model food webs is investigated by evaluating the local stability of fixed points of the population dynamics using the recently developed method of generalized modeling. First, general conditions that lead to positive complexity-stability relations are determined. These include (1) high resource abundance for a large energy input and (2) strong density-dependent mortality effects that limit consumer populations. Emphasis is placed on using realistic values for these generalized parameters. The empirically supported generalized parameters fall in regions of the parameter space that allow for a positive relation between food-web complexity and stability.

Using computer simulations for the population dynamics of systems with many species, the stability of food webs distributed over several patches that are connected by migration is studied in the next section. As a measure of stability, the proportion of persisting species (robustness) and the probability that dynamics reach a fixed point in dependence of food-web complexity, patch arrangement, and migration rule is evaluated. Migration generally increases robustness. This increase is strongest for intermediate migration rates and for star-like patch arrangements. The probability of reaching a fixed point decreases for intermediate migration rate, and has a large peak at larger migration rate for the star topology. These various observations are explained by the rescue effect, by dynamical coexistence of species, and by the buildup of biomass reservoirs in highly connected patches. As the species number becomes larger, differences between different patch arrangements become smaller, and the decrease in the probability of reaching a fixed point vanishes. This means that complex food webs are in some sense dynamically simpler than food webs consisting of less species.

An analysis to deepen the understanding of the combined properties of local and spatial effects is done with the generalized modelling approach for the smallest system, that is the 2-species 2-patch system. Some known insights from the large food webs for the stabilizing generalized parameters are verified for the predator-prey system. This is investigated by some analytical calculations and additionally by linear stability analysis. Here, and the same goes for the spatial investigation in the next step, different scenarios (for example "there is no competition within the predator population" and for two patches "prey is not moving to other patches") can be chosen by varying the parameter ranges. Adding the second patch extends the system spatially and eight different configurations are studied by calculating the connection between the Parameters and the stability. It is shown, that the local parameters have the largest impact and migration generally reduces the proportion of stable food webs. A positive correlation of stability with increasing rate of migration is for biomass density reducing parameters possible. A short analysis of the present oszillations is done for a system with adaptive migration. Based on the eigenvector synchronous and asynchronous oscillations are generally possible. The present case is decided by the value of the respective eigenvalues.

Englisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-53827
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 05 Fachbereich Physik
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM))
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Statistische Physik und komplexe Systeme
Hinterlegungsdatum: 17 Apr 2016 19:55
Letzte Änderung: 17 Apr 2016 19:55
PPN:
Referenten: Drossel, Prof. Dr. Barbara ; Hamacher, Prof. Dr. Kay
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 17 Februar 2016
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