In dieser Studie wird der Begriff "Wirtschaftsverkehr" ins französische mit "trafic
professionnel" übersetzt, in Anlehnung an neuere Definitionen, die diesen vom Privatverkehr
abgrenzen. Er umfasst den Dienstleistungsverkehr ohne Gütertransport (z. B. von
Handwerkern, Sozial- und Reparaturdiensten) und den städtischen Güterverkehr, wobei der
Lieferverkehr Hauptschwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist.
Der Wirtschaftsverkehr beträgt mittlerweile etwa ein Drittel des städtischen Verkehrs, wovon
der Lieferverkehr (inklusive Post und Kurrierdienste) wiederum etwa ein Drittel ausmacht.
Sein Aufkommen wird durch "Just-in-time" und die hohen Verbraucheransprüchen weiterhin
steigen.
Aufgrund seiner hohen Luftverschmutzung, Lärmbelastung und seiner Abmessungen wird er
als besonders störend empfunden. Da er aber von großer Wichtigkeit für die Lebensfähigkeit
der Innenstadt und des dortigen Handels ist, müssen ihm Flächen zur Verfügung gestellt
werden, die bereits vom parkenden Einkaufsverkehr, vom fließenden Verkehr oder den
Fußgängern beansprucht werden. Er benötigt Möglichkeiten, die Geschäfte in der
Fußgängerzone zu versorgen, sowie Ladezonen im Straßenraum.
Während in Lausanne und anderen Schweizer Städten hierfür eigene Parkstände reserviert
werden (in Lausanne sind es fast ein Zehntel der Parkplätze im Straßenraum), erfüllen diese
Funktion in Darmstadt vorwiegend eingeschränkte Halteverbotszonen. Um zu sehen, wie
das Parkplatzangebot genutzt wird, waren im Rahmen dieser Arbeit eigene Zählungen
notwendig, da keine diesbezüglichen Daten existierten.
Die Öffnung der Fußgängerzonen für den Lieferverkehr differiert (insbesondere am
Nachmittag) sogar innerhalb der einzelnen Städten, je nach der Struktur der dort ansäßigen
Geschäfte sowie der Fußgängerdichte. In den Fußgängerzonen bildete das Hauptproblem die
zwangsläufig hohe Konzentration an Fahrzeugen während der erlaubten kurzen
Lieferzeitfenster. In Darmstadt ergab sich z. B. die Notwendigkeit, durch späte
Ladenöffnungszeiten auch die Lieferzeitfenster zeitlich nach hinten zu verschieben. Für die
enge Fußgängerzone in Lausanne, die ausschießlich bis 10:30 Uhr beliefert werden darf, ist
die morgendliche Konzentration so hoch, dass Fußgänger Schwierigkeiten haben, sich
zwischen den LKW hindurch zu zwängen.
Die Ladezonen bzw. Lieferparkplätze im Straßenraum sind insbesondere nach Mittag
durch Falschparker für den Lieferverkehr blockiert und zu Kurzzeitparkplätzen
"umfunktioniert" worden, weil diese bereits von Langzeitparkern belegt sind.
Dies verdeutlicht, dass die Parkraumproblematik des Lieferverkehrs mit einem weiteren
Blickwinkel betrachtet werden muss. Für den nachstehenden Kriterienkatalog, der zur
Bewertung von Parkraumkonzepten dient, sind deshalb 5 verschiedene Ebenen unterschieden
worden:
• Ebene 1 umfasst allgemeine Rahmenbedingungen, die eine angemessene Planung des
Wirtschaftsverkehrs bei konkreten Projekten ermöglichen sollen.
• Ebene 2 befasst sich mit Ausnahmegenehmigungen für den Dienstleistungsverkehr,
damit dieser seine Kunden erreichen und so seine Arbeit ausfahren kann.
• Ebene 3 enthält Beurteilungskriterien hinsichtlich einer "Lieferverkehrs-gerechten"
Infrastruktur (Beschaffenheit von Lieferparkplätzen und Fußgängerzonen).
• In der Praxis genügt nicht nur eine schlichte Bereitstellung dieser Infrastruktur; sie
muss auch vor Falschparkern und anderen Beeinträchtigungen geschätzt werden, um
ihre Funktion erfüllen zu können, was auf Ebene 4 berücksichtigt wird.
