Änderungen in der demografischen und sozialen Struktur der Bevölkerung wie sinkende Schülerzahlen und die Steigende Anzahl an Älteren Personen beeinflussen die Mobilitätsbedürfnisse der Gesellschaft. Diese Mobilitätsbedürfnisse wiederum haben Auswirkungen auf den öffentlichen Personennahverkehr: z.B. barrierefreier Zugang zum ÖPNV, vereinfachter Fahrscheinverkauf und Finanzierungsprobleme (VDV, 2009). Gleichzeitig verändert der technische Fortschritt alle Arten von privaten und der öffentlichen Hand angebotenen Dienstleistungen, wozu auch der öffentliche Nahverkehr gehört. Das Internet, RFID (radio-frequency identification) und NFC (near field communication) sind nur zwei Beispiele für Technologien, die die Einführung von mobilen und elektronischen Fahrschienen bei der Personenbeförderung möglich gemacht haben. Die Einführung von elektronischen Tickets im öffentlichen Personennahverkehr kann - im Gegensatz zu elektronischen Tickets im Luftverkehr - bedeutenden Einfluss auf das zugrunde liegende Tarifsystem haben. Ziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV) Schwächen in bestehenden Tarifsystemen zu identifizieren und Verbesserungsmöglichkeiten, die durch die Einführung eines elektronischen Fahrgeldmanagementsystems (EFM) entstehen, aufzuzeigen. In der Arbeit werden die Methoden der morphologischen Analyse und der Kreuztabellenanalyse verwendet, um die Eigenschaften und Elemente von Tarifsystemen und elektronischen Fahrgeldmanagementsystemen zu identifizieren, zu kategorisieren und zu bewerten, um integrierte Lösungen für eine Kombination der Systeme zu finden. Im Rahmen der Arbeit wurden Elemente zur Fahrpreisermittlung und der Vermarktung von Tickets identifiziert und genau analysiert, um Tarifsysteme kategorisieren zu können. Die Faktoren zur Fahrpreisermittlung basieren auf Differenzierung nach räumlichen und zeitlichen Faktoren sowie nach der Art der Fahrgäste und dem genutzten Verkehrsmittel. Die Elemente, die sich auf die Vermarktung von Tickets beziehen, hingegen basieren auf der Struktur konkurrierender Verkehrsmittel und Aspekte der Kundenbindung. Jede Kategorie der identifizierten Verkehrssysteme wurde mit Bezugnahme auf die drei gleichwertigen Basisanforderungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBEFG, 1961), Transparenz, Fairness und Ertrag, hin analysiert. Weil bei ihrer Entwicklung viele Aspekte berücksichtiget werden müssen und zahlreiche Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen den Prozess zusätzlich beeinflussen, sind bestehende Tarifsysteme oft sehr Komplex und schwierig zu verstehen. Bis heute wird in vielen Regionen Deutschlands und Europas versucht, den Anforderungen nach fairen und transparenten Fahrpreisen durch räumlich orientierte Tarifsysteme mit Pauschalangeboten für bestimmte Gebiete und Zeiträume (z.B. Jahreskarten für bestimmte Zonen) gerecht zu werden. In Zukunft ermöglicht die Einführung elektronsicher Fahrgeldmanagementsysteme die Anwendung neue Tarifmodelle, die auf dynamische Fahrpreisermittlung setzen, um die Tarifsysteme transparenter, fairer und ertragreicher zu machen. Elektronisches Fahrgeldmanagement umfasst die interoperablen Abrechnung in intermodalen öffentlichen Nahverkehrssystemen und alle Prozesse, die die Nutzung elektronsicher Medien im Fahrscheinvertrieb ermöglichen. Elektronischer Fahrscheinvertrieb ist der bargeldlose Verkauf, die elektronische Speicherung sowie die Verwaltung von Tickets mit Hilfe elektronischer Medien. Die vier Elemente eines elektronischen Fahrgeldmanagementsystems, Front-Office, Back-Office, Kontrollinfrastruktur und der elektronische Fahrschein, wurden in der Arbeit genau analysiert, um verschiedene Kategorien von elektronischen Fahrgeldmanagementsystemen identifizieren zu können. Die Ergebnisse zeigen, dass das bestehende Tarifsystem des RMV zur Zeit seiner Einführung zweckdienlich war, für die Zukunft aber Anpassungen vorgenommen werden müssen. Dabei können nicht nur die vorhandenen Schwächen beseitigt werden. Mit Hilfe des elektronischen Fahrgeldmanagements können flexible Tarife angeboten werden, die sich an Merkmalen orientieren, deren Berücksichtigung bis dato nicht möglich war. Zum Beispiel wurden auf Relationen basierende Tarife im Luftverkehr und Schienenfernverkehr erfolgreich eingeführt, obwohl sie von den Fahrgästen nicht als transparent empfunden werden. Das System der Preisermittlung wird dabei aufgrund von Marktgegebenheiten nicht offengelegt. Fahrpreise in relationsbasierten Tarifen können einfacher auf Faktoren wie Nachfrage, Fahrzeit und Wegstrecke angepasst werden. Eine zusätzliche Preisdifferenzierung in Form von Zu- oder Abschlägen auf den Grundtarif (z.B. entfernungsorientiert) eröffnet interessante Möglichkeiten, kann die Kunden aber verwirren. Ein weiterer Vorteil relationsbasierter Tarife ist, dass Fahrten in städtischen und ländlichen Raum sowie über kurze und lange Strecken unterschiedlich bepreist werden können. Dies bedeutet, dass die Fahrpreisermittlung besser an lokale Gegebenheiten wie die Größe einer Stadt angepasst werden kann. Deshalb wird empfohlen, ein Szenario für die Einführung eines relations-/ proportionsbezogenen Tarifsystems zu erstellen, zu analysieren und für die Tarifstrukturreform in Betracht zu ziehen.