Steinrücken, Elisa (2024)
Dynamik von Wasser in nanoporösen Festkörpern und nanostrukturierten Flüssigkeitsmischungen.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00027515
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion
Kurzbeschreibung (Abstract)
Trotz seiner einfachen chemischen Struktur weist Wasser eine Vielzahl an Anomalien auf, deren Ursprung bis heute noch nicht vollständig verstanden ist. Zur Erklärung der Anomalien wurde vorgeschlagen, dass Wasser einen zweiten kritischen Punkt besitzt, der im stark unterkühlten Temperaturbereich liegt und die Phasengrenzlinie eines Phasenübergangs zweier flüssiger Wasserphasen unterschiedlicher Dichte terminiert. Experimentell unterbindet allerdings Kristallisation die Untersuchung von unterkühltem Wasser im Bereich zwischen 150 K und 230 K, dem sogenannten no-man's land, in welchem der postulierte zweite kritische Punkt verortet wurde. Um diesen Bereich zugänglich zu machen, kann Wasser in stark eingeschränkten Geometrien, sogenannten Confinements, oder in Mischungen betrachtet werden, in welchen die Kristallisation teilweise oder vollständig unterdrückt werden kann. Derartige Systeme sind jedoch auch aufgrund ihrer enormen Bedeutung in Natur und Technologie von großem Interesse. Um mögliche Einflüsse von verschiedenen Confinements zu untersuchen, wird in dieser Arbeit Wasser zum einen in verschiedenen Silikaconfinements und zum anderen in Mischungen mit ionischen Flüssigkeiten studiert. Für die umfassende Charakterisierung der langreichweitigen Translations- und lokalen Rotationsdynamik in einem großen dynamischen Bereich kommen verschiedene Kernspinresonanz-Methoden sowie dielektrische Spektroskopie zum Einsatz. Dabei können durch die Isotopensensitivität der Kernspinresonanz einzelne Komponenten getrennt voneinander untersucht werden. In den Untersuchungen werden insbesondere die Größe von hartem Confinement sowie die Beschaffenheit seiner inneren Oberfläche systematisch variiert und es werden Ergebnisse für harte und weiche Confinements gegenübergestellt. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich vor allem auf eine Analyse der temperaturabhängigen Dynamik von Wasser, die als Sonde für strukturelle Veränderungen in Folge eines Flüssig-Flüssig-Phasenübergangs angesehen wird.
In den kleinsten untersuchten Silikaporen mit einem Durchmesser von 2,1 nm wird die Kristallisation von Wasser vollständig unterdrückt. So kann die Dynamik der Flüssigkeit von Raumtemperatur bis zum Glasübergang ermittelt werden. Ein breiter Übergangsbereich trennt die Nicht-Arrhenius-Temperaturabhängigkeit der Korrelationszeiten bei T>215 K von einer Arrhenius-Temperaturabhängigkeit bei T<160 K. Der kontinuierliche Übergang in der Temperaturabhängigkeit wird begleitet von einem graduellen Wechsel von einer asymmetrischen Hochtemperaturform der dynamischen Suszeptibilität zu einer symmetrischen Tieftemperaturform. Im Tieftemperaturbereich zeigt sich eine Aktivierungsenergie von 0,5 eV und die Reorientierung des Wassers erfolgt in quasi-isotropen Großwinkelsprüngen. Diese Ergebnisse können durch einen Übergang von einer bulkartigen Dynamik zu einer grenzflächenbeeinflussten, nicht-kooperativen Relaxation erklärt werden. Somit bestehen Zweifel, dass die Ergebnisse eindeutige Hinweise auf die Eigenschaften von Wasser im Bulk liefern. In größeren Silikaporen mit Durchmessern von 2,8 nm bzw. 5,4 nm kommt es, wie in vielen biologisch, geologisch und technologisch relevanten Fällen, zu einer partiellen Kristallisation, die zur Koexistenz einer flüssigen Wasserschicht an der Porenwand und einer Eisphase in der Porenmitte führt. Die Dynamik der flüssigen Randschicht wird dabei stark durch die Wechselwirkung mit der statischen Energielandschaft der Silika- und Eisgrenzflächen verändert, was sich insbesondere in einer ausgeprägten dynamischen Heterogenität zeigt. Die Dynamik des internen Eises ähnelt dem Verhalten, das für Eis in verschiedenen anderen Confinements und Mischungen gefunden wurde. Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass sich in all diesen Fällen eine Eisphase mit ähnlicher Struktur und Dynamik bildet, wobei in der Literatur Kristalle mit hexagonal-kubischer Stapelfehlordnung diskutiert werden. Um die Abhängigkeit der Wasserdynamik von der Oberflächenbeschaffenheit der Silikaconfinements zu untersuchen, werden mit basischem Lysin, neutralem Alanin oder saurer Glutaminsäure funktionalisierte Silikaporen studiert. Während der qualitative Verlauf der Korrelationszeiten des Wassers dem in nativem Silikaconfinement ähnelt, kommt es zu erheblichen Unterschieden in den Absolutwerten der Korrelationszeiten durch die Aminosäurenmodifikationen, die bis zu zwei Größenordnungen an Verlangsamung umfassen. Dabei ist die Reorientierungsdynamik der Wasserrandschicht am stärksten verlangsamt für die Lysin-Funktionalisierung, gefolgt von Alanin und Glutaminsäure. Diese Beobachtung impliziert für biologische und biomimetische Systeme, dass die Mobilität von Wasser entlang von Proteinoberflächen stark variiert.