• Ebene 5 stellt einen anderen Ansatzpunkt dar: an Stelle eines weiteren Ausbaus dieser
Infrastruktur (was angesichts Platz- und Finanznot in den Städten schwierig geworden
ist), prüft sie, ob durch Verkehrsführung und -planung die vorhandenen
Lademöglichkeiten so rationell und verträglich wie möglich ausgenutzt sind.
Bei einer Anwendung des Kriterienkataloges auf die beiden Untersuchungsgebiete liegen die
Hauptdefizite auf Lausanner Seite in der Fußgängerzone, die bis Ende 1998 noch verlängert
wird. Hier werden rückwärtige Anlieferungsmöglichkeiten untersucht. In Darmstadt hingegen
ist das Problem durch eine teilweise Anlieferung per Tunnel und unterirdischem Ladehof
entschärft. Mögliche Verbesserungsmaßnahmen betreffen dort in erster Linie die
Ausweisung einer eigenen Ladezone für den Lieferverkehr in der Grafenstraße und den
Schutz der Taxiparkplätze vor dem Stadthaus 1 vor Falschparkern.
Eine Modifikation der Lieferzeitfenster ist in beiden Städten erforderlich und wird in
absehbarer Zeit umgesetzt werden. Gleichermaßen vorhanden ist auch das Problem der
Falschparker auf den Lieferparkplätzen und eine fehlende, schnell kontrollierbare und
geordnete Regelung bezüglich des Einkaufsverkehrs mit schweren oder unhandlichen Waren,
der zwar kein Wirtschaftsverkehr im engen Sinne darstellt, aber als "privater städtischer
Güterverkehr" dem Lieferverkehr nahekommt.
Kriterienkatalog
1. Ebene: Rahmenbedindungen
• Existiert ein Überblick über das Parkraumangebot für den Wirtschaftsverkehr?
• Existieren geeignete Daten zur diesbezüglichen Nachfrage durch den
Wirtschaftsverkehr?
• Ist seine Berücksichtigung bei neuen Bauvorhaben und Verkehrsprojekten garantiert?
• Wird ein Informationsfluss und -Austausch der an ihm Beteiligten organisiert?
2. Ebene: Dienstleistungsverkehr
• Existieren geeignete und praktikable Ausnahmegenehmigungen?
• Hält sich der Verwaltungsaufwand hierfür in Grenzen?
• Ist das System genügend fälschungssicher?
3. Ebene: Infrastruktur für den Lieferverkehr
• Verfügt der Lieferverkehr über eine genügende Zahl von (Ent-) Lademöglichkeiten ?
• Sind diese Plätze konform zu den speziellen Anforderungen der Lieferfahrzeuge?
• Ist die Fußgängerzone so dimensioniert, dass Lieferfahrzeuge sie benutzen können?
• Ist sie bestmöglichst entlastet durch Nutzung unabhängiger Anlieferungsformen?
4. Ebene: Schutz dieser Infrastruktur vor Missbrauch
• Sind allgemeine verkehrshemmende Konfliktpunkte so gut wie möglich entschärft?
• Existieren genügend Anreize für eine Verlagerung des Einkaufsverkehrs, als
Hauptkonkurrent bezüglich der knappen Parkflächen im Straßenraum?
• Wird das Falschparken, das den Lieferverkehr beeinträchtigt, genügend geahndet?
• Sind die baulichen Mittel ausgeschöpft, die Lieferzonen vor Falschparkern zu
schützen?
• Existieren für private Einkäufer mit schweren / unhandlichen Waren
Lademöglichkeiten in geregelter und kontrollierbarer Art und Weise?
5. Ebene: Optimale Ausnutzung dieser Infrastruktur
• Besteht eine gute Verkehrsführung für den Lieferverkehr zu den Ladezonen?
• Sind Bündelungsmöglichkeiten der Güterströme wie City-Logistik ausgeschöpft?
• Sind die Lieferzeitfenster in den Fußgängerzonen gut abgestimmt mit
Ladenöffnungszeiten und Fußgängeraufkommen? | Deutsch |