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Modellgestützter Ansatz zur Effektivitätsprognose von Stauraumspülungen

Lohrey, Tobias (2023)
Modellgestützter Ansatz zur Effektivitätsprognose von Stauraumspülungen.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00024383
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Stauhaltungen dienen der Pufferung des schwankenden Wasserdargebots, unterbrechen dabei jedoch den Sedimenttransport in Fließgewässern und verlanden in der Folge kontinuierlich. Auch das Unterwasser wird durch den so verursachten Sedimentmangel, aber auch die reduzierte Abflussdynamik beeinträchtigt. Die Problematik der Verlandung von Stauhaltungen nimmt dabei künftig weiter zu, da klimawandelbedingt Sedimentfrachten ansteigen sowie anhaltende Trockenheit und Extremwetterereignisse immer häufiger auftreten. Es existiert eine Vielzahl an Maßnahmen, um Stauhaltungen zu entlanden bzw. weitere Verlandung zu verhindern. Stauraumspülungen kombinieren dabei potenziell den Vorteil der Stauraumentlandung mit der Wiederherstellung von Abflussdynamik und Sedimentdurchgängigkeit. Die Wirksamkeit ist jedoch standortabhängig und kann bei ungeeigneten Standorten oder unsachgemäßer Durchführung zu erheblichen ökologischen Schädigungen des Unterwassers führen. Mit angepassten Verfahrensweisen kann ein Kompromiss zwischen Maßnahmeneffizienz und verursachten Schädigungen erzielt werden. Um die Schadenswirkung vorab bewerten zu können und unsachgemäße Maßnahmenanwendungen zu verhindern, sind Untersuchungen in Form von numerischer Modellierung durchzuführen. Dabei müssen hohe Anforderungen an das verwendete Modell gestellt werden, um verlässliche Ergebnisse zu erzeugen. Entsprechend muss sichergestellt sein, dass das Modell den spezifischen Anwendungsfall einer Stauraumspülung korrekt abbilden kann. In der vorliegenden Arbeit wurde daher untersucht, inwieweit dieser spezifische Anwendungsfall einer Stauraumspülung mit dem dreidimensionalen, numerischen Modell Bmor3D modelliert werden kann. Das Modell wurde hierfür durch einen Ansatz zur fraktionierten Berechnung der Geschiebefracht ergänzt. In diesem Zuge wurde ebenfalls ein Ansatz zur Berücksichtigung von Hiding & Exposure sowie ein Mischungsschicht-Konzept hinzugefügt. Die neue Modellkonfiguration wurde zunächst anhand einer „numerischen Versuchsrinne“ getestet, einem einfachen Rechteckgerinne. Das Herstellen stationärer Verhältnisse und die einfache Geometrie in der numerischen Versuchsrinne ermöglichten das manuelle Nachrechnen der vom Modell ausgegebenen Ergebnisse mit den gängigen semiempirischen Ansätzen. So konnten zunächst die Ergebnisse der verwendeten Ansätze evaluiert, als auch eine umfassende Sensitivitätsanalyse aller den Sedimenttransport betreffenden Parameter durchgeführt werden. In diese wurde auch die Verwendung weiterer Berechnungsansätze für Geschiebetransport und Hiding & Exposure einbezogen. Riffelfaktor und Sedimentdichte haben sich dabei als sensitive Parameter herausgestellt, wobei die Variation der Geschiebefracht- sowie Hiding & Exposure-Ansätze deutlich größeren Einfluss auf das Ergebnis nehmen. Darauf aufbauend wurden die Projektergebnisse des EU-Projektes Alpreserve am Standort Bodendorf an der Mur zur Modellierung von Stauraumspülungen genutzt. Dem verwendeten Modell Bmor3D kann insgesamt mit den für den neuen Anwendungsfall getroffenen Anpassungen bereits eine gute Eignung zur Modellierung von Stauraumspülungen attestiert werden. Die ermittelten Geschiebefrachten zeigen jedoch noch deutliche Differenzen zu den Messergebnissen, sodass zu treffende Anpassungen identifiziert wurden, um die Ergebnisgüte weiter zu steigern. Dazu zählen die Steuerungsmöglichkeit des bisher nur im Programmcode veränderbaren sensitiven Parameters der Sedimentdichte durch Programmnutzer*innen, die Implementierung eines alternativen Ansatzes zur Geschiebefrachtberechnung als auch erweiterte Kalibrierungsmöglichkeiten für Anfangs- und Randbedingungen, um die zugrundeliegenden Messdaten im Zuge der Modellierung besser abbilden zu können. Aus den Ergebnissen konnten zudem Erfordernisse für die der Modellierung zugrundeliegende Datenerhebung abgeleitet werden. So hat die genaue