Seitdem Personalcomputer in Büros und Haushalten alltäglich geworden sind, haben Anwender auch damit begonnen diese Rechner für Bildungszwecke einzusetzen. Der Begriff E-Learning wird als Oberbegriff für alle Arten von Lernszenarien verwendet, die computergestützes Lernen oder Lehren einbeziehen. Für den Lernenden ergeben sich oftmals neue Freiheiten: er kann wählen wann, wo und wie er lernt. Lernressourcen sind digitale Materialien (z.B. Dokumente, Bilder, Videos, Simulationen, Tests, etc.), die in Lernszenarien genutzt werden. Wenn Lernen in einem formalen Kontext stattfindet, muss ein Lehrender üblicherweise diese Lernressourcen den Lernenden zur Verfügung stellen. Die Erstellung von Lernressourcen durch die Lehrenden selbst oder durch Dritte ist Forschungsgegenstand vieler Untersuchungen. Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass die Erstellung qualitativ hochwertiger Inhalte arbeitsintensiv ist und daher hohe Kosten verursacht. Daher ist die Wiederverwendung bereits existierender Lernressourcen erwünscht um Kosten zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Neben der unmittelbaren, erneuten Nutzung von Lernressourcen zum Lernen oder Lehren in neuen Kontexten können existierende Lernressourcen auch als Vorprodukt für die Erstellung neuer Lernressourcen in Betracht gezogen werden. Ähnlich der Wiederverwendung von Softwarebibliotheken in der Softwareentwicklung erwartet man von der Wiederverwendung von Lernressourcen als Vorprodukt eine Senkung der Produktionskosten neuer Lernressourcen. Da E-Learning heutzutage in universitärer Lehre, Fortund Weiterbildung sowie im Produkttraining sehr beliebt ist, fällt der Erstellung von Lernressourcen eine große Bedeutung zu. Die vorliegende Dissertation bezieht sich insbesondere auf ein Wiederverwendungsszenario, in dem existierende Lernressourcen als Vorprodukte für die Erstellung neuer Lernressourcen zum Zwecke des Web-basierten Lernens dienen sollen. Autoren sind an der Verwendung von Lernressourcen anderer Autoren interessiert. Es wird angenommen, dass diese Autoren unterschiedlichen Organisationen angehören. Des Weiteren können sich die Autoren nicht auf ein gemeinsames Autorenwerkzeug einigen, weil jeder Autor verpflichtet ist die von seinem Arbeitgeber vorgegebenenWerkzeuge zu verwenden. Der Austausch von Lernressourcen zwischen diesen Autoren wird daher zur Herausforderung. Es gibt verschiedene Inhaltsmodelle, die den hierarchischen Aufbau von Lernressourcen beschreiben. Autorenparadigmen, wie beispielsweise ein auf Aggregation basierender Autorenprozess, ermöglichen grundsätzlich die Erstellung neuer Lernressourcen als Kombination kleinerer Lernressourcen. Dafür ist es jedoch erforderlich, dass die zu kombinierenden Lernressourcen als eigenständige Ressourcen gespeichert werden. Dieser Ansatz funktioniert gut, solange eine Organisation systematisch feingranulare, modulare Lernressourcen mittels einer dafür geeigneten Autorenumgebung erstellt. Viele Autorenwerkzeuge nutzen arbiträre Inhaltsformate, die inkompatibel zu denen anderer Autorenwerkzeuge und weiterer Systeme (beispielsweise Lernmanagementsysteme) sind. Aus diesem Grund werden diese Formate nicht für den Austausch von Lernressourcen verwendet. Stattdessen werden Lernressourcen in das Shareable Content Object Reference Model (SCORM) Format konvertiert. SCORM ist der de facto Standard für Web-basierte Lernressourcen, der von nahezu allen Autorenwerkzeugen und Lernmanagementsystemen unterstützt wird. Ein Nachteil dieses Vorgehens ist, dass die ursprünglich modularen Komponenten einer Lernressource nach der Konvertierung nicht mehr als eigenständige Lernressourcen verfügbar sind. Diese Dissertation