Fritsch, Marcus (2012)
Vegetationsökologische Untersuchungen zum Management und zur Restitution von Feuchtgrünland.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung
Kurzbeschreibung (Abstract)
Die Vegetation von extensiv bewirtschaftetem Feuchtgrünland ist aufgrund der Veränderungen in der Kulturlandschaft hin zur intensiven Landnutzung im Laufe der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts als sehr gefährdet anzusehen. Meliorationsmaßnahmen sowie starke Nährstoffzufuhr durch Düngung veränderten die Standortbedingungen für eine Nutzung von produktivem Intensivgrünland mit einer meist Süßgras-dominierten, artenarmen Flora. Aufgrund des Artenreichtums und vieler bedrohter Planzenarten stellen der Schutz verbliebener Vorkommen extensiven Feuchtgrünlands sowie die Restitution neuer Gebiete einen Schwerpunkt wissenschaftlicher Studien und Restitutionprojekte dar. Ungünstiges Wasserregime sowie hohe Nährstoffverfügbarkeit sind dabei abiotische, Samenlimitation aufgrund fehlender Populationen sowie hoher Flächenfragmentierung biotische Hindernisse für die Restitution. Geeignete Restitutionsmaßnahmen sowie ein angepasstes Flächenmanagement bilden somit die Voraussetzungen zum Erhalt naturschutzfachlich hochwertigen Extensivgrünlands. Im Rahmen des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens (E+E) „Ried und Sand“ wurden Untersuchungen zum Management und zur Restitution von Grünlandflächen des Hessischen Rieds im Gebiet der Altneckarschlingen durchgeführt. Als Leitbild für die wechsel-feuchten Flächen diente ein Cirsio tuberosi-Molinietum im NSG „Mönchbruch“. Die Fragestellungen befassen sich mit der Entwicklung der Vegetation unter dem Einfluss extensiver Beweidung, der Qualität/Quantität der Vegetation unter dem Aspekt der Tierernährung sowie der Etablierung von Zielarten des Leitbilds auf Art- bzw. „Community“-Ebene unter Anwendung von Oberbodenabtrag und experimentellem Transfer verschiedener Inokulationsmaterialien. Die Analyse der Vegetation (Kapitel 3) führte zur Bestimmung der vorherrschenden Standortfaktoren sowie der Effekte der extensiven Beweidung und moderater Restitutionsmaßnahmen auf den untersuchten Grünlandflächen. Die Ergebnisse wiesen deutliche Unterschiede in den Feuchtigkeitsverhältnissen der Untersuchungsflächen auf, welche sich in der vorherrschenden Vegetation widerspiegeln und durch Messungen des Bodenwassergehaltes zusätzlich dokumentiert wurden. Daneben konnte ein Produktivitätsgradient im Vergleich mit dem Leitbild definiert werden. Untersuchungen auf Standardflächen zeigten, dass extensive Schafbeweidung den Status quo der Vegetation strukturell aufrechterhalten und die Phytodiversität tendenziell erhöhen kann. Bei Brache kam es zur raschen Sukzession mit Streuakkumulation, Rückgang von Gräsern und Zunahme von Kräutern sowie der Ausbildung einer Strauchschicht. Schafbeweidung stellt ein geeignetes Management zur Offenhaltung der Flächen dar, Zielarten des Molinion oder der Molinetalia sowie gefährdete Arten stellten sich nicht ein. Die Effekte der Rinderbeweidung waren inkonsistent, so kam es zur Verbrachung aufgrund zu geringer Intensität sowie dem Erhalt des Status quo. Die Phytodiversität nahm im Vergleich zur Brache leicht zu bzw. blieb gleich, ohne Vorkommen von Zielarten. Punktuelle moderate Restitutionsmaßnahmen mit geringem Oberbodenabtrag und Inokulation ergaben eine Steigerung der Diversität mit verbreiteten Grünland- und Ruderalarten und nur wenigen Zielarten. Fräsen, anstatt des Oberbodenabtrags, führte zu weniger ausgeprägten Effekten, und die Phytodiversität konnte nur leicht gesteigert