Froehlich, Susanne
Hrsg.: Bönisch-Meyer, Sophia ; Free, Alexander ; Mossong, Isabelle (2025)
Fiktionale Topographien des römischen Stadtrands.
In: Bilder urbaner Lebenswelten in der griechisch-römischen Antike, 2024
doi: 10.26083/tuprints-00028890
Buchkapitel, Zweitveröffentlichung, Verlagsversion
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Kurzbeschreibung (Abstract)
Der Stadtrand als liminale Stadtlandschaft ist in der kaiserzeitlichen Literatur ein übel beleumundeter Ort. Hier liegen verrufene Spelunken und Bordelle, Räuber und Henker gehen ihrem finstren Handwerk nach, und in der nahen Nekropole ist gar mit Untoten, Werwölfen oder Hexen zu rechnen.
Dieser Beitrag befaßt sich mit literarischen Bildern des römischen Stadtrands. Dabei ist ‚Stadtrand‘ in der Lebenswirklichkeit römischer Städte kein fest definierter, abgrenzbarer Ort. Ich bezeichne damit die Gegend um den Stadteingang herum, das heißt sowohl die vor als auch hinter dem Stadteingang liegenden Straßen, Plätze und Gebäude. Ein solcher Eingang kann in der Realität beispielsweise durch ein Mauertor, ein Bogenmonument oder eine Zollschranke markiert sein, aber etwa auch weniger präzise eine Übergangszone darstellen, in der die städtische Bebauung aufhört und eine Nekropole beginnt; unter Umständen ist er gar nicht eindeutig bestimmbar. Bei am Meer oder an einem Fluß gelegenen Städten kann auch ein Hafen den Eingang zur Stadt bilden.
Es wird im folgenden jedoch nicht darum gehen, die Darstellungen in der lateinischen Literatur mit archäologisch-historischen Befunden abzugleichen. Mich interessiert an dieser Stelle nicht die reale, sondern die fiktionale Topographie dieser Stadtlandschaft. Die mit diesem Ansatz zusammenhängenden methodischen Probleme werden im ersten Teil des Beitrags diskutiert.
Die im zweiten Teil untersuchten Autoren reichen von der Späten Republik bis in die Kaiserzeit, um mögliche Kontinuitäten, aber auch Brüche aufzeigen zu können. Ausgewählt wurden Stellen, in denen der Stadtrand sehr deutlich als ein solcher markiert wird: Entweder ist explizit vom Betreten beziehungsweise Verlassen einer Stadt die Rede, oder es wird ein Stadttor in Szene gesetzt, das Innen und Außen voneinander abgrenzt. Die komplexe Wirklichkeit römischen Städtebaus wird in diesen literarischen Entwürfen gleichsam schlagwortartig verkürzt: Das Stadttor dient als jedem Rezipienten verständlicher marker für den Stadteingang.
Die fiktionale Literatur eröffnet dem zeitgenössischen Rezipienten ein weites Feld an Vorstellungen, Assoziationen und Emotionen in Verbindung mit dem Stadtrand. Es wird zu sehen sein, daß ein und dasselbe Stadttor ganz unterschiedlich konnotiert werden kann, und das sogar beim selben Autor. So stellt schon Plautus im Epidicus das Hafentor von Athen als einen Ort der Begegnung und der Kommunikation dar, an dem Personen aus verschiedenen Milieus aufeinandertreffen. Eben dieses Tor an der Hafenstraße inszeniert Plautus im Pseudolus ganz anders. Hier sind nun lauter obskure Figuren wie Zuhälter, Wirtinnen, Prostituierte und Freier anzutreffen, und es erscheint schwer vorstellbar, daß sich ein anständiger Mensch in die Stadtrandgegend verirren könnte.
Zwei Szenarien der kaiserzeitlichen Autoren Petron und Apuleius wiederum nehmen vor allem auf die angrenzenden Nekropolen bezug, wo Werwölfe (Petron. 62,2–9) und Untote (Apul. met. 4,18,1–3) ihr Unwesen treiben. Der Stadtrand ist hier ein Übergangsbereich zwischen Zivilisation und Wildnis, in dem Grauen und Verbrechen regieren. Freilich wird auch zu konstatieren sein, wie insbesondere Apuleius diese Assoziationen ins Groteske und Komische kippen läßt.
Ein abschließender dritter Abschnitt soll eine historische Kontextualisierung der Ergebnisse leisten. Unter der Prämisse, daß es zwischen fiktionaler und realer Topographie Berührungspunkte gibt, wird in diesem Zusammenhang danach zu fragen sein, inwiefern historische, gesellschaftliche und urbanistische Entwicklungen in das Bild des Stadtrands einfließen. Dabei wird anhand von Horazens Satire 1,8 gezeigt, daß die dargestellte Welt sehr wohl mit der empirischen Lebenswelt verbunden ist, ohne deshalb ihr genaues Abbild sein zu wollen.
