Jänsch, Niklas (2023)
Entwicklung neuer Strategien zur spezifischen Hemmung humaner Histondeacetylase 8.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00024434
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion
Kurzbeschreibung (Abstract)
Die Deacetylierung von Histonen ist ein wichtiger Mechanismus für die Regulation von Genen und der daraus resultierenden Transkription und Translation in funktionelle Proteine. Die Deacetylierung von Histonen wird durch die sogenannten Histondeacetylasen (HDACs) katalysiert, welche sich in vier Untergruppen aufteilen. Die Einteilung erfolgt hauptsächlich anhand struktureller Unterschiede. Humane Histondeacetylase 8 (HDAC8) gehört der Klasse I der zinkabhängigen Histondeacetylasen an. Namensgebend ist die Deacetylierung N-terminaler Lysinreste an Histonen. In Folge einer Deacetylierung liegen diese überwiegend protoniert vor und gehen eine verstärkte Wechselwirkung zu dem negativ geladenen Phosphatrückgrat der DNA ein. Durch diesen Mechanismus wird die Expression spezifischer Gene in Abhängigkeit des Acetylierungsstatus erhöht oder verringert. Diese epigenetische Regulation hat damit tiefgreifende physiologische Folgen. Eine erhöhte Expression von HDACs wird in Verbindung gesetzt mit der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen und der Entstehung von verschiedenen Krebsarten. Neben Histonen werden viele weitere Proteine als potenzielle Substrate von HDACs beschrieben, was die Komplexität der Regulation durch posttranslationale Modifikationen verdeutlicht. Die Acetylierung von Lysinen an Proteinen hat wahrscheinlich eine ähnliche Bedeutung, wie die Phosphorylierung proteingebundener Serine und Threonine durch Kinasen. Für die Entwicklung neuer Wirkstoffe, welche sich gegen HDACs richten, ist es daher entscheidend in diese Mechanismen eingreifen zu können. Ein besseres Verständnis über die molekularen Grundlagen der Regulation und Aufbau von HDACs ist daher essenziell und bietet eine große Chance bei der Behandlung verschiedener Krankheitstypen. Die meisten gegen HDACs gerichteten Inhibitoren, wie zum Beispiel Vorinostat, Panobinostat und Belinostat verfügen über eine Zink-komplexierende Kopfgruppe, einen hydrophoben, linearen Linker und eine abschließende, variable, Cap-Region. Aufgrund der hohen Konservierung des Aktivzentrums von HDACs verfügen diese kompetitiven Inhibitoren in der Regel über keine nennenswerte Selektivität unter den Isoformen. Um Nebenwirkungen, hervorgerufen durch unerwünschte off-target Effekte, zu vermeiden, ist es erstrebenswert sich der Thematik der Entwicklung spezifischer Inhibitoren anzunehmen und Mechanismen zu identifizieren, welche dies ermöglichen. Erste HDAC8 spezifische Inhibitoren wie PCI-34051 wurden bereits entwickelt. Dennoch stellt die gezielte Hemmung einzelner HDACs innerhalb ihrer strukturverwandten Isoenzyme Wissenschaftler vor große Herausforderungen. Die Manipulation und Ausnutzung Isoenzym-spezifischer Regulationsmechanismen, wie das Adressieren von Inhibitoren an allosterisch regulative Regionen, stellt daher einen vielversprechenden Ansatz für die Hemmung der Enzymaktivität und Funktion von HDAC8 dar. Die Ergebnisse dieser Doktorarbeit sind im kumulativen Teil aufgeführt und näher erörtert. Dieser Teil setzt sich aus dreizehn in begutachteten Zeitschriften veröffentlichten Artikeln zusammen, welche in vier Unterkapitel gegliedert sind. Das erste Unterkapitel befasst sich mit der Entdeckung und Aufklärung der cysteinabhängigen Redoxregulation von HDAC8 und der Nutzung dieser Mechanismen für die Entwicklung zielgerichteter kovalenter Inaktivatoren. Genauer wurde mittels Methoden der