Köber, Erwin (2016)
Systemanalyse des deutschen Stückgutverkehrs – eine explorative Studie.
Technische Universität Darmstadt
Masterarbeit, Bibliographie
Kurzbeschreibung (Abstract)
Ziel der Arbeit ist es, umfassende Einblicke in das System des allgemeinen, deutschen Stückgutverkehrs sowohl auf makroskopischer als auch auf mikroskopischer Ebene, letzteres vor allem durch Interviews mit Experten, zu bekommen. Des Weiteren sollen Optimierungsmodelle, die auf die Planungsprobleme der taktischen und operativen Ebene von Stückgut-Dienstleistern zugeschnitten sind, betrachtet und hinsichtlich einer Anwendung auf die Modellierung der Stückgut-Verkehrserzeugung bewertet werden. Dabei fließen in die Beurteilungskriterien die vorab generierten Erkenntnisse aus der makro- und mikroskopischen Analyse zur Einschätzung der Realitätsnähe der Modelle ein. Als erstes wird das deutsche Stückgut-Transportsystem makroskopisch betrachtet. Es werden finanzielle, Leistungs- sowie Netz-Kennzahlen mit ihren Ausprägungen identifiziert, die den deutschen Stückgut-Markt beschreiben. Dabei stellt sich heraus, dass der Stückgutmarkt durch einen sehr hohen Outsourcing-Anteil sowie einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet ist, also wird der weitaus größte Anteil am Gesamt-Volumen von wenigen, großen Stückgut-Anbietern umgesetzt. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass von wenigen Akteuren eine hohe Verkehrserzeugung ausgeht. Die Modellierung der Verkehrserzeugung könnte sich also auf die großen Anbieter beschränken, um den überwiegenden Teil des Stückgut-Verkehrs abzubilden. Weiterhin kann festgestellt werden, dass sich der Umsatz der zehn größten Dienstleister fast zu gleichen Teilen auf die beiden Unternehmensformen Kooperation und Konzern verteilt. Während Konzerne über ein flächendeckendes, unternehmenseigenes Netzwerk verfügen, ist eine Kooperation eine Vereinigung wirtschaftlich unabhängiger, mittelständischer Spediteure. Des Weiteren können grobe Abschätzungen bezüglich der deutschlandweiten Anzahl aller Stückgut-Depots und der Hubs gemacht werden. Auch Kennwerte bezüglich einzelner Akteure können ausfindig gemacht werden, wie z.B. die durchschnittliche Anzahl nationaler Depots eines Stückgut-Anbieters. Als nächstes werden aktuelle Entwicklungen im Stückgut-Markt aufgezeigt, die Auswirkungen auf die Verkehrserzeugung haben. Beispielhaft sei der Trend der Internationalisierung bzw. Paneuropäisierung genannt. Daraufhin wird der grundlegende Aufbau des Fernverkehrs-Netzwerks eines Stückgut-Dienstleisters charakterisiert. Bei den meisten deutschen Stückgut-Netzen handelt es sich um Mischstrukturen aus Raster- und Mehrhub-Strukturen, das heißt es finden sowohl direkte Transport-Fahrten zwischen den Depots (jedoch nicht allen) als auch Transporte von Sendungen mit einem Umschlag in einem Hub statt. Das Hub kann dabei entweder ein Regional- oder ein Zentralhub sein. Der Ablauf der Transportprozesse findet in Vor-, Haupt- und Nachlauf statt, dessen ungefähre Zeitfenster, getrennt nach Direkt- bzw. Hub-Transport im Fernverkehr, dargestellt werden. Neben der Hub-Bündelung ist auch eine sogenannte Ladegefäß-Konsolidierung möglich, bei der Ladegefäße im direkten Fernverkehr auf dem Weg von Start- zu Ziel-Depot an Zwischen-Depots umgeschlagen werden. Als nächstes werden die Transportsysteme der fünf umsatzstärksten Stückgut-Dienstleister spezifisch betrachtet, die gemeinsam einen über 50-prozentigen Anteil am gesamten Marktvolumen haben. Dabei können einige, nach Dienstleister variierende Informationen gesammelt werden, z.B. über die Anzahl der Depots oder die Anzahl der Fernverkehrs-Linien. Für eine umfassende Beschreibung einzelner Anbieter reichen die gesammelten Informationen nicht aus. Hiernach wird die Kundenseite im