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Modellierung und Bewertung von Wohnräumen durch Smartphone-gestützte 3D-Geometrieerfassung und Maschinelles Lernen: Ein digitaler Beitrag zur Förderung des „Ageing in Place“ bei Mobilitätseinschränkungen

Plaß, Bastian (2023)
Modellierung und Bewertung von Wohnräumen durch Smartphone-gestützte 3D-Geometrieerfassung und Maschinelles Lernen: Ein digitaler Beitrag zur Förderung des „Ageing in Place“ bei Mobilitätseinschränkungen.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00026348
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Angesichts der steigenden Lebenserwartung und einem zunehmenden Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft erfährt das Ageing in Place einen großen Stellenwert in der gesundheits- und sozialpolitischen Agenda. Der möglichst lange Verbleib in der eigenen Wohnung präsentiert sich als eine Strategie gegenüber den Herausforderungen des demografischen Wandels. Darüber hinaus entspricht diese Maxime grundsätzlich den persönlichen Wünschen der älteren Menschen, die auch bei Mobilitätseinschränkungen oder Pflegebedürftigkeit möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung leben möchten. Als problematisch stellt sich in diesem Zusammenhang dar, dass lediglich ein geringer Bruchteil der Wohnungen älterer Menschen barrierefrei und rollstuhlgerecht ausgestattet ist. Infolgedessen steigt der Bedarf nach altersgerechten Bestandswohnungen, denen die Identifikation und anschließend Umsetzung von sozialgesetzlich subventionierten, wohnumfeldverbessernden Maßnahmen vorausgeht. Die Identifikation entsprechender Maßnahmen erfolgt gegenwärtig entweder eigenständig und setzt dabei die Kenntnis der zu beachtenden Anforderungen voraus oder erfordert professionelle Unterstützung, z. B. von Wohnberatungen, welchen die personellen Kapazitäten für eine Deckung des Gesamtbedarfs fehlen.

Vor dem Hintergrund dieses vulnerablen Status Quo intendiert diese Arbeit ein Konzept, welches sich an den Bestrebungen der erst kürzlich veröffentlichten Digitalisierungsstrategie 2030 des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) orientiert. Unter dem Motto Gemeinsam Digital stellt diese langfristig ausgelegte Strategie den Menschen in den Mittelpunkt und forciert den bedarfsgerechten Einsatz digitaler Technologien und Anwendungen u. a. zur Verbesserung der Patientensicherheit, der Optimierung von Prozessen und der Förderung von Präventionsarbeit. Diese Indikatoren berücksichtigt auch der hier vorgestellte Beitrag, welcher durch die Inkorporation digitaler Technologien die situative und präventive Bewertung eines Wohnraumes hinsichtlich der altersgerechten Nutzbarkeit automatisiert vornimmt. Dieses vorgeschlagene Paradigma soll darüber hinaus dazu beitragen, die Abhängigkeit zu den externen Fachkräfteressourcen aufzuheben und gleichzeitig das aktive Selbstmanagement Betroffener für ihr Ageing in Place zu unterstützt.

