Lambracht, Petra (2002)
Materialwissenschaftliche Aspekte bei der Entwicklung bleifreier Lotlegierungen.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung
Kurzbeschreibung (Abstract)
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, einen Beitrag zur Entwicklung bleifreier Legierungen, die hochbleihaltige Lote in der Elektronik ersetzen, zu leisten. Durch Recherche in der Literatur, Abschätzungen von Schmelztemperaturen, Extrapolation von binären Phasendiagrammen und thermodynamische Rechnungen wurden mehr als 50 Legierungen auf Al-, Ag-, Mg-, Sn-, Zn- und Bi-Basis aufgrund ihrer Schmelzbereiche ausgewählt. Die vorhergesagten Schmelzbereiche wurden durch DSC-Messungen überprüft. 33 Legierungen wurden hinsichtlich ihres Verformungsverhaltens durch Stauchversuche untersucht. 10 Legierungen auf Zn- oder Bi-Basis, die eine ausreichenden Verformbarkeit zeigten, konnten zu dünnem Draht stranggepresst werden. Durch Benetzungstests auf verschiedenen Substratmaterialien wurden die Benetzungseigenschaften der verbliebenen Legierungen überprüft. Oxidation verhinderte die Benetzung der Substrate durch Zn-Legierungen. Die verbleibenden Lotverbindungen aus Bi-Legierungen wurden thermischer Ermüdungsbelastung ausgesetzt und auf Ermüdungsrisse untersucht. Dadurch konnte die eutektische Legierung Bi97,4-Ag2,6 als potentielle bleifreie Lotlegierung identifiziert werden. Durch Steigerung des Silbergehalts bis zu 12 Gew.% und Zugabe weiterer Legierungselemente in geringen Mengen wurden die Eigenschaften entsprechend dem komplexen Anforderungsprofil für den Einsatz als Lotlegierung in der Elektronik optimiert. Neben dem technologischen Beitrag zur Entwicklung bleifreier Lotlegierungen wurden im Rahmen dieser Arbeit auch wissenschaftliche Beiträge in zwei verschiedenen Gebieten geleistet: Zum einen wurde eine verzögerte Versprödung des Drahtes aus Zn93-Al6-Ga1 beobachtet. In Untersuchungen mittels Rasterelektronenmikroskopie und Photoelektronenspektroskopie wurden Veränderungen in der Morphologie und eine starke Anreicherung von Gallium in der Bruchfläche festgestellt. Thermodynamische Rechnungen zeigten, dass bei hohen Temperaturen die Löslichkeit des Zn-Mischkristalls für Gallium hoch ist. Nach dem Strangpressen des Drahtes bei hohen Temperaturen führt das folgende Abkühlen zur Abnahme der Löslichkeit. Es entsteht eine Übersättigung des Zn-Mischkristalls, die durch Diffusion der Galliumatome in die Korngrenze abgebaut wird. Das Gallium schwächt die Bindungskräfte in der Korngrenze und führt so zur Versprödung der Legierung. Die Kinetik dieses Mechanismus konnte mit vereinfachter Geometrie quantitativ beschrieben werden. Der berechnete Zeitrahmen zum Abbau der Übersättigung stimmt mit der beobachteten Versprödung überein. Des weiteren sind im Erstarrungsgefüge der Bi-Ag-Legierungen Instabilitäten sichtbar, die in der Literatur zwar beobachtet, bezüglich ihrer Ursache aber nicht untersucht wurden. Binäre Bi-Ag-Legierungen mit verschiedenen Zusammensetzungen wurden in Erstarrungsexperimenten mit unterschiedlichen Abkühlraten erstarrt. Die Bildung der Instabilitäten in den Grenzflächen der primär erstarrenden silberreichen Phase wurde im Licht- und Rasterelektronenmikroskop untersucht und die Abmessungen der zellulären Strukturen quantifiziert. Die Ursache für die Bildung der Instabilitäten in Bi-Ag-Legierungen konnte geklärt werden: Die rückläufige Soliduslinie in diesem Legierungssystem führt zu einer Übersättigung der bereits erstarrten Silberphase während der Erstarrung. Diese Übersättigung wird durch lokale Umschmelzprozesse abgebaut. Die Zugabe ternärer Legierungselemente, welche die rückläufige Soliduslinie unterdrücken, verhindert die Bildung der Instabilitäten. Der gefundene Zusammenhang zwischen den Instabilitäten der Grenzflächen in der Erstarrungsmorphologie und der rückläufigen Soliduslinie in diesem System wurde in dieser Arbeit zum ersten Mal aufgezeigt.