Stückgut-System betrachtet. Die meisten, gerade die großen Stückgut-Anbieter, sind nicht auf eine bestimmte Branche spezialisiert, sondern bedienen Kunden aus den verschiedensten Segmenten. Mehr als 50 Prozent des Stückgut-Marktvolumens wird dabei von den drei Branchen Lebensmittel, Metall/Maschinen und Bau nachgefragt. Zum Abschluss der makroskopischen Betrachtung werden die charakterisierenden Merkmale der Netzwerke von Stückgut-Anbietern zusammengestellt und durch bisher recherchierte Erkenntnisse bezüglich der Ausprägungen dieser Merkmale ergänzt. Für die weitere Konkretisierung der Merkmalsausprägungen sind detaillierte Informationen notwendig, welche durch die bisherige Recherche nur teilweise eingeholt werden konnten. Aus diesem Grund werden Experten befragt, deren Erfahrung in der Stückgut-Branche für eine Beantwortung der offenen Fragen genutzt werden soll. Neben der Gewinnung konkreter Merkmalsausprägungen soll mit den Experten-Interviews auch eine Überprüfung bereits gewonnener Erkenntnisse erfolgen, bisher unbeachtete Zusammenhänge entdeckt und Parameterwerte für die Optimierungsmodelle gewonnen werden. Es wird hierfür die Methode des problem- bzw. themenzentrierten, halbstrukturierten Experteninterviews gewählt. Dazu wird ein Leitfaden entworfen, der hauptsächlich auf den vorher erwähnten, charakteristischen Merkmalen eines Stückgut-Netzwerks aufbaut. Bei der Auswahl der Experten spielen einerseits theoriegeleitete Aspekte eine Rolle, wie beispielsweise die Umsatzstärke des Stückgut-Dienstleisters des Gesprächspartners, um eine hohe Repräsentativität bezüglich der Verkehrserzeugung zu gewährleisten. Andererseits müssen aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit potentieller Gesprächspartner bezüglich dieser Aspekte Abstriche gemacht werden. Dennoch können hochqualifizierte Interview-Partner von DHL, CargoLine, IDS, 24plus und VTL gewonnen werden, darunter zwei Geschäftsführer von Stückgut-Kooperationen. Ausgewertet werden die Interviews auf eine Weise, die sich an der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse orientiert. Die Ergebnisse der Auswertung werden genutzt, um die befragten Stückgut-Akteure und ihr Netzwerk, ergänzt durch Informationen aus frei zugänglichen Quellen, mikroskopisch beschreiben zu können. Eine umfassende Beschreibung kann aufgrund der Interview-Aussagen nur bei 3 der 5 Akteure durchgeführt werden. Die Vertreter von 24plus und VTL können nur sehr wenige bzw. gar keine Informationen zum Nahverkehr sowie bezüglich der Direktverkehre im Fernverkehr liefern, da besagte Kooperationen fast ausschließlich für den Fernverkehr, der über Zentral- oder Regionalhub umgeschlagen wird, zuständig sind. Daraufhin erfolgt eine Diskussion der Interview-Ergebnisse, bei der diese in drei Kategorien eingeteilt werden: Bestätigende Erkenntnisse, die grundsätzlich in Übereinstimmung mit den bisherigen Beobachtungen stehen, widerlegende Erkenntnisse, die im Gegensatz zu diesen stehen, und neue Erkenntnisse, deren Inhalt aus den Interview-Aussagen erzeugt wird. Nach der Diskussion der Ergebnisse erfolgt noch eine kritische Beurteilung der Interviews und der hiermit erzielten Ergebnisse. Erwähnt wurde schon, dass zwei der fünf Gesprächspartner wenige (24plus) bis gar keine (VTL) Einblicke in den Nahverkehr geben können, und auch im Fernverkehr auf den Hub-Verkehr fokussiert sind. Als Vertreter eines Konzerns, bei dem auch die zentrale Planungsstelle bis hin zum Nahverkehr in die zumindest taktische Planung eingreift, kann der DHL-Vertreter die meisten Informationen geben. Allgemeine Kritikpunkte sind die fehlende Tiefe mancher Informationen (vor allem bezüglich der Parameterwerte und des Nahverkehrs) und die unausgewogene Zusammensetzung der Interview-Partner. Als letztes Teilgebiet