werden. Die Sukzession junger Ackerbrachen führte beginnend mit kurzlebigen Segetal- und Ruderalarten über ausdauernde, krautige Ruderalfluren zu Gräser-dominierter Vegetation. Eine Inokulation bewirkte eine deutlich erhöhte Artenzahl zumeist durch weit verbreitete Grünlandarten. Ein weiterer Aspekt des extensiven Grünlandmanagements ist eine ausgewogene Ernährung der Weidetiere, welche deren langfristige Gesundheit sicherstellt. Diese ist von der verfügbaren Phytomasse sowie deren Qualität abhängig und kann eventuell durch angepasstes Weidemanagement verbessert werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Phytomasseproduktion sowie deren Qualität zum „Peak-Standing-Crop“-Zeitpunkt verschiedener Grünlandtypen im Hessischen Ried und eines Leitbilds untersucht (Kapitel 4). Vegetationsparameter, die Phytomasseproduktion sowie die ruminale Stickstoffbilanz, Rohfaser, Rohprotein, Mineralstoffe (Calcium, Kalium, Magnesium, Natrium und Phosphor) und der Energiegehalt (umsetzbare Energie, Nettoenergie-Laktation) verschiedener Grünlandtypen und des Leitbilds wurden analysiert. Die Grünlandtypen unterschieden sich nur gering, und die Versorgung der Weidetiere konnte als gut eingeschätzt werden, teilweise mit unzureichender Natrium- sowie Phosphor-Verfügbarkeit. In ruderalisierten Beständen kam es zu erhöhten Stickstoffgehalten, welche bei ungünstigem Weidemanagement toxisch wirken können. Das Leitbild zeigte geringere Phytomasseproduktion und leichte Defizite bei Rohproteingehalt, der ruminalen Stickstoffbilanz sowie Kalium und Phosphor im Vergleich zur Riedvegetation. Im Falle einer kleinflächigen Restitution der Zielgesellschaft im Hessischen Ried kompensieren verbleibende Grünlandflächen eine mögliche Unterversorgung von Phosphor und Natrium und ermöglichen so ein längerfristiges Management durch den Weideverbund. Bei einem geplanten Weideverbund von „Sand“- und „Ried“-Flächen innerhalb des E+E-Projektgebietes besitzt das „Ried“ eine bedeutende Rolle für die Tierernährung. Abiotische, z.B. Nährstoffverfügbarkeit, sowie biotische Faktoren, z. B. Samenlimitierung, sind für eine Restitution artenreichen Grünlands zu berücksichtigen. Daher untersuchte eine Pilotstudie die Keimung, Etablierung und Vitalität von Zielarten auf Artebene in Abhängigkeit der Bodenabtragstiefe (Kapitel 5). Die Applikation der Diasporen wurde auf einem Bodentiefegradient bzw. auf Bodenabtragsflächen durchgeführt. Neben der Entwicklung der Einzelarten wurden die floristische Struktur der spontan aufgetretenen Vegetation sowie der Aufbau der Diasporenbank untersucht. Die Keimung und Etablierung der eingebrachten Zielarten auf den Teilflächen verlief bei fast allen Untersuchungsansätzen günstig. Während bei 10 cm Abtragstiefe nicht alle Zielarten erfolgreich keimen bzw. sich etablieren konnten, ermöglichten tiefere Bodenabtragungen die Etablierung aller applizierten Zielarten. Zu trockene Bedingungen führten zum Ausbleiben der Keimung bei Carex tomentosa, während zu nasse Bedingungen mit sehr langen Überstauungsereignissen besonders von Galium wirtgenii und Linum catharticum nicht toleriert wurden. Cirsium tuberosum nahm eine intermediäre Stellung ein. Die höchste Etablierungsrate und Vitalität aller Zielarten wurde bei 25 bzw. 40 cm Abtragstiefe erreicht. Im Laufe der vier Untersuchungsjahre wurden eine flächenhafte Ausbreitung der Zielarten sowie der beginnende Aufbau einer Diasporenbank nachverfolgt. Eine Ansiedlung nach endozoochorer Ausbreitung durch Schafe kam mit Sicherheit nur bei Galium wirtgenii vor, Carex tomentosa keimte nicht, und bei Linum catharticum konnte eine sekundäre