Reuhl, Melanie (2022)
Untersuchung der Dynamik wasserstoffbrückenbildender Flüssigkeiten in eingeschränkten Geometrien.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00020856
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion
Kurzbeschreibung (Abstract)
Aufgrund der hohen biologischen und technologischen Relevanz ist es von grundlegender Bedeutung Effekte durch geometrische Einschlüsse, sogenannte Confinements, auf wasserstoffbrückenbildende Flüssigkeiten zu verstehen. Bisherige Untersuchungen, welche sich besonders auf die Analyse der Wasserdynamik fokussiert haben, zeigten einige wiederkehrende Confinementeffekte. Dazu gehören die Unterdrückung der Kristallisation sowie veränderte Glasübergangstemperaturen und eine heterogenere, verlangsamte Flüssigkeitsdynamik. Dennoch ist nicht vollständig verstanden, ob die Wasseranomalien das Verhalten in geometrischen Einschränkungen beeinflussen und weitere mögliche Confinementeffekte überdecken. Neben Wasser eignen sich starke Glasbildner wie Glyzerin oder wässrige Mischungen aufgrund des über einen weiten Temperaturbereich möglichen Vergleichs der Bulkdynamik mit der Flüssigkeitsdynamik in den geometrischen Einschränkungen besonders zur Identifikation der Confinementeffekte. Allerdings könnten gute Glasbildner durch das Confinement grundlegend anders beeinflusst werden als gefrierfreudigere Systeme wie Wasser oder der zweiwertige Alkohol Ethylenglykol (EG), welcher im Gegensatz zu Wasser kein anomales Verhalten aufzeigt. Aus diesen Gründen wurde in der vorliegenden Arbeit die Dynamik der wasserstoffbrückenbildenden Flüssigkeiten EG und Glyzerin sowie wässriger EG- und Dimethylsulfoxid(DMSO)-Mischungen in geometrischen Einschränkungen mittels Kernspinresonanz(NMR)- und breitbandiger dielektrischer Spektroskopie (BDS) sowie Differenzkalorimetrie (DSC) untersucht. Durch den Vergleich der verschiedenen Flüssigkeiten und wässrigen Mischungen wurden universelle Confinementeffekte identifiziert. Zunächst wurde der Einfluss des Einschlusses von wasserstoffbrückenbildenden Flüssigkeiten in nanoporöses Silikamaterial auf die Dynamik der Moleküle in der vorliegenden Arbeit über mehrere Größenordnungen ermittelt. Um eine wohldefinierte Geometrie der harten geometrischen Einschränkungen zu gewährleisten und den Einfluss der Confinementgröße zu untersuchen, eignen sich besonders MCM-41- und SBA-15-Silikaporen mit ihrer wohldefinierten zylindrischen Porengeometrie und den variablen Porenradien im Nanometerbereich. Durch den Vergleich mit der entsprechenden Bulkdynamik konnte systemübergreifend eine Verlangsamung und gestiegene Heterogenität der Flüssigkeitsdynamik in den Silikaporen nachgewiesen werden. Diese Confinementeffekte waren für die verschiedenen Flüssigkeiten und Porendurchmesser unterschiedlich stark ausgeprägt. Für alle untersuchten Systeme zeigte sich in den dielektrischen Spektren neben der strukturellen alpha-Relaxation ein zweiter, um etwa eine Größenordnung verlangsamter Flüssigkeitsanteil, welcher mit dem Kern-Schale-Modell einer dynamisch langsameren, wandadsorbierten Schicht zugeordnet wurde. Für reines EG und die wässrigen Mischungen zeigten sich darüber hinaus viele weitere Gemeinsamkeiten wie eine Bimodalität in den 2H-Magnetisierungsaufbaukurven, die durch eine zusätzliche gefrorene Komponente im Poreninneren hervorgerufen wird. Darauf deuten diverse Beobachtungen hin, beispielsweise eine von der Molekülgröße abhängige Porengröße und Temperatur ober- bzw. unterhalb derer diese Bimodalität auftritt. Der Einfluss durch den Einschluss in die Silikaporen auf die