Schweipert, Markus (2024)
Humane Histondeacetylase 4: Strukturelle Untersuchung des Enzyms und mechanistische Charakterisierung von Inhibitoren.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00028879
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion
Kurzbeschreibung (Abstract)
Posttranslationale Modifikationen sind ein wichtiger Mechanismus innerhalb der Zelle, um die Proteinfunktion sowie -lokalisation zu steuern. Eine dieser posttranslationalen Modifikationen ist die Acetylierung von Histonen, was die Transkription und dadurch die Translationen von Proteinen beeinflusst. Die Enzyme, welche die Deacetylierung von N-terminalen Histon-Lysinen katalysieren, werden Histondeacetylasen (HDACs) genannt. Durch die Deacetylierung liegen die nun primären Aminogruppen der Lysine im physiologischen pH der Zell protoniert vor, was eine Verstärkung der ionischen Wechselwirkung mit dem negativ geladenen Phosphatrückrat der DNA zur Folge hat. Das Ergebnis ist eine Repression der Transkription, bedingt durch die Kondensierung des Chromatins. HDACs stehen mit den Histonacetyltransferasen (HATs) im Gleichgewicht. Diese katalysieren die Übertragung eines Acetylrests auf die N-terminalen Lysinreste von Histonproteinen, wodurch diese ihre Ladung verlieren, das Chromatin weniger kondensiert ist und eine leichtere Transkription von beispielsweise Tumorsuppressorgenen ermöglicht wird. Es sind 18 humane HDACs bekannt, die aufgrund ihrer Struktur und Funktion in vier Klassen unterteilt werden. HDAC4, mit dem im Rahmen dieser Promotion hautsächlich gearbeitet wurde, gehört der Klasse IIa an. Dass immer mehr nicht-Histon Substrate für die unterschiedlichen HDAC-Isoenzyme identifiziert werden, unterstreicht ihre Bedeutung bezüglich posttranslationaler Modifikationen innerhalb der Zelle, auch abseits der Epigenetik. Gleichzeitig ist dies der Grund, weshalb diese Enzyme in der Literatur, auf Basis des Einbuchstabencodes für Aminosäuren, gelegentlich KDACs genannt werden. Die Deregulierung von HDACs steht mit unterschiedlichen Krebsarten sowie neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung. HDAC4 wird mit Blasen- und Brustkrebs, Leukämie sowie nephrologischen und neurodegenerativen Erkrankungen wie beispielsweise Chorea Huntington assoziiert. Zusätzlich wird vermutet, dass dieses Enzym im Zusammenhang mit der Komorbidität von Diabetes mellitus und Herzversagen steht. Dies macht HDAC4 als pharmakologisches Ziel zu einem wichtigen Gegenstand der aktuellen Forschung. Das hochkonservierte Aktivzentrum der HDAC-Isoenzyme stellt die größte Herausforderung bei der Entwicklung neuer HDAC-Inhibitoren (HDACi) dar. Wirkstoffe, die neben dem gewünschten Isoenzym auch andere HDAC-Isoenzyme inhibieren, können aufgrund der komplexen HDAC-Regulationsmechanismen schwer abschätzbare Nebenwirkungen auslösen. Selektive HDACi sind rar und selbst zugelassene Therapeutika wie z. B. Vorinostat® sind pan- Inhibitoren, die mehrere Isoenzyme hemmen. Zugleich haben drei der fünf sich auf dem Markt befindlichen HDACi eine Hydroxamsäurefunktion als komplexierende Gruppe für das im Aktivzentrum befindliche Zinkion. Hydroxamsäuren sind jedoch unselektiv und stehen zusätzlich im Verdacht, potentiell mutagen zu wirken. Aufgrund dessen sind Forschende stetig auf der Suche nach neuartigen nicht-Hydroxamat HDACi. Um das Problem der fehlenden Selektivität zu adressieren, ist es notwendig, die molekulare Struktur sowie Konformationsänderungen von HDACs unter physiologischen Bedingungen zu verstehen. Die Aktivzentren der HDAC-Isoenzyme weisen hohe Homologien auf, außerhalb des Aktivzentrums sind jedoch Unterschiede vorhanden. Somit ist die Kopfgruppe eines Liganden ein geeigneter Ausgangspunkt, um die Isoenzymselektivität zu erhöhen. Neue