Stemler, Thomas Claudio (2006)
Experimentelle Untersuchungen zur rauschfreien stochastischen Resonanz am Beispiel einer Attraktor-Verschmelzkrise.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung
Kurzbeschreibung (Abstract)
Das Phänomen der stochastische Resonanz hat, nachdem es vor über zwanzig Jahren als geophysikalisches Modell eingeführt wurde, mittlerweile Einzug in die unterschiedlichsten Felder der Physik gehalten. Das große Interesse daran resultiert aus dem gegen die Anschauung verstoßenden Effekt, dass periodische Frequenzkomponenten eines schwachen Signals durch stochastische Kräfte verstärkt werden können. Rauschfreie stochastische Resonanz wird in Systemen gefunden, die eine intermittente Dynamik aufweisen. Die schnellen Freiheitsgrade wirken auf der langsamen Zeitskala der Intermittenz genau wie das Rauschen in konventionellen stochastischen Systemen. Durch Variation eines Kontrollparameters kann die Sprungrate zwischen den intermittenten Zuständen verändert werden. Insofern sind Variationen des Kontrollparameters äquivalent zur Veränderung der Rauschstärke in stochastischen Systemen. Wie in der konventionellen stochastischen Resonanz können diese intermittenten Sprünge auf eine schwache Modulation synchronisiert werden. Eine maximale Signalverstärkung kann erreicht werden, indem der Kontrollparameter entsprechend gewählt wird. In dieser Arbeit wurde das Phänomen der rauschfreien stochastischen Resonanz an einem autonomen elektrischen Schwingkreis untersucht, der kriseninduzierte Intermittenz zeigt. Die Intermittenz resultiert aus der Verschmelzung zweier symmetrischer Monoscroll-Attraktoren. Oberhalb eines kritischen Kontrollparameterwertes ist die Dynamik durch schnelle Oszillationen auf den Subattraktoren und langsames Springen zwischen diesen bestimmt. Es ist bekannt, dass in der Nähe des kritischen Kontrollparameters periodische und aperiodische Signale verstärkt werden können, indem die mittlere Sprungrate des Systems durch Kontrollparametervariation auf die Frequenz des Signals abgestimmt wird. Im untersuchten System treten jedoch mehrere Verstärkungsmaxima auf.Dieses spezielle Phänomen wird häufig als stochastische Multiresonanz bezeichnet. Spekulationen über den zu Grunde liegenden Mechanismus konnten jedoch bisher nicht experimentell überprüft werden. Die vorliegende Arbeit setzt an dieser Stelle an. Die experimentellen Daten werden dazu benutzt, die Äquivalenz und Kooperation von stochastischer und deterministischer chaotischer Dynamik bei stochastischer Resonanz zu analysieren. Dies erlaubt es, einen generellen Mechanismus zu formulieren, welcher der stochastischen Multiresonanz zu Grunde liegt. Die wesentlichen Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen: (i) Die Wirkung von stochastischer und chaotischer Dynamik auf das Phänomen der stochastischen Resonanz sind weitgehend äquivalent. Vorraussetzung hierfür ist eine ausreichende Zeitskalenseparation zwischen der Modulation und der chaotischen Dynamik. Insbesondere nahe der Krise zeigen die kriseninduzierten und rauschinduzierten Sprungraten des Systems das gleiche Skalierungsverhalten. (ii) Die Raten-Theorie der stochastischen Resonanz von McNamara und Wiesenfeld (1991) wurde erfolgreich erweitert und kann auf Systeme mit rauschfreier, aperiodischer stochastischer Multiresonanz angewendet werden. (iii) Stochastische Multiresonanz wurde unter den verschiedensten experimentellen Bedingungen - wie z. B. periodische und aperiodische Modulation, aber auch in einem Netzwerk von Schmitt-Triggern unter raumzeitlicher Modulation - gefunden. Das Auftreten von stochastischer Multiresonanz ist direkt mit der nichtmonotonen Abhängigkeit der Sprungrate vom Kontrollparameter in diesen Systemen verknüpft, die in der ursprünglichen rauschinduzierten Kramers-Rate nicht auftritt. (iv) Durch eine Methode, die durch die Kramers-Moyal-Entwicklung inspiriert wurde, konnte das mehrdimensionale deterministische System auf ein einfaches eindimensionales stochastisches Modell abgebildet werden, welches die gemessene Sprungdynamik quantitativ beschreibt.