Materialzusammensetzung der Gewässersohle und insbesondere deren Schwankung über das Projektgebiet großen Einfluss auf das Simulationsergebnis, sodass Entnahme und Auswertung von Sohlproben mit höchstmöglicher Auflösung empfohlen werden. Dabei sind für jeden Entnahmepunkt sowohl die Sedimentdichte zu ermitteln als auch zusätzlich Tiefenproben zu entnehmen. Aufsetzen und Kalibrieren eines Modells zur morphodynamischen Modellierung von Stauraumspülungen ist mit großem Aufwand verbunden. Entsprechend ist es sinnvoll, eine möglichst einfach durchzuführende Voruntersuchung vorzunehmen, um die Eignung eines Standortes für effiziente Stauraumspülungen festzustellen. Ein entsprechendes Verfahren wurde in Form von Erstellung und Auswertung von „Erosionskarten“ erarbeitet. Diese basieren auf hydrodynamischen Modellierungen unter Vernachlässigung der Morphodynamik. Es wird zunächst nur untersucht, ob die bei Stauraumspülungen potenziell erreichbaren Fließgeschwindigkeiten eine großflächige Erosion in der Stauhaltung bewirken können. Wird hier Potenzial für einen Standort ermittelt, kann aufbauend auf das schon aufgesetzte Modell eine morphodynamische Simulation folgen, welche detaillierte Untersuchungen hinsichtlich der Umweltwirkungen und möglicher Verfahrensanpassungen der Stauraumspülungen am Standort ermöglicht.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2023
Autor(en): Lohrey, Tobias
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Modellgestützter Ansatz zur Effektivitätsprognose von Stauraumspülungen
Sprache: Deutsch
Referenten: Lehmann, Prof. Dr. Boris ; Schmalz, Prof. Dr. Britta
Publikationsjahr: 7 Dezember 2023
Ort: Darmstadt
Kollation: XIII, 130 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 19 Juli 2023
DOI: 10.26083/tuprints-00024383
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/24383
Kurzbeschreibung (Abstract):

Stauhaltungen dienen der Pufferung des schwankenden Wasserdargebots, unterbrechen dabei jedoch den Sedimenttransport in Fließgewässern und verlanden in der Folge kontinuierlich. Auch das Unterwasser wird durch den so verursachten Sedimentmangel, aber auch die reduzierte Abflussdynamik beeinträchtigt. Die Problematik der Verlandung von Stauhaltungen nimmt dabei künftig weiter zu, da klimawandelbedingt Sedimentfrachten ansteigen sowie anhaltende Trockenheit und Extremwetterereignisse immer häufiger auftreten. Es existiert eine Vielzahl an Maßnahmen, um Stauhaltungen zu entlanden bzw. weitere Verlandung zu verhindern. Stauraumspülungen kombinieren dabei potenziell den Vorteil der Stauraumentlandung mit der Wiederherstellung von Abflussdynamik und Sedimentdurchgängigkeit. Die Wirksamkeit ist jedoch standortabhängig und kann bei ungeeigneten Standorten oder unsachgemäßer Durchführung zu erheblichen ökologischen Schädigungen des Unterwassers führen. Mit angepassten Verfahrensweisen kann ein Kompromiss zwischen Maßnahmeneffizienz und verursachten Schädigungen erzielt werden. Um die Schadenswirkung vorab bewerten zu können und unsachgemäße Maßnahmenanwendungen zu verhindern, sind Untersuchungen in Form von numerischer Modellierung durchzuführen. Dabei müssen hohe Anforderungen an das verwendete Modell gestellt werden, um verlässliche Ergebnisse zu erzeugen. Entsprechend muss sichergestellt sein, dass das Modell den spezifischen Anwendungsfall einer Stauraumspülung korrekt abbilden kann. In der vorliegenden Arbeit wurde daher untersucht, inwieweit dieser spezifische Anwendungsfall einer Stauraumspülung mit dem dreidimensionalen, numerischen Modell Bmor3D modelliert werden kann. Das Modell wurde hierfür durch einen Ansatz zur fraktionierten Berechnung der Geschiebefracht ergänzt. In diesem Zuge wurde ebenfalls ein Ansatz zur Berücksichtigung von Hiding & Exposure sowie ein Mischungsschicht-Konzept hinzugefügt. Die neue Modellkonfiguration wurde zunächst anhand einer „numerischen Versuchsrinne“ getestet, einem einfachen Rechteckgerinne. Das Herstellen stationärer Verhältnisse und die einfache Geometrie in der numerischen Versuchsrinne ermöglichten das manuelle Nachrechnen der vom Modell ausgegebenen Ergebnisse mit den gängigen semiempirischen Ansätzen. So konnten zunächst die Ergebnisse der verwendeten Ansätze evaluiert, als auch