Typ des Eintrags: |
Dissertation
|
Erschienen: |
2002 |
Autor(en): |
Lambracht, Petra |
Art des Eintrags: |
Erstveröffentlichung |
Titel: |
Materialwissenschaftliche Aspekte bei der Entwicklung bleifreier Lotlegierungen |
Sprache: |
Deutsch |
Referenten: |
Rödel, Prof. Dr. J. |
Berater: |
Exner, Prof. Dr. H.-E. |
Publikationsjahr: |
16 Dezember 2002 |
Ort: |
Darmstadt |
Verlag: |
Technische Universität |
Datum der mündlichen Prüfung: |
3 Dezember 2002 |
URL / URN: |
urn:nbn:de:tuda-tuprints-2823 |
Kurzbeschreibung (Abstract): |
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, einen Beitrag zur Entwicklung bleifreier Legierungen, die hochbleihaltige Lote in der Elektronik ersetzen, zu leisten. Durch Recherche in der Literatur, Abschätzungen von Schmelztemperaturen, Extrapolation von binären Phasendiagrammen und thermodynamische Rechnungen wurden mehr als 50 Legierungen auf Al-, Ag-, Mg-, Sn-, Zn- und Bi-Basis aufgrund ihrer Schmelzbereiche ausgewählt. Die vorhergesagten Schmelzbereiche wurden durch DSC-Messungen überprüft. 33 Legierungen wurden hinsichtlich ihres Verformungsverhaltens durch Stauchversuche untersucht. 10 Legierungen auf Zn- oder Bi-Basis, die eine ausreichenden Verformbarkeit zeigten, konnten zu dünnem Draht stranggepresst werden. Durch Benetzungstests auf verschiedenen Substratmaterialien wurden die Benetzungseigenschaften der verbliebenen Legierungen überprüft. Oxidation verhinderte die Benetzung der Substrate durch Zn-Legierungen. Die verbleibenden Lotverbindungen aus Bi-Legierungen wurden thermischer Ermüdungsbelastung ausgesetzt und auf Ermüdungsrisse untersucht. Dadurch konnte die eutektische Legierung Bi97,4-Ag2,6 als potentielle bleifreie Lotlegierung identifiziert werden. Durch Steigerung des Silbergehalts bis zu 12 Gew.% und Zugabe weiterer Legierungselemente in geringen Mengen wurden die Eigenschaften entsprechend dem komplexen Anforderungsprofil für den Einsatz als Lotlegierung in der Elektronik optimiert. Neben dem technologischen Beitrag zur Entwicklung bleifreier Lotlegierungen wurden im Rahmen dieser Arbeit auch wissenschaftliche Beiträge in zwei verschiedenen Gebieten geleistet: Zum einen wurde eine verzögerte Versprödung des Drahtes aus Zn93-Al6-Ga1 beobachtet. In Untersuchungen mittels Rasterelektronenmikroskopie und Photoelektronenspektroskopie wurden Veränderungen in der Morphologie und eine starke Anreicherung von Gallium in der Bruchfläche festgestellt. Thermodynamische Rechnungen zeigten, dass bei hohen Temperaturen die Löslichkeit des Zn-Mischkristalls für Gallium hoch ist. Nach dem Strangpressen des Drahtes bei hohen Temperaturen führt das folgende Abkühlen zur Abnahme der Löslichkeit. Es entsteht eine Übersättigung des Zn-Mischkristalls, die durch Diffusion der Galliumatome in die Korngrenze abgebaut wird. Das Gallium schwächt die Bindungskräfte in der Korngrenze und führt so zur Versprödung der Legierung. Die Kinetik dieses Mechanismus konnte mit vereinfachter Geometrie quantitativ beschrieben werden. Der berechnete Zeitrahmen zum Abbau der Übersättigung stimmt mit der beobachteten Versprödung überein. Des weiteren sind im Erstarrungsgefüge der Bi-Ag-Legierungen Instabilitäten sichtbar, die in der Literatur zwar beobachtet, bezüglich ihrer Ursache aber nicht untersucht wurden. Binäre Bi-Ag-Legierungen mit verschiedenen Zusammensetzungen wurden in Erstarrungsexperimenten mit unterschiedlichen Abkühlraten erstarrt. Die Bildung der Instabilitäten in den Grenzflächen der primär erstarrenden silberreichen Phase wurde im Licht- und Rasterelektronenmikroskop untersucht und die Abmessungen der zellulären Strukturen quantifiziert. Die Ursache für die Bildung der Instabilitäten in Bi-Ag-Legierungen konnte geklärt werden: Die rückläufige Soliduslinie in diesem Legierungssystem führt zu einer Übersättigung der bereits erstarrten Silberphase während der Erstarrung. Diese Übersättigung wird durch lokale Umschmelzprozesse abgebaut. Die Zugabe ternärer Legierungselemente, welche die rückläufige Soliduslinie unterdrücken, verhindert die Bildung der Instabilitäten. Der gefundene Zusammenhang zwischen den Instabilitäten der Grenzflächen in der Erstarrungsmorphologie und der rückläufigen Soliduslinie in diesem System wurde in dieser Arbeit zum ersten Mal aufgezeigt. |
Alternatives oder übersetztes Abstract: |
Alternatives Abstract | Sprache |