Dazu wird ein dreiteiliger Prozess vorgeschlagen, welcher im Rahmen einer Demonstratoranwendung prototypisch implementiert wird und zu einem wesentlichen Bestandteil auf Verbraucherendgeräten wie dem Smartphone basiert. Allem voran geht die situative Erfassung des Wohnraumes. Als geeignete Plattform haben sich die mit LiDAR-Sensorik ausgerüstete Endgeräte von Apple Inc. (iPhone Pro und iPad Pro) qualifiziert. Das geht aus einer innerhalb dieser Arbeit durchgeführten, evaluativen Studie hervor, die unterschiedliche Verfahren zur 3D-Realitätserfassung (engl. Reality Capture) baulicher Anlagen untersucht. Darauf aufbauend ist eine iOS-App namens Semantic Data Capture entwickelt worden, mit welcher Wohnraum dreidimensional erfasst und simultan semantisch strukturiert werden kann. Dieser symbiotische Prozess stellt einen neuartigen, durch Methoden der Künstlichen Intelligenz getriebenen Ansatz vor, welcher sich hinsichtlich der nachgelagerten Datenmodellierung im Rahmen dieser Arbeit als vorteilhaft erweist. Anschließend werden die akquirierten 3D-Daten durch eine zusätzliche Modellierungs- und Prüfanwendung raffiniert. Diese schließt eine spezifische Datenaufbereitung sowie Instanz Segmentierung ein und mündet in einem alphanumerischen Wohnrauminformationsmodell (WIM), welches sämtliche Ausstattungselemente einschließlich ihrer geometrischen Repräsentation, Semantik und räumlicher Topologie beinhaltet. Davon ausgehend erfolgt im letzten Schritt die regelbasierte Prüfung anhand geometrischer Bedingungen, welche in der DIN 18040-2 definiert sind. Aus dem Prozess resultiert eine diagnostische, multimodale Wohnraumbewertung, welche gleichzeitig auch als Handlungsempfehlung interpretiert werden kann, um wohnumfeldverbessernde Maßnahmen einzuleiten, die der Auszeichnung Altersgerechtigkeit und damit dem Ageing in Place bei Mobilitätseinschränkungen entgegenstehen.

Die Validierung der Demonstratoranwendung, welche in dieser Arbeit als Progressive Home Care (PHC) bezeichnet wird, erfolgt unter Berücksichtigung funktionaler Anforderungsmerkmale durch realitätsnahe Anwendungsbeispiele verschiedener Nutzungsarten von Wohnräumlichkeiten. Gemessen anhand gängiger Leistungsmetriken aus der klassifizierenden Machine Learning Domäne, erreicht der Demonstrator eine Vollständigkeit von 89% hinsichtlich der Wohnraummodellierung und eine 67% Trefferquote bei der regelbasierten Wohnraumbewertung, welche im Rahmen der prototypischen Entwicklungsarbeit mit einem positiven Nachweis der funktionalen Eigenschaften quittiert werden. Folglich trägt das Resultat dieser Arbeit einen wichtigen Baustein zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie des Gesundheitssystems und der Pflege anhand einer gesellschaftlich relevanten und ubiquitären Herausforderung bei - dem altersgerechten Wohnraum.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2023
Autor(en): Plaß, Bastian
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Modellierung und Bewertung von Wohnräumen durch Smartphone-gestützte 3D-Geometrieerfassung und Maschinelles Lernen: Ein digitaler Beitrag zur Förderung des „Ageing in Place“ bei Mobilitätseinschränkungen
Sprache: Deutsch
Referenten: Rüppel, Prof. Dr. Uwe ; Klauer, Prof. Dr. Thomas
Publikationsjahr: 15 Dezember 2023
Ort: Darmstadt
Kollation: XI, 191 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 14 November 2023
DOI: 10.26083/tuprints-00026348
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/26348
Kurzbeschreibung (Abstract):

Angesichts der steigenden Lebenserwartung und einem zunehmenden Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft erfährt das Ageing in Place einen großen Stellenwert in der gesundheits- und sozialpolitischen Agenda. Der möglichst lange Verbleib in der eigenen Wohnung präsentiert sich als eine Strategie gegenüber den Herausforderungen des demografischen Wandels. Darüber hinaus entspricht diese Maxime grundsätzlich den persönlichen Wünschen der älteren Menschen, die auch bei Mobilitätseinschränkungen oder Pflegebedürftigkeit möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung leben möchten. Als problematisch stellt sich in diesem Zusammenhang dar, dass lediglich ein geringer Bruchteil der Wohnungen älterer Menschen barrierefrei und rollstuhlgerecht ausgestattet ist. Infolgedessen steigt der Bedarf nach altersgerechten Bestandswohnungen, denen die Identifikation und anschließend Umsetzung von sozialgesetzlich subventionierten, wohnumfeldverbessernden Maßnahmen vorausgeht. Die Identifikation entsprechender Maßnahmen erfolgt gegenwärtig entweder eigenständig und setzt dabei die Kenntnis der zu beachtenden Anforderungen voraus oder erfordert professionelle Unterstützung, z. B. von Wohnberatungen, welchen die personellen Kapazitäten für eine Deckung des Gesamtbedarfs fehlen.