Um unterkühltes Wasser zudem in einem weichen Confinement zu untersuchen, wird Wasser in Mischungen mit ionischen Flüssigkeiten betrachtet, bei denen sich in Abhängigkeit der Konzentration nanoskalige Wassercluster ausbilden. Bereits reine ionische Flüssigkeiten weisen bei geeigneter Zusammensetzung polare und unpolare Domänen auf, für welche anhand von gezielter Variation des Ausmaßes dieser strukturellen Heterogenitäten gezeigt wird, dass sie zu einer Entkopplung von Rotations- und Translationsdynamik der Kationen führen. Dagegen tritt im Fall der Wassercluster in den Mischungen unter Variation der Wasserkonzentration keine dynamische Signatur dieser strukturellen Heterogenitäten auf. Anders als in den harten Confinements wird für die unterkühlte Wasserdynamik in den ionischen Flüssigkeiten im untersuchten Temperaturbereich bis zu 200 K kein dynamischer Übergang in der Temperaturabhängigkeit beobachtet. Dies ist vermutlich der Kopplung der Wasserdynamik an die mobile Matrix geschuldet, was den starken Einfluss der Härte des Confinements zeigt.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2024 | ||||
Autor(en): | Steinrücken, Elisa | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Dynamik von Wasser in nanoporösen Festkörpern und nanostrukturierten Flüssigkeitsmischungen | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Vogel, Prof. Dr. Michael ; Buntkowsky, Prof. Dr. Gerd | ||||
Publikationsjahr: | 14 Juni 2024 | ||||
Ort: | Darmstadt | ||||
Kollation: | ix, 216 Seiten | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 5 Juni 2024 | ||||
DOI: | 10.26083/tuprints-00027515 | ||||
URL / URN: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/27515 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Trotz seiner einfachen chemischen Struktur weist Wasser eine Vielzahl an Anomalien auf, deren Ursprung bis heute noch nicht vollständig verstanden ist. Zur Erklärung der Anomalien wurde vorgeschlagen, dass Wasser einen zweiten kritischen Punkt besitzt, der im stark unterkühlten Temperaturbereich liegt und die Phasengrenzlinie eines Phasenübergangs zweier flüssiger Wasserphasen unterschiedlicher Dichte terminiert. Experimentell unterbindet allerdings Kristallisation die Untersuchung von unterkühltem Wasser im Bereich zwischen 150 K und 230 K, dem sogenannten no-man's land, in welchem der postulierte zweite kritische Punkt verortet wurde. Um diesen Bereich zugänglich zu machen, kann Wasser in stark eingeschränkten Geometrien, sogenannten Confinements, oder in Mischungen betrachtet werden, in welchen die Kristallisation teilweise oder vollständig unterdrückt werden kann. Derartige Systeme sind jedoch auch aufgrund ihrer enormen Bedeutung in Natur und Technologie von großem Interesse. Um mögliche Einflüsse von verschiedenen Confinements zu untersuchen, wird in dieser Arbeit Wasser zum einen in verschiedenen Silikaconfinements und zum anderen in Mischungen mit ionischen Flüssigkeiten studiert. Für die umfassende Charakterisierung der langreichweitigen Translations- und lokalen Rotationsdynamik in einem großen dynamischen Bereich kommen verschiedene Kernspinresonanz-Methoden sowie dielektrische Spektroskopie zum Einsatz. Dabei können durch die Isotopensensitivität der Kernspinresonanz einzelne Komponenten getrennt voneinander untersucht werden. In den Untersuchungen werden insbesondere die Größe von hartem Confinement sowie die Beschaffenheit seiner inneren Oberfläche systematisch variiert und es werden Ergebnisse für harte und weiche Confinements gegenübergestellt. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich vor allem auf eine Analyse der temperaturabhängigen Dynamik von Wasser, die als Sonde für strukturelle Veränderungen in Folge eines Flüssig-Flüssig-Phasenübergangs angesehen wird. In den kleinsten untersuchten Silikaporen mit einem Durchmesser von 2,1 nm wird die Kristallisation von Wasser vollständig unterdrückt. So kann die Dynamik der Flüssigkeit von Raumtemperatur bis zum Glasübergang ermittelt werden. Ein breiter Übergangsbereich trennt die Nicht-Arrhenius-Temperaturabhängigkeit der Korrelationszeiten bei T>215 K von einer Arrhenius-Temperaturabhängigkeit bei T<160 K. Der kontinuierliche