zinkkomplexierende Gruppen bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die Mutagenität der herkömmlichen HDACi zu verringern und zusätzlich deren Selektivität zu erhöhen. Die Ergebnisse zur Struktur und Ligandenbindung von HDAC4 sowie die Charakterisierung von Bindungsmechanismen von nicht-Hydroxamat Inhibitoren sind im kumulativen Teil dieser Dissertation aufgeführt und näher erläutert. Dieser Teil ist in drei Unterkapitel gegliedert und setzt sich aus 15 in begutachteten Fachzeitschriften publizierten wissenschaftlichen Artikeln sowie einem Buchkapitel zusammen. Zusätzlich befindet sich ein weiterer Artikel aktuell im Begutachtungsprozess. Das erste Unterkapitel beinhaltet drei Publikationen sowie ein in Begutachtung befindliches Manuskript und befasst sich mit der Struktur und Ligandenbindung von HDAC4. Es wurden Thiazolidindione (TZDs) als potente nicht-Hydroxamat HDAC4-Inhibitoren mechanistisch charakterisiert. Hierbei konnte eine Abgängigkeit des Bindemechanismus von der Kopfgruppe gezeigt werden. Mittels einer Mutationsstudie konnten spezifische Aminosäuren identifiziert werden, welche essenziell für die Bindung der Liganden sind. Darüber hinaus zeigten einzelne Substanzen Tumorregression in Xenograft-Mausmodellen. Neben den TZDs wurden auch Peptide auf Basis von in vivo Interaktionspartnern von HDAC4 als nicht-Hydroxamat HDAC4- Inhibitoren charakterisiert, wobei die Affinitäten im nanomolaren Bereich lagen. Auf Basis von Bindungssimulationen konnten ebenfalls diejenigen Aminosäuren identifiziert werden, welche für die Affinität der Peptide verantwortlich waren. Interessanterweise zeigte sich, dass die literaturbekannte HDAC4-Variante H976Y Unterschiede in der Bindung der Peptide zeigte, obwohl diese Aminosäure tief im Aktivzentrum von HDAC4 liegt und nicht an der Oberfläche, mit der die Peptide interagieren. Dies legte nahe, dass diese Variante größere strukturelle Unterschiede in Lösung aufweisen muss, als die sehr ähnlichen publizierten Kristallstrukturen vermuten lassen. In der darauffolgenden Arbeit wurde eine Mutationsstudie mit allen kanonischen Aminosäuren an Position 976 durchgeführt und die Varianten biophysikalisch sowie biochemisch charakterisiert. Es zeigten sich drastische Differenzen zwischen den Varianten. Des Weiteren konnte aufgezeigt werden, dass sich das im Wildtyp befindliche H976 sowohl in einer in- als auch in einer out-Konformation im Aktivzentrum befinden kann, was publizierte Kristallstrukturen nicht vermuten lassen. Zusätzlich konnte eine HDAC4-Variante identifiziert werden, welche vergleichbare Eigenschaften zum Wildtyp zeigte, jedoch die Selektivitätstasche von Klasse IIa HDACs konstitutiv geöffnet hat, was diese Variante geeignet für die Suche nach Wirkstoffen macht, welche diese Tasche adressieren. Parallel zu diesen Arbeiten fanden Untersuchungen zu den beiden literaturbekannten Konformationen von HDAC4 statt: open und closed. Bis auf zwei Kristallstrukturen liegen alle publizierten HDAC4- Kristallstrukturen in der closed-Konformation vor, welche sich drastisch von der open- Konformation unterscheidet. Letztere Konformation wurde mit einem Liganden kokristallisiert, welcher dadurch als möglicher Ausgangspunkt für die Entwicklung konformationsselektiver HDAC Klasse IIa-Inhibitoren angesehen werden könnte. Computersimulationen zeigten jedoch, dass dieser Ligand auch problemlos an die closed-Konformation von HDAC4 binden kann. Diese Vermutung bestätigten experimentelle Daten der Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie mit gekoppelter Massenspektrometrie, welche keinen Unterschied zwischen gebundener und ligandenfreier HDAC4 zeigte. Messungen der Kernspinresonanz (NMR) bestätigten, dass dies in Lösung ebenso der Fall ist. HDAC4 liegt unter