Vor dem Hintergrund dieses vulnerablen Status Quo intendiert diese Arbeit ein Konzept, welches sich an den Bestrebungen der erst kürzlich veröffentlichten Digitalisierungsstrategie 2030 des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) orientiert. Unter dem Motto Gemeinsam Digital stellt diese langfristig ausgelegte Strategie den Menschen in den Mittelpunkt und forciert den bedarfsgerechten Einsatz digitaler Technologien und Anwendungen u. a. zur Verbesserung der Patientensicherheit, der Optimierung von Prozessen und der Förderung von Präventionsarbeit. Diese Indikatoren berücksichtigt auch der hier vorgestellte Beitrag, welcher durch die Inkorporation digitaler Technologien die situative und präventive Bewertung eines Wohnraumes hinsichtlich der altersgerechten Nutzbarkeit automatisiert vornimmt. Dieses vorgeschlagene Paradigma soll darüber hinaus dazu beitragen, die Abhängigkeit zu den externen Fachkräfteressourcen aufzuheben und gleichzeitig das aktive Selbstmanagement Betroffener für ihr Ageing in Place zu unterstützt.

Dazu wird ein dreiteiliger Prozess vorgeschlagen, welcher im Rahmen einer Demonstratoranwendung prototypisch implementiert wird und zu einem wesentlichen Bestandteil auf Verbraucherendgeräten wie dem Smartphone basiert. Allem voran geht die situative Erfassung des Wohnraumes. Als geeignete Plattform haben sich die mit LiDAR-Sensorik ausgerüstete Endgeräte von Apple Inc. (iPhone Pro und iPad Pro) qualifiziert. Das geht aus einer innerhalb dieser Arbeit durchgeführten, evaluativen Studie hervor, die unterschiedliche Verfahren zur 3D-Realitätserfassung (engl. Reality Capture) baulicher Anlagen untersucht. Darauf aufbauend ist eine iOS-App namens Semantic Data Capture entwickelt worden, mit welcher Wohnraum dreidimensional erfasst und simultan semantisch strukturiert werden kann. Dieser symbiotische Prozess stellt einen neuartigen, durch Methoden der Künstlichen Intelligenz getriebenen Ansatz vor, welcher sich hinsichtlich der nachgelagerten Datenmodellierung im Rahmen dieser Arbeit als vorteilhaft erweist. Anschließend werden die akquirierten 3D-Daten durch eine zusätzliche Modellierungs- und Prüfanwendung raffiniert. Diese schließt eine spezifische Datenaufbereitung sowie Instanz Segmentierung ein und mündet in einem alphanumerischen Wohnrauminformationsmodell (WIM), welches sämtliche Ausstattungselemente einschließlich ihrer geometrischen Repräsentation, Semantik und räumlicher Topologie beinhaltet. Davon ausgehend erfolgt im letzten Schritt die regelbasierte Prüfung anhand geometrischer Bedingungen, welche in der DIN 18040-2 definiert sind. Aus dem Prozess resultiert eine diagnostische, multimodale Wohnraumbewertung, welche gleichzeitig auch als Handlungsempfehlung interpretiert werden kann, um wohnumfeldverbessernde Maßnahmen einzuleiten, die der Auszeichnung Altersgerechtigkeit und damit dem Ageing in Place bei Mobilitätseinschränkungen entgegenstehen.

Die Validierung der Demonstratoranwendung, welche in dieser Arbeit als Progressive Home Care (PHC) bezeichnet wird, erfolgt unter Berücksichtigung funktionaler Anforderungsmerkmale durch realitätsnahe Anwendungsbeispiele verschiedener Nutzungsarten von Wohnräumlichkeiten. Gemessen anhand gängiger Leistungsmetriken aus der klassifizierenden Machine Learning Domäne, erreicht der Demonstrator eine Vollständigkeit von 89% hinsichtlich der Wohnraummodellierung und eine 67% Trefferquote bei der regelbasierten Wohnraumbewertung, welche im Rahmen der prototypischen Entwicklungsarbeit mit einem positiven Nachweis der funktionalen Eigenschaften quittiert werden. Folglich trägt das Resultat dieser Arbeit einen wichtigen Baustein zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie des Gesundheitssystems und der Pflege anhand einer gesellschaftlich relevanten und ubiquitären Herausforderung bei - dem altersgerechten Wohnraum.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