Inokulation nicht ausgeschlossen werden. Zumindest für Galium wirtgenii können Schafe als Vektoren via Endozoochorie dienen und eine Austauschdynamik von Diasporen gewährleisten. Die Maßnahme des Transfers von Inokulationsmaterial eines Cirsio tuberosi-Molinietum (Knollenkratzdistel-Pfeifengraswiese) zur Überwindung der Samenlimitierung wurde in Kapitel 6 auf “Community“-Ebene untersucht. Inokuliert wurde mit frischem Mahdgut bzw. Rechgut und neben der Etablierung der Zielgesellschaft wurden Potenziale, wie z. B. Diversität des Artenpools, analysiert. Die experimentellen Ansätze umfassten zwei Inokulationsstreifen und einen Kontrollstreifen auf einer Restitutionsfläche, deren Oberboden zuvor abgetragen wurde. Beide Inokulationsansätze zeigten eine Etablierung von Zielarten nach zwei Jahren. Im ersten Jahr wurde ein deutliches Zielartenaufkommen verzeichnet, während im darauffolgenden Jahr ein leichter Rückgang, vermutlich aufgrund nasser Witterung und langer Überstauungsereignisse, auftrat und sich Bestände nasser Ausprägung entwickelten. Der Vergleich der Inokulationsmaterialien ergab ein höheres Potenzial des Rechguts, welches eine höhere Diversität an Diasporen aufwies. Zurückzuführen ist dies möglicherweise auf eine Retention der Diasporen in den im Rechgut befindlichen Moos- bzw. Streufraktionen. Frisches Mahdgut enthielt teils hohe Abundanzen von Zielarten, welche zum Mahdzeitpunkt fruchteten. Weiteres Monitoring erscheint angebracht, da nach zwei Jahren die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Auch ein angemessenes Management der Fläche, z. B. durch ein einschüriges Mahd-Weide-System, ist notwendig, um die Entwicklung und den Fortbestand der etablierten Zielgesellschaft zu gewährleisten. Insgesamt konnte die vorliegende Arbeit zeigen, dass extensives Management mit Beweidung den strukturellen Status quo von Grünlandflächen des Hessischen Rieds, welche durch das vorherrschende Wasserregime sowie hohe Nährstoffverfügbarkeit charakterisiert sind, aufrechterhalten kann und diese Grünlandflächen eine gute Ernährung der Weidetiere gewährleisten, sowie geringere Futterqualität von höherwertigen Offenlandsystemen, z. B. Sandrasen, in einem Weideverbund kompensieren. Eine deutliche naturschutzfachliche Verbesserung und Erhöhung der Phytodiversität, konnte das Management allein nicht gewährleisten. Hier können die Restitutionsmaßnahmen Oberbodenabtrag in Verbindung mit dem Transfer von Inokulationsmaterial zu einer Etablierung der punktuell angestrebten Zielgesellschaft auf “Community“-Ebene führen. Besonders der Transfer von Rechgut stellt eine erfolgsversprechende Möglichkeit dar. Die mögliche Verküpfung solcher kleinflächigen Restitutionsflächen durch das vorhandene Weidemanagement sichert die Tierernährung und kann z. B. via Endozoochorie die Aufwertung weiterer Grünlandflächen des Hessischen Rieds bedeuten. Im Weideverbund des E+E-Vorhabens mit naturschutzfachlich hochwertigen Sandrasen kompensieren die vorhandenen Grünlandflächen die geringere Phytomasseproduktion sowie –qualität und verbessern die Bedingungen des Weidemanagement.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2012 | ||||
Autor(en): | Fritsch, Marcus | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Vegetationsökologische Untersuchungen zum Management und zur Restitution von Feuchtgrünland | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Schwabe-Kratochwil, Prof. Dr. Angelika ; Blüthgen, Prof. Dr. Nico | ||||
Publikationsjahr: | 28 September 2012 | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 20 April 2012 | ||||