Redoxbiologie festgestellt, dass die Enzymaktivität von HDAC8 durch eine Disulfidbrücke zwischen Cys102 und Cys153 reguliert wird. Diese Disulfidbrücke kann sowohl durch die Zugabe von Wasserstoffperoxid als auch durch redox-aktive, kleine Moleküle induziert werden. Im besten Fall nähern sich solche Wirkstoffe in einem vorgelagerten nicht-kovalenten Gleichgewicht den redox-aktiven Cysteinen an, um dann in einem zweiten Schritt die kovalente Verbrückung zu induzieren. Einem solchen Wirkstoff mit dem Namen PD-404,182, welcher aus einer Wirkstofffindungs-Kampagne entstammt, widmen sich zwei Publikationen innerhalb des ersten Kapitels des kumulativen Teils dieser Dissertation. Dort wird der genaue Mechanismus der Interkation und die daraus hervorgehenden Erkenntnisse genauer beschrieben. Neben der gefundenen Disulfidbrücke zwischen Cys102 und Cys153 wird zusätzlich beschrieben, dass HDAC8 durch drei weitere Disulfidbrücken, nämlich zwischen Cys244 und Cys287, Cys275 und Cys352 sowie zwischen Cys125 und Cys131, reguliert werden kann. Somit wird verdeutlicht, dass HDAC8 über ein unter den humanen Histondeacetylasen einzigartiges Muster an regulativen Disulfidbrücken verfügt. Diese Erkenntnisse dienen im weiteren als Grundlage für die Findung und Entwicklung erster kovalenter Inaktivatoren von HDAC8. Mittels einer Kampagne für die Findung gegen Cystein gerichteter kovalenter Wirkstoffe konnten erste Fragmente identifiziert werden. Diese Ergebnisse sind in den beiden letzten Publikationen des ersten Kapitels zusammengefasst. Somit beschreibt das erste Kapitel dieser Dissertation eine vielversprechende Strategie für die Entwicklung HDAC8 selektiver Inhibitoren, durch die Ausnutzung von spezifischen, cysteinabhängigen Regulationsmechanismen. Probleme, die bei der Entwicklung von Inhibitoren normalerweise durch die stark konservierte Bindetasche von HDACs auftreten, werden durch die Ausnutzung solcher spezifischer Regulationsmechanismen umgangen. Jedoch sei nicht zu vergessen, dass die Entwicklung zielgerichteter kovalenter Inaktivatoren Wissenschaftler vor andere, nicht zu unterschätzende Herausforderungen stellt. Eine davon ist die genaue Abwägung der Reaktivität. Es besteht ein schmaler Grat zwischen der gezielten kovalenten Modifikation spezifischer Cysteine auf Proteinen und einer unspezifischen Reaktion, mit jedem zur Verfügung stehenden Cystein. Das zweite Kapitel des kumulativen Teils greift die Entdeckung des Disulfidbrücken-induzierenden Inhibitors PD-404,182 auf und beschreibt die Weiterentwicklung dieses Wirkstoffes in Richtung unreaktiver Moleküle, um die molekulare Erkennung der reversiblen Interaktion im Aktivzentrum in den Vordergrund zu rücken. Dieses Vorgehen dient dazu, eine Alternative zu den gängigen Zink-komplexierenden kompetitiven Inhibitoren zu entwickeln. Bei PD-404,182 handelt es sich um ein zyklisches Benzothiazinimin, welches nach Annäherung an ein Cystein ein gemischtes Disulfid, unter Ringöffnung, eingeht. Im folgenden Schritt wird im Rahmen einer Substitutionsreaktion mit einem weiteren, proteingebundenen Cystein die Formierung einer intermolekularen Disulfidbrücke eingeleitet. Durch Substitution des Imin Stickstoffes innerhalb von PD-404,182 gegen einen Schwefel hin zum Thion gelingt es, die Reaktion gegenüber Cystein zu unterdrücken, was in einer Fülle an verschiedenen Derivaten mit hoher Potenz und Spezifität gegen HDAC8 resultiert. Diese Strukturen entfalten ihre inhibitorische Wirkung allein durch die molekulare Erkennung am Aktivzentrum durch Verdrängung des Substrates. Durch eine Kooperation mit Ina Oehme vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg wurde