Maurer, Doris Lydia (2022)
‘Candidatus Phytoplasma mali’ und die Blüten des Kulturapfels (Malus domestica):
Untersuchungen zum Infektionsweg und zu den Auswirkungen des Pflanzenpathogens auf morphologische und chemische Blütensignale.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00020288
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion
Kurzbeschreibung (Abstract)
Im Laufe der Coevolution von Pflanzen, Insekten und Mikroorganismen entstand eine Vielzahl von trophischen Interaktionen. In jeder wechselseitigen Beziehung kann eine der beteiligten Arten die Rolle eines Mutualisten, Kommensalen oder Parasiten gegenüber einer oder mehreren anderen Arten der Biozönose einnehmen. Die Apfeltriebsucht, eine Krankheit die seit Jahrzehnten im europäischen Apfelanbau bekannt und gefürchtet ist, wird durch das parasitische Bakterium ‘Candidatus Phytoplasma mali’ hervorgerufen. Dieses lebt im Phloem von Malus domestica und wird durch die parasitische Ernährungsweise des Phloem-saugenden Insekts, Cacopsylla picta, von Baum zu Baum übertragen. Bisher erforscht sind die Auswirkungen der Apfeltriebsucht auf die Morphologie der vegetativen Pflanzenorgane und der Früchte, physiologische Veränderungen beim Stofftransport und Veränderungen bei den abgegebenen Grünblattdüften. Die Blüten infizierter Bäume waren bis heute jedoch noch nicht im Fokus der Forschung. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob eine Infektion mit ‘Ca. P. mali’ möglicherweise auch Auswirkungen auf die Blütenmorphologie und -chemie von Apfelbäumen hat, denn solche Veränderungen könnten wiederum die trophischen Interaktionen mit blütenbesuchenden Insekten beeinflussen. Um herauszufinden, ob Bestäuber gegebenenfalls auch als Überträger in Frage kommen, wurden die Blütengewebe und der Nektar molekularbiologisch auf das Vorhandensein der Erreger-DNA hin überprüft. Parallel dazu wurden vergleichende DNA-Analysen mit den Blüten infizierter Pflanzen des Modellorganismus Nicotiana tabacum durchgeführt. Nach der Blüte wurde der Infektionsstatus der sich entwickelnden Apfelfrüchte regelmäßig überprüft sowie die F1-Generation hinsichtlich ihres Infektionsstatus untersucht. Weiterführend wurde erforscht, ob es zu krankheitsbedingten Veränderungen an den Blütenmerkmalen kommt, die zur Anlockung von bestäubenden Insekten dienen. Analysiert wurde dazu die Morphologie und der Blütenduft sowie die Nektarzusammensetzung. Des Weiteren wurde untersucht, ob sich eine Infektion auch auf die Pollenviabilität, die Eigenschaften der Früchte und die Keimrate von Samen infizierter Bäume auswirkt. Während der Blütezeit konnte die DNA von ‘Ca. P. mali’ unter natürlichen Bedingungen nicht in den Blütengeweben und im Nektar von Apfelbäumen nachgewiesen werden. Erst ab Ende Mai konnte sie erfolgreich in den heranreifenden Früchten detektiert werden. Eine vertikale Übertragung der Apfeltriebsucht auf die F1-Generation fand jedoch nicht statt. Im Gegensatz dazu konnte die DNA des Erregers bei N. tabacum in allen Blütenorganen, mit Ausnahme der Pollenkörner, nachgewiesen werden. Während es bei den untersuchten Apfelsorten keinen Hinweis auf krankheitsbedingte, morphologische Veränderungen an den Blüten gab, war die Blütengröße infizierter Tabakpflanzen signifikant verringert. Die Farbe der Kronblätter veränderte sich jedoch weder bei M. domestica noch bei N. tabacum. Beim Blütenduft von M. domestica hatten die Sorte und das Versuchsjahr eine deutlich größere Auswirkung auf die quantitative Zusammensetzung als der Infektionsstatus. Auch die Analyse der Zuckerzusammensetzung im Nektar zeigte, dass bezüglich der Hauptkomponenten Fructose, Glucose und Saccharose keine signifikanten Unterschiede zwischen gesunden und infizierten Bäumen auftraten. Eine signifikante Auswirkung auf die Viabilität der Pollenkörner konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Allerdings war bei infizierten Apfelbäumen