URL / URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-29697 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Die Vegetation von extensiv bewirtschaftetem Feuchtgrünland ist aufgrund der Veränderungen in der Kulturlandschaft hin zur intensiven Landnutzung im Laufe der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts als sehr gefährdet anzusehen. Meliorationsmaßnahmen sowie starke Nährstoffzufuhr durch Düngung veränderten die Standortbedingungen für eine Nutzung von produktivem Intensivgrünland mit einer meist Süßgras-dominierten, artenarmen Flora. Aufgrund des Artenreichtums und vieler bedrohter Planzenarten stellen der Schutz verbliebener Vorkommen extensiven Feuchtgrünlands sowie die Restitution neuer Gebiete einen Schwerpunkt wissenschaftlicher Studien und Restitutionprojekte dar. Ungünstiges Wasserregime sowie hohe Nährstoffverfügbarkeit sind dabei abiotische, Samenlimitation aufgrund fehlender Populationen sowie hoher Flächenfragmentierung biotische Hindernisse für die Restitution. Geeignete Restitutionsmaßnahmen sowie ein angepasstes Flächenmanagement bilden somit die Voraussetzungen zum Erhalt naturschutzfachlich hochwertigen Extensivgrünlands. Im Rahmen des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens (E+E) „Ried und Sand“ wurden Untersuchungen zum Management und zur Restitution von Grünlandflächen des Hessischen Rieds im Gebiet der Altneckarschlingen durchgeführt. Als Leitbild für die wechsel-feuchten Flächen diente ein Cirsio tuberosi-Molinietum im NSG „Mönchbruch“. Die Fragestellungen befassen sich mit der Entwicklung der Vegetation unter dem Einfluss extensiver Beweidung, der Qualität/Quantität der Vegetation unter dem Aspekt der Tierernährung sowie der Etablierung von Zielarten des Leitbilds auf Art- bzw. „Community“-Ebene unter Anwendung von Oberbodenabtrag und experimentellem Transfer verschiedener Inokulationsmaterialien. Die Analyse der Vegetation (Kapitel 3) führte zur Bestimmung der vorherrschenden Standortfaktoren sowie der Effekte der extensiven Beweidung und moderater Restitutionsmaßnahmen auf den untersuchten Grünlandflächen. Die Ergebnisse wiesen deutliche Unterschiede in den Feuchtigkeitsverhältnissen der Untersuchungsflächen auf, welche sich in der vorherrschenden Vegetation widerspiegeln und durch Messungen des Bodenwassergehaltes zusätzlich dokumentiert wurden. Daneben konnte ein Produktivitätsgradient im Vergleich mit dem Leitbild definiert werden. Untersuchungen auf Standardflächen zeigten, dass extensive Schafbeweidung den Status quo der Vegetation strukturell aufrechterhalten und die Phytodiversität tendenziell erhöhen kann. Bei Brache kam es zur raschen Sukzession mit Streuakkumulation, Rückgang von Gräsern und Zunahme von Kräutern sowie der Ausbildung einer Strauchschicht. Schafbeweidung stellt ein geeignetes Management zur Offenhaltung der Flächen dar, Zielarten des Molinion oder der Molinetalia sowie gefährdete Arten stellten sich nicht ein. Die Effekte der Rinderbeweidung waren inkonsistent, so kam es zur Verbrachung aufgrund zu geringer Intensität sowie dem Erhalt des Status quo. Die Phytodiversität nahm im Vergleich zur Brache leicht zu bzw. blieb gleich, ohne Vorkommen von Zielarten. Punktuelle moderate Restitutionsmaßnahmen mit geringem Oberbodenabtrag und Inokulation ergaben eine Steigerung der Diversität mit verbreiteten Grünland- und Ruderalarten und nur wenigen Zielarten. Fräsen, anstatt des Oberbodenabtrags, führte zu weniger ausgeprägten Effekten, und die Phytodiversität konnte nur leicht gesteigert werden. Die Sukzession junger Ackerbrachen führte beginnend mit kurzlebigen Segetal- und Ruderalarten über ausdauernde, krautige