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Von Protonenturbinen zu Respirasomen: Isolierung und strukturelle Charakterisierung energieumwandelnder Membranproteine.

Seelert, Holger (2011)
Von Protonenturbinen zu Respirasomen: Isolierung und strukturelle Charakterisierung energieumwandelnder Membranproteine.
Habilitation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Adenosintriphosphat (ATP) ist von zentraler Bedeutung für alle Lebewesen, da es als Energieträger dazu eingesetzt wird, eine Vielzahl an Prozessen zu realisieren wie Bewegungen, Informationsübermittlung oder Fortpflanzung. Die Biosynthese von ATP läuft an biologischen Membranen ab, indem Membranproteine einen elektrochemischen Ionengradienten (oft von Protonen) aufbauen, der anschließend von der ATP-Synthase genutzt wird. Um nun die Funktionsweise dieser energiewandelnden Proteinkomplexe zu verstehen, ist für viele Untersuchungsverfahren die Isolierung aus der biologischen Membran unter milden Bedingungen notwendig. Im Rahmen meiner Forschungsarbeit hat sich die Solubilisierung vor allem mit Dodecylmaltosid und Digitonin als sehr geeignet erwiesen, z.B. zur Isolierung der ATP-Synthase aus verschiedenen photosynthetischen Organismen. Nach chromatographischer Reinigung konnte erstmals eine hochreine ATP-Synthase aus dem Cyanobakterium Thermosynechococcus elongatus erhalten werden, die sich durch ihre hohe Stabilität auszeichnete. Neben der Stabilität war aber auch die Verfügbarkeit geeigneter Mengen von großer Bedeutung, was wiederum vor allem für die ATP-Synthase aus Spinat gegeben ist. Nur durch Probenmengen im Milligramm-Bereich ließen sich umfangreichen Testserien durchführen, wie sie zur Optimierung der 2D-Kristallisation erforderlich waren. Solche 2D-Kristalle wurden benötigt, um mittels Elektronen- und Raster-Kraft-Mikroskopie bislang unbekannte strukturelle Details über den membranintegralen Bereich der ATP-Synthase zu enthüllen. Ein wichtiger Durchbruch der strukturellen Untersuchungen war die Ermittlung der Anzahl an Protonen-transportierenden Untereinheiten in der Chloroplasten-ATP-Synthase aus Spinat. Diese Stöchiometrie ist für die Bioenergetik von elementarer Bedeutung, da dadurch die Effizienz der ATP-Synthese bestimmt wird. Die Ergebnisse konnten in Nature publiziert werden und sind bisher mehr als 245 mal zitiert. Außerdem ist durch meine Forschungsarbeiten eindeutig gezeigt worden, dass die Anzahl dieser Untereinheiten von der Form der Untereinheit abhängig ist, nicht aber – wie von anderen vermutet – von den Wachstumsbedingungen der Organismen. Ein weiterer Themenkomplex meiner Forschung war die supramolekulare Organisation von Proteinkomplexen. So wurde angenommen, dass Dimere von ATP-Synthasen nur in Mitochondrien auftreten. Durch die Identifizierung des Dimers der Chloroplasten-ATP-Synthase konnte diese Vermutung widerlegt werden. Zusätzlich zeigten quantitative Bestimmungen, dass die Menge dieser Dimere in den Chloroplasten der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii mit dem metabolischen Zustand korreliert ist. Für die Mitochondrien, vor allem aus Säugetieren, wurde postuliert, dass definierte Zusammenlagerungen der Atmungskettenkomplexe den effizienten Transport von Substraten zwischen den Komplexen I bis IV gewährleisten („Respirasom“). Die eigenen Befunde (über native Gelelektrophorese) legten erstmals dar, dass solche Strukturen auch in Pflanzen-Mitochondrien existieren. Darüber hinaus ließ sich nachweisen, dass Digitonin bei Spinat aus einer Chloroplasten/Mitochondrien-Mischung selektiv die Atmungskettenkomplexe solubilisiert, z.B. Superkomplexe mit der Zusammensetzung I1III2 und I1III2IV1. Größere Mengen der Superkomplexe konnten aus Rinderherz-Mitochondrien isoliert werden, durch die Etablierung der präparativen nativen Gelelektrophorese. Erst nach Elution aus dem Gel waren die Superkomplexe für eine Strukturanalyse verwendbar. Hierbei ermöglichte die Auswertung elektronenmikroskopischer Bilder den ersten Einblick in den 3D-Aufbau von I1III2 und I1III2IV1 und eine Lokalisierung des Komplexes IV im größeren Superkomplex. Dies war gleichzeitig der entscheidende Beweis, dass I1III2IV1 der Hauptbaustein der mitochondrialen Atmungskette in Säugetieren ist, wodurch sich nun exakte Modelle für den Transfer von Substraten zwischen den Komplexen I, III und IV entwickeln lassen. Außerdem waren die beiden Strukturen von zentraler Bedeutung für die allgemeine Anerkennung der Existenz von Superkomplexen. Beim Superkomplex I1III2IV1 zeigte sich auch der Vorteil dieser Art der Organisation, denn sie erhöht die Stabilität und enzymatische Aktivität.