das Gewicht der reifen Früchte um ca. 13 % und das der Kerne um ca. 14 % verringert. Bei N. tabacum konnte ebenfalls eine signifikant reduzierte Größe der Samenkapseln und ein geringeres Gewicht der Samen von infizierten Pflanzen festgestellt werden. Die Anzahl der Kerne pro Apfelfrucht unterschied sich nicht zwischen den gesunden und infizierten Bäumen, allerdings war die Keimrate der Nachkommen infizierter Mutterbäume um 9 % deutlich verringert. Ein wesentliches Fazit dieser Studie ist, dass zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden kann, dass ‘Ca. P. mali’ während der Apfelblüte nicht bis in die Blütenorgane von M. domestica vordringt und damit auch keine tritrophische Interaktion mit bestäubenden Insekten besteht. Darüber hinaus scheint der Erreger der Apfeltriebsucht keinen Einfluss auf die Blütensignale des natürlichen Wirts zu haben. Eine Bevorzugung oder Diskriminierung von Blüten infizierter Apfelbäume durch blütenbesuchende Insekten ist daher sehr unwahrscheinlich. Ein direkter Vergleich der Ergebnisse von M. domestica mit denen des Modellsystems N. tabacum ist aufgrund der Wirtsspezifität jedes Phytoplasma-Systems schwierig. Es bleibt daher weiterhin zu klären, ob die Ergebnisse aus dem M. domestica-‘Ca. P. mali’-System verallgemeinert werden können oder es in einer anderen Phytoplasmen-Pflanzen-Kombination und/oder in einer anderen Klimazone nicht doch zu einer trophischen Interaktion zwischen Phytoplasmen, Bestäuber und Pflanzen kommt.
Typ des Eintrags: | Dissertation | ||||
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Erschienen: | 2022 | ||||
Autor(en): | Maurer, Doris Lydia | ||||
Art des Eintrags: | Erstveröffentlichung | ||||
Titel: | ‘Candidatus Phytoplasma mali’ und die Blüten des Kulturapfels (Malus domestica): Untersuchungen zum Infektionsweg und zu den Auswirkungen des Pflanzenpathogens auf morphologische und chemische Blütensignale | ||||
Sprache: | Deutsch | ||||
Referenten: | Jürgens, Prof. Dr. Andreas ; Gross, PD Dr. Jürgen | ||||
Publikationsjahr: | 2022 | ||||
Ort: | Darmstadt | ||||
Kollation: | 107 Seiten | ||||
Datum der mündlichen Prüfung: | 9 November 2021 | ||||
DOI: | 10.26083/tuprints-00020288 | ||||
URL / URN: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/20288 | ||||
Kurzbeschreibung (Abstract): | Im Laufe der Coevolution von Pflanzen, Insekten und Mikroorganismen entstand eine Vielzahl von trophischen Interaktionen. In jeder wechselseitigen Beziehung kann eine der beteiligten Arten die Rolle eines Mutualisten, Kommensalen oder Parasiten gegenüber einer oder mehreren anderen Arten der Biozönose einnehmen. Die Apfeltriebsucht, eine Krankheit die seit Jahrzehnten im europäischen Apfelanbau bekannt und gefürchtet ist, wird durch das parasitische Bakterium ‘Candidatus Phytoplasma mali’ hervorgerufen. Dieses lebt im Phloem von Malus domestica und wird durch die parasitische Ernährungsweise des Phloem-saugenden Insekts, Cacopsylla picta, von Baum zu Baum übertragen. Bisher erforscht sind die Auswirkungen der Apfeltriebsucht auf die Morphologie der vegetativen Pflanzenorgane und der Früchte, physiologische Veränderungen beim Stofftransport und Veränderungen bei den abgegebenen Grünblattdüften. Die Blüten infizierter Bäume waren bis heute jedoch noch nicht im Fokus der Forschung. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob eine Infektion mit ‘Ca. P. mali’ möglicherweise auch Auswirkungen auf die Blütenmorphologie und -chemie von Apfelbäumen hat, denn solche Veränderungen könnten wiederum die trophischen Interaktionen mit blütenbesuchenden Insekten beeinflussen. Um herauszufinden, ob Bestäuber gegebenenfalls auch als Überträger in Frage kommen, wurden die Blütengewebe und der Nektar molekularbiologisch auf das Vorhandensein der Erreger-DNA hin überprüft. Parallel dazu wurden vergleichende DNA-Analysen mit den Blüten infizierter Pflanzen des Modellorganismus Nicotiana