Typ des Eintrags: |
Dissertation
|
Erschienen: |
2006 |
Autor(en): |
Stemler, Thomas Claudio |
Art des Eintrags: |
Erstveröffentlichung |
Titel: |
Experimentelle Untersuchungen zur rauschfreien stochastischen Resonanz am Beispiel einer Attraktor-Verschmelzkrise |
Sprache: |
Deutsch |
Referenten: |
Benner, Prof. Dr. Hartmut ; Drossel, Prof. Dr. Barbara |
Berater: |
Benner, Prof. Dr. Hartmut |
Publikationsjahr: |
24 Oktober 2006 |
Ort: |
Darmstadt |
Verlag: |
Technische Universität |
Datum der mündlichen Prüfung: |
26 Juni 2006 |
URL / URN: |
urn:nbn:de:tuda-tuprints-7391 |
Kurzbeschreibung (Abstract): |
Das Phänomen der stochastische Resonanz hat, nachdem es vor über zwanzig Jahren als geophysikalisches Modell eingeführt wurde, mittlerweile Einzug in die unterschiedlichsten Felder der Physik gehalten. Das große Interesse daran resultiert aus dem gegen die Anschauung verstoßenden Effekt, dass periodische Frequenzkomponenten eines schwachen Signals durch stochastische Kräfte verstärkt werden können. Rauschfreie stochastische Resonanz wird in Systemen gefunden, die eine intermittente Dynamik aufweisen. Die schnellen Freiheitsgrade wirken auf der langsamen Zeitskala der Intermittenz genau wie das Rauschen in konventionellen stochastischen Systemen. Durch Variation eines Kontrollparameters kann die Sprungrate zwischen den intermittenten Zuständen verändert werden. Insofern sind Variationen des Kontrollparameters äquivalent zur Veränderung der Rauschstärke in stochastischen Systemen. Wie in der konventionellen stochastischen Resonanz können diese intermittenten Sprünge auf eine schwache Modulation synchronisiert werden. Eine maximale Signalverstärkung kann erreicht werden, indem der Kontrollparameter entsprechend gewählt wird. In dieser Arbeit wurde das Phänomen der rauschfreien stochastischen Resonanz an einem autonomen elektrischen Schwingkreis untersucht, der kriseninduzierte Intermittenz zeigt. Die Intermittenz resultiert aus der Verschmelzung zweier symmetrischer Monoscroll-Attraktoren. Oberhalb eines kritischen Kontrollparameterwertes ist die Dynamik durch schnelle Oszillationen auf den Subattraktoren und langsames Springen zwischen diesen bestimmt. Es ist bekannt, dass in der Nähe des kritischen Kontrollparameters periodische und aperiodische Signale verstärkt werden können, indem die mittlere Sprungrate des Systems durch Kontrollparametervariation auf die Frequenz des Signals abgestimmt wird. Im untersuchten System treten jedoch mehrere Verstärkungsmaxima auf.Dieses spezielle Phänomen wird häufig als stochastische Multiresonanz bezeichnet. Spekulationen über den zu Grunde liegenden Mechanismus konnten jedoch bisher nicht experimentell überprüft werden. Die vorliegende Arbeit setzt an dieser Stelle an. Die experimentellen Daten werden dazu benutzt, die Äquivalenz und Kooperation von stochastischer und deterministischer chaotischer Dynamik bei stochastischer Resonanz zu analysieren. Dies erlaubt es, einen generellen Mechanismus zu formulieren, welcher der stochastischen Multiresonanz zu Grunde liegt. Die wesentlichen Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen: (i) Die Wirkung von stochastischer und chaotischer Dynamik auf das Phänomen der stochastischen Resonanz sind weitgehend äquivalent. Vorraussetzung hierfür ist eine ausreichende Zeitskalenseparation zwischen der Modulation und der chaotischen Dynamik. Insbesondere nahe der Krise zeigen die kriseninduzierten und rauschinduzierten Sprungraten des Systems das gleiche Skalierungsverhalten. (ii) Die Raten-Theorie der stochastischen Resonanz von McNamara und Wiesenfeld (1991) wurde erfolgreich erweitert und kann auf Systeme mit rauschfreier, aperiodischer stochastischer Multiresonanz angewendet werden. (iii) Stochastische Multiresonanz wurde unter den verschiedensten experimentellen Bedingungen - wie z. B. periodische und aperiodische Modulation, aber auch in einem Netzwerk von Schmitt-Triggern unter raumzeitlicher Modulation - gefunden. Das Auftreten von stochastischer Multiresonanz ist direkt mit der nichtmonotonen Abhängigkeit der Sprungrate vom Kontrollparameter in diesen Systemen verknüpft, die in der ursprünglichen rauschinduzierten Kramers-Rate nicht auftritt. (iv) Durch eine Methode, die durch die Kramers-Moyal-Entwicklung inspiriert wurde, konnte das mehrdimensionale deterministische System auf ein einfaches eindimensionales stochastisches Modell abgebildet werden, welches die gemessene Sprungdynamik quantitativ beschreibt. |