werden die Optimierungsmodelle behandelt. Hierzu werden erst die verschiedenen Planungsebenen der Stückgut-Dienstleister, insbesondere die taktischen und operativen, getrennt nach Nah- und Fernverkehr, dargelegt. Dadurch sollen die grundlegenden Problemstellungen, mit denen sich die Optimierungsmodelle zu beschäftigen haben, vorab beschrieben und somit eingegrenzt werden. Im Fernverkehr findet taktisch die Organisation der Linien und operativ die Disposition von Teil- und Sammelladungen, im Nahverkehr taktisch die Tourgebietsplanung und operativ die Nahverkehrsdisposition für ein Depot statt. Daraufhin werden Optimierungsmodelle für den Nahverkehr betrachtet. Das dabei zu behandelnde Problem wird vorab aufgrund der Nahverkehrs-Struktur als Vehicle Routing Problem festgelegt und anschließend anhand der Problem-, Depot-, Kunden-, Fahrzeug- und Zielsetzungscharakteristik im Stückgut-Nahverkehr weiter eingegrenzt. Daraufhin werden auf dieser Basis vier verschiedene Modelle vorgestellt und nach Struktur, Datengrundlage, Lösungsverfahren und erzielten Ergebnissen beurteilt. Aufgrund einer vergleichenden Bewertung wird für die Modellierung der Verkehrserzeugung die Verwendung eines Vehicle Routing Problem with Time Windows mit einem Cluster-First-Route-Second-Lösungsverfahren empfohlen. Die Vorteile dieses Modells im Vergleich mit den anderen liegen in der einfacheren Struktur und dem einfacheren Lösungsverfahren, das zudem ein praxisnahes Vorgehen ermöglicht. Bei diesem Lösungsvorgehen könnten im ersten Schritt der Clusterung Aspekte der tatsächlichen, praktischen Tourgebietsplanung einfließen (z.B. Orientierung an der Postleitzahl). Alternativ könnte die Tourgebiets-Modellierung auch mit dem Vehicle Routing Problem with Stochastic Customers and Demands stattfinden. Es ist anzumerken, dass keines der besprochenen Nahverkehrsmodelle eine besonders herausragende, realitätsnähe Abbildung verspricht. Anpassungen bezüglich der Tourgebiete und der Kombination von Vor- und Nachlauf erscheinen notwendig. Im Fernverkehr wird das auftretende Planungsproblem in der allgemeinen Klassifizierung als Netzwerkflussproblem identifiziert. Es werden verschiedene Optimierungsmodelle, wie z.B. das klassische Transportproblem, aufgrund ihrer für den Stückgut-Fernverkehr ungenügenden Struktur vorab von der weiteren Untersuchung ausgeschlossen. Daraufhin werden das allgemeine Mehrgüterflussproblem (MCNF) und ein speziell auf den Stückgutverkehr ausgerichtetes Service Network Design Problem (SNDP) untersucht und beurteilt. Letzteres wird für die Modellierung der Verkehrserzeugung im Fernverkehr empfohlen, weil es deutliche Vorteile bezüglich einer realitätsnahen Abbildung des Stückgut-Verkehrs gegenüber dem MCNF hat. Dieser Nachteil des MCNF kann durch seine Vorteile bezüglich der Einfachheit von Struktur und Lösungsverfahren nicht ausgeglichen werden. Allerdings sind auch beim SNDP Anpassungen bezüglich seiner Struktur, in Abhängigkeit vom konkret zu modellierenden Stückgut-Netzwerk, nötig. Es sind also sowohl für das empfohlene Nah- als auch das Fernverkehrsmodell weitere Anpassungen bzw. Ergänzungen bezüglich der Situation im Stückgut-Verkehr notwendig, bevor die angestrebte Modellierung der Verkehrserzeugung mit Hilfe dieser Optimierungsmodelle erfolgen kann. Auch sind weitere Datenerhebungen bezüglich der Parameterwerte für die Modelle erforderlich, da die aus den Interviews gewonnenen Daten nur einen groben Anhaltspunkt diesbezüglich liefern. Allgemein erfordern die aus den Interviews erkannten Zusammenhänge weitere Konkretisierungen. Auch wäre es wünschenswert, die Aussagen des DHL-Gesprächspartners durch Informationen eines Vertreters eines anderen Konzerns zu überprüfen sowie weitere Informationen bezüglich des Nahverkehrs zu beschaffen.