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Principal aim of the present work was a contribution to the development of lead free alloys that may replace high-lead containing solders in electronic applications. Extensive literature search, approximation of melting temperatures, extrapolation of known binary phase diagrams and thermodynamic calculations lead to a selection of more than 50 Al-, Ag-, Mg-, Sn-, Zn- and Bi-based alloys that are potentially applicable as solder material due to their melting range. The predicted melting ranges were veryfied by DSC measurements. 33 alloys were tested with respect to deformation behavior by compression tests. 10 alloys on the basis of zinc or bismuth that showed a sufficient ductility were extruded to thin solder wire. The wetting properties of the remaining alloys were characterised by wetting tests on different substrate materials. Oxidation prevented the wetting of the Zn-based alloys, while the Bi-based alloys showed sufficient wetting. Solder joints of different Bi-alloys were exposed to thermal fatigue load and examined in the ultrasonic microscope for fatigue cracks. The eutectic alloy Bi97,4-Ag2,6 could be identified as potential lead free solder alloy. By increasing the Ag-content up to 12 wt.% and alloying small quantities of further elements the properties were optimized according to the complex requirements for solder alloys in electronic applications. Beside the technological contribution to the development of lead free alloys as alternative to lead-rich solders, in this work also a scientific contribution was attempted in two different areas: first in wires of Zn93-Al6-Ga1 a retarded embrittlement was observed. Investigations by scanning electron microscopy and photoelectron spectroscopy showed changes in the morphology and a strong enrichment of gallium in the fracture surface. Thermodynamic calculations showed that at high temperatures the solubility of the alloy for gallium is high. After extruding the wire at high temperatures the following cooling decreases the solubility and leads to a supersaturation of gallium in the Zn-phase. The supersaturation is then reduced by diffusion of gallium atoms into the grain boundary. The gallium weakens the binding forces in the grain boundary and leads to the embrittlement of the alloy. The kinetics of this mechanism was described quantitatively assuming a simplified geometry. The calculated time frame of the reduction of supersaturation agrees with the observed embrittlement. Furthermore, interesting observations were made in the Ag-Bi-system. The solidification microstructure of the Bi-Ag alloys shows instabilities that were already observed but not explained in the literature. Binary Bi-Ag alloys with different compositions were solidified in experiments with different cooling rates. The formation of the instabilities was studied in the optical and scanning electron microscopes and the dimensions of the cellular structures were quantified. The mechanism for the formation of the instabilities in Bi-Ag-alloys could be clarified: the retrograde solidus line in this alloy system leads to a supersaturation of the silver phase during solidification. The supersaturation is reduced by local remelting. The addition of ternary alloying elements that suppress the retrograde solidusline prevents the formation of the instabilities. The relation between the instabilities at the interface in the solidification morphology and the retrograde solidusline in this system and also in other alloy systems was pointed out in this work for the first time. | Englisch |
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Freie Schlagworte: |
Legierungsentwicklung, Umschmelzen |
Schlagworte: |
Einzelne Schlagworte | Sprache |
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alloy development, remelting | Englisch |
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Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): |
500 Naturwissenschaften und Mathematik > 500 Naturwissenschaften |
Fachbereich(e)/-gebiet(e): |
11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften 11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften > Materialwissenschaft 11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften > Materialwissenschaft > Fachgebiet Physikalische Metallkunde |
Hinterlegungsdatum: |
17 Okt 2008 09:21 |
Letzte Änderung: |
25 Jul 2018 08:29 |
PPN: |
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Referenten: |
Rödel, Prof. Dr. J. |
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: |
3 Dezember 2002 |
Schlagworte: |
Einzelne Schlagworte | Sprache |
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alloy development, remelting | Englisch |
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Export: |
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