zusätzlich gezeigt, dass diese Molekülklasse vergleichbare inhibitorische Aktivität auf das Wachstum von Zellkulturen ausübt, wie der selektive Referenzinhibitor PCI-34051. Somit wurde eine von PD-404,182 abgeleitete zweite Generation an Inhibitoren geschaffen, welche über eine völlig neuartige Zink-komplexierende Funktion verfügen. Neben den in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Meyer-Almes entwickelten Inhibitoren wurden auch Moleküle mit gleicher Funktionalität im Rahmen einer Kooperation mit Xuefeng Jiang von der East China Normal University (ECNU) auf inhibitorische Wirkung gegenüber HDAC8 getestet. Dabei wurden nicht nur vielversprechende neue Leitstrukturen identifiziert, sondern auch ein Ansatz für eine schnellere, einfachere und vor allem nachhaltigere Synthese dieser Wirkstoffgruppe publiziert. Somit wurde, ausgehend von den anfänglichen Entdeckungen, eine bisher unbeschriebene Klasse an HDAC8 Inhibitoren entwickelt. Diese könnten zukünftig als Alternative zu den gängigen Zink-komplexierenden HDAC-Inhibitoren fungieren und können schnell und nachhaltig synthetisiert werden. Von einer möglichen Alternative zu gängigen HDAC-Inhibitoren handelt das dritte Unterkapitel des kumulativen Teils dieser Doktorarbeit. Im Rahmen einer Kooperation mit C. S. Ramaa dvom Bharati Vidyapeeth´s College of Pharmacy wird bereits bekannten und seit Jahrzehnten erforschten Molekülen eine neue Rolle als HDAC8 Inhibitoren zugeschrieben. Bei diesen Wirkstoffen handelt es sich um Derivate von Thiazolidindionen, welche einst als potenzielle Antidiabetika Erwähnung in verschiedenen Publikationen fanden. Aufgrund von Langzeitnebenwirkungen sank das kommerzielle Interesse an dieser Wirkstoffklasse wieder. Jedoch wurde herausgefunden, dass die untersuchten Thiazolidindione eine starke strukturelle Ähnlichkeit zu HDAC-Inhibitoren aufweisen. Im Grunde verfügen diese über eine Zink-komplexierende Gruppe, einen hydrophoben Linker und eine variable Cap-Region, welche die Bindetasche am Enzym verschließt. Durch den Kooperationspartner wurden mehrere hundert Strukturen mit der funktionellen Thiazolidindion Gruppe breitgestellt und im Rahmen dieser Dissertation auf inhibitorische Wirkung gegen HDAC8 getestet. Daraus ergaben sich mehrere strukturelle Untergruppen mit IC50 Werten im Bereich von 1 – 50 μM. Die identifizierten Wirkstoffe wurden anschließend auf Isoenzymselektivität gegen andere HDACs getestet und die thermodynamische Stabilisierung von HDAC8 durch die Wirkstoffbindung untersucht. Die hervorgehenden Publikationen wurden durch molekulares Docking und Testung der Wirkung auf Zellkulturmodelle vervollständigt. Aus dieser Kooperation gingen zwei Publikationen hervor, welche eine bislang völlig neue Leistruktur für die Entwicklung möglicher HDAC8 Inhibitoren identifizieren und somit die Grundlage für weitere Optimierung dieser Wirkstoffe schaffen. Das letzte Kapitel des kumulativen Teils der vorliegenden Dissertation fasst vier Publikationen zusammen, welche keinem der vorherigen Kapitel zuzuordnen sind, jedoch auch der Überthematik der Wirkstoffentwicklung gegen HDACs angehören. Zwei davon entschlüsseln näher die Wichtigkeit einer transienten Bindetasche in HDAC8. Diese ist direkt neben dem Aktivzentrum gelegen und wird durch Bindung von spezifischen Inhibitoren ausgebildet. In der ersten Publikation wurde ein Inhibitor beschrieben, welcher durch die zusätzliche Bindung in dieser Nebentasche über eine außerordentlich hohe Verweilzeit auf dem Enzym verfügt. Die zweite befasst sich mit der Rolle von Met274 und der Wichtigkeit dieser Aminosäure bei der Bindung selektiver HDAC8 Inhibitoren. Zusätzlich ist