Translationsdynamik der Flüssigkeitsmoleküle war deutlich stärker als der auf die Rotationsdynamik. Für die EG-Moleküle im reinen System und in der Wassermischung entkoppelten die beiden Dynamiken in den Poren unabhängig von den Porendurchmessern nicht, im Gegensatz zu reinem Wasser und wässrigem DMSO. Der für Wasser typische beta-Prozess konnte auch bei beiden wässrigen Mischungen in den Silikaporen nachgewiesen werden. Weitere Analysen zeigten, dass nicht nur die Wassermoleküle sondern beide Mischungspartner an dieser Sekundärrelaxation beteiligt sind. Neben den starren Silikaporen wurden auch weiche Confinements mit einer höheren potentiellen Mobilität der konstituierenden Teilchen untersucht. Hierbei wurden das verzweigte, hydrophile Polysaccharid Ficoll, das globuläre Protein Lysozym sowie das Faserprotein Elastin als weiche geometrische Beschränkungen verwendet. Der deutliche Einfluss des Einschlusses in die Protein- und Ficollmatrizen offenbarte sich vor allem durch eine starke Verlangsamung der Flüssigkeitsmoleküle, die mit sinkendem Lösungsmittelgehalt weiter ansteigt, zunehmender Heterogenität der Lösungsmitteldynamik sowie einer Unterdrückung möglicher Gefrierprozesse. Diese Confinementeffekte waren für die Protein- und Ficollsysteme bei konstantem molaren Verhältnis von Flüssigkeit und Makromolekül unabhängig von der Zusammensetzung des Lösungsmittels und unterschieden sich für die untersuchten Proteine nicht voneinander. Bei den wässrigen Mischungen im Bulk hatte das Additiv einen starken Einfluss auf die Flüssigkeitsdynamik. Diese Effekte waren in den Protein- und Ficollsystemen durch die dominanten Wechselwirkungen zwischen Lösungsmittel- und Makromolekülen deutlich gemindert. Eine zweite Relaxationskomponente in den 2H-Magnetisierungsaufbaukurven wies für alle Flüssigkeiten in den Protein- und Ficollmatrizen ähnliche Eigenschaften auf und wurde der Makromolekülrelaxation zugeordnet. Die Bimodalität der Aufbaukurven wurde in den Ficollsystemen bei hohen Temperaturen durch den chemischen Austausch der Deuteronen, welcher auf der experimentellen Zeitskala lag, verhindert. Zusätzlich konnte durch den Vergleich zwischen BDS- und NMR-Analysen gezeigt werden, dass es sich bei den langsameren BDS-Prozessen, welche der Proteindynamik zugeordnet wurden, nicht um alpha-Relaxationen sondern vielmehr um lokale kleinwinklige Bewegungen handelt. Erweiternde NMR-Messungen bestätigten einen starken Einfluss des Ficolls auf die Wasserdiffusion, welche deutlich verlangsamt, sowie eine Entkopplung der Translations- und Rotationsdynamik. Somit zeigen alle Untersuchungen der vorliegenden Arbeit übereinstimmend eine Verlangsamung und gestiegene Heterogenität der Flüssigkeitsdynamik im Einschluss der starren Silikaporen und der weichen Makromolekülmatrizen. Während diese Effekte in ersteren stark von der verwendeten Flüssigkeit abhingen, waren sie in letzteren stärker ausgeprägt und unabhängig von der Wahl des Lösungsmittels.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2022 | ||||
Autor(en): | Reuhl, Melanie | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | Untersuchung der Dynamik wasserstoffbrückenbildender Flüssigkeiten in eingeschränkten Geometrien | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Vogel, Prof. Dr. Michael ; Blochowicz, Apl. Prof. Thomas | ||||
Publikationsjahr: | 2022 | ||||
Ort: | Darmstadt | ||||
Kollation: | 192 Seiten | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 21 Februar 2022 | ||||
DOI: | 10.26083/tuprints-00020856 | ||||
