Bothe, Alexander Georg (2015)
Analyse dynamischer Sichtsituationen zur ergonomischen Auslegung von Kamera-Monitor-Systemen (KMS) in schweren Nutzfahrzeugen.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung
Kurzbeschreibung (Abstract)
Das Nutzfahrzeug wird vom Fahrer zur Erfüllung der Transportaufgabe durch eine herausfordernde Verkehrsinfrastruktur bewegt. Die fahrerbezogenen Sichtthemen, insbesondere die indirekte Sicht zur Überwachung des Fahrzeugverhaltens, sind während dynamischer Sichtsituationen von besonderer Bedeutung. Die Hauptanforderungen des Spediteurs, der die Kaufentscheidung für ein neues Fahrzeug trifft, sind die kosteneffiziente, schnelle und flexible Bereitstellung von Transportgütern. Bei der Auslegung von Nutzfahrzeugen müssen beide Anforderungen berücksichtigt werden.
Aufgrund des Potentials zur Kraftstoffeinsparung und den technologiebedingten Vorteilen für den Lkw- Fahrer besteht das Interesse konventionelle Spiegelsysteme eines Nutzfahrzeugs durch Kamera- Monitor-Systeme (KMS) zu ersetzen. Das elektronische Sichtsystem wird direkt in die dynamische Sichtinteraktion zwischen Fahrer, Fahrzeug und Umwelt eingebunden und muss daher nach ergonomischen Methoden ausgelegt werden. Dazu werden Informationen über das dynamische Sichtverhalten der Lkw-Fahrer während der Nutzung der konventionellen Spiegel benötigt. Zum einen sind dies die vom Fahrer zur Bewältigung der fernverkehrstypischen Transportaufgabe benötigten dynamischen Sichtbereiche der indirekten Sicht. Zum anderen die dynamischen Augpunktlagenverteilungen, die die Fahrer während dynamischer Sichtsituationen einnehmen.
Die zur Analyse der dynamischen Sichtinteraktion notwendigen Rohdaten werden innerhalb eines Feldversuchs erhoben. Um während des Probandenversuchs repräsentative Sichtinformationen aufzeichnen zu können wird ein 4-faktorielles Versuchsdesign verwendet. Der Gesamtversuch wird in drei Einzelversuche mit unterschiedlichen Fernverkehrsfahrzeugen unterteilt. In jedem Einzelversuch werden die fernverkehrstypischen Sichtsituationen von den ausgewählten Probanden durchfahren. Dabei wird die Variation der Körperhöhe und des Taillenumfangs durch die Zusammenstellung des Probandenkollektivs berücksichtigt. Es werden statische und dynamische Sichtdaten aufgezeichnet, aufbereitet und innerhalb einer ergonomischen Sichtdatenbank für die Analyse bereitgestellt.
Durch die Analyse der statischen und dynamischen Augpunktlagenverteilungen wird festgestellt, dass sich die beiden Vergleichsgruppen sowohl in der Lage der Mittelwerte als auch in der Streubreite der Verteilung auslegungsrelevant unterscheiden. Nur die Verteilungen dynamischer Augpunktlagen und die zugehörigen Sichtstrahlorientierungen können das reale Nutzungsverhalten des bewegten Fahrzeugs repräsentieren. Daher müssen zur ergonomischen Gestaltung von Fahrzeugkomponenten, die in eine Sichtinteraktion eingebunden sind, dynamische Augpunktlagen herangezogen werden.
Es werden die Einflüsse der vier Faktoren auf die dynamischen Augpunktlagenverteilungen untersucht. Die Augpunktlagen kleiner und großer Probanden unterscheiden sich in Fahrzeug- hochrichtung. Es kann kein Einfluss des Taillenumfangs auf die Position der Augpunkte in Fahrzeug- längsrichtung nachgewiesen werden. Eine Abhängigkeit der Augpunktlage von der Fahrzeugvariante wird durch die Analyse bestätigt. Der Einfluss der Sichtsituation auf die Verteilung der Augpunktlagen wurde anhand der Häufigkeit von Spiegelblicken, sowie der mittleren Augpunktlage und Streubreite nachgewiesen. Daher ist bei der auf dynamischen Augpunktlagen basierenden ergonomischen Auslegung auf die nutzungsorientierte Gewichtung der einzelnen Sichtsituationen zu achten.