eine umfassende Sensitivitätsanalyse aller den Sedimenttransport betreffenden Parameter durchgeführt werden. In diese wurde auch die Verwendung weiterer Berechnungsansätze für Geschiebetransport und Hiding & Exposure einbezogen. Riffelfaktor und Sedimentdichte haben sich dabei als sensitive Parameter herausgestellt, wobei die Variation der Geschiebefracht- sowie Hiding & Exposure-Ansätze deutlich größeren Einfluss auf das Ergebnis nehmen. Darauf aufbauend wurden die Projektergebnisse des EU-Projektes Alpreserve am Standort Bodendorf an der Mur zur Modellierung von Stauraumspülungen genutzt. Dem verwendeten Modell Bmor3D kann insgesamt mit den für den neuen Anwendungsfall getroffenen Anpassungen bereits eine gute Eignung zur Modellierung von Stauraumspülungen attestiert werden. Die ermittelten Geschiebefrachten zeigen jedoch noch deutliche Differenzen zu den Messergebnissen, sodass zu treffende Anpassungen identifiziert wurden, um die Ergebnisgüte weiter zu steigern. Dazu zählen die Steuerungsmöglichkeit des bisher nur im Programmcode veränderbaren sensitiven Parameters der Sedimentdichte durch Programmnutzer*innen, die Implementierung eines alternativen Ansatzes zur Geschiebefrachtberechnung als auch erweiterte Kalibrierungsmöglichkeiten für Anfangs- und Randbedingungen, um die zugrundeliegenden Messdaten im Zuge der Modellierung besser abbilden zu können. Aus den Ergebnissen konnten zudem Erfordernisse für die der Modellierung zugrundeliegende Datenerhebung abgeleitet werden. So hat die genaue Materialzusammensetzung der Gewässersohle und insbesondere deren Schwankung über das Projektgebiet großen Einfluss auf das Simulationsergebnis, sodass Entnahme und Auswertung von Sohlproben mit höchstmöglicher Auflösung empfohlen werden. Dabei sind für jeden Entnahmepunkt sowohl die Sedimentdichte zu ermitteln als auch zusätzlich Tiefenproben zu entnehmen. Aufsetzen und Kalibrieren eines Modells zur morphodynamischen Modellierung von Stauraumspülungen ist mit großem Aufwand verbunden. Entsprechend ist es sinnvoll, eine möglichst einfach durchzuführende Voruntersuchung vorzunehmen, um die Eignung eines Standortes für effiziente Stauraumspülungen festzustellen. Ein entsprechendes Verfahren wurde in Form von Erstellung und Auswertung von „Erosionskarten“ erarbeitet. Diese basieren auf hydrodynamischen Modellierungen unter Vernachlässigung der Morphodynamik. Es wird zunächst nur untersucht, ob die bei Stauraumspülungen potenziell erreichbaren Fließgeschwindigkeiten eine großflächige Erosion in der Stauhaltung bewirken können. Wird hier Potenzial für einen Standort ermittelt, kann aufbauend auf das schon aufgesetzte Modell eine morphodynamische Simulation folgen, welche detaillierte Untersuchungen hinsichtlich der Umweltwirkungen und möglicher Verfahrensanpassungen der Stauraumspülungen am Standort ermöglicht.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Water reservoirs buffer the natural fluctuations of water yield but at the same time interrupt the continuity of natural sediment transport in rivers, leading to successive reservoir sedimentation. Also the downstream areas of rivers are affected by a lack of sediments but also by the attenuation of flood dynamics. The problem of reservoir sedimentation will increase in the future, since climate change causes higher sediment loads, longer dry periods and an increase in extreme weather events. A number of sediment management measures exist to achieve desedimentation or at least to avoid further sedimentation. Reservoir flushing potentially combines the advantage of desedimentation with a recovery of flood dynamics. The achievable effect is strongly dependent on the reservoir site, leading to major damages of downstream river areas, when the measure is improperly performed or applied at unsuitable locations. Adapting the procedure might allow a compromise between measure efficiency and caused damage. In order to be able to assess the damaging effects in advance and to avoid improper application of the measure, investigations in the form of numerical modeling are to be carried out in advance. The used model must meet high requirements to guarantee reliable results. Accordingly, it must be ensured that the