Ruderalfluren zu Gräser-dominierter Vegetation. Eine Inokulation bewirkte eine deutlich erhöhte Artenzahl zumeist durch weit verbreitete Grünlandarten. Ein weiterer Aspekt des extensiven Grünlandmanagements ist eine ausgewogene Ernährung der Weidetiere, welche deren langfristige Gesundheit sicherstellt. Diese ist von der verfügbaren Phytomasse sowie deren Qualität abhängig und kann eventuell durch angepasstes Weidemanagement verbessert werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Phytomasseproduktion sowie deren Qualität zum „Peak-Standing-Crop“-Zeitpunkt verschiedener Grünlandtypen im Hessischen Ried und eines Leitbilds untersucht (Kapitel 4). Vegetationsparameter, die Phytomasseproduktion sowie die ruminale Stickstoffbilanz, Rohfaser, Rohprotein, Mineralstoffe (Calcium, Kalium, Magnesium, Natrium und Phosphor) und der Energiegehalt (umsetzbare Energie, Nettoenergie-Laktation) verschiedener Grünlandtypen und des Leitbilds wurden analysiert. Die Grünlandtypen unterschieden sich nur gering, und die Versorgung der Weidetiere konnte als gut eingeschätzt werden, teilweise mit unzureichender Natrium- sowie Phosphor-Verfügbarkeit. In ruderalisierten Beständen kam es zu erhöhten Stickstoffgehalten, welche bei ungünstigem Weidemanagement toxisch wirken können. Das Leitbild zeigte geringere Phytomasseproduktion und leichte Defizite bei Rohproteingehalt, der ruminalen Stickstoffbilanz sowie Kalium und Phosphor im Vergleich zur Riedvegetation. Im Falle einer kleinflächigen Restitution der Zielgesellschaft im Hessischen Ried kompensieren verbleibende Grünlandflächen eine mögliche Unterversorgung von Phosphor und Natrium und ermöglichen so ein längerfristiges Management durch den Weideverbund. Bei einem geplanten Weideverbund von „Sand“- und „Ried“-Flächen innerhalb des E+E-Projektgebietes besitzt das „Ried“ eine bedeutende Rolle für die Tierernährung. Abiotische, z.B. Nährstoffverfügbarkeit, sowie biotische Faktoren, z. B. Samenlimitierung, sind für eine Restitution artenreichen Grünlands zu berücksichtigen. Daher untersuchte eine Pilotstudie die Keimung, Etablierung und Vitalität von Zielarten auf Artebene in Abhängigkeit der Bodenabtragstiefe (Kapitel 5). Die Applikation der Diasporen wurde auf einem Bodentiefegradient bzw. auf Bodenabtragsflächen durchgeführt. Neben der Entwicklung der Einzelarten wurden die floristische Struktur der spontan aufgetretenen Vegetation sowie der Aufbau der Diasporenbank untersucht. Die Keimung und Etablierung der eingebrachten Zielarten auf den Teilflächen verlief bei fast allen Untersuchungsansätzen günstig. Während bei 10 cm Abtragstiefe nicht alle Zielarten erfolgreich keimen bzw. sich etablieren konnten, ermöglichten tiefere Bodenabtragungen die Etablierung aller applizierten Zielarten. Zu trockene Bedingungen führten zum Ausbleiben der Keimung bei Carex tomentosa, während zu nasse Bedingungen mit sehr langen Überstauungsereignissen besonders von Galium wirtgenii und Linum catharticum nicht toleriert wurden. Cirsium tuberosum nahm eine intermediäre Stellung ein. Die höchste Etablierungsrate und Vitalität aller Zielarten wurde bei 25 bzw. 40 cm Abtragstiefe erreicht. Im Laufe der vier Untersuchungsjahre wurden eine flächenhafte Ausbreitung der Zielarten sowie der beginnende Aufbau einer Diasporenbank nachverfolgt. Eine Ansiedlung nach endozoochorer Ausbreitung durch Schafe kam mit Sicherheit nur bei Galium wirtgenii vor, Carex tomentosa keimte nicht, und bei Linum catharticum konnte eine sekundäre Inokulation nicht ausgeschlossen werden. Zumindest für Galium wirtgenii können Schafe als Vektoren via Endozoochorie