Typ des Eintrags: | Masterarbeit | ||||
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Erschienen: | 2016 | ||||
Autor(en): | Köber, Erwin | ||||
Art des Eintrags: | Bibliographie | ||||
Titel: | Systemanalyse des deutschen Stückgutverkehrs – eine explorative Studie | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Rolko, M.Sc. Kevin | ||||
Publikationsjahr: | 2016 | ||||
Ort: | Darmstadt | ||||
URL / URN: | https://www.verkehr.tu-darmstadt.de/media/verkehr/fgvv/beruf... | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Ziel der Arbeit ist es, umfassende Einblicke in das System des allgemeinen, deutschen Stückgutverkehrs sowohl auf makroskopischer als auch auf mikroskopischer Ebene, letzteres vor allem durch Interviews mit Experten, zu bekommen. Des Weiteren sollen Optimierungsmodelle, die auf die Planungsprobleme der taktischen und operativen Ebene von Stückgut-Dienstleistern zugeschnitten sind, betrachtet und hinsichtlich einer Anwendung auf die Modellierung der Stückgut-Verkehrserzeugung bewertet werden. Dabei fließen in die Beurteilungskriterien die vorab generierten Erkenntnisse aus der makro- und mikroskopischen Analyse zur Einschätzung der Realitätsnähe der Modelle ein. Als erstes wird das deutsche Stückgut-Transportsystem makroskopisch betrachtet. Es werden finanzielle, Leistungs- sowie Netz-Kennzahlen mit ihren Ausprägungen identifiziert, die den deutschen Stückgut-Markt beschreiben. Dabei stellt sich heraus, dass der Stückgutmarkt durch einen sehr hohen Outsourcing-Anteil sowie einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet ist, also wird der weitaus größte Anteil am Gesamt-Volumen von wenigen, großen Stückgut-Anbietern umgesetzt. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass von wenigen Akteuren eine hohe Verkehrserzeugung ausgeht. Die Modellierung der Verkehrserzeugung könnte sich also auf die großen Anbieter beschränken, um den überwiegenden Teil des Stückgut-Verkehrs abzubilden. Weiterhin kann festgestellt werden, dass sich der Umsatz der zehn größten Dienstleister fast zu gleichen Teilen auf die beiden Unternehmensformen Kooperation und Konzern verteilt. Während Konzerne über ein flächendeckendes, unternehmenseigenes Netzwerk verfügen, ist eine Kooperation eine Vereinigung wirtschaftlich unabhängiger, mittelständischer Spediteure. Des Weiteren können grobe Abschätzungen bezüglich der deutschlandweiten Anzahl aller Stückgut-Depots und der Hubs gemacht werden. Auch Kennwerte bezüglich einzelner Akteure können ausfindig gemacht werden, wie z.B. die durchschnittliche Anzahl nationaler Depots eines Stückgut-Anbieters. Als nächstes werden aktuelle Entwicklungen im Stückgut-Markt aufgezeigt, die Auswirkungen auf die Verkehrserzeugung haben. Beispielhaft sei der Trend der Internationalisierung bzw. Paneuropäisierung genannt. Daraufhin wird der grundlegende Aufbau des Fernverkehrs-Netzwerks eines Stückgut-Dienstleisters charakterisiert. Bei den meisten deutschen Stückgut-Netzen handelt es sich um Mischstrukturen aus Raster- und Mehrhub-Strukturen, das heißt es finden sowohl direkte Transport-Fahrten zwischen den Depots (jedoch nicht allen) als auch Transporte von Sendungen mit einem Umschlag in einem Hub statt. Das Hub kann dabei entweder ein Regional- oder ein Zentralhub sein. Der Ablauf der Transportprozesse findet in Vor-, Haupt- und Nachlauf statt, dessen ungefähre Zeitfenster, getrennt nach Direkt- bzw. Hub-Transport im Fernverkehr, dargestellt werden. Neben der Hub-Bündelung ist auch eine sogenannte Ladegefäß-Konsolidierung möglich, bei der Ladegefäße im direkten Fernverkehr auf dem Weg von Start- zu Ziel-Depot an Zwischen-Depots umgeschlagen werden. Als nächstes werden die Transportsysteme der fünf umsatzstärksten Stückgut-Dienstleister spezifisch betrachtet, die gemeinsam einen über 50-prozentigen Anteil am gesamten Marktvolumen haben. Dabei können einige, nach Dienstleister variierende Informationen gesammelt werden, z.B. über die Anzahl der Depots oder die Anzahl der Fernverkehrs-Linien. Für eine umfassende Beschreibung