In light of rising life expectancy and a growing proportion of older people in society, the concept of Ageing in Place is becoming highly valued in the health and social political agenda. Remaining in one's private residence for as long as possible presents a feasible response to the socio-political challenges of demographic change. In addition, this principle corresponds to the desires of the elderly, who wish to live in their familiar surroundings on a long-term perspective, even if they suffer physical limitations or require professional care. In this context, it is challenging that only a small fraction of the elderly's residences is barrier-free and wheelchair-accessible. Consequently, there is an increasing demand for age-friendly residences, which requires prior identification and subsequent realization of socially subsidized improvements to the living environment. The identification of pertinent improvements is currently either carried out independently assuming detailed knowledge or requires professional support, e. g. from housing consultancies, lacking sufficient capacity to meet the overall demand.

Considering this vulnerable situation, this work intends to develop a concept that is inspired by the aspirations of the recently published digitization strategy 2030 of the German Federal Ministry of Health (BMG). Themed Digital Together, this long-term strategy centers on people and encourages the tailored use of digital technologies and applications in order to increase patient safety, optimize processes and enhance preventive work. Such indicators are also taken into account in the work presented here, which incorporates digital technologies to assess the living space in terms of its age-friendly usability in an automated way both, in-situ and preventively. The proposed paradigm should furthermore contribute to overcome the dependency on external professional resources and promote the active self-management of the elderlies for their Ageing in Place concurrently.

To this end, we propose a three-step process that is implemented prototypically as an applicable demonstrator and is based mainly on consumer devices such as smartphones. The first step involves the in-situ capture of the living environment. Apple's consumer devices equipped with LiDAR technology, such as iPhone Pro or iPad Pro, have qualified as appropriate platforms. This finding bases on an evaluative study that examines different methods for 3D reality capture of structural assets. Consequently, an iOS app named Semantic Data Capture has been developed to digitize living space in the first perspective but also perform semantically enrichment of the acquired 3D data simultaneously. This concurrent acquisition process introduces a novel AI-based approach that proves beneficial in terms of downstream data modeling for living space assessment related to this work. Subsequently, the acquired 3D data is refined by an auxiliary modeling and testing application. This includes a specific data preparation as well as instance segmentation and result in an alphanumerical residential information model (WIM) containing any interior components including their geometric representation, semantics and spatial topology. Arising from this, the final step entails rule-based assessment using geometric constraints defined in DIN 18040-2. The process results in a diagnostic and multimodal residence assessment, which can be seen as a recommendation in order to introduce living space improvements that counteract the age-friendly state and thus Ageing in Place considering physical restrictions.

The validation of the demonstrator, termed Progressive Home Care (PHC), is carried out taking into consideration functional requirements due to several realistic use cases of different living space types. Using common performance metrics from machine learning classification tasks, the demonstrator achieves a completeness score of 89% with respect to modeling and a 67% hit rate in rule-based assessment, which thus credits the functional capability successfully. Consequently, the result of this work constitutes a key brick for the conversion of the digitalization strategy of health care system and care by referring to a socially relevant and ubiquitous challenge - the age-appropriate residences.

Englisch
Freie Schlagworte: Ageing in Place; Mobilitätseinschränkungen; Altersgerechtes Wohnen; Digitalisierung; Softwareentwicklung; Maschinelles Lernen; Flash-LiDAR-Punktwolken; Instanz Segmentierung; Wohnraummodellierung
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-263487
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 000 Allgemeines, Informatik, Informationswissenschaft > 004 Informatik
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften
13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Institut für Numerische Methoden und Informatik im Bauwesen
Hinterlegungsdatum: 15 Dez 2023 13:23
Letzte Änderung: 18 Dez 2023 06:34
PPN:
Referenten: Rüppel, Prof. Dr. Uwe ; Klauer, Prof. Dr. Thomas
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 14 November 2023
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