ermöglicht die modulare Wiederverwendung von Lernressourcen, die aufgrund von Konvertierungen nicht länger als individuelle Lernressourcen existieren. Zwei Definitionen bilden die Grundlage dieser Arbeit: Modularität in Bezug auf Lernressourcen und deren Formatspezifikationen, sowie multi-granulare Wiederverwendbarkeit von Lernressourcen. Die zugrundeliegende Definition von Modularität erfordert, dass Komponenten einer Lernressource gekapselt, nach außen sichtbar gemacht und als separate Module wiederverwendet werden können. Multi-granulare Wiederverwendbarket erweitert das Modularitätskriterium durch die Forderung, dass jeder relevante Bestandteil einer Lernressource in dieser Weise wiederverwendet werden kann. Das Ziel der multi-granularen Wiederverwendbarkeit wird durch die Aufstellung von sechs Kriterien operationalisiert. Die einzelnen Beiträge dieser Dissertation müssen sich an diesen Kriterien messen lassen. Diese Kriterien sind einerseits drei technische Anforderungen der multi-granularen Wiederverwendbarkeit – Verfügbarkeit, Auffindbarkeit und Interoperabilität - und andererseits drei modulare Operationen, die für die Wiederverwendung benötigt werden: Modularisierung, Aggregation und Anpassung. Die vorliegende Dissertation weist fünf Beiträge auf, die jeweils eines oder mehrere der genannten Kriterien unterstützen. Im Zusammenspiel tragen diese fünf Beiträge zum Ziel der multi-granularen Wiederverwendbarkeit von Lernressourcen bei. Der erste Beitrag besteht in einer Erweiterung der SCORM-Spezifikation, welche die modulare Wiederverwendung von Komponenten eines SCORM-Pakets, sowie die Modularisierung und Aggregation von Lernressourcen ermöglicht. Des Weiteren wurden mehrere Ansätze zur Modularisierung von Lernressourcen untersucht. Als Ergebnis wurde ein generisches Prozessmodell für die Modularisierung von Lernressourcen erstellt. Dieses Prozessmodell ist der zweite Beitrag dieser Arbeit. Der dritte Beitrag ist eine Erweiterung eines bestehenden, auf Aggregation basierenden Autorenprozesses. Solche Autorenprozesse umfassen bislang nur die reine Inhaltsproduktion. Als Erweiterung wurde dem ausgewählten Autorenprozess eine Designphase zur didaktischen Planung hinzugefügt. Darüber hinaus werden aus der Aggregation entstehende Kontextinformationen genutzt um die Beschaffung von integrierbaren Lernressourcen zu verbessern. Hat man auf diese Weise Lernressourcen aus verschiedenen Quellen aggregiert, so erscheint die entstandene Lernressource oftmals uneinheitlich. Es ist daher nötig, eine Anpassung der aggregierten Lernressourcen vorzunehmen um ein einheitliches Erscheinungsbild zu erreichen. Diese Arbeit definiert ein Framework für die Darstellung und Anpassung der Inhalte von Lernressourcen. Dieses Framework ermöglicht die Entwicklung von Anpassungswerkzeugen, die unabhängig von spezifischen Dokumentenformaten arbeiten. Eine Lernressource kann hierfür ganzheitlich betrachtet und bearbeitet werden, anstatt nur in Form einzelner, enthaltener Dokumente. Und schließlich bietet der fünfte Beitrag der vorliegenden Arbeit einen neuen Ansatz für die thematische Klassifikation von Lernressourcen. In Fällen, wo kein geeigneter Trainingskorpus für die Nutzung von Methoden des maschinellen Lernens verfügbar ist, wird die Internet-Enzyklopädie Wikipedia als Ersatzkorpus vorgeschlagen. Diese Dissertation zeigt eine konkrete Implementierung des vorgeschlagenen Ansatzes auf, sowie eine Kalibrierung von Parametern für die genutzte Methode. Eine Evaluierung des so erstellten Klassifizierers zeigt, dass der gewählte Ansatz unter den Bedingungen spärlicher Trainingsdaten signifikant bessere Ergebnisse erzielt als herkömmliche Ansätze. | Deutsch |