physiologischen Bedingungen somit ligandengebunden sowie ligandenfrei in der closed-Konformation vor, was den open-Inhibitor als Ausgangpunkt für konformationselektive Inhibitoren ungeeignet macht. Das zweite Unterkapitel des kumulativen Teils besteht aus sechs Publikationen und beschäftigt sich mit der Entwicklung von neuen TZD-Derivaten als Inhibitoren für HDAC4 bzw. HDAC8. In den ersten beiden Publikationen wurden Substanzen aus zwei Serien vorgestellt. In der ersten Serie wurden Substanzen identifiziert, welche HDAC4 inhibierten, wobei einzelne Substanzen hohe Isoenzymselektivität sowie biologische Aktivität in Krebszelllinien zeigten. In nicht kanzerogenen Zelllinien konnte nur eine geringe Toxizität beobachtet werden. Die zweite Serie enthielt Substanzen mit inhibitorischer Wirkung gegenüber HDAC8, sie zeigten jedoch nur eine schwache Isoenzymselektivität. Bezüglich biologischer Aktivität zeigten beide Serien einen vergleichbaren Charakter. Mit den besten Vertretern beider Serien wurden zudem Computersimulationen durchgeführt und mögliche Bindungsposen analysiert. In den nächsten drei Publikationen werden verschiedene Serien auf Basis von TZD-Derivaten vorgestellt, welche duale Inhibitoren darstellen und neben HDACs auch, je nach Serie, Glucosetransporter 1, vascular endothelial growth factor receptor oder Peroxisom Proliferator aktivierende Rezeptoren inhibieren bzw. aktivieren. Die vielversprechendsten Substanzen wurden auf ihre jeweilige Isoenzymselektivität, ihre biologische Aktivität in diversen Krebszelllinien sowie auf ihre Toxizität in nicht kanzerogenen Zelllinien getestet. Zudem zeigten sie Tumorregression in Xenograft-Mausmodellen. Für die Substanzen wurden ebenfalls mittels Computersimulationen mögliche Bindungsposen vorgeschlagen. Das abschließende Unterkapitel des kumulativen Teils beinhaltet sieben Publikationen, von denen sich sechs mit der Entwicklung und Charakterisierung von HDACi befassen. Die erste Publikation beschreibt die Synthese sowie die biochemische Charakterisierung von kovalent reversiblen HDAC4-Inhibitoren auf Basis von Cyanoacrylaten. Es wurde ein Assay entwickelt und angewandt, mit dem die Reversibilität von Cyanoacrylaten auf HDAC4 bestimmt werden kann. In der zweiten Publikation wurde eine effiziente Syntheseroute vorgestellt, mit der unterschiedlich substituierte Pyrimidine mit Hydroxamsäurefunktionen über variierende Methyllinker gekoppelt werden konnten. Die inhibitorische Wirkung der dadurch erhaltenen Substanzen wurde auf HDAC4 und HDAC8 bestimmt. Die beiden folgenden Publikationen befassen sich mit HDAC8-Inhibitoren und deren Charakterisierung. In Ersterer werden Thiadiazole als neue Substanzklasse vorgestellt, welche spezifischer sowie schneller freie Thiole kovalent modifiziert als beispielsweise die Referenzsubstanz N-Ethylmaleinimid. Das macht sie geeignet für Anwendungen in der Redoxbiologie. In der zweiten Publikation wird ein Assay vorgestellt, welches in der Lage ist, schnell reversible von langsam bindenden Inhibitoren zu unterscheiden. Dieses Assay ist zudem in Hochdurchsatzverfahren in den anfänglichen Phasen der Wirkstofffindung einsetzbar, was es für die frühe Unterscheidung von Bindungsmodi prädestiniert. Die beiden folgenden Publikationen handeln von der Entwicklung von HDAC6- Inhibitoren auf Basis von Tetrahydroisochinolin bzw. Benzopyrimidin. Es wurden die in vitro Aktivitäten auf HDAC4, HDAC6 und HDAC8 von beiden Derivat-Serien bestimmt sowie mittels Computersimulation mögliche Bindungsposen vorgeschlagen. Beide Serien enthielten Substanzen, welche hohe Isoenzymselektivität sowie hohe biologische Aktivität in Krebszelllinien zeigten. In der abschließenden Publikation dieses Unterkapitels wurden zwei Serien von Inhibitoren für den vascular