URL / URN: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/20856 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Aufgrund der hohen biologischen und technologischen Relevanz ist es von grundlegender Bedeutung Effekte durch geometrische Einschlüsse, sogenannte Confinements, auf wasserstoffbrückenbildende Flüssigkeiten zu verstehen. Bisherige Untersuchungen, welche sich besonders auf die Analyse der Wasserdynamik fokussiert haben, zeigten einige wiederkehrende Confinementeffekte. Dazu gehören die Unterdrückung der Kristallisation sowie veränderte Glasübergangstemperaturen und eine heterogenere, verlangsamte Flüssigkeitsdynamik. Dennoch ist nicht vollständig verstanden, ob die Wasseranomalien das Verhalten in geometrischen Einschränkungen beeinflussen und weitere mögliche Confinementeffekte überdecken. Neben Wasser eignen sich starke Glasbildner wie Glyzerin oder wässrige Mischungen aufgrund des über einen weiten Temperaturbereich möglichen Vergleichs der Bulkdynamik mit der Flüssigkeitsdynamik in den geometrischen Einschränkungen besonders zur Identifikation der Confinementeffekte. Allerdings könnten gute Glasbildner durch das Confinement grundlegend anders beeinflusst werden als gefrierfreudigere Systeme wie Wasser oder der zweiwertige Alkohol Ethylenglykol (EG), welcher im Gegensatz zu Wasser kein anomales Verhalten aufzeigt. Aus diesen Gründen wurde in der vorliegenden Arbeit die Dynamik der wasserstoffbrückenbildenden Flüssigkeiten EG und Glyzerin sowie wässriger EG- und Dimethylsulfoxid(DMSO)-Mischungen in geometrischen Einschränkungen mittels Kernspinresonanz(NMR)- und breitbandiger dielektrischer Spektroskopie (BDS) sowie Differenzkalorimetrie (DSC) untersucht. Durch den Vergleich der verschiedenen Flüssigkeiten und wässrigen Mischungen wurden universelle Confinementeffekte identifiziert. Zunächst wurde der Einfluss des Einschlusses von wasserstoffbrückenbildenden Flüssigkeiten in nanoporöses Silikamaterial auf die Dynamik der Moleküle in der vorliegenden Arbeit über mehrere Größenordnungen ermittelt. Um eine wohldefinierte Geometrie der harten geometrischen Einschränkungen zu gewährleisten und den Einfluss der Confinementgröße zu untersuchen, eignen sich besonders MCM-41- und SBA-15-Silikaporen mit ihrer wohldefinierten zylindrischen Porengeometrie und den variablen Porenradien im Nanometerbereich. Durch den Vergleich mit der entsprechenden Bulkdynamik konnte systemübergreifend eine Verlangsamung und gestiegene Heterogenität der Flüssigkeitsdynamik in den Silikaporen nachgewiesen werden. Diese Confinementeffekte waren für die verschiedenen Flüssigkeiten und Porendurchmesser unterschiedlich stark ausgeprägt. Für alle untersuchten Systeme zeigte sich in den dielektrischen Spektren neben der strukturellen alpha-Relaxation ein zweiter, um etwa eine Größenordnung verlangsamter Flüssigkeitsanteil, welcher mit dem Kern-Schale-Modell einer dynamisch langsameren, wandadsorbierten Schicht zugeordnet wurde. Für reines EG und die wässrigen Mischungen zeigten sich darüber hinaus viele weitere Gemeinsamkeiten wie eine Bimodalität in den 2H-Magnetisierungsaufbaukurven, die durch eine zusätzliche gefrorene Komponente im Poreninneren hervorgerufen wird. Darauf deuten diverse Beobachtungen hin, beispielsweise eine von der Molekülgröße abhängige Porengröße und Temperatur ober- bzw. unterhalb derer diese Bimodalität auftritt. Der Einfluss durch den Einschluss in die Silikaporen auf die Translationsdynamik der Flüssigkeitsmoleküle war deutlich stärker als der auf die Rotationsdynamik. Für die EG-Moleküle im reinen System und in der Wassermischung entkoppelten die beiden Dynamiken in