Kämpf, Kerstin (2014)
Untersuchung von Protein und Hydratationswasserdynamik mit Experimenten und Simulationen.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung
Kurzbeschreibung (Abstract)
Proteine sind hochflexible Makromoleküle mit Dynamik über 13 Größenordnungen in der Zeit. Diese Dynamik ermöglicht Proteinfunktionen und damit das Leben [227, 255]. Proteindynamik wird stark von der Hydratationsschicht beeinflusst. Über den Mechanismus der Kopplung sowie die Eigenschaften der Wasserdynamik herrscht in der Literatur Uneinigkeit. Die Frage, ob das Wasser in der Hydratati- onsschicht eine starke [79] oder eine fragile [59] Temperaturabhängigkeit hat oder gar einen Fragil- Stark-Übergang aufweist, wird in Bezug auf den sogenannten „dynamischen Übergang“ des Proteins diskutiert. Dabei handelt es sich um einen starken Anstieg der Bewegungsamplitude bei Erwärmen bei einer Temperatur von T ≈ 180 − 220 K [49]. Eine weitere spannende Eigenschaft von Prote- inen ist die anomale Proteindynamik, die sich als subdiffusives mittleres Verschiebungsquadrat und als potenzgesetzartiger, oder logarithmischer Zerfall der Korrelationsfunktionen im Picosekunden- bis Nanosekunden-Bereich zeigt [142]. Wenngleich unklar ist, inwiefern sich Proteindynamik mit der Ter- minologie für gewöhnliche Glasbildner - z.B. α- und β -Prozess - beschreiben lässt, wurden verschiedene Ansätze aus dem Gebiet der Glasdynamik vorgeschlagen, um den anomalen Abfall zu erklären.
Die Untersuchung der Protein- und Wasserdynamik über einen großen Bereich von Zeit- und Längen- skalen erfordert die Kombination von verschiedenen Methoden. In dieser Arbeit werden quasielastische Neutronenstreuung (QENS), 2H-Kernspinresonanz(NMR)-Spektroskopie und Molekulardynamik(MD)- Simulationen zur Untersuchung von Proteinen mit verschiedener struktureller Komplexität, Elastin, Myoglobin und Cyano-Phycocyanin (CPC) bei niedrigen Hydratationsgraden im Temperaturbereich von 4-370 K verwendet. Damit wird ein Längenskalenbereich von < 1Å bis zu einigen Nanometern sowie ein Zeitbereich von unter Pikosekunden bis Sekunden abgedeckt.
Die Ergebnisse zeigen, dass mindestens zwei dynamische Proteinprozesse unterschieden werden kön- nen. Die Methylgruppendynamik, die bei tiefen Temperaturen (T ≈ 120 K) einsetzt, ist vom Hydratati- onsgrad unabhängig. Sie wird mittels des Rotationsraten-Verteilungsmodells in guter Übereinstimmung mit der Literatur [221, 256] beschrieben. Der zweite Prozess ist eine kleinamplitudige Rückgratdyna- mik, die bei T ≈ 180 K einsetzt und deren Amplitude mit steigender Temperatur zunimmt. Dieser Prozess ist in QENS an Elastin nicht zu sehen, jedoch wird er eindeutig in den 2H-NMR-Spektren von CPC gefunden. Er wird durch die Anwesenheit von Hydratationswasser verstärkt. Dieser Pro- zess ähnelt einem sekundären Relaxationsprozess von Flüssigkeiten beim Glasübergang und er ist in qualitativer Übereinstimmung mit dem anomalen Abfall, der mit MD-Simulationen beobachtet wird. Der anomale Abfall wird mittels des Energielandschaftsansatzes [9], der Modenkopplungstheorie hö- herer Ordnung [156] und dem fraktionalen Ornstein-Uhlenbeck-Prozess [142] analysiert. Mit dem Ornstein-Uhlenbeck-Prozess können viele, jedoch nicht alle Charakteristika des anomalen Abfalls im in- termediären Zeitbereich beschrieben werden. Ein Protein-α-Prozesses konnte nicht identifiziert werden. Die Ergebnisse der MD-Simulationen zeigen dagegen Hinweise auf einen zusätzliche Rouse-ähnlichen dynamischen Prozess des Protein-Rückgrats, der weiter untersucht werden sollte. Zuletzt wurde die Wasserdynamik untersucht. Die vorläufigen Analyse der QENS-Ergebnisse scheint gegen den vorge- schlagenen Fragil-Stark-Übergang zu sprechen. Stattdessen liegt eine bessere Übereinstimmung mit der Arrhenius-Temperaturabhängigkeit vor, die in vorherigen NMR-Messungen an hydratisierten Proteinen erhalten wurde [173]. MD-Simulation deuten darauf hin, dass die Kopplung zwischen Wasser und Pro- tein auf gegenseitiger Beeinflussung beruht.