Typ des Eintrags: | Buchkapitel |
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Erschienen: | 2025 |
Herausgeber: | Bönisch-Meyer, Sophia ; Free, Alexander ; Mossong, Isabelle |
Autor(en): | Froehlich, Susanne |
Art des Eintrags: | Zweitveröffentlichung |
Titel: | Fiktionale Topographien des römischen Stadtrands |
Sprache: | Deutsch |
Publikationsjahr: | 12 September 2025 |
Ort: | Darmstadt |
Publikationsdatum der Erstveröffentlichung: | 11 September 2024 |
Ort der Erstveröffentlichung: | Wiesbaden |
Verlag: | Harrassowitz Verlag |
Buchtitel: | Bilder urbaner Lebenswelten in der griechisch-römischen Antike |
Reihe: | Philippika - Altertumswissenschaftliche Abhandlungen / Contributions to the Study of Ancient World Cultures |
Band einer Reihe: | 146 |
DOI: | 10.26083/tuprints-00028890 |
URL / URN: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/28890 |
Zugehörige Links: | |
Herkunft: | Zweitveröffentlichungsservice |
Kurzbeschreibung (Abstract): | Der Stadtrand als liminale Stadtlandschaft ist in der kaiserzeitlichen Literatur ein übel beleumundeter Ort. Hier liegen verrufene Spelunken und Bordelle, Räuber und Henker gehen ihrem finstren Handwerk nach, und in der nahen Nekropole ist gar mit Untoten, Werwölfen oder Hexen zu rechnen. Dieser Beitrag befaßt sich mit literarischen Bildern des römischen Stadtrands. Dabei ist ‚Stadtrand‘ in der Lebenswirklichkeit römischer Städte kein fest definierter, abgrenzbarer Ort. Ich bezeichne damit die Gegend um den Stadteingang herum, das heißt sowohl die vor als auch hinter dem Stadteingang liegenden Straßen, Plätze und Gebäude. Ein solcher Eingang kann in der Realität beispielsweise durch ein Mauertor, ein Bogenmonument oder eine Zollschranke markiert sein, aber etwa auch weniger präzise eine Übergangszone darstellen, in der die städtische Bebauung aufhört und eine Nekropole beginnt; unter Umständen ist er gar nicht eindeutig bestimmbar. Bei am Meer oder an einem Fluß gelegenen Städten kann auch ein Hafen den Eingang zur Stadt bilden. Es wird im folgenden jedoch nicht darum gehen, die Darstellungen in der lateinischen Literatur mit archäologisch-historischen Befunden abzugleichen. Mich interessiert an dieser Stelle nicht die reale, sondern die fiktionale Topographie dieser Stadtlandschaft. Die mit diesem Ansatz zusammenhängenden methodischen Probleme werden im ersten Teil des Beitrags diskutiert. Die im zweiten Teil untersuchten Autoren reichen von der Späten Republik bis in die Kaiserzeit, um mögliche Kontinuitäten, aber auch Brüche aufzeigen zu können. Ausgewählt wurden Stellen, in denen der Stadtrand sehr deutlich als ein solcher markiert wird: Entweder ist explizit vom Betreten beziehungsweise Verlassen einer Stadt die Rede, oder es wird ein Stadttor in Szene gesetzt, das Innen und Außen voneinander abgrenzt. Die komplexe Wirklichkeit römischen Städtebaus wird in diesen literarischen Entwürfen gleichsam schlagwortartig verkürzt: Das Stadttor dient als jedem Rezipienten verständlicher marker für den Stadteingang. Die fiktionale Literatur eröffnet dem zeitgenössischen Rezipienten ein weites Feld an Vorstellungen, Assoziationen und Emotionen in Verbindung mit dem Stadtrand. Es wird zu sehen sein, daß ein und dasselbe Stadttor ganz unterschiedlich konnotiert werden kann, und das sogar beim selben Autor. So stellt schon Plautus im Epidicus das Hafentor von Athen als einen Ort der Begegnung und der Kommunikation dar, an dem Personen aus verschiedenen Milieus aufeinandertreffen. Eben dieses Tor an der Hafenstraße inszeniert Plautus im Pseudolus ganz anders. Hier sind nun lauter obskure Figuren wie Zuhälter, Wirtinnen, Prostituierte und Freier anzutreffen, und es erscheint schwer vorstellbar, daß sich ein anständiger Mensch in die Stadtrandgegend verirren könnte. Zwei Szenarien der kaiserzeitlichen Autoren Petron und Apuleius wiederum nehmen vor allem auf die angrenzenden Nekropolen bezug, wo Werwölfe (Petron. 62,2–9) und Untote (Apul. met. 4,18,1–3) ihr Unwesen treiben. Der Stadtrand ist hier ein Übergangsbereich zwischen Zivilisation und Wildnis, in dem Grauen und Verbrechen regieren. Freilich wird auch zu konstatieren sein, wie insbesondere Apuleius diese Assoziationen ins Groteske und Komische kippen läßt. Ein abschließender dritter Abschnitt soll eine historische Kontextualisierung der Ergebnisse leisten. Unter der Prämisse, daß es zwischen fiktionaler und realer Topographie Berührungspunkte gibt, wird in diesem Zusammenhang danach zu fragen sein, inwiefern historische, gesellschaftliche und urbanistische Entwicklungen in das Bild des Stadtrands einfließen. Dabei wird anhand von Horazens Satire 1,8 gezeigt, daß die dargestellte Welt sehr wohl mit der empirischen Lebenswelt verbunden ist, ohne deshalb ihr genaues Abbild sein zu wollen. |
Status: | Verlagsversion |
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-288904 |
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 900 Geschichte und Geografie > 930 Alte Geschichte, Archäologie |
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften 02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften > Institut für Geschichte 02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften > Institut für Geschichte > Alte Geschichte |
Hinterlegungsdatum: | 16 Dez 2024 14:09 |
Letzte Änderung: | 21 Dez 2024 18:46 |
PPN: | |
Export: | |
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Verfügbare Versionen dieses Eintrags
- Fiktionale Topographien des römischen Stadtrands. (deposited 16 Dez 2024 14:09) [Gegenwärtig angezeigt]
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