Typ des Eintrags: Habilitation
Erschienen: 2011
Autor(en): Seelert, Holger
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Von Protonenturbinen zu Respirasomen: Isolierung und strukturelle Charakterisierung energieumwandelnder Membranproteine.
Sprache: Deutsch
Publikationsjahr: 29 Juni 2011
URL / URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-26468
Kurzbeschreibung (Abstract):

Adenosintriphosphat (ATP) ist von zentraler Bedeutung für alle Lebewesen, da es als Energieträger dazu eingesetzt wird, eine Vielzahl an Prozessen zu realisieren wie Bewegungen, Informationsübermittlung oder Fortpflanzung. Die Biosynthese von ATP läuft an biologischen Membranen ab, indem Membranproteine einen elektrochemischen Ionengradienten (oft von Protonen) aufbauen, der anschließend von der ATP-Synthase genutzt wird. Um nun die Funktionsweise dieser energiewandelnden Proteinkomplexe zu verstehen, ist für viele Untersuchungsverfahren die Isolierung aus der biologischen Membran unter milden Bedingungen notwendig. Im Rahmen meiner Forschungsarbeit hat sich die Solubilisierung vor allem mit Dodecylmaltosid und Digitonin als sehr geeignet erwiesen, z.B. zur Isolierung der ATP-Synthase aus verschiedenen photosynthetischen Organismen. Nach chromatographischer Reinigung konnte erstmals eine hochreine ATP-Synthase aus dem Cyanobakterium Thermosynechococcus elongatus erhalten werden, die sich durch ihre hohe Stabilität auszeichnete. Neben der Stabilität war aber auch die Verfügbarkeit geeigneter Mengen von großer Bedeutung, was wiederum vor allem für die ATP-Synthase aus Spinat gegeben ist. Nur durch Probenmengen im Milligramm-Bereich ließen sich umfangreichen Testserien durchführen, wie sie zur Optimierung der 2D-Kristallisation erforderlich waren. Solche 2D-Kristalle wurden benötigt, um mittels Elektronen- und Raster-Kraft-Mikroskopie bislang unbekannte strukturelle Details über den membranintegralen Bereich der ATP-Synthase zu enthüllen. Ein wichtiger Durchbruch der strukturellen Untersuchungen war die Ermittlung der Anzahl an Protonen-transportierenden Untereinheiten in der Chloroplasten-ATP-Synthase aus Spinat. Diese Stöchiometrie ist für die Bioenergetik von elementarer Bedeutung, da dadurch die Effizienz der ATP-Synthese bestimmt wird. Die Ergebnisse konnten in Nature publiziert werden und sind bisher mehr als 245 mal zitiert. Außerdem ist durch meine Forschungsarbeiten eindeutig gezeigt worden, dass die Anzahl dieser Untereinheiten von der Form der Untereinheit abhängig ist, nicht aber – wie von anderen vermutet – von den Wachstumsbedingungen der Organismen. Ein weiterer Themenkomplex meiner Forschung war die supramolekulare Organisation von Proteinkomplexen. So wurde angenommen, dass Dimere von ATP-Synthasen nur in Mitochondrien auftreten. Durch die Identifizierung des Dimers der Chloroplasten-ATP-Synthase konnte diese Vermutung widerlegt werden. Zusätzlich zeigten quantitative Bestimmungen, dass die Menge dieser Dimere in den Chloroplasten der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii mit dem metabolischen Zustand korreliert ist. Für die Mitochondrien, vor allem aus Säugetieren, wurde postuliert, dass definierte Zusammenlagerungen der Atmungskettenkomplexe den effizienten Transport von Substraten zwischen den Komplexen I bis IV gewährleisten („Respirasom“). Die eigenen Befunde (über native Gelelektrophorese) legten erstmals dar, dass solche Strukturen auch in Pflanzen-Mitochondrien existieren. Darüber hinaus ließ sich nachweisen, dass Digitonin bei Spinat aus einer Chloroplasten/Mitochondrien-Mischung selektiv die Atmungskettenkomplexe solubilisiert, z.B. Superkomplexe mit der Zusammensetzung I1III2 und I1III2IV1. Größere Mengen der Superkomplexe konnten aus Rinderherz-Mitochondrien isoliert werden, durch die Etablierung der präparativen nativen Gelelektrophorese. Erst nach Elution aus dem Gel waren die Superkomplexe für eine Strukturanalyse verwendbar. Hierbei ermöglichte die Auswertung elektronenmikroskopischer Bilder den ersten Einblick in den 3D-Aufbau von I1III2 und I1III2IV1 und eine Lokalisierung des Komplexes IV im größeren Superkomplex. Dies war gleichzeitig der entscheidende Beweis, dass I1III2IV1 der Hauptbaustein der mitochondrialen Atmungskette in Säugetieren ist, wodurch sich nun exakte Modelle für den Transfer von Substraten zwischen den Komplexen I, III und IV entwickeln lassen. Außerdem waren die beiden Strukturen von zentraler Bedeutung für die allgemeine Anerkennung der Existenz von Superkomplexen. Beim Superkomplex I1III2IV1 zeigte sich auch der Vorteil dieser Art der Organisation, denn sie erhöht die Stabilität und enzymatische Aktivität.