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Alkemeyer, Thomas/Buschmann, Nikolaus/Etzemüller, Thomas (Hrsg.): Gegenwartsdiagnosen. Kulturelle Formen gesellschaftlicher Selbstproblematisierung in der Moderne, 628 S., transcript, Bielefeld 2019.

Dipper, Christof (2020)
Alkemeyer, Thomas/Buschmann, Nikolaus/Etzemüller, Thomas (Hrsg.): Gegenwartsdiagnosen. Kulturelle Formen gesellschaftlicher Selbstproblematisierung in der Moderne, 628 S., transcript, Bielefeld 2019.
In: Neue Politische Literatur, 65 (3)
doi: 10.1007/s42520-020-00299-y
Artikel, Bibliographie

Dies ist die neueste Version dieses Eintrags.

Kurzbeschreibung (Abstract)

Einen Sammelband zu besprechen, muss nicht, kann aber eine Herausforderung sein. Dieser ist eine. Das Präsidium der Universität Oldenburg darf zufrieden sein, dass 11 Angehörige von drei Fakultäten sich das offizielle Ziel der Universität, „Antworten zu finden auf die großen Fragen der Gesellschaft im 21. Jahrhundert“, zu eigen gemacht und zusammen mit weiteren 20 Wissenschaftlern einen Band zum Thema „Gegenwartsdiagnosen“ von mehr als 600 Seiten vorgelegt haben. Lobende Anerkennung im Jahresbericht für diese Leistung ist das Mindeste. Ob er der Wissenschaft dient, ist eine ganz andere Frage, denn die hier praktizierte Interdisziplinarität hat ihren Preis: Es gibt wohl kaum jemanden, der auf allen hier eröffneten Feldern hinreichend bewandert ist, um sich ein Urteil zuzutrauen. Schon binnendisziplinär, nämlich in der Leitdisziplin Soziologie, ist höchst umstritten, ob Gegenwartsdiagnosen nun seriös sind oder nicht. Kann dafür der Blick in andere Disziplinen helfen? Die Geschichtswissenschaft, in der sich der Rezensent am besten auskennt, jedenfalls nicht. Deren hier versammelte Beispiele sind interessant (Achim Landwehr zu Merians „Theatrum Europaeum“, Nicolai Hannig zu Flussbegradigungen, Dieter Langewiesche zu Rektoratsreden und Gunilla Budde zu Untergangsvisionen der Familie), verstehen sich aber nicht als Helfer im ‚Streit der Fakultäten‘. Historiker verfassen keine Zeitdiagnosen, auch wenn das von den Herausgebern behauptet wird, sondern behandeln sie als Quellen für gesellschaftliche Selbstbeobachtung, deren Zahl in der Moderne zunimmt. Dass diese „die Realität nicht einfach abbilden“ (S. 14), braucht man ihnen nicht zu sagen. Philosophen und Soziologen, so mehrfach im Band zu lesen, glauben das wohl auch nicht, sondern vertrauen zumeist ihren Sozial- beziehungsweise Gesellschaftstheorien. Wieso kommt es dann zu diesen Diagnosen und woher kommt ihre Wirkmacht?

Typ des Eintrags: Artikel
Erschienen: 2020
Autor(en): Dipper, Christof
Art des Eintrags: Bibliographie
Titel: Alkemeyer, Thomas/Buschmann, Nikolaus/Etzemüller, Thomas (Hrsg.): Gegenwartsdiagnosen. Kulturelle Formen gesellschaftlicher Selbstproblematisierung in der Moderne, 628 S., transcript, Bielefeld 2019.
Sprache: Deutsch
Publikationsjahr: 2020
Ort: Wiesbaden
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Titel der Zeitschrift, Zeitung oder Schriftenreihe: Neue Politische Literatur
Jahrgang/Volume einer Zeitschrift: 65
(Heft-)Nummer: 3
DOI: 10.1007/s42520-020-00299-y
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Kurzbeschreibung (Abstract):

Einen Sammelband zu besprechen, muss nicht, kann aber eine Herausforderung sein. Dieser ist eine. Das Präsidium der Universität Oldenburg darf zufrieden sein, dass 11 Angehörige von drei Fakultäten sich das offizielle Ziel der Universität, „Antworten zu finden auf die großen Fragen der Gesellschaft im 21. Jahrhundert“, zu eigen gemacht und zusammen mit weiteren 20 Wissenschaftlern einen Band zum Thema „Gegenwartsdiagnosen“ von mehr als 600 Seiten vorgelegt haben. Lobende Anerkennung im Jahresbericht für diese Leistung ist das Mindeste. Ob er der Wissenschaft dient, ist eine ganz andere Frage, denn die hier praktizierte Interdisziplinarität hat ihren Preis: Es gibt wohl kaum jemanden, der auf allen hier eröffneten Feldern hinreichend bewandert ist, um sich ein Urteil zuzutrauen. Schon binnendisziplinär, nämlich in der Leitdisziplin Soziologie, ist höchst umstritten, ob Gegenwartsdiagnosen nun seriös sind oder nicht. Kann dafür der Blick in andere Disziplinen helfen? Die Geschichtswissenschaft, in der sich der Rezensent am besten auskennt, jedenfalls nicht. Deren hier versammelte Beispiele sind interessant (Achim Landwehr zu Merians „Theatrum Europaeum“, Nicolai Hannig zu Flussbegradigungen, Dieter Langewiesche zu Rektoratsreden und Gunilla Budde zu Untergangsvisionen der Familie), verstehen sich aber nicht als Helfer im ‚Streit der Fakultäten‘. Historiker verfassen keine Zeitdiagnosen, auch wenn das von den Herausgebern behauptet wird, sondern behandeln sie als Quellen für gesellschaftliche Selbstbeobachtung, deren Zahl in der Moderne zunimmt. Dass diese „die Realität nicht einfach abbilden“ (S. 14), braucht man ihnen nicht zu sagen. Philosophen und Soziologen, so mehrfach im Band zu lesen, glauben das wohl auch nicht, sondern vertrauen zumeist ihren Sozial- beziehungsweise Gesellschaftstheorien. Wieso kommt es dann zu diesen Diagnosen und woher kommt ihre Wirkmacht?

Freie Schlagworte: History, general, Political Science, Modern History, Democracy, History of Germany and Central Europe, German Politics
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 300 Sozialwissenschaften > 360 Soziale Probleme, Sozialdienste, Versicherungen
900 Geschichte und Geografie > 900 Geschichte
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften
02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften > Institut für Geschichte
02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften > Institut für Geschichte > Neuere und Neueste Geschichte
Hinterlegungsdatum: 02 Aug 2024 13:16
Letzte Änderung: 02 Aug 2024 13:16
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