Übergang in der Temperaturabhängigkeit wird begleitet von einem graduellen Wechsel von einer asymmetrischen Hochtemperaturform der dynamischen Suszeptibilität zu einer symmetrischen Tieftemperaturform. Im Tieftemperaturbereich zeigt sich eine Aktivierungsenergie von 0,5 eV und die Reorientierung des Wassers erfolgt in quasi-isotropen Großwinkelsprüngen. Diese Ergebnisse können durch einen Übergang von einer bulkartigen Dynamik zu einer grenzflächenbeeinflussten, nicht-kooperativen Relaxation erklärt werden. Somit bestehen Zweifel, dass die Ergebnisse eindeutige Hinweise auf die Eigenschaften von Wasser im Bulk liefern. In größeren Silikaporen mit Durchmessern von 2,8 nm bzw. 5,4 nm kommt es, wie in vielen biologisch, geologisch und technologisch relevanten Fällen, zu einer partiellen Kristallisation, die zur Koexistenz einer flüssigen Wasserschicht an der Porenwand und einer Eisphase in der Porenmitte führt. Die Dynamik der flüssigen Randschicht wird dabei stark durch die Wechselwirkung mit der statischen Energielandschaft der Silika- und Eisgrenzflächen verändert, was sich insbesondere in einer ausgeprägten dynamischen Heterogenität zeigt. Die Dynamik des internen Eises ähnelt dem Verhalten, das für Eis in verschiedenen anderen Confinements und Mischungen gefunden wurde. Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass sich in all diesen Fällen eine Eisphase mit ähnlicher Struktur und Dynamik bildet, wobei in der Literatur Kristalle mit hexagonal-kubischer Stapelfehlordnung diskutiert werden. Um die Abhängigkeit der Wasserdynamik von der Oberflächenbeschaffenheit der Silikaconfinements zu untersuchen, werden mit basischem Lysin, neutralem Alanin oder saurer Glutaminsäure funktionalisierte Silikaporen studiert. Während der qualitative Verlauf der Korrelationszeiten des Wassers dem in nativem Silikaconfinement ähnelt, kommt es zu erheblichen Unterschieden in den Absolutwerten der Korrelationszeiten durch die Aminosäurenmodifikationen, die bis zu zwei Größenordnungen an Verlangsamung umfassen. Dabei ist die Reorientierungsdynamik der Wasserrandschicht am stärksten verlangsamt für die Lysin-Funktionalisierung, gefolgt von Alanin und Glutaminsäure. Diese Beobachtung impliziert für biologische und biomimetische Systeme, dass die Mobilität von Wasser entlang von Proteinoberflächen stark variiert. Um unterkühltes Wasser zudem in einem weichen Confinement zu untersuchen, wird Wasser in Mischungen mit ionischen Flüssigkeiten betrachtet, bei denen sich in Abhängigkeit der Konzentration nanoskalige Wassercluster ausbilden. Bereits reine ionische Flüssigkeiten weisen bei geeigneter Zusammensetzung polare und unpolare Domänen auf, für welche anhand von gezielter Variation des Ausmaßes dieser strukturellen Heterogenitäten gezeigt wird, dass sie zu einer Entkopplung von Rotations- und Translationsdynamik der Kationen führen. Dagegen tritt im Fall der Wassercluster in den Mischungen unter Variation der Wasserkonzentration keine dynamische Signatur dieser strukturellen Heterogenitäten auf. Anders als in den harten Confinements wird für die unterkühlte Wasserdynamik in den ionischen Flüssigkeiten im untersuchten Temperaturbereich bis zu 200 K kein dynamischer Übergang in der Temperaturabhängigkeit beobachtet. Dies ist vermutlich der Kopplung der Wasserdynamik an die mobile Matrix geschuldet, was den starken Einfluss der Härte des Confinements zeigt. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Status: | Verlagsversion | ||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-275152 | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 05 Fachbereich Physik 05 Fachbereich Physik > Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM) 05 Fachbereich Physik > Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM) > Molekulare Dynamik in kondensierter Materie |
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Hinterlegungsdatum: | 14 Jun 2024 12:02 | ||||
Letzte Änderung: | 17 Jun 2024 08:50 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Vogel, Prof. Dr. Michael ; Buntkowsky, Prof. Dr. Gerd | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 5 Juni 2024 | ||||
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