model can correctly represent the specific use case of reservoir flushings. In the present work, it was therefore investigated to what extent this specific use case of a reservoir flushing can be modeled with the three-dimensional numerical model Bmor3D. For this purpose, the model was extended by an approach for the fractional calculation of the bedload. An approach to calculate hiding & exposure effects and a mixing layer concept were also added. The new model configuration was first tested using a „numerical experimental flume“ with a rectangular flow cross section. The establishment of steady-state conditions and the simple geometry in the numerical experimental flume allowed manual recalculation of the results output by the model using the standard semiempirical approaches. This way the results of the model in standard configuration were evaluated. Also a comprehensive sensitivity analysis of all parameters affecting sediment transport is carried out, which also contains the usage of further approaches for calculating bed load and hiding & exposure effects. The analysis revealed ripple factor and sediment density as the most sensitive parameters. However, variation of bed load and hiding & exposure approaches had a greater impact on the results. Based on the previous analysis, the results of the EU-project „Alpreserve“ at the Bodendorf-reservoir on the river Mur were used to model reservoir flushing. The used model Bmor3D, with the adaptions made for the new application, can already be attested a good suitability for this use case. However the simulated bed loads still show significant differences to the measured values. Therefore the necessity for model adjustments were identified to increase the quality of results. These include the possibility of software users to set the sensitive parameter ‚sediment density‘ individually. Also an alternative approach for calculating bed load as well as extended calibration options for initial and boundary conditions, in order to better represent the underlying measurement data in the course of modeling need to be implemented. From the results, requirements for the data collection underlying the modeling could be derived. Thus, the exact material composition and especially its variation over the project area has a great influence on the simulation result, so that a collection and evaluation of bed samples with the highest possible resolution is recommended. Thereby at every extraction point, the sediment density should be determined and depth samples should be taken. Setting up and calibrating a model for morphodynamical modelling of reservoir flushing involves a lot of effort. Accordingly, it makes sense to conduct a preliminary investigation that is as simple to perform as possible to determine the suitability of a site for efficient reservoir flushing. Such a procedure has been developed in the form of „erosion maps“. They are based on creation and evaluation of hydrodynamic modeling, neglecting morphodynamics. Initially, it is only investigated whether or not reservoir flushing can provide sufficiently high flow velocities on a specific site in order to achieve large-scale erosion of sediment deposits in the reservoir. If a potential for desedimentation can be determined this way, a morphodynamic modeling, based on the hydrodynamic model already set up can be rolled out, enabling further investigations with regard to the environmental effects and possible process adaptations of the flushing measure at the site.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-243830
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 624 Ingenieurbau und Umwelttechnik
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften
13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Institut Wasserbau und Wasserwirtschaft
13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Institut Wasserbau und Wasserwirtschaft > Fachgebiet Wasserbau und Hydraulik
Hinterlegungsdatum: 07 Dez 2023 13:13
Letzte Änderung: 08 Dez 2023 05:47
PPN:
Referenten: Lehmann, Prof. Dr. Boris ; Schmalz, Prof. Dr. Britta
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 19 Juli 2023
Export:
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