TU Darmstadt / ULB / TUbiblio

Flexibles Rollsicken - Ein analytisches Modell zur Auslegung faltenfreier Profile mit höhenveränderlichem Querschnitt

Wang, Tianbo (2023)
Flexibles Rollsicken - Ein analytisches Modell zur Auslegung faltenfreier Profile mit höhenveränderlichem Querschnitt.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00023040
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Die Entwicklung der industriellen Produktionslandschaft geht Hand in Hand mit dem gesellschaftlichen und ökologischen Wandel, der gleichsam die wirtschaftliche und politische Lage bestimmt. Abrupte Veränderungen der Marktnachfrage stellen Konsumguthersteller vor neue Herausforderungen. Das Resultat sind kürzer werdende Produktlebenszyklen, wodurch Produkte mit höherer Qualität und geringeren Kosten sowie schnelle Reaktionsgeschwindigkeiten bei Marktschwankungen maßgebliche Wettbewerbsvorteile darstellen. Dadurch sehen sich Unternehmen mit den Herausforderungen der daraus entstehenden Produktvarianz und dem Kostendruck konfrontiert. Dieser Trend wird durch den Wandel von der konventionellen Massenproduktion hin zur seriellen Maßanfertigung verkörpert. Der Bedarf an kundenspezifischen Sonderbauteilen in gleichzeitig geringeren Losgrößen motiviert die Neu- und Weiterentwicklung von Fertigungstechnologien zur Erhöhung der Produktionsflexibilität. Zusätzlich bringt das steigende ökologische Bewusstsein politische Klimaziele mit der Forderung nach Ressourcenschonung und Energieeinsparung mit sich. Der Industriesektor trägt als Verursacher von etwa 55% des weltweiten Energiebedarfs und 35% der globalen CO2-Emissionen, von denen 25% der Stahlproduktion und -verarbeitung zuzuordnen sind, eine besondere Verantwortung. Weltweit werden etwa 8-10% der Stahlproduktion zu Kaltprofilen verarbeitet, weshalb eine Reduzierung des Materialeinsatzes in der Profilbauweise einen bedeutenden Mehrwert für die Umwelt bietet. Einen Ansatz liefert der Konstruktionsleichtbau durch den Einsatz lastorientierter Bauteile mit effizienter Materialausnutzung. In der Umformtechnik, genauer in der Profilherstellung, kann die belastungs- angepasste Bauteilgestaltung durch veränderliche Materialdicken, Querschnittsformen und Querschnittsverläufe erreicht werden. Die Realisierung einer solchen Geometrievariabilität erfordert flexible Produktionstechnologien. Mit dem flexiblen Rollsicken wurde am Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) ein neuartiges Verfahren entwickelt, wodurch die Fertigung offener Profile mit konfigurierbarem, höhen- veränderlichem Querschnittverlauf ermöglicht wird. Die veränderliche Querschnittshöhe kann an anwendungsspezifische Lastfälle individuell adaptiert werden. Dabei ist kein Werkzeugaustausch sondern nur die Anpassung der Werkzeugkinematik erforderlich, wodurch Produktwechsel keinen zusätzlichen Rüstaufwand und Produktionsstillstand mit sich bringen. Limitiert wird das flexible Verfahren durch seine Prozessgrenze, die sich bei Überschreiten in Form von Falten in der Bandkante des Profils äußert. Numerische und experimentelle Untersuchungen zeigen, dass die Ursache in prozessbedingten Drucklängsspannungen in der Bandkante liegt. Die Höhe der maximalen Drucklängsspannung bestimmt die Verortung des Prozesszustands innerhalb oder außerhalb des Verfahrensfensters. Numerische Sensitivitätsanalysen demonstrieren, dass der vorliegende Druckspannungszustand von geometrischen Einflussgrößen des Zielprofils abhängt. Eine Prozess- oder Produktauslegung auf Basis numerischer oder experimenteller Untersuchungen geht mit hohem Aufwand einher und ist somit bei häufigen Produktwechseln und erhöhtem Zeit- und Kostendruck nicht praktikabel. Ein adäquates analytisches Ersatzmodell stellt einen effizienten und zielführenden Ansatz dar, um die Umformmechanismen des flexiblen Rollsickens durch Abstraktionen zu antizipieren. Das vorgestellte Biegebalken-Modell liefert eine robuste Methode zur Vorhersage der Druckspannungen in der Bandkante in Abhängigkeit von allen relevanten geometrischen Einflussparametern. Durch die Gegenüberstellung mit der materialspezifischen, kritischen Spannungsgrenze kann eine Aussage über die Existenz von Falten getroffen werden. Numerische Untersuchungen verifizieren übereinstimmende Parametersensitivitäten in der FEM und im analytischen Modell. Das analytische Ersatzmodell wird anhand verschiedener Profilgeometrien, Blechwerkstoffe und Blechdicken validiert. Schließlich wird der Einsatz des Modells in der praxisorientierten Produktauslegung anhand einer applikationsnahen Fahrzeugkomponente veranschaulicht. Die exemplarische Anwendung demonstriert die hohe Prognosegenauigkeit und Effizienz des Modells und führt zur Realisierung eines prototypischen PKW-Seitenaufprallträgers.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2023