Der vorgestellte Ansatz, drei Methoden zur Untersuchung von Proteindynamik zu kombinieren erweist sich als nützlich, dies wird durch eine qualitative Übereinstimmung der drei Methoden bezüglich der Methylgruppendynamik, Rückgratdynamik und Wasserdynamik untermauert.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2014 | ||||
Autor(en): | Kämpf, Kerstin | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Untersuchung von Protein und Hydratationswasserdynamik mit Experimenten und Simulationen | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Vogel, Prof. Dr. Michael ; Fujara, Prof. Dr. Franz | ||||
Publikationsjahr: | Dezember 2014 | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 15 Dezember 2014 | ||||
URL / URN: | http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/4318 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Proteine sind hochflexible Makromoleküle mit Dynamik über 13 Größenordnungen in der Zeit. Diese Dynamik ermöglicht Proteinfunktionen und damit das Leben [227, 255]. Proteindynamik wird stark von der Hydratationsschicht beeinflusst. Über den Mechanismus der Kopplung sowie die Eigenschaften der Wasserdynamik herrscht in der Literatur Uneinigkeit. Die Frage, ob das Wasser in der Hydratati- onsschicht eine starke [79] oder eine fragile [59] Temperaturabhängigkeit hat oder gar einen Fragil- Stark-Übergang aufweist, wird in Bezug auf den sogenannten „dynamischen Übergang“ des Proteins diskutiert. Dabei handelt es sich um einen starken Anstieg der Bewegungsamplitude bei Erwärmen bei einer Temperatur von T ≈ 180 − 220 K [49]. Eine weitere spannende Eigenschaft von Prote- inen ist die anomale Proteindynamik, die sich als subdiffusives mittleres Verschiebungsquadrat und als potenzgesetzartiger, oder logarithmischer Zerfall der Korrelationsfunktionen im Picosekunden- bis Nanosekunden-Bereich zeigt [142]. Wenngleich unklar ist, inwiefern sich Proteindynamik mit der Ter- minologie für gewöhnliche Glasbildner - z.B. α- und β -Prozess - beschreiben lässt, wurden verschiedene Ansätze aus dem Gebiet der Glasdynamik vorgeschlagen, um den anomalen Abfall zu erklären. Die Untersuchung der Protein- und Wasserdynamik über einen großen Bereich von Zeit- und Längen- skalen erfordert die Kombination von verschiedenen Methoden. In dieser Arbeit werden quasielastische Neutronenstreuung (QENS), 2H-Kernspinresonanz(NMR)-Spektroskopie und Molekulardynamik(MD)- Simulationen zur Untersuchung von Proteinen mit verschiedener struktureller Komplexität, Elastin, Myoglobin und Cyano-Phycocyanin (CPC) bei niedrigen Hydratationsgraden im Temperaturbereich von 4-370 K verwendet. Damit wird ein Längenskalenbereich von < 1Å bis zu einigen Nanometern sowie ein Zeitbereich von unter Pikosekunden bis Sekunden abgedeckt. Die Ergebnisse zeigen, dass mindestens zwei dynamische Proteinprozesse unterschieden werden kön- nen. Die Methylgruppendynamik, die bei tiefen Temperaturen (T ≈ 120 K) einsetzt, ist vom Hydratati- onsgrad unabhängig. Sie wird mittels des Rotationsraten-Verteilungsmodells in guter Übereinstimmung mit der Literatur [221, 256] beschrieben. Der zweite Prozess ist eine kleinamplitudige Rückgratdyna- mik, die bei T ≈ 180 K einsetzt und deren Amplitude mit steigender Temperatur zunimmt. Dieser Prozess ist in QENS an Elastin nicht zu sehen, jedoch wird er eindeutig in den 2H-NMR-Spektren von CPC gefunden. Er wird durch die Anwesenheit von Hydratationswasser verstärkt. Dieser Pro- zess ähnelt einem sekundären Relaxationsprozess von Flüssigkeiten beim Glasübergang und er ist in qualitativer Übereinstimmung mit dem anomalen Abfall, der mit MD-Simulationen beobachtet wird. Der anomale Abfall wird mittels des Energielandschaftsansatzes [9], der Modenkopplungstheorie hö- herer Ordnung [156] und dem fraktionalen Ornstein-Uhlenbeck-Prozess [142] analysiert. Mit dem Ornstein-Uhlenbeck-Prozess können viele, jedoch nicht alle Charakteristika des anomalen Abfalls im in- termediären Zeitbereich beschrieben werden. Ein Protein-α-Prozesses konnte nicht identifiziert werden. Die Ergebnisse der MD-Simulationen zeigen dagegen Hinweise auf einen zusätzliche Rouse-ähnlichen dynamischen Prozess des Protein-Rückgrats, der weiter untersucht werden sollte. Zuletzt wurde die Wasserdynamik untersucht. Die vorläufigen Analyse der QENS-Ergebnisse scheint gegen den vorge- schlagenen Fragil-Stark-Übergang zu sprechen. Stattdessen liegt eine bessere Übereinstimmung mit der Arrhenius-Temperaturabhängigkeit vor, die in vorherigen NMR-Messungen an hydratisierten Proteinen erhalten wurde [173]. MD-Simulation deuten darauf hin, dass die Kopplung zwischen Wasser und Pro- tein auf gegenseitiger Beeinflussung beruht. Der vorgestellte Ansatz, drei Methoden zur Untersuchung von Proteindynamik zu kombinieren erweist sich als nützlich, dies wird durch eine qualitative Übereinstimmung der drei Methoden bezüglich der Methylgruppendynamik, Rückgratdynamik und Wasserdynamik untermauert. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-43188 | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Biophysik 05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Experimentelle Physik kondensierter Materie 05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Magnetische Kernresonanz 05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) 05 Fachbereich Physik |
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Hinterlegungsdatum: | 28 Dez 2014 20:55 | ||||
Letzte Änderung: | 28 Dez 2014 20:55 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Vogel, Prof. Dr. Michael ; Fujara, Prof. Dr. Franz | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 15 Dezember 2014 | ||||
Export: | |||||
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