tabacum durchgeführt. Nach der Blüte wurde der Infektionsstatus der sich entwickelnden Apfelfrüchte regelmäßig überprüft sowie die F1-Generation hinsichtlich ihres Infektionsstatus untersucht. Weiterführend wurde erforscht, ob es zu krankheitsbedingten Veränderungen an den Blütenmerkmalen kommt, die zur Anlockung von bestäubenden Insekten dienen. Analysiert wurde dazu die Morphologie und der Blütenduft sowie die Nektarzusammensetzung. Des Weiteren wurde untersucht, ob sich eine Infektion auch auf die Pollenviabilität, die Eigenschaften der Früchte und die Keimrate von Samen infizierter Bäume auswirkt. Während der Blütezeit konnte die DNA von ‘Ca. P. mali’ unter natürlichen Bedingungen nicht in den Blütengeweben und im Nektar von Apfelbäumen nachgewiesen werden. Erst ab Ende Mai konnte sie erfolgreich in den heranreifenden Früchten detektiert werden. Eine vertikale Übertragung der Apfeltriebsucht auf die F1-Generation fand jedoch nicht statt. Im Gegensatz dazu konnte die DNA des Erregers bei N. tabacum in allen Blütenorganen, mit Ausnahme der Pollenkörner, nachgewiesen werden. Während es bei den untersuchten Apfelsorten keinen Hinweis auf krankheitsbedingte, morphologische Veränderungen an den Blüten gab, war die Blütengröße infizierter Tabakpflanzen signifikant verringert. Die Farbe der Kronblätter veränderte sich jedoch weder bei M. domestica noch bei N. tabacum. Beim Blütenduft von M. domestica hatten die Sorte und das Versuchsjahr eine deutlich größere Auswirkung auf die quantitative Zusammensetzung als der Infektionsstatus. Auch die Analyse der Zuckerzusammensetzung im Nektar zeigte, dass bezüglich der Hauptkomponenten Fructose, Glucose und Saccharose keine signifikanten Unterschiede zwischen gesunden und infizierten Bäumen auftraten. Eine signifikante Auswirkung auf die Viabilität der Pollenkörner konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Allerdings war bei infizierten Apfelbäumen das Gewicht der reifen Früchte um ca. 13 % und das der Kerne um ca. 14 % verringert. Bei N. tabacum konnte ebenfalls eine signifikant reduzierte Größe der Samenkapseln und ein geringeres Gewicht der Samen von infizierten Pflanzen festgestellt werden. Die Anzahl der Kerne pro Apfelfrucht unterschied sich nicht zwischen den gesunden und infizierten Bäumen, allerdings war die Keimrate der Nachkommen infizierter Mutterbäume um 9 % deutlich verringert. Ein wesentliches Fazit dieser Studie ist, dass zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden kann, dass ‘Ca. P. mali’ während der Apfelblüte nicht bis in die Blütenorgane von M. domestica vordringt und damit auch keine tritrophische Interaktion mit bestäubenden Insekten besteht. Darüber hinaus scheint der Erreger der Apfeltriebsucht keinen Einfluss auf die Blütensignale des natürlichen Wirts zu haben. Eine Bevorzugung oder Diskriminierung von Blüten infizierter Apfelbäume durch blütenbesuchende Insekten ist daher sehr unwahrscheinlich. Ein direkter Vergleich der Ergebnisse von M. domestica mit denen des Modellsystems N. tabacum ist aufgrund der Wirtsspezifität jedes Phytoplasma-Systems schwierig. Es bleibt daher weiterhin zu klären, ob die Ergebnisse aus dem M. domestica-‘Ca. P. mali’-System verallgemeinert werden können oder es in einer anderen Phytoplasmen-Pflanzen-Kombination und/oder in einer anderen Klimazone nicht doch zu einer trophischen Interaktion zwischen Phytoplasmen, Bestäuber und Pflanzen kommt. |
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Alternatives oder übersetztes Abstract: |
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Status: | Verlagsversion | ||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-202880 | ||||
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): | 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 570 Biowissenschaften, Biologie | ||||
Fachbereich(e)/-gebiet(e): | 10 Fachbereich Biologie 10 Fachbereich Biologie > Chemical Plant