Traut, Tanja (2014)
Kriterien und Empfehlungen für die Standortwahl von Fernbusterminals.
Technische Universität Darmstadt
Masterarbeit, Bibliographie
Kurzbeschreibung (Abstract)
Am 1. Januar 2013 wurde der Markt für den inländischen Fernbuslinienverkehr geöffnet. Wettbewerb ist seit der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes nicht nur intermodal, sondern auch intramodal gegeben. Der deutsche Fernbuslinienverkehr unterliegt der Genehmigungspflicht und wurde zum Schutz des Nahverkehrs eingeschränkt. Haltestellen mit einem Abstand von weniger als 50 km oder mit parallel laufendem Schienenpersonennahverkehr mit einer Reisezeit von weniger als einer Stunde dürfen von einer Fernbuslinie zwar angefahren werden, allerdings darf keine Personenbeförderung zwischen diesen Haltestellen stattfinden (Unterwegsbedienungsverbot).
Im ersten Jahr der Liberalisierung kam es zu einem rasanten und stetigem Wachstum des Fernbuslinienverkehrs. Dieses bezieht sich sowohl auf die Anzahl der am Markt tätigen Busunternehmen, als auch das Linienangebot, die Häufigkeit der Bedienung einzelner Linien sowie die Anzahl möglicher Fahrtziele. Die wenigsten Städte waren auf eine solche Entwicklung vorbereitet. Die Folge sind provisorisch eingerichtete Haltestellen, denen es vor allem an Nachhaltigkeit mangelt. Die Weiterentwicklung des Marktes droht durch den Mangel an geeigneten, leistungsfähigen Haltepunkten und Standorten für Fernbusterminals zukünftig gehemmt zu werden. Bisher existiert jedoch kein klar definierter Aufgabenträger für die Entwicklung einer angemessenen Haltestelleninfrastruktur.
Die bisherige Standortwahl von Haltepunkten des Fernbuslinienverkehrs resultiert selten aus einer systematischen Planung unter Berücksichtigung geeigneter Standortkriterien. Ferner scheint nach einer nationalen Standortanalyse das Hauptkriterium der bisherigen Standortwahl die Nähe zum Hauptbahnhof gewesen zu sein. Hierdurch wurden wesentliche Standortkriterien, wie die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und den Individualverkehr sowie ein adäquates Angebot an Geschäften, Gastronomiebetrieben und Übernachtungsmöglichkeiten, ohne den zusätzlichen Einsatz von Ressourcen erfüllt.
Ziel einer guten Standortwahl sollte es sein, einen erreichbaren Standort für ein ausreichend dimensioniertes und angemessen ausgestattetes Fernbusterminal zu finden, das von den Nutzern akzeptiert wird und einen reibungslosen Betriebsablauf und damit auch verkehrliche Sicherheit ermöglicht. Dabei müssen sowohl die betrieblichen als auch die verkehrlichen Besonderheiten des Fernbuslinienverkehrs berücksichtigt werden.
Die Refinanzierbarkeit des Fernbusterminals ist für den Betreiber von hoher Bedeutung. Die Infrastruktur des Fernbuslinienverkehrs wird bisher nicht oder lediglich begrenzt durch öffentliche Finanzmittel gefördert. Auch der private Fernbusunternehmer legt Wert auf die Wirtschaftlichkeit seiner Fernbuslinien, sodass er dem Fernbusfahrgast ein gutes Preis—Leistungs—Verhältnis bieten kann. Darüber hinaus profitieren die Kommune und die Allgemeinheit durch zusätzliche Steuereinnahmen und Arbeitsplätze von einer Anbindung an das Fernbusliniennetz. Bei der Standortwahl ist daher das wirtschaftliche Potenzial des Standortes zu berücksichtigen.
Des Weiteren sind die jeweiligen rechtlichen und stadtplanerischen Gegebenheiten bei der Standortwahl zu beachten. Entscheidend sind hier die stadtplanerischen Anforderungen, die Vermeidung negativer Umweltwirkungen, das Allgemeinwohl, die Anwohnerakzeptanz, die Verfügbarkeit der Fläche sowie die Wahrung bzw. Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung.