eine Publikation entstanden, welche eine weitere Untergruppe der zuvor erwähnten Thiazolidindione als HDAC4 Inhibitoren näher beschreibt. Der Fokus bei dieser Publikation liegt auf dem empirischen Austausch verschiedener Aminosäuren innerhalb der Binderegion der Inhibitoren an HDAC4 und der Untersuchung, welche Aminosäuren für die Interaktion von entscheidender Rolle sind. Zuletzt ist innerhalb des letzten Kapitels des kumulativen Teils eine Publikation zur Anwendung von statistischer Versuchsplanung im Rahmen einer Lehrveranstaltung entstanden. In dieser Publikation wird beschrieben, wie sich die Michealis-Menten Theorie und die der kompetitiven Hemmung durch statistische Versuchsplanung in ein studentisches Lehrpraktikum integrieren lassen. Neben den publizierten Fachaufsätzen wurden Teile dieser Arbeit an zwei internationalen Fachkonferenzen im Rahmen von Posterbeiträgen präsentiert. Somit leistet die vorliegende Arbeit einen großen Beitrag für die Entwicklung neuer HDAC8-spezifischer Inhibitoren. Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit ist es, Alternativen zu aktuellen Bemühungen zu identifizieren, welche sich zukünftig zu ausgereiften Inhibitoren entwickeln könnten.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2023 | ||||
Autor(en): | Jänsch, Niklas | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Entwicklung neuer Strategien zur spezifischen Hemmung humaner Histondeacetylase 8 | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Kolmar, Prof. Dr. Harald ; Meyer-Almes, Prof. Dr. Franz-Josef ; Sippl, Prof. Dr. Wolfgang | ||||
Publikationsjahr: | 11 Oktober 2023 | ||||
Ort: | Darmstadt | ||||
Kollation: | 257 Seiten in verschiedenen Zählungen | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 10 Juli 2023 | ||||
DOI: | 10.26083/tuprints-00024434 | ||||
URL / URN: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/24434 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Die Deacetylierung von Histonen ist ein wichtiger Mechanismus für die Regulation von Genen und der daraus resultierenden Transkription und Translation in funktionelle Proteine. Die Deacetylierung von Histonen wird durch die sogenannten Histondeacetylasen (HDACs) katalysiert, welche sich in vier Untergruppen aufteilen. Die Einteilung erfolgt hauptsächlich anhand struktureller Unterschiede. Humane Histondeacetylase 8 (HDAC8) gehört der Klasse I der zinkabhängigen Histondeacetylasen an. Namensgebend ist die Deacetylierung N-terminaler Lysinreste an Histonen. In Folge einer Deacetylierung liegen diese überwiegend protoniert vor und gehen eine verstärkte Wechselwirkung zu dem negativ geladenen Phosphatrückgrat der DNA ein. Durch diesen Mechanismus wird die Expression spezifischer Gene in Abhängigkeit des Acetylierungsstatus erhöht oder verringert. Diese epigenetische Regulation hat damit tiefgreifende physiologische Folgen. Eine erhöhte Expression von HDACs wird in Verbindung gesetzt mit der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen und der Entstehung von verschiedenen Krebsarten. Neben Histonen werden viele weitere Proteine als potenzielle Substrate von HDACs beschrieben, was die Komplexität der Regulation durch posttranslationale Modifikationen verdeutlicht. Die Acetylierung von Lysinen an Proteinen hat wahrscheinlich eine ähnliche Bedeutung, wie die Phosphorylierung proteingebundener Serine und Threonine durch Kinasen. Für die Entwicklung neuer Wirkstoffe, welche sich gegen HDACs richten, ist es daher entscheidend in diese Mechanismen eingreifen zu können. Ein besseres Verständnis über die molekularen Grundlagen der Regulation und Aufbau von HDACs ist daher essenziell und bietet