Der Knickwinkel wird als Prädiktor für das dynamische Sichtverhalten in schweren Nutzfahrzeugen identifiziert. Zur Bestimmung der dynamischen Sichtbereiche der indirekten Sicht werden die Sichtdaten daher mit einem Modell zur Sichtbereichsberechnung knickwinkelabhängig ausgewertet. Es resultieren Sichtwinkelverläufe, die den genutzten dynamischen Sichtbereich der Lkw-Fahrer in den ausgewerteten Sichtsituationen repräsentieren. Es wird eine Abhängigkeit dieser Verläufe von den dynamischen Sichtsituationen nachgewiesen. Die untersuchten Versuchsfahrzeuge, die sich durch die Fahrerhausvariante nicht aber durch die Zugzusammensetzung unterscheiden, haben keinen Einfluss auf die genutzten Sichtbereiche. Fahrer mit unterschiedlichen Körperhöhen nutzten aus den individuellen Augpunktlagen dieselben dynamischen Sichtbereiche der indirekten Sicht.
Die Erkenntnisse der Analyse dynamischer Sichtsituationen werden zur ergonomischen Auslegung eines KMS herangezogen. Die sichtwinkelabhängige Darstellungsqualität der Monitore wird durch deren Ausrichtung auf die dynamischen Augpunktlagen berücksichtigt. Die automatisierte Anpassung der dargestellten Sichtbereiche wird durch eine knickwinkelabhängige Verschiebekennlinie des KMS umgesetzt. Dadurch wird das neuartige Sichtsystem an die ergonomischen Anforderungen der Lkw- Fahrer angepasst. Die gewonnenen Erkenntnisse können zur ergonomischen Auslegung weiterer sichtrelevanter Systeme und zur Optimierung von Simulationsmethoden eingesetzt werden.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2015 | ||||
Autor(en): | Bothe, Alexander Georg | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Analyse dynamischer Sichtsituationen zur ergonomischen Auslegung von Kamera-Monitor-Systemen (KMS) in schweren Nutzfahrzeugen | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Bruder, Prof. Ralph ; Bengler, Prof. Klaus | ||||
Publikationsjahr: | 2015 | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 14 Oktober 2014 | ||||
URL / URN: | http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/4575 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Das Nutzfahrzeug wird vom Fahrer zur Erfüllung der Transportaufgabe durch eine herausfordernde Verkehrsinfrastruktur bewegt. Die fahrerbezogenen Sichtthemen, insbesondere die indirekte Sicht zur Überwachung des Fahrzeugverhaltens, sind während dynamischer Sichtsituationen von besonderer Bedeutung. Die Hauptanforderungen des Spediteurs, der die Kaufentscheidung für ein neues Fahrzeug trifft, sind die kosteneffiziente, schnelle und flexible Bereitstellung von Transportgütern. Bei der Auslegung von Nutzfahrzeugen müssen beide Anforderungen berücksichtigt werden. Aufgrund des Potentials zur Kraftstoffeinsparung und den technologiebedingten Vorteilen für den Lkw- Fahrer besteht das Interesse konventionelle Spiegelsysteme eines Nutzfahrzeugs durch Kamera- Monitor-Systeme (KMS) zu ersetzen. Das elektronische Sichtsystem wird direkt in die dynamische Sichtinteraktion zwischen Fahrer, Fahrzeug und Umwelt eingebunden und muss daher nach ergonomischen Methoden ausgelegt werden. Dazu werden Informationen über das dynamische Sichtverhalten der Lkw-Fahrer während der Nutzung der konventionellen Spiegel benötigt. Zum einen sind dies die vom Fahrer zur Bewältigung der fernverkehrstypischen Transportaufgabe benötigten dynamischen Sichtbereiche der indirekten Sicht. Zum anderen die dynamischen Augpunktlagenverteilungen, die die Fahrer während dynamischer Sichtsituationen einnehmen. Die zur Analyse der dynamischen Sichtinteraktion notwendigen Rohdaten werden innerhalb eines Feldversuchs erhoben. Um während des Probandenversuchs repräsentative Sichtinformationen aufzeichnen zu können wird ein 4-faktorielles Versuchsdesign verwendet. Der Gesamtversuch wird in drei Einzelversuche mit unterschiedlichen Fernverkehrsfahrzeugen unterteilt. In jedem Einzelversuch werden die fernverkehrstypischen Sichtsituationen von den