Standortkriterien können zum einen nach flächenbezogenen, umgebungsbezogenen und flexiblen Kriterien und zum anderen nach verkehrlichen / betrieblichen, wirtschaftlichen und rechtlichen / stadtplanerischen Kriterien differenziert werden. Konflikte zwischen einzelnen Standortkriterien sind nicht auszuschließen. Sie entstehen vor allem dann, wenn ein Standortkriterium einen übermäßig hohen Erfüllungsgrad erzielt. Die Bedeutung verschiedener Standortkriterien kann von Stadt zu Stadt variieren. Durch die Definition von Stadttypen können geeignete Standortempfehlungen gegeben werden.
Verschiedene Typen von Städten können anhand der stadtspezifischen Eigenschaften Stadtgröße in Einwohnerzahl, Verkehrsaufkommen des Fernbuslinienverkehrs und Hauptfunktion der Stadt bzw. des Haltepunktes im Rahmen des Linienverkehrs definiert werden. Darüber hinaus sollten auch bestehende negative Umweltwirkungen in die Definition einbezogen werden. Die jeweiligen Standortempfehlungen nach Stadttypus beinhalten sowohl die geeignete Anzahl an Haltepunkten als auch die in Frage kommenden Standortalternativen.
Es lassen sich zentrale und dezentrale Standortalternativen differenzieren. Zentrale Standortalternativen sind solche in Innenstadtlage und häufig auch Bahnhofsnähe. Dezentrale Standorte sind solche in Autobahnnähe, Flughafennähe und Gewerbegebieten. Jede dieser Standortalternative weist kritische Standortkriterien auf, deren Umsetzung bzw. Erfüllung aufgrund der Eigenheiten des Standortes als problematisch angesehen werden. Über eine entsprechende Bewertung der Standortalternativen kann mit Hilfe der aus dem Stadttypus hervorgehen Standortempfehlung und einer im Rahmen der Zielsetzung vorgenommenen, individuellen Gewichtung der Standortkriterien der beste Standort bestimmt werden.
Die Wahl mehrerer Standorte anstelle eines Standortes ist vor allem in Städten mit einem hohen Verkehrsaufkommen und einer hohen Einwohnerzahl sinnvoll. Es wird empfohlen nicht mehr als zwei sich deutlich hinsichtlich Lage, Ausstattung und Service unterscheidende Standorte zu wählen, um eine eindeutige Aufteilung der Fernbusunternehmen zu erzielen. Dabei wäre ein Betrieb beider Fernbusterminals aus einer Hand wünschenswert.
Insgesamt besitzt der Fernbuslinienverkehr in Europa eine hohe Bedeutung, während der Liberalisierungsgrad stärker variiert. Die Bedeutung des Fernbuslinienverkehrs in Deutschland ist derzeit noch gering, kann sich in den kommenden Jahren und mit einer Etablierung des Fernbusmarktes jedoch verändern. Zur hierfür benötigten Ausbildung einer strukturierten, nachhaltigen Haltestelleninfrastruktur fehlt es in Deutschland vor allem an einer klaren Zuweisung der Zuständigkeit. Am Beispiel der amerikanischen Haltestelleninfrastruktur wird deutlich, dass durch den langfristigen Verzicht auf die Einrichtung einer angemessenen Haltestelleninfrastruktur indirekt Kosten zu Lasten der Kommune entstehen. Eine Aufgabenträgerschaft der Fernbusunternehmen selbst scheint erst möglich, wenn sich der Fernbusmarkt etabliert hat. Zur Wahrung der Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit sowie der Leistungsfähigkeit und Qualität des Verkehrs kann ein Agieren auf politischer Eben in den kommenden Jahren nicht ausgeschlossen werden.