eine große Chance bei der Behandlung verschiedener Krankheitstypen. Die meisten gegen HDACs gerichteten Inhibitoren, wie zum Beispiel Vorinostat, Panobinostat und Belinostat verfügen über eine Zink-komplexierende Kopfgruppe, einen hydrophoben, linearen Linker und eine abschließende, variable, Cap-Region. Aufgrund der hohen Konservierung des Aktivzentrums von HDACs verfügen diese kompetitiven Inhibitoren in der Regel über keine nennenswerte Selektivität unter den Isoformen. Um Nebenwirkungen, hervorgerufen durch unerwünschte off-target Effekte, zu vermeiden, ist es erstrebenswert sich der Thematik der Entwicklung spezifischer Inhibitoren anzunehmen und Mechanismen zu identifizieren, welche dies ermöglichen. Erste HDAC8 spezifische Inhibitoren wie PCI-34051 wurden bereits entwickelt. Dennoch stellt die gezielte Hemmung einzelner HDACs innerhalb ihrer strukturverwandten Isoenzyme Wissenschaftler vor große Herausforderungen. Die Manipulation und Ausnutzung Isoenzym-spezifischer Regulationsmechanismen, wie das Adressieren von Inhibitoren an allosterisch regulative Regionen, stellt daher einen vielversprechenden Ansatz für die Hemmung der Enzymaktivität und Funktion von HDAC8 dar. Die Ergebnisse dieser Doktorarbeit sind im kumulativen Teil aufgeführt und näher erörtert. Dieser Teil setzt sich aus dreizehn in begutachteten Zeitschriften veröffentlichten Artikeln zusammen, welche in vier Unterkapitel gegliedert sind. Das erste Unterkapitel befasst sich mit der Entdeckung und Aufklärung der cysteinabhängigen Redoxregulation von HDAC8 und der Nutzung dieser Mechanismen für die Entwicklung zielgerichteter kovalenter Inaktivatoren. Genauer wurde mittels Methoden der Redoxbiologie festgestellt, dass die Enzymaktivität von HDAC8 durch eine Disulfidbrücke zwischen Cys102 und Cys153 reguliert wird. Diese Disulfidbrücke kann sowohl durch die Zugabe von Wasserstoffperoxid als auch durch redox-aktive, kleine Moleküle induziert werden. Im besten Fall nähern sich solche Wirkstoffe in einem vorgelagerten nicht-kovalenten Gleichgewicht den redox-aktiven Cysteinen an, um dann in einem zweiten Schritt die kovalente Verbrückung zu induzieren. Einem solchen Wirkstoff mit dem Namen PD-404,182, welcher aus einer Wirkstofffindungs-Kampagne entstammt, widmen sich zwei Publikationen innerhalb des ersten Kapitels des kumulativen Teils dieser Dissertation. Dort wird der genaue Mechanismus der Interkation und die daraus hervorgehenden Erkenntnisse genauer beschrieben. Neben der gefundenen Disulfidbrücke zwischen Cys102 und Cys153 wird zusätzlich beschrieben, dass HDAC8 durch drei weitere Disulfidbrücken, nämlich zwischen Cys244 und Cys287, Cys275 und Cys352 sowie zwischen Cys125 und Cys131, reguliert werden kann. Somit wird verdeutlicht, dass HDAC8 über ein unter den humanen Histondeacetylasen einzigartiges Muster an regulativen Disulfidbrücken verfügt. Diese Erkenntnisse dienen im weiteren als Grundlage für die Findung und Entwicklung erster kovalenter Inaktivatoren von HDAC8. Mittels einer Kampagne für die Findung gegen Cystein gerichteter kovalenter Wirkstoffe konnten erste Fragmente identifiziert werden. Diese Ergebnisse sind in den beiden letzten Publikationen des ersten Kapitels zusammengefasst. Somit beschreibt das erste Kapitel dieser Dissertation eine vielversprechende Strategie für die Entwicklung HDAC8 selektiver Inhibitoren, durch die Ausnutzung von spezifischen, cysteinabhängigen Regulationsmechanismen. Probleme, die bei der Entwicklung von Inhibitoren normalerweise durch die stark konservierte Bindetasche von HDACs auftreten, werden durch die Ausnutzung solcher spezifischer Regulationsmechanismen umgangen. Jedoch