einzelner Anbieter reichen die gesammelten Informationen nicht aus. Hiernach wird die Kundenseite im Stückgut-System betrachtet. Die meisten, gerade die großen Stückgut-Anbieter, sind nicht auf eine bestimmte Branche spezialisiert, sondern bedienen Kunden aus den verschiedensten Segmenten. Mehr als 50 Prozent des Stückgut-Marktvolumens wird dabei von den drei Branchen Lebensmittel, Metall/Maschinen und Bau nachgefragt. Zum Abschluss der makroskopischen Betrachtung werden die charakterisierenden Merkmale der Netzwerke von Stückgut-Anbietern zusammengestellt und durch bisher recherchierte Erkenntnisse bezüglich der Ausprägungen dieser Merkmale ergänzt. Für die weitere Konkretisierung der Merkmalsausprägungen sind detaillierte Informationen notwendig, welche durch die bisherige Recherche nur teilweise eingeholt werden konnten. Aus diesem Grund werden Experten befragt, deren Erfahrung in der Stückgut-Branche für eine Beantwortung der offenen Fragen genutzt werden soll. Neben der Gewinnung konkreter Merkmalsausprägungen soll mit den Experten-Interviews auch eine Überprüfung bereits gewonnener Erkenntnisse erfolgen, bisher unbeachtete Zusammenhänge entdeckt und Parameterwerte für die Optimierungsmodelle gewonnen werden. Es wird hierfür die Methode des problem- bzw. themenzentrierten, halbstrukturierten Experteninterviews gewählt. Dazu wird ein Leitfaden entworfen, der hauptsächlich auf den vorher erwähnten, charakteristischen Merkmalen eines Stückgut-Netzwerks aufbaut. Bei der Auswahl der Experten spielen einerseits theoriegeleitete Aspekte eine Rolle, wie beispielsweise die Umsatzstärke des Stückgut-Dienstleisters des Gesprächspartners, um eine hohe Repräsentativität bezüglich der Verkehrserzeugung zu gewährleisten. Andererseits müssen aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit potentieller Gesprächspartner bezüglich dieser Aspekte Abstriche gemacht werden. Dennoch können hochqualifizierte Interview-Partner von DHL, CargoLine, IDS, 24plus und VTL gewonnen werden, darunter zwei Geschäftsführer von Stückgut-Kooperationen. Ausgewertet werden die Interviews auf eine Weise, die sich an der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse orientiert. Die Ergebnisse der Auswertung werden genutzt, um die befragten Stückgut-Akteure und ihr Netzwerk, ergänzt durch Informationen aus frei zugänglichen Quellen, mikroskopisch beschreiben zu können. Eine umfassende Beschreibung kann aufgrund der Interview-Aussagen nur bei 3 der 5 Akteure durchgeführt werden. Die Vertreter von 24plus und VTL können nur sehr wenige bzw. gar keine Informationen zum Nahverkehr sowie bezüglich der Direktverkehre im Fernverkehr liefern, da besagte Kooperationen fast ausschließlich für den Fernverkehr, der über Zentral- oder Regionalhub umgeschlagen wird, zuständig sind. Daraufhin erfolgt eine Diskussion der Interview-Ergebnisse, bei der diese in drei Kategorien eingeteilt werden: Bestätigende Erkenntnisse, die grundsätzlich in Übereinstimmung mit den bisherigen Beobachtungen stehen, widerlegende Erkenntnisse, die im Gegensatz zu diesen stehen, und neue Erkenntnisse, deren Inhalt aus den Interview-Aussagen erzeugt wird. Nach der Diskussion der Ergebnisse erfolgt noch eine kritische Beurteilung der Interviews und der hiermit erzielten Ergebnisse. Erwähnt wurde schon, dass zwei der fünf Gesprächspartner wenige (24plus) bis gar keine (VTL) Einblicke in den Nahverkehr geben können, und auch im Fernverkehr auf den Hub-Verkehr fokussiert sind. Als Vertreter eines Konzerns, bei dem auch die zentrale Planungsstelle bis hin zum Nahverkehr in die zumindest taktische Planung eingreift, kann der DHL-Vertreter die meisten Informationen geben. Allgemeine Kritikpunkte sind die fehlende Tiefe mancher Informationen (vor allem bezüglich der Parameterwerte und des Nahverkehrs) und die unausgewogene Zusammensetzung der Interview-Partner. Als letztes Teilgebiet werden die Optimierungsmodelle behandelt. Hierzu werden erst die verschiedenen Planungsebenen der Stückgut-Dienstleister, insbesondere die