dienen und eine Austauschdynamik von Diasporen gewährleisten. Die Maßnahme des Transfers von Inokulationsmaterial eines Cirsio tuberosi-Molinietum (Knollenkratzdistel-Pfeifengraswiese) zur Überwindung der Samenlimitierung wurde in Kapitel 6 auf “Community“-Ebene untersucht. Inokuliert wurde mit frischem Mahdgut bzw. Rechgut und neben der Etablierung der Zielgesellschaft wurden Potenziale, wie z. B. Diversität des Artenpools, analysiert. Die experimentellen Ansätze umfassten zwei Inokulationsstreifen und einen Kontrollstreifen auf einer Restitutionsfläche, deren Oberboden zuvor abgetragen wurde. Beide Inokulationsansätze zeigten eine Etablierung von Zielarten nach zwei Jahren. Im ersten Jahr wurde ein deutliches Zielartenaufkommen verzeichnet, während im darauffolgenden Jahr ein leichter Rückgang, vermutlich aufgrund nasser Witterung und langer Überstauungsereignisse, auftrat und sich Bestände nasser Ausprägung entwickelten. Der Vergleich der Inokulationsmaterialien ergab ein höheres Potenzial des Rechguts, welches eine höhere Diversität an Diasporen aufwies. Zurückzuführen ist dies möglicherweise auf eine Retention der Diasporen in den im Rechgut befindlichen Moos- bzw. Streufraktionen. Frisches Mahdgut enthielt teils hohe Abundanzen von Zielarten, welche zum Mahdzeitpunkt fruchteten. Weiteres Monitoring erscheint angebracht, da nach zwei Jahren die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Auch ein angemessenes Management der Fläche, z. B. durch ein einschüriges Mahd-Weide-System, ist notwendig, um die Entwicklung und den Fortbestand der etablierten Zielgesellschaft zu gewährleisten. Insgesamt konnte die vorliegende Arbeit zeigen, dass extensives Management mit Beweidung den strukturellen Status quo von Grünlandflächen des Hessischen Rieds, welche durch das vorherrschende Wasserregime sowie hohe Nährstoffverfügbarkeit charakterisiert sind, aufrechterhalten kann und diese Grünlandflächen eine gute Ernährung der Weidetiere gewährleisten, sowie geringere Futterqualität von höherwertigen Offenlandsystemen, z. B. Sandrasen, in einem Weideverbund kompensieren. Eine deutliche naturschutzfachliche Verbesserung und Erhöhung der Phytodiversität, konnte das Management allein nicht gewährleisten. Hier können die Restitutionsmaßnahmen Oberbodenabtrag in Verbindung mit dem Transfer von Inokulationsmaterial zu einer Etablierung der punktuell angestrebten Zielgesellschaft auf “Community“-Ebene führen. Besonders der Transfer von Rechgut stellt eine erfolgsversprechende Möglichkeit dar. Die mögliche Verküpfung solcher kleinflächigen Restitutionsflächen durch das vorhandene Weidemanagement sichert die Tierernährung und kann z. B. via Endozoochorie die Aufwertung weiterer Grünlandflächen des Hessischen Rieds bedeuten. Im Weideverbund des E+E-Vorhabens mit naturschutzfachlich hochwertigen Sandrasen kompensieren die vorhandenen Grünlandflächen die geringere Phytomasseproduktion sowie –qualität und verbessern die Bedingungen des Weidemanagement. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 570 Biowissenschaften, Biologie | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 10 Fachbereich Biologie ?? fb10_botanik ?? 10 Fachbereich Biologie > Vegetationsökologie und Restitution |
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Hinterlegungsdatum: | 01 Okt 2012 15:30 | ||||
Letzte Änderung: | 05 Mär 2013 10:03 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Schwabe-Kratochwil, Prof. Dr. Angelika ; Blüthgen, Prof. Dr. Nico | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 20 April 2012 | ||||
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