sei nicht zu vergessen, dass die Entwicklung zielgerichteter kovalenter Inaktivatoren Wissenschaftler vor andere, nicht zu unterschätzende Herausforderungen stellt. Eine davon ist die genaue Abwägung der Reaktivität. Es besteht ein schmaler Grat zwischen der gezielten kovalenten Modifikation spezifischer Cysteine auf Proteinen und einer unspezifischen Reaktion, mit jedem zur Verfügung stehenden Cystein. Das zweite Kapitel des kumulativen Teils greift die Entdeckung des Disulfidbrücken-induzierenden Inhibitors PD-404,182 auf und beschreibt die Weiterentwicklung dieses Wirkstoffes in Richtung unreaktiver Moleküle, um die molekulare Erkennung der reversiblen Interaktion im Aktivzentrum in den Vordergrund zu rücken. Dieses Vorgehen dient dazu, eine Alternative zu den gängigen Zink-komplexierenden kompetitiven Inhibitoren zu entwickeln. Bei PD-404,182 handelt es sich um ein zyklisches Benzothiazinimin, welches nach Annäherung an ein Cystein ein gemischtes Disulfid, unter Ringöffnung, eingeht. Im folgenden Schritt wird im Rahmen einer Substitutionsreaktion mit einem weiteren, proteingebundenen Cystein die Formierung einer intermolekularen Disulfidbrücke eingeleitet. Durch Substitution des Imin Stickstoffes innerhalb von PD-404,182 gegen einen Schwefel hin zum Thion gelingt es, die Reaktion gegenüber Cystein zu unterdrücken, was in einer Fülle an verschiedenen Derivaten mit hoher Potenz und Spezifität gegen HDAC8 resultiert. Diese Strukturen entfalten ihre inhibitorische Wirkung allein durch die molekulare Erkennung am Aktivzentrum durch Verdrängung des Substrates. Durch eine Kooperation mit Ina Oehme vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg wurde zusätzlich gezeigt, dass diese Molekülklasse vergleichbare inhibitorische Aktivität auf das Wachstum von Zellkulturen ausübt, wie der selektive Referenzinhibitor PCI-34051. Somit wurde eine von PD-404,182 abgeleitete zweite Generation an Inhibitoren geschaffen, welche über eine völlig neuartige Zink-komplexierende Funktion verfügen. Neben den in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Meyer-Almes entwickelten Inhibitoren wurden auch Moleküle mit gleicher Funktionalität im Rahmen einer Kooperation mit Xuefeng Jiang von der East China Normal University (ECNU) auf inhibitorische Wirkung gegenüber HDAC8 getestet. Dabei wurden nicht nur vielversprechende neue Leitstrukturen identifiziert, sondern auch ein Ansatz für eine schnellere, einfachere und vor allem nachhaltigere Synthese dieser Wirkstoffgruppe publiziert. Somit wurde, ausgehend von den anfänglichen Entdeckungen, eine bisher unbeschriebene Klasse an HDAC8 Inhibitoren entwickelt. Diese könnten zukünftig als Alternative zu den gängigen Zink-komplexierenden HDAC-Inhibitoren fungieren und können schnell und nachhaltig synthetisiert werden. Von einer möglichen Alternative zu gängigen HDAC-Inhibitoren handelt das dritte Unterkapitel des kumulativen Teils dieser Doktorarbeit. Im Rahmen einer Kooperation mit C. S. Ramaa dvom Bharati Vidyapeeth´s College of Pharmacy wird bereits bekannten und seit Jahrzehnten erforschten Molekülen eine neue Rolle als HDAC8 Inhibitoren zugeschrieben. Bei diesen Wirkstoffen handelt es sich um Derivate von Thiazolidindionen, welche einst als potenzielle Antidiabetika Erwähnung in verschiedenen Publikationen fanden. Aufgrund von Langzeitnebenwirkungen sank das kommerzielle Interesse an dieser Wirkstoffklasse wieder. Jedoch wurde herausgefunden, dass die untersuchten Thiazolidindione eine starke strukturelle Ähnlichkeit zu HDAC-Inhibitoren aufweisen. Im Grunde verfügen diese über eine Zink-komplexierende Gruppe, einen hydrophoben Linker und eine variable