ausgewählten Probanden durchfahren. Dabei wird die Variation der Körperhöhe und des Taillenumfangs durch die Zusammenstellung des Probandenkollektivs berücksichtigt. Es werden statische und dynamische Sichtdaten aufgezeichnet, aufbereitet und innerhalb einer ergonomischen Sichtdatenbank für die Analyse bereitgestellt. Durch die Analyse der statischen und dynamischen Augpunktlagenverteilungen wird festgestellt, dass sich die beiden Vergleichsgruppen sowohl in der Lage der Mittelwerte als auch in der Streubreite der Verteilung auslegungsrelevant unterscheiden. Nur die Verteilungen dynamischer Augpunktlagen und die zugehörigen Sichtstrahlorientierungen können das reale Nutzungsverhalten des bewegten Fahrzeugs repräsentieren. Daher müssen zur ergonomischen Gestaltung von Fahrzeugkomponenten, die in eine Sichtinteraktion eingebunden sind, dynamische Augpunktlagen herangezogen werden. Es werden die Einflüsse der vier Faktoren auf die dynamischen Augpunktlagenverteilungen untersucht. Die Augpunktlagen kleiner und großer Probanden unterscheiden sich in Fahrzeug- hochrichtung. Es kann kein Einfluss des Taillenumfangs auf die Position der Augpunkte in Fahrzeug- längsrichtung nachgewiesen werden. Eine Abhängigkeit der Augpunktlage von der Fahrzeugvariante wird durch die Analyse bestätigt. Der Einfluss der Sichtsituation auf die Verteilung der Augpunktlagen wurde anhand der Häufigkeit von Spiegelblicken, sowie der mittleren Augpunktlage und Streubreite nachgewiesen. Daher ist bei der auf dynamischen Augpunktlagen basierenden ergonomischen Auslegung auf die nutzungsorientierte Gewichtung der einzelnen Sichtsituationen zu achten. Der Knickwinkel wird als Prädiktor für das dynamische Sichtverhalten in schweren Nutzfahrzeugen identifiziert. Zur Bestimmung der dynamischen Sichtbereiche der indirekten Sicht werden die Sichtdaten daher mit einem Modell zur Sichtbereichsberechnung knickwinkelabhängig ausgewertet. Es resultieren Sichtwinkelverläufe, die den genutzten dynamischen Sichtbereich der Lkw-Fahrer in den ausgewerteten Sichtsituationen repräsentieren. Es wird eine Abhängigkeit dieser Verläufe von den dynamischen Sichtsituationen nachgewiesen. Die untersuchten Versuchsfahrzeuge, die sich durch die Fahrerhausvariante nicht aber durch die Zugzusammensetzung unterscheiden, haben keinen Einfluss auf die genutzten Sichtbereiche. Fahrer mit unterschiedlichen Körperhöhen nutzten aus den individuellen Augpunktlagen dieselben dynamischen Sichtbereiche der indirekten Sicht. Die Erkenntnisse der Analyse dynamischer Sichtsituationen werden zur ergonomischen Auslegung eines KMS herangezogen. Die sichtwinkelabhängige Darstellungsqualität der Monitore wird durch deren Ausrichtung auf die dynamischen Augpunktlagen berücksichtigt. Die automatisierte Anpassung der dargestellten Sichtbereiche wird durch eine knickwinkelabhängige Verschiebekennlinie des KMS umgesetzt. Dadurch wird das neuartige Sichtsystem an die ergonomischen Anforderungen der Lkw- Fahrer angepasst. Die gewonnenen Erkenntnisse können zur ergonomischen Auslegung weiterer sichtrelevanter Systeme und zur Optimierung von Simulationsmethoden eingesetzt werden. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Freie Schlagworte: | Kamera-Monitor-Systeme, KMS, CMS, dynamische Sichtsituationen, ergonomische Auslegung, Nutzfahrzeuge, eye-tracking, gaze-tracking | ||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-45750 | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 16 Fachbereich Maschinenbau 16 Fachbereich Maschinenbau > Institut für Arbeitswissenschaft (IAD) |
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Hinterlegungsdatum: | 05 Jul 2015 19:55 | ||||
Letzte Änderung: | 05 Jul 2015 19:55 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Bruder, Prof. Ralph ; Bengler, Prof. Klaus | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 14 Oktober 2014 | ||||
Export: | |||||
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