Alternatives oder übersetztes Abstract: |
Alternatives Abstract | Sprache |
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Stochastic resonance, introduced two decades ago as a model for geophysical dynamics, has recently found its way into such diverse fields as physics, meteorology, chemistry, and biology. The rising interest in this field stems from the counterintuitive effect that a periodic signal component can be amplified by a stochastic force. Noise-free stochastic resonance is frequently observed in systems showing intermittency. The fast degrees of freedom act on the slow intermittency time scale, like noise does in conventional stochastic systems. On variation of a control parameter the jump rate between the intermittent states can be changed. In this sense changes of the control parameter are equivalent to changes of the noise strength D in stochastic systems. Like in conventional stochastic resonance, the intermittent jumps of the dynamical system can be synchronised by a weak periodic modulation, so that maximum signal amplification is obtained by choosing the proper control parameter. Here the phenomenon of noise-free stochastic resonance is investigated in an autonomous electronic circuit, showing crisis induced intermittency. Intermittency results from the merging of two symmetric mono-scroll attractors. Above a critical control parameter value the dynamics is governed by fast oscillations on the sub-attractors and a slow jumping dynamics between them. It is shown that close to such a crisis small periodic and aperiodic signals can be enhanced by synchronising the mean intermittent jump rate with the modulation frequency, which could be achieved through variation of the control parameter. In the particular system several maxima of enhancement can be found, which means the occurance of stochastic multi-resonance. The experimental data is used to analyse the equivalence and cooperation of stochastic and deterministic chaotic dynamics in stochastic resonance related phenomena. A general mechanism leading to stochastic multi-resonance is explored. The main results can be summarised as follows: (i) The effect of stochastic and chaotic dynamics are largely equivalent provided that the characteristic time scales of input signal and chaotic forcing are well separated. In particular, close to the crisis noise-induced and noise-free jump rates show exactly the same scaling properties. (ii) The theoretical concept of conventional stochastic resonance developed by McNamara and Wiesenfeld (1991) was successfully extended to model such modifications as noise-free, aperiodic and multi-resonance. (iii) Stochastic multi-resonance was observed at various experimental conditions, i.e. for periodic as well as aperiodic signals at a merging crisis, but also for spatio-temporal stochastic resonance in an array of Schmitt triggers. The mechanism of multi-resonance can be directly related to the non-monotonous dependence of the jump rate on the control parameter, which does not occur for the noise-induced Kramers rate. (iv) Following the spirit of a Kramers-Moyal expansion the complex deterministic-chaotic system investigated could be successfully mapped to a simple one-dimensional stochastic model, which could almost quantitatively explain the experimental data. | Englisch |
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Fachbereich(e)/-gebiet(e): |
05 Fachbereich Physik |
Hinterlegungsdatum: |
17 Okt 2008 09:22 |
Letzte Änderung: |
26 Aug 2018 21:25 |
PPN: |
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Referenten: |
Benner, Prof. Dr. Hartmut ; Drossel, Prof. Dr. Barbara |
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: |
26 Juni 2006 |
Export: |
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