Cap-Region, welche die Bindetasche am Enzym verschließt. Durch den Kooperationspartner wurden mehrere hundert Strukturen mit der funktionellen Thiazolidindion Gruppe breitgestellt und im Rahmen dieser Dissertation auf inhibitorische Wirkung gegen HDAC8 getestet. Daraus ergaben sich mehrere strukturelle Untergruppen mit IC50 Werten im Bereich von 1 – 50 μM. Die identifizierten Wirkstoffe wurden anschließend auf Isoenzymselektivität gegen andere HDACs getestet und die thermodynamische Stabilisierung von HDAC8 durch die Wirkstoffbindung untersucht. Die hervorgehenden Publikationen wurden durch molekulares Docking und Testung der Wirkung auf Zellkulturmodelle vervollständigt. Aus dieser Kooperation gingen zwei Publikationen hervor, welche eine bislang völlig neue Leistruktur für die Entwicklung möglicher HDAC8 Inhibitoren identifizieren und somit die Grundlage für weitere Optimierung dieser Wirkstoffe schaffen. Das letzte Kapitel des kumulativen Teils der vorliegenden Dissertation fasst vier Publikationen zusammen, welche keinem der vorherigen Kapitel zuzuordnen sind, jedoch auch der Überthematik der Wirkstoffentwicklung gegen HDACs angehören. Zwei davon entschlüsseln näher die Wichtigkeit einer transienten Bindetasche in HDAC8. Diese ist direkt neben dem Aktivzentrum gelegen und wird durch Bindung von spezifischen Inhibitoren ausgebildet. In der ersten Publikation wurde ein Inhibitor beschrieben, welcher durch die zusätzliche Bindung in dieser Nebentasche über eine außerordentlich hohe Verweilzeit auf dem Enzym verfügt. Die zweite befasst sich mit der Rolle von Met274 und der Wichtigkeit dieser Aminosäure bei der Bindung selektiver HDAC8 Inhibitoren. Zusätzlich ist eine Publikation entstanden, welche eine weitere Untergruppe der zuvor erwähnten Thiazolidindione als HDAC4 Inhibitoren näher beschreibt. Der Fokus bei dieser Publikation liegt auf dem empirischen Austausch verschiedener Aminosäuren innerhalb der Binderegion der Inhibitoren an HDAC4 und der Untersuchung, welche Aminosäuren für die Interaktion von entscheidender Rolle sind. Zuletzt ist innerhalb des letzten Kapitels des kumulativen Teils eine Publikation zur Anwendung von statistischer Versuchsplanung im Rahmen einer Lehrveranstaltung entstanden. In dieser Publikation wird beschrieben, wie sich die Michealis-Menten Theorie und die der kompetitiven Hemmung durch statistische Versuchsplanung in ein studentisches Lehrpraktikum integrieren lassen. Neben den publizierten Fachaufsätzen wurden Teile dieser Arbeit an zwei internationalen Fachkonferenzen im Rahmen von Posterbeiträgen präsentiert. Somit leistet die vorliegende Arbeit einen großen Beitrag für die Entwicklung neuer HDAC8-spezifischer Inhibitoren. Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit ist es, Alternativen zu aktuellen Bemühungen zu identifizieren, welche sich zukünftig zu ausgereiften Inhibitoren entwickeln könnten. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Status: | Verlagsversion | ||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-244343 | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 540 Chemie | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 07 Fachbereich Chemie 07 Fachbereich Chemie > Clemens-Schöpf-Institut > Fachgebiet Biochemie |
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Hinterlegungsdatum: | 11 Okt 2023 07:34 | ||||
Letzte Änderung: | 12 Okt 2023 05:23 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Kolmar, Prof. Dr. Harald ; Meyer-Almes, Prof. Dr. Franz-Josef ; Sippl, Prof. Dr. Wolfgang | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 10 Juli 2023 | ||||
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