endothelial growth factor receptor 2 synthetisiert. Die erste Serie basierte auf TZDs, die zweite Serie leitete sich von Pyrazolen ab. Die Substanzen zeigten starke in vivo Effekte mit zellulären IC50-Werten im nanomolaren Bereich. Zusätzlich konnten mittels Computersimulationen Vorschläge für die möglichen Bindungsposen der aktivsten Substanzen gemacht werden. Zusätzlich zu den veröffentlichten Publikationen wurden Teile dieser Arbeit bei zwei internationalen Konferenzen in Form von Posterbeitragen präsentiert. Zusammenfassend leisten die Ergebnisse der hier vorliegenden Dissertation einen großen Beitrag zum Erkenntnisgewinn bezüglich der Ligandenbindung und der zur Wirkstofffindung wichtigen Konformation von HDAC4 unter physiologischen Bedingungen. Darüber hinaus wurden diverse Substanzen identifiziert, welche nicht nur neuartige nicht-Hydroxamat Inhibitoren für HDACs sowie andere krebsassoziierte Proteine darstellen, sondern gleichzeitig auch hohe Isoenzymselektivität sowie vielversprechende in vivo Aktivitäten aufwiesen. Diese Substanzen stellen somit Grundlagen für die Entwicklung neuer Generationen von HDACi dar, welche einen Lösungsansatz für die Problematik der fehlenden Isoenzymselektivität sowie Mutagenität von Hydroxamaten liefern.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2024 | ||||
Autor(en): | Schweipert, Markus | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Humane Histondeacetylase 4: Strukturelle Untersuchung des Enzyms und mechanistische Charakterisierung von Inhibitoren | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Hausch, Prof. Dr. Felix ; Meyer-Almes, Prof. Dr. Franz-Josef | ||||
Publikationsjahr: | 17 Dezember 2024 | ||||
Ort: | Darmstadt | ||||
Kollation: | 363 Seiten | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 14 Oktober 2024 | ||||
DOI: | 10.26083/tuprints-00028879 | ||||
URL / URN: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/28879 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Posttranslationale Modifikationen sind ein wichtiger Mechanismus innerhalb der Zelle, um die Proteinfunktion sowie -lokalisation zu steuern. Eine dieser posttranslationalen Modifikationen ist die Acetylierung von Histonen, was die Transkription und dadurch die Translationen von Proteinen beeinflusst. Die Enzyme, welche die Deacetylierung von N-terminalen Histon-Lysinen katalysieren, werden Histondeacetylasen (HDACs) genannt. Durch die Deacetylierung liegen die nun primären Aminogruppen der Lysine im physiologischen pH der Zell protoniert vor, was eine Verstärkung der ionischen Wechselwirkung mit dem negativ geladenen Phosphatrückrat der DNA zur Folge hat. Das Ergebnis ist eine Repression der Transkription, bedingt durch die Kondensierung des Chromatins. HDACs stehen mit den Histonacetyltransferasen (HATs) im Gleichgewicht. Diese katalysieren die Übertragung eines Acetylrests auf die N-terminalen Lysinreste von Histonproteinen, wodurch diese ihre Ladung verlieren, das Chromatin weniger kondensiert ist und eine leichtere Transkription von beispielsweise Tumorsuppressorgenen ermöglicht wird. Es sind 18 humane HDACs bekannt, die aufgrund ihrer Struktur und Funktion in vier Klassen unterteilt werden. HDAC4, mit dem im Rahmen dieser Promotion hautsächlich gearbeitet wurde, gehört der Klasse IIa an. Dass immer mehr nicht-Histon Substrate für die unterschiedlichen HDAC-Isoenzyme identifiziert werden, unterstreicht ihre Bedeutung bezüglich posttranslationaler Modifikationen innerhalb der Zelle, auch abseits der Epigenetik. Gleichzeitig ist dies der Grund, weshalb diese Enzyme in der Literatur, auf Basis des Einbuchstabencodes für Aminosäuren, gelegentlich KDACs genannt werden. Die Deregulierung von HDACs steht mit unterschiedlichen Krebsarten sowie neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung. HDAC4 wird mit Blasen- und Brustkrebs, Leukämie sowie nephrologischen und neurodegenerativen Erkrankungen wie beispielsweise Chorea Huntington assoziiert. Zusätzlich wird vermutet, dass dieses Enzym im Zusammenhang mit der Komorbidität von Diabetes mellitus und Herzversagen steht. Dies macht HDAC4 als pharmakologisches Ziel zu einem wichtigen Gegenstand der aktuellen Forschung. Das hochkonservierte Aktivzentrum der HDAC-Isoenzyme stellt die größte Herausforderung bei der Entwicklung neuer HDAC-Inhibitoren (HDACi) dar. Wirkstoffe, die neben dem gewünschten Isoenzym auch andere HDAC-Isoenzyme inhibieren, können aufgrund der komplexen HDAC-Regulationsmechanismen schwer abschätzbare Nebenwirkungen auslösen. Selektive HDACi sind rar und selbst zugelassene Therapeutika wie z. B. Vorinostat® sind pan- Inhibitoren, die mehrere Isoenzyme hemmen. Zugleich haben drei der fünf sich auf dem Markt befindlichen HDACi eine Hydroxamsäurefunktion als komplexierende Gruppe für das im Aktivzentrum befindliche Zinkion. Hydroxamsäuren sind jedoch unselektiv und stehen zusätzlich im Verdacht, potentiell mutagen zu wirken. Aufgrund dessen sind Forschende stetig auf der Suche nach neuartigen nicht-Hydroxamat HDACi. Um das Problem der fehlenden Selektivität zu adressieren, ist es notwendig, die molekulare Struktur sowie Konformationsänderungen von HDACs unter physiologischen Bedingungen zu verstehen. Die Aktivzentren der HDAC-Isoenzyme weisen hohe Homologien auf, außerhalb des Aktivzentrums sind jedoch Unterschiede vorhanden. Somit ist die Kopfgruppe eines Liganden ein geeigneter Ausgangspunkt, um die Isoenzymselektivität zu erhöhen. Neue zinkkomplexierende Gruppen bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die Mutagenität der herkömmlichen HDACi zu verringern und zusätzlich deren Selektivität zu erhöhen. Die Ergebnisse zur Struktur und Ligandenbindung von HDAC4 sowie die Charakterisierung von Bindungsmechanismen von nicht-Hydroxamat Inhibitoren sind im kumulativen Teil dieser Dissertation aufgeführt und näher erläutert. Dieser Teil ist in drei Unterkapitel gegliedert und setzt sich aus 15 in begutachteten Fachzeitschriften publizierten wissenschaftlichen Artikeln sowie einem Buchkapitel zusammen. Zusätzlich befindet sich ein weiterer Artikel aktuell im Begutachtungsprozess. Das erste Unterkapitel beinhaltet drei Publikationen sowie ein in Begutachtung befindliches Manuskript und befasst sich mit der Struktur und Ligandenbindung von HDAC4. Es wurden Thiazolidindione (TZDs) als potente nicht-Hydroxamat HDAC4-Inhibitoren mechanistisch charakterisiert. Hierbei konnte eine Abgängigkeit des Bindemechanismus von der Kopfgruppe gezeigt werden. Mittels einer Mutationsstudie konnten spezifische Aminosäuren identifiziert werden, welche essenziell für die Bindung der Liganden sind. Darüber hinaus zeigten einzelne Substanzen Tumorregression in Xenograft-Mausmodellen. Neben den TZDs wurden auch Peptide auf Basis von in vivo Interaktionspartnern von HDAC4 als nicht-Hydroxamat HDAC4- Inhibitoren charakterisiert, wobei die Affinitäten im nanomolaren Bereich lagen. Auf Basis von Bindungssimulationen konnten ebenfalls diejenigen Aminosäuren identifiziert werden, welche für die Affinität der Peptide verantwortlich waren. Interessanterweise zeigte sich, dass die literaturbekannte HDAC4-Variante H976Y Unterschiede in der Bindung der Peptide zeigte, obwohl diese Aminosäure tief im Aktivzentrum von HDAC4 liegt und nicht an der Oberfläche, mit der die Peptide interagieren. Dies legte nahe, dass diese Variante größere strukturelle Unterschiede in Lösung aufweisen muss, als die sehr ähnlichen publizierten Kristallstrukturen vermuten lassen. In der darauffolgenden Arbeit wurde eine