den Poren unabhängig von den Porendurchmessern nicht, im Gegensatz zu reinem Wasser und wässrigem DMSO. Der für Wasser typische beta-Prozess konnte auch bei beiden wässrigen Mischungen in den Silikaporen nachgewiesen werden. Weitere Analysen zeigten, dass nicht nur die Wassermoleküle sondern beide Mischungspartner an dieser Sekundärrelaxation beteiligt sind. Neben den starren Silikaporen wurden auch weiche Confinements mit einer höheren potentiellen Mobilität der konstituierenden Teilchen untersucht. Hierbei wurden das verzweigte, hydrophile Polysaccharid Ficoll, das globuläre Protein Lysozym sowie das Faserprotein Elastin als weiche geometrische Beschränkungen verwendet. Der deutliche Einfluss des Einschlusses in die Protein- und Ficollmatrizen offenbarte sich vor allem durch eine starke Verlangsamung der Flüssigkeitsmoleküle, die mit sinkendem Lösungsmittelgehalt weiter ansteigt, zunehmender Heterogenität der Lösungsmitteldynamik sowie einer Unterdrückung möglicher Gefrierprozesse. Diese Confinementeffekte waren für die Protein- und Ficollsysteme bei konstantem molaren Verhältnis von Flüssigkeit und Makromolekül unabhängig von der Zusammensetzung des Lösungsmittels und unterschieden sich für die untersuchten Proteine nicht voneinander. Bei den wässrigen Mischungen im Bulk hatte das Additiv einen starken Einfluss auf die Flüssigkeitsdynamik. Diese Effekte waren in den Protein- und Ficollsystemen durch die dominanten Wechselwirkungen zwischen Lösungsmittel- und Makromolekülen deutlich gemindert. Eine zweite Relaxationskomponente in den 2H-Magnetisierungsaufbaukurven wies für alle Flüssigkeiten in den Protein- und Ficollmatrizen ähnliche Eigenschaften auf und wurde der Makromolekülrelaxation zugeordnet. Die Bimodalität der Aufbaukurven wurde in den Ficollsystemen bei hohen Temperaturen durch den chemischen Austausch der Deuteronen, welcher auf der experimentellen Zeitskala lag, verhindert. Zusätzlich konnte durch den Vergleich zwischen BDS- und NMR-Analysen gezeigt werden, dass es sich bei den langsameren BDS-Prozessen, welche der Proteindynamik zugeordnet wurden, nicht um alpha-Relaxationen sondern vielmehr um lokale kleinwinklige Bewegungen handelt. Erweiternde NMR-Messungen bestätigten einen starken Einfluss des Ficolls auf die Wasserdiffusion, welche deutlich verlangsamt, sowie eine Entkopplung der Translations- und Rotationsdynamik. Somit zeigen alle Untersuchungen der vorliegenden Arbeit übereinstimmend eine Verlangsamung und gestiegene Heterogenität der Flüssigkeitsdynamik im Einschluss der starren Silikaporen und der weichen Makromolekülmatrizen. Während diese Effekte in ersteren stark von der verwendeten Flüssigkeit abhingen, waren sie in letzteren stärker ausgeprägt und unabhängig von der Wahl des Lösungsmittels. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Status: | Verlagsversion | ||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-208561 | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 05 Fachbereich Physik 05 Fachbereich Physik > Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM) 05 Fachbereich Physik > Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM) > Molekulare Dynamik in kondensierter Materie |
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Hinterlegungsdatum: | 10 Mär 2022 13:09 | ||||
Letzte Änderung: | 11 Mär 2022 11:55 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Vogel, Prof. Dr. Michael ; Blochowicz, Apl. Prof. Thomas | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 21 Februar 2022 | ||||
Export: | |||||
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