Autor(en): Wang, Tianbo
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Flexibles Rollsicken - Ein analytisches Modell zur Auslegung faltenfreier Profile mit höhenveränderlichem Querschnitt
Sprache: Deutsch
Referenten: Groche, Prof. Dr. Peter ; Weigold, Prof. Dr. Matthias
Publikationsjahr: 2023
Ort: Darmstadt
Kollation: VIII, 155 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 19 April 2022
DOI: 10.26083/tuprints-00023040
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/23040
Kurzbeschreibung (Abstract):

Die Entwicklung der industriellen Produktionslandschaft geht Hand in Hand mit dem gesellschaftlichen und ökologischen Wandel, der gleichsam die wirtschaftliche und politische Lage bestimmt. Abrupte Veränderungen der Marktnachfrage stellen Konsumguthersteller vor neue Herausforderungen. Das Resultat sind kürzer werdende Produktlebenszyklen, wodurch Produkte mit höherer Qualität und geringeren Kosten sowie schnelle Reaktionsgeschwindigkeiten bei Marktschwankungen maßgebliche Wettbewerbsvorteile darstellen. Dadurch sehen sich Unternehmen mit den Herausforderungen der daraus entstehenden Produktvarianz und dem Kostendruck konfrontiert. Dieser Trend wird durch den Wandel von der konventionellen Massenproduktion hin zur seriellen Maßanfertigung verkörpert. Der Bedarf an kundenspezifischen Sonderbauteilen in gleichzeitig geringeren Losgrößen motiviert die Neu- und Weiterentwicklung von Fertigungstechnologien zur Erhöhung der Produktionsflexibilität. Zusätzlich bringt das steigende ökologische Bewusstsein politische Klimaziele mit der Forderung nach Ressourcenschonung und Energieeinsparung mit sich. Der Industriesektor trägt als Verursacher von etwa 55% des weltweiten Energiebedarfs und 35% der globalen CO2-Emissionen, von denen 25% der Stahlproduktion und -verarbeitung zuzuordnen sind, eine besondere Verantwortung. Weltweit werden etwa 8-10% der Stahlproduktion zu Kaltprofilen verarbeitet, weshalb eine Reduzierung des Materialeinsatzes in der Profilbauweise einen bedeutenden Mehrwert für die Umwelt bietet. Einen Ansatz liefert der Konstruktionsleichtbau durch den Einsatz lastorientierter Bauteile mit effizienter Materialausnutzung. In der Umformtechnik, genauer in der Profilherstellung, kann die belastungs- angepasste Bauteilgestaltung durch veränderliche Materialdicken, Querschnittsformen und Querschnittsverläufe erreicht werden. Die Realisierung einer solchen Geometrievariabilität erfordert flexible Produktionstechnologien. Mit dem flexiblen Rollsicken wurde am Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) ein neuartiges Verfahren entwickelt, wodurch die Fertigung offener Profile mit konfigurierbarem, höhen- veränderlichem Querschnittverlauf ermöglicht wird. Die veränderliche Querschnittshöhe kann an anwendungsspezifische Lastfälle individuell adaptiert werden. Dabei ist kein Werkzeugaustausch sondern nur die Anpassung der Werkzeugkinematik erforderlich, wodurch Produktwechsel keinen zusätzlichen Rüstaufwand und Produktionsstillstand mit sich bringen. Limitiert wird das flexible Verfahren durch seine Prozessgrenze, die sich bei Überschreiten in Form von Falten in der Bandkante des Profils äußert. Numerische und experimentelle Untersuchungen zeigen, dass die Ursache in prozessbedingten Drucklängsspannungen in der Bandkante liegt. Die Höhe der maximalen Drucklängsspannung bestimmt die Verortung des Prozesszustands innerhalb oder außerhalb des Verfahrensfensters. Numerische Sensitivitätsanalysen demonstrieren, dass der vorliegende Druckspannungszustand von geometrischen Einflussgrößen des Zielprofils abhängt. Eine Prozess- oder Produktauslegung auf Basis numerischer oder experimenteller Untersuchungen geht mit hohem Aufwand einher und ist somit bei häufigen Produktwechseln und erhöhtem Zeit- und Kostendruck nicht praktikabel. Ein adäquates analytisches Ersatzmodell stellt einen effizienten und zielführenden Ansatz dar, um die Umformmechanismen des flexiblen Rollsickens durch Abstraktionen zu antizipieren. Das vorgestellte Biegebalken-Modell liefert eine robuste Methode zur Vorhersage der Druckspannungen in der Bandkante in Abhängigkeit von allen relevanten geometrischen Einflussparametern. Durch die Gegenüberstellung mit der materialspezifischen, kritischen Spannungsgrenze kann eine Aussage über die Existenz von Falten getroffen werden. Numerische Untersuchungen verifizieren übereinstimmende Parametersensitivitäten in der FEM und im analytischen Modell. Das analytische Ersatzmodell wird anhand verschiedener Profilgeometrien, Blechwerkstoffe und Blechdicken validiert. Schließlich wird der Einsatz des Modells in der praxisorientierten Produktauslegung anhand einer applikationsnahen Fahrzeugkomponente veranschaulicht. Die exemplarische Anwendung demonstriert die hohe Prognosegenauigkeit und Effizienz des Modells und führt zur Realisierung eines prototypischen PKW-Seitenaufprallträgers.