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Adenosine triphosphate (ATP) is of utmost relevance for all organisms. It serves as energy currency to realise a multitude of processes like movements, signalling, or reproduction. The biosynthesis of ATP takes place at biological membranes. Specific membrane proteins establish an electrochemical ion gradient (often protons) which is subsequently utilized by the ATP synthase. To understand the function of such energy-converting protein complexes a very mild isolation procedure starting from native membranes is required. During my work solubilisation with dodecyl maltoside and digitonin has been proven to be particularly suitable, e.g. to isolate the ATP synthase of diverse photosynthetic organisms. For the first time highly pure ATP synthase could be obtained from the cyanobacterium Thermosynechococcus elongatus which is characterised by an exceptional stability. Besides stability, the availability of sufficient amounts is an important criterion. Particularly structural studies require sample amount in the milligram range, e. g. to screen various crystallization parameters. For 2D crystallization, the ATP synthase from spinach chloroplasts served as sample. Such 2D crystals were analysed by electron- and atomic-force microscopy to resolve previously unknown structural details of the membrane integral part of the ATP synthase. An important break-through of the structural studies was the determination of the number of proton-translocating subunits of the proton turbine in the spinach chloroplast ATP synthase. This stoichiometry is of fundamental significance for bioenergetics since it defines the efficiency of the ATP synthesis. The result has been published in “Nature” and has been cited more than 245 times until June 2010. Additionally, my work demonstrated unambiguously that the number of subunits is dependent on the inherent shape of the single subunit and not as supposed previously on the growth conditions of the organisms. Another issue of my research is the supramolecular organization of protein complexes. Dimers of the ATP synthase have been described as exclusive feature of mitochondria. By identification of the dimer of chloroplast ATP synthase, this assumption was challenged. Additional quantitative analysis revealed a correlation of the dimer amount in chloroplasts with the metabolic state of the green alga Chlamydomonas reinhardtii. For mitochondria, especially from mammals, a stoichiometric association of respiratory chain complexes (“respirasome”) is postulated to ensure efficient transport of substrates between the complexes I to IV. Own studies (by native gel electrophoresis) demonstrated similar structures in mitochondria from green plants. Moreover, digitonin selectively solubilised respiratory chain complexes, e.g. supercomplexes with the composition I1III2 and I1III2IV1, from a spinach-derived mitochondria-chloroplast mixture. Higher amount of supercomplexes could be isolated from bovine heart mitochondria by establishing preparative native gel electrophoresis. Elution from the gel was the prerequisite to utilize the supercomplexes for structural analysis. Processing of electron micrographs allowed an insight in the assembly of I1III2 and I1III2IV1 and a localization of complex IV in the larger supercomplex. This study evidenced that I1III2IV1 is the main building block of the respiratory chain in mammals and enabled developing detailed models for the substrate transfer between the complexes I, III, and IV. Furthermore, both structures were of high significance for the common acceptance of the existence of supercomplexes. A remarkable feature of supercomplex I1III2IV is its increased stability and enzymatic activity, an important advantage of this kind of organization.

Englisch
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 540 Chemie
500 Naturwissenschaften und Mathematik > 570 Biowissenschaften, Biologie
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 07 Fachbereich Chemie
Hinterlegungsdatum: 13 Jul 2011 12:23
Letzte Änderung: 05 Mär 2013 09:51
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