taktischen und operativen, getrennt nach Nah- und Fernverkehr, dargelegt. Dadurch sollen die grundlegenden Problemstellungen, mit denen sich die Optimierungsmodelle zu beschäftigen haben, vorab beschrieben und somit eingegrenzt werden. Im Fernverkehr findet taktisch die Organisation der Linien und operativ die Disposition von Teil- und Sammelladungen, im Nahverkehr taktisch die Tourgebietsplanung und operativ die Nahverkehrsdisposition für ein Depot statt. Daraufhin werden Optimierungsmodelle für den Nahverkehr betrachtet. Das dabei zu behandelnde Problem wird vorab aufgrund der Nahverkehrs-Struktur als Vehicle Routing Problem festgelegt und anschließend anhand der Problem-, Depot-, Kunden-, Fahrzeug- und Zielsetzungscharakteristik im Stückgut-Nahverkehr weiter eingegrenzt. Daraufhin werden auf dieser Basis vier verschiedene Modelle vorgestellt und nach Struktur, Datengrundlage, Lösungsverfahren und erzielten Ergebnissen beurteilt. Aufgrund einer vergleichenden Bewertung wird für die Modellierung der Verkehrserzeugung die Verwendung eines Vehicle Routing Problem with Time Windows mit einem Cluster-First-Route-Second-Lösungsverfahren empfohlen. Die Vorteile dieses Modells im Vergleich mit den anderen liegen in der einfacheren Struktur und dem einfacheren Lösungsverfahren, das zudem ein praxisnahes Vorgehen ermöglicht. Bei diesem Lösungsvorgehen könnten im ersten Schritt der Clusterung Aspekte der tatsächlichen, praktischen Tourgebietsplanung einfließen (z.B. Orientierung an der Postleitzahl). Alternativ könnte die Tourgebiets-Modellierung auch mit dem Vehicle Routing Problem with Stochastic Customers and Demands stattfinden. Es ist anzumerken, dass keines der besprochenen Nahverkehrsmodelle eine besonders herausragende, realitätsnähe Abbildung verspricht. Anpassungen bezüglich der Tourgebiete und der Kombination von Vor- und Nachlauf erscheinen notwendig. Im Fernverkehr wird das auftretende Planungsproblem in der allgemeinen Klassifizierung als Netzwerkflussproblem identifiziert. Es werden verschiedene Optimierungsmodelle, wie z.B. das klassische Transportproblem, aufgrund ihrer für den Stückgut-Fernverkehr ungenügenden Struktur vorab von der weiteren Untersuchung ausgeschlossen. Daraufhin werden das allgemeine Mehrgüterflussproblem (MCNF) und ein speziell auf den Stückgutverkehr ausgerichtetes Service Network Design Problem (SNDP) untersucht und beurteilt. Letzteres wird für die Modellierung der Verkehrserzeugung im Fernverkehr empfohlen, weil es deutliche Vorteile bezüglich einer realitätsnahen Abbildung des Stückgut-Verkehrs gegenüber dem MCNF hat. Dieser Nachteil des MCNF kann durch seine Vorteile bezüglich der Einfachheit von Struktur und Lösungsverfahren nicht ausgeglichen werden. Allerdings sind auch beim SNDP Anpassungen bezüglich seiner Struktur, in Abhängigkeit vom konkret zu modellierenden Stückgut-Netzwerk, nötig. Es sind also sowohl für das empfohlene Nah- als auch das Fernverkehrsmodell weitere Anpassungen bzw. Ergänzungen bezüglich der Situation im Stückgut-Verkehr notwendig, bevor die angestrebte Modellierung der Verkehrserzeugung mit Hilfe dieser Optimierungsmodelle erfolgen kann. Auch sind weitere Datenerhebungen bezüglich der Parameterwerte für die Modelle erforderlich, da die aus den Interviews gewonnenen Daten nur einen groben Anhaltspunkt diesbezüglich liefern. Allgemein erfordern die aus den Interviews erkannten Zusammenhänge weitere Konkretisierungen. Auch wäre es wünschenswert, die Aussagen des DHL-Gesprächspartners durch Informationen eines Vertreters eines anderen Konzerns zu überprüfen sowie weitere Informationen bezüglich des Nahverkehrs zu beschaffen. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr > Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik |
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Hinterlegungsdatum: | 15 Feb 2016 14:21 | ||||
Letzte Änderung: | 09 Jan 2019 15:31 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Rolko, M.Sc. Kevin | ||||
Export: | |||||
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