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The development of the industrial production landscape goes hand in hand with social and ecological change, which equally determines the economic and political situation. Abrupt changes in market demand pose new challenges for consumer goods manufacturers. As a result, product life cycles are becoming shorter, which means that products with higher quality and lower costs, as well as fast response times to market fluctuations, represent significant competitive advantages. As a result, companies are confronted with the challenges of the resulting product variance and cost pressure. This trend is embodied by the shift from conventional mass production to mass customization. The need for customized special components in simultaneously smaller batch sizes motivates the new and further development of manufacturing technologies to increase production flexibility. In addition, rising ecological awareness brings political climate targets with demands for resource conservation and energy savings with it. The industrial sector bears a particular responsibility as the source of around 55% of global energy demand and 35% of global CO2 emissions, 25% of which are attributable to steel production and processing. Around 8-10% of steel production worldwide is processed into cold-rolled profiles, which is why reducing the amount of material used in profile construction offers significant benefits for the environment. One approach is provided by lightweight design through the use of load-oriented components with efficient material utilization. In forming technology, or more precisely in profile manufacture, load-adapted component design can be achieved by varying material thicknesses and cross-sectional shapes. The realization of such geometry variability requires flexible production technologies. With flexible roller beading, a novel process has been developed at the Institute of Production Technology and Forming Machines (PtU), enabling the production of open profiles with configurable, height-variable cross-section shapes. The variable cross-section height can be individually adapted to application-specific load cases. Instead of tool exchange only adaptation of the tool motion curves is required, so that product changes do not entail any additional setup effort or production downtime. The flexible process is limited by its process limit, which, when exceeded, expresses itself in the form of sheet wrinkling in the outer edge of the profile. Numerical and experimental investigations show that the cause lies in process-related longitudinal compressive stresses in the profile edge. The level of the maximum longitudinal compressive stress determines the location of the process condition inside or outside the process window. Numerical sensitivity analyses demonstrate that the existing compressive stress state depends on geometrical influencing variables of the target profile. A process or product design based on numerical or experimental investigations is associated with a high effort and is therefore not practicable in case of frequent product changes and increased time and cost pressure. An adequate analytical model represents an efficient and target-oriented approach to anticipate the forming mechanisms of flexible roller beading by abstractions. The presented bending beam model provides a robust method for predicting the compressive stresses in the profile edge as a function of all relevant geometric influence parameters. By comparison with the material-specific critical stress limit, a statement on the existence of sheet wrinkling can be made. Numerical investigations verify matching parameter sensitivities in FEM simulations and the analytical model. The analytical model is validated using different profile geometries, sheet materials and sheet thicknesses. Finally, the use of the model in practice-oriented product design is illustrated using a vehicle component close to the application. The exemplary application demonstrates the high prediction accuracy and efficiency of the model and leads to the realization of a prototypical passenger car side impact beam.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-230408
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU)
Hinterlegungsdatum: 13 Jan 2023 13:09
Letzte Änderung: 16 Jan 2023 06:57
PPN:
Referenten: Groche, Prof. Dr. Peter ; Weigold, Prof. Dr. Matthias
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 19 April 2022
Export:
Suche nach Titel in: TUfind oder in Google
Frage zum Eintrag Frage zum Eintrag

Optionen (nur für Redakteure)
Redaktionelle Details anzeigen Redaktionelle Details anzeigen