Typ des Eintrags: | Masterarbeit | ||||
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Erschienen: | 2014 | ||||
Autor(en): | Traut, Tanja | ||||
Art des Eintrags: | Bibliographie | ||||
Titel: | Kriterien und Empfehlungen für die Standortwahl von Fernbusterminals | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Groer, M. Sc. Stefan | ||||
Publikationsjahr: | 2014 | ||||
URL / URN: | https://www.verkehr.tu-darmstadt.de/media/verkehr/fgvv/beruf... | ||||
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Kurzbeschreibung (Abstract): | Am 1. Januar 2013 wurde der Markt für den inländischen Fernbuslinienverkehr geöffnet. Wettbewerb ist seit der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes nicht nur intermodal, sondern auch intramodal gegeben. Der deutsche Fernbuslinienverkehr unterliegt der Genehmigungspflicht und wurde zum Schutz des Nahverkehrs eingeschränkt. Haltestellen mit einem Abstand von weniger als 50 km oder mit parallel laufendem Schienenpersonennahverkehr mit einer Reisezeit von weniger als einer Stunde dürfen von einer Fernbuslinie zwar angefahren werden, allerdings darf keine Personenbeförderung zwischen diesen Haltestellen stattfinden (Unterwegsbedienungsverbot). Im ersten Jahr der Liberalisierung kam es zu einem rasanten und stetigem Wachstum des Fernbuslinienverkehrs. Dieses bezieht sich sowohl auf die Anzahl der am Markt tätigen Busunternehmen, als auch das Linienangebot, die Häufigkeit der Bedienung einzelner Linien sowie die Anzahl möglicher Fahrtziele. Die wenigsten Städte waren auf eine solche Entwicklung vorbereitet. Die Folge sind provisorisch eingerichtete Haltestellen, denen es vor allem an Nachhaltigkeit mangelt. Die Weiterentwicklung des Marktes droht durch den Mangel an geeigneten, leistungsfähigen Haltepunkten und Standorten für Fernbusterminals zukünftig gehemmt zu werden. Bisher existiert jedoch kein klar definierter Aufgabenträger für die Entwicklung einer angemessenen Haltestelleninfrastruktur. Die bisherige Standortwahl von Haltepunkten des Fernbuslinienverkehrs resultiert selten aus einer systematischen Planung unter Berücksichtigung geeigneter Standortkriterien. Ferner scheint nach einer nationalen Standortanalyse das Hauptkriterium der bisherigen Standortwahl die Nähe zum Hauptbahnhof gewesen zu sein. Hierdurch wurden wesentliche Standortkriterien, wie die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und den Individualverkehr sowie ein adäquates Angebot an Geschäften, Gastronomiebetrieben und Übernachtungsmöglichkeiten, ohne den zusätzlichen Einsatz von Ressourcen erfüllt. Ziel einer guten Standortwahl sollte es sein, einen erreichbaren Standort für ein ausreichend dimensioniertes und angemessen ausgestattetes Fernbusterminal zu finden, das von den Nutzern akzeptiert wird und einen reibungslosen Betriebsablauf und damit auch verkehrliche Sicherheit ermöglicht. Dabei müssen sowohl die betrieblichen als auch die verkehrlichen Besonderheiten des Fernbuslinienverkehrs berücksichtigt werden. Die Refinanzierbarkeit des Fernbusterminals ist für den Betreiber von hoher Bedeutung. Die Infrastruktur des Fernbuslinienverkehrs wird bisher nicht oder lediglich begrenzt durch öffentliche Finanzmittel gefördert. Auch der private Fernbusunternehmer legt Wert auf die Wirtschaftlichkeit seiner Fernbuslinien, sodass er dem Fernbusfahrgast ein gutes Preis—Leistungs—Verhältnis bieten kann. Darüber hinaus profitieren die Kommune und die Allgemeinheit durch zusätzliche Steuereinnahmen und Arbeitsplätze von einer Anbindung an das Fernbusliniennetz. Bei der Standortwahl ist daher das wirtschaftliche Potenzial des Standortes zu berücksichtigen. Des Weiteren sind die jeweiligen rechtlichen und stadtplanerischen Gegebenheiten bei der Standortwahl zu beachten. Entscheidend sind hier die stadtplanerischen Anforderungen, die Vermeidung negativer Umweltwirkungen, das Allgemeinwohl, die Anwohnerakzeptanz, die Verfügbarkeit der Fläche sowie die Wahrung bzw. Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung. Standortkriterien können zum einen nach flächenbezogenen, umgebungsbezogenen und flexiblen Kriterien und zum anderen nach verkehrlichen / betrieblichen, wirtschaftlichen und rechtlichen / stadtplanerischen Kriterien differenziert werden. Konflikte zwischen einzelnen Standortkriterien sind nicht auszuschließen. Sie entstehen vor allem dann, wenn ein Standortkriterium einen übermäßig hohen Erfüllungsgrad erzielt. Die Bedeutung verschiedener Standortkriterien kann von Stadt zu Stadt variieren. Durch die Definition von Stadttypen können geeignete Standortempfehlungen gegeben werden. Verschiedene Typen von Städten können anhand der stadtspezifischen Eigenschaften Stadtgröße in Einwohnerzahl, Verkehrsaufkommen des Fernbuslinienverkehrs und Hauptfunktion der Stadt bzw. des Haltepunktes im Rahmen des Linienverkehrs definiert werden. Darüber hinaus sollten auch bestehende negative Umweltwirkungen in die Definition einbezogen werden. Die jeweiligen Standortempfehlungen nach Stadttypus beinhalten sowohl die geeignete Anzahl an Haltepunkten als auch die in Frage kommenden Standortalternativen. Es lassen sich zentrale und dezentrale Standortalternativen differenzieren. Zentrale Standortalternativen sind solche in Innenstadtlage und häufig auch Bahnhofsnähe. Dezentrale Standorte sind solche in Autobahnnähe, Flughafennähe und Gewerbegebieten. Jede dieser Standortalternative weist kritische Standortkriterien auf, deren Umsetzung bzw. Erfüllung aufgrund der Eigenheiten des Standortes als problematisch angesehen werden. Über eine entsprechende Bewertung der Standortalternativen kann mit Hilfe der aus dem Stadttypus hervorgehen Standortempfehlung und einer im Rahmen der Zielsetzung vorgenommenen, individuellen Gewichtung der Standortkriterien der beste Standort bestimmt werden. Die Wahl mehrerer Standorte anstelle eines Standortes ist vor allem in Städten mit einem hohen Verkehrsaufkommen und einer hohen Einwohnerzahl sinnvoll. Es wird empfohlen nicht mehr als zwei sich deutlich hinsichtlich Lage, Ausstattung und Service unterscheidende Standorte zu wählen, um eine eindeutige Aufteilung der Fernbusunternehmen zu erzielen. Dabei wäre ein Betrieb beider Fernbusterminals aus einer Hand wünschenswert. Insgesamt besitzt der Fernbuslinienverkehr in Europa eine hohe Bedeutung, während der Liberalisierungsgrad stärker variiert. Die Bedeutung des Fernbuslinienverkehrs in Deutschland ist derzeit noch gering, kann sich in den kommenden Jahren und mit einer Etablierung des Fernbusmarktes jedoch verändern. Zur hierfür benötigten Ausbildung einer strukturierten, nachhaltigen Haltestelleninfrastruktur fehlt es in Deutschland vor allem an einer klaren Zuweisung der Zuständigkeit. Am Beispiel der amerikanischen Haltestelleninfrastruktur wird deutlich, dass durch den langfristigen Verzicht auf die Einrichtung einer angemessenen Haltestelleninfrastruktur indirekt Kosten zu Lasten der Kommune entstehen. Eine Aufgabenträgerschaft der Fernbusunternehmen selbst scheint erst möglich, wenn sich der Fernbusmarkt etabliert hat. Zur Wahrung der Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit sowie der Leistungsfähigkeit und Qualität des Verkehrs kann ein Agieren auf politischer Eben in den kommenden Jahren nicht ausgeschlossen werden. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr > Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik |
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Hinterlegungsdatum: | 07 Apr 2016 14:02 | ||||
Letzte Änderung: | 22 Jun 2018 16:31 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Groer, M. Sc. Stefan | ||||
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