Mutationsstudie mit allen kanonischen Aminosäuren an Position 976 durchgeführt und die Varianten biophysikalisch sowie biochemisch charakterisiert. Es zeigten sich drastische Differenzen zwischen den Varianten. Des Weiteren konnte aufgezeigt werden, dass sich das im Wildtyp befindliche H976 sowohl in einer in- als auch in einer out-Konformation im Aktivzentrum befinden kann, was publizierte Kristallstrukturen nicht vermuten lassen. Zusätzlich konnte eine HDAC4-Variante identifiziert werden, welche vergleichbare Eigenschaften zum Wildtyp zeigte, jedoch die Selektivitätstasche von Klasse IIa HDACs konstitutiv geöffnet hat, was diese Variante geeignet für die Suche nach Wirkstoffen macht, welche diese Tasche adressieren. Parallel zu diesen Arbeiten fanden Untersuchungen zu den beiden literaturbekannten Konformationen von HDAC4 statt: open und closed. Bis auf zwei Kristallstrukturen liegen alle publizierten HDAC4- Kristallstrukturen in der closed-Konformation vor, welche sich drastisch von der open- Konformation unterscheidet. Letztere Konformation wurde mit einem Liganden kokristallisiert, welcher dadurch als möglicher Ausgangspunkt für die Entwicklung konformationsselektiver HDAC Klasse IIa-Inhibitoren angesehen werden könnte. Computersimulationen zeigten jedoch, dass dieser Ligand auch problemlos an die closed-Konformation von HDAC4 binden kann. Diese Vermutung bestätigten experimentelle Daten der Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie mit gekoppelter Massenspektrometrie, welche keinen Unterschied zwischen gebundener und ligandenfreier HDAC4 zeigte. Messungen der Kernspinresonanz (NMR) bestätigten, dass dies in Lösung ebenso der Fall ist. HDAC4 liegt unter physiologischen Bedingungen somit ligandengebunden sowie ligandenfrei in der closed-Konformation vor, was den open-Inhibitor als Ausgangpunkt für konformationselektive Inhibitoren ungeeignet macht. Das zweite Unterkapitel des kumulativen Teils besteht aus sechs Publikationen und beschäftigt sich mit der Entwicklung von neuen TZD-Derivaten als Inhibitoren für HDAC4 bzw. HDAC8. In den ersten beiden Publikationen wurden Substanzen aus zwei Serien vorgestellt. In der ersten Serie wurden Substanzen identifiziert, welche HDAC4 inhibierten, wobei einzelne Substanzen hohe Isoenzymselektivität sowie biologische Aktivität in Krebszelllinien zeigten. In nicht kanzerogenen Zelllinien konnte nur eine geringe Toxizität beobachtet werden. Die zweite Serie enthielt Substanzen mit inhibitorischer Wirkung gegenüber HDAC8, sie zeigten jedoch nur eine schwache Isoenzymselektivität. Bezüglich biologischer Aktivität zeigten beide Serien einen vergleichbaren Charakter. Mit den besten Vertretern beider Serien wurden zudem Computersimulationen durchgeführt und mögliche Bindungsposen analysiert. In den nächsten drei Publikationen werden verschiedene Serien auf Basis von TZD-Derivaten vorgestellt, welche duale Inhibitoren darstellen und neben HDACs auch, je nach Serie, Glucosetransporter 1, vascular endothelial growth factor receptor oder Peroxisom Proliferator aktivierende Rezeptoren inhibieren bzw. aktivieren. Die vielversprechendsten Substanzen wurden auf ihre jeweilige Isoenzymselektivität, ihre biologische Aktivität in diversen Krebszelllinien sowie auf ihre Toxizität in nicht kanzerogenen Zelllinien getestet. Zudem zeigten sie Tumorregression in Xenograft-Mausmodellen. Für die Substanzen wurden ebenfalls mittels Computersimulationen mögliche Bindungsposen vorgeschlagen. Das abschließende Unterkapitel des kumulativen Teils beinhaltet sieben Publikationen, von denen sich sechs mit der Entwicklung und Charakterisierung von HDACi befassen. Die erste Publikation beschreibt die Synthese sowie die biochemische Charakterisierung von kovalent reversiblen HDAC4-Inhibitoren