Das Potenzial des Maschinellen Lernens (ML) und darauf basierender Systeme ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Die Fähigkeit von ML-Systemen, aus großen Mengen an Daten schnell und systematisch Zusammenhänge zu erlernen, die zur Analyse neuer Daten genutzt werden können, um aussagekräftige Vorhersagen zu treffen, ermöglicht es Organisationen aller Branchen, ihre Prozesse effektiver und effizienter zu gestalten. Insbesondere das Gesundheitswesen könnte zukünftig stark von ML-Systemen profitieren, da die Fähigkeiten dieser Systeme dazu beitragen könnten, trotz vieler dringlicher Problemstellungen wie dem akuten Fachkräftemangel eine angemessene Versorgung von Patienten sicherzustellen (z. B. durch Diagnoseunterstützung). Allerdings scheitern viele Organisationen derzeit noch daran, das Potenzial von ML-Systemen für sich zu nutzen, da die Einführung dieser Systeme keine triviale Aufgabe darstellt. Vielmehr erfordert die Integration von ML-Systemen, dass die Organisation neuartige, vielschichtige Anforderungen identifiziert und erfüllt, die von früheren konventionellen Technologien nicht bekannt waren. Dies liegt vorwiegend daran, dass ML-Systeme spezifische Merkmale aufweisen. Insbesondere besitzen ML-Systeme aufgrund ihres datenbasierten Lernansatzes probabilistische Eigenschaften, sodass ihre Anwendung zu fehlerhaften Ergebnissen führen kann und ihre Funktionsweise oftmals intransparent ist. Gerade im Gesundheitswesen, in dem das Leben der Patienten von der korrekten Diagnostik und Behandlung abhängt, führen diese Merkmale dazu, dass ML-Systeme nicht nur hilfreich sind, sondern – falsch eingeführt – auch schwerwiegende negative Konsequenzen nach sich ziehen können. Da die bestehende Forschung zur Einführung konventioneller Technologien die charakteristischen Eigenschaften von ML-Systemen bislang nicht berücksichtigt, ist das Ziel dieser Dissertation, die komplexen Anforderungen an eine erfolgreiche Adoption von ML-Systemen in Organisationen besser zu verstehen, um die Potenziale dieser Systeme nachhaltig heben zu können. Die drei qualitativen, zwei experimentellen und eine Simulationsstudie, die in dieser kumulativen Dissertation enthaltenen sind, wurden in von Fachexperten begutachteten Fachzeitschriften und Konferenzberichten veröffentlicht und gliedern sich in drei verschiedene Teilbereiche: Im ersten Teil dieser Arbeit werden die Triebkräfte und Hemmnisse für die Adoption von ML-Systemen in Organisationen im Allgemeinen und in Gesundheitsorganisationen im Spezifischen identifiziert. Auf Grundlage einer Interviewstudie mit 14 Experten aus unterschiedlichen Branchen wird eine integrative Gesamtübersicht der Einflussfaktoren erstellt, die nach technischen, organisatorischen und umweltbezogenen Aspekten gegliedert ist. Darüber hinaus zeigen die Interviews mehrere Problembereiche auf, in denen die Vorstellungen von Anbieter- und Nutzerorganisationen von ML-Systemen voneinander abweichen, was zu einer fehlerhaften Konzeption von ML-Systemen und somit zu einer verzögerten Einführung führen kann. Zusätzlich werden auf der Grundlage von 22 Experteninterviews mit Ärzten, die über ML-Fachwissen verfügen, und Anbietern von diagnostischen Technologien spezifische Faktoren für das Gesundheitswesen abgeleitet, die die Einführung von ML-Systemen beeinflussen. Diese werden in einem weiteren Schritt herangezogen, um ein operationalisiertes Reifegradmodell zu entwickeln, welches erlaubt, den Status Quo im Einführungsprozess von ML-Systemen in Organisationen des Gesundheitswesens zu analysieren. Wie die Voraussetzungen für die organisationale Adoption von ML-Systemen erfüllt werden können, wird im zweiten Teil dieser Dissertation behandelt. Zunächst wird das Konzept der Datenspende als potenzieller Mechanismus für Organisationen, insbesondere im Gesundheitswesen, vorgestellt, um eine valide Datenbasis zu erhalten. Im Einzelnen werden das Spendenverhalten von Individuen, darauf wirkende Einflussfaktoren wie Datenschutzrisiken und Vertrauen, sowie die Bedeutung verschiedener emotionaler Zustände für die Spende auf der Grundlage einer experimentellen Studie unter 445 Internetnutzern untersucht. Anschließend wird ein Design für eine transparentere Gestaltung von ML-Systemen präsentiert und anhand eines Fragebogens und eines Experiments unter 223 Internetnutzern evaluiert. Hierbei wird hervorgehoben, welche Relevanz die Transparenz für das Vertrauen potenzieller Nutzer hat und welche Zahlungsbereitschaft für transparente Designs daraus entsteht. Mithilfe einer qualitativen Studie wird zudem gezeigt, was potenzielle Nutzer und insbesondere ältere Menschen dazu bewegt, gesundheitsbezogene ML-Systeme zu akzeptieren. Der dritte Teil dieser Arbeit umfasst eine Simulationsstudie, welche die möglichen Auswirkungen einer Adoption von ML-Systemen für das organisationale Lernen darlegt. Die Ergebnisse legen nahe, dass Mitarbeiter einer Organisation durch den Einsatz von ML-Systemen in ihren Lernanstrengungen entlastet werden können, die Systeme aber regelmäßig gewartet werden müssen. Dies gilt insbesondere im Falle von schnellen Umweltveränderungen, wie sie z.B. durch die COVID-19-Pandemie verursacht werden. Zusammengefasst nimmt diese Dissertation eine sozio-technische Perspektive ein, um die Adoption von ML-Systemen in Organisationen zu beleuchten. Sie hilft Organisationen, das komplexe Zusammenspiel aus technischen, organisatorischen und menschlichen Aspekten sowie Umweltfaktoren besser zu verstehen, die für die erfolgreiche Einführung von ML-Systemen ausschlaggebend sind, und somit ihre knappen Ressourcen gezielter einzusetzen. Darüber hinaus ermöglicht diese Arbeit Forschern, die Spezifika von ML-Systemen besser zu erfassen, die erforderlichen Anpassungen der theoretischen Grundlagen vorzunehmen und ihr Verständnis für die kontextuellen Faktoren zu schärfen, die bei der Adoption von ML-Systemen in Organisationen eine Rolle spielen.