auf Basis von Cyanoacrylaten. Es wurde ein Assay entwickelt und angewandt, mit dem die Reversibilität von Cyanoacrylaten auf HDAC4 bestimmt werden kann. In der zweiten Publikation wurde eine effiziente Syntheseroute vorgestellt, mit der unterschiedlich substituierte Pyrimidine mit Hydroxamsäurefunktionen über variierende Methyllinker gekoppelt werden konnten. Die inhibitorische Wirkung der dadurch erhaltenen Substanzen wurde auf HDAC4 und HDAC8 bestimmt. Die beiden folgenden Publikationen befassen sich mit HDAC8-Inhibitoren und deren Charakterisierung. In Ersterer werden Thiadiazole als neue Substanzklasse vorgestellt, welche spezifischer sowie schneller freie Thiole kovalent modifiziert als beispielsweise die Referenzsubstanz N-Ethylmaleinimid. Das macht sie geeignet für Anwendungen in der Redoxbiologie. In der zweiten Publikation wird ein Assay vorgestellt, welches in der Lage ist, schnell reversible von langsam bindenden Inhibitoren zu unterscheiden. Dieses Assay ist zudem in Hochdurchsatzverfahren in den anfänglichen Phasen der Wirkstofffindung einsetzbar, was es für die frühe Unterscheidung von Bindungsmodi prädestiniert. Die beiden folgenden Publikationen handeln von der Entwicklung von HDAC6- Inhibitoren auf Basis von Tetrahydroisochinolin bzw. Benzopyrimidin. Es wurden die in vitro Aktivitäten auf HDAC4, HDAC6 und HDAC8 von beiden Derivat-Serien bestimmt sowie mittels Computersimulation mögliche Bindungsposen vorgeschlagen. Beide Serien enthielten Substanzen, welche hohe Isoenzymselektivität sowie hohe biologische Aktivität in Krebszelllinien zeigten. In der abschließenden Publikation dieses Unterkapitels wurden zwei Serien von Inhibitoren für den vascular endothelial growth factor receptor 2 synthetisiert. Die erste Serie basierte auf TZDs, die zweite Serie leitete sich von Pyrazolen ab. Die Substanzen zeigten starke in vivo Effekte mit zellulären IC50-Werten im nanomolaren Bereich. Zusätzlich konnten mittels Computersimulationen Vorschläge für die möglichen Bindungsposen der aktivsten Substanzen gemacht werden. Zusätzlich zu den veröffentlichten Publikationen wurden Teile dieser Arbeit bei zwei internationalen Konferenzen in Form von Posterbeitragen präsentiert. Zusammenfassend leisten die Ergebnisse der hier vorliegenden Dissertation einen großen Beitrag zum Erkenntnisgewinn bezüglich der Ligandenbindung und der zur Wirkstofffindung wichtigen Konformation von HDAC4 unter physiologischen Bedingungen. Darüber hinaus wurden diverse Substanzen identifiziert, welche nicht nur neuartige nicht-Hydroxamat Inhibitoren für HDACs sowie andere krebsassoziierte Proteine darstellen, sondern gleichzeitig auch hohe Isoenzymselektivität sowie vielversprechende in vivo Aktivitäten aufwiesen. Diese Substanzen stellen somit Grundlagen für die Entwicklung neuer Generationen von HDACi dar, welche einen Lösungsansatz für die Problematik der fehlenden Isoenzymselektivität sowie Mutagenität von Hydroxamaten liefern. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Status: | Verlagsversion | ||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-288795 | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 540 Chemie | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 07 Fachbereich Chemie 07 Fachbereich Chemie > Clemens-Schöpf-Institut > Fachgebiet Biochemie 07 Fachbereich Chemie > Clemens-Schöpf-Institut |
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Hinterlegungsdatum: | 17 Dez 2024 10:23 | ||||
Letzte Änderung: | 19 Dez 2024 08:40 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Hausch, Prof. Dr. Felix ; Meyer-Almes, Prof. Dr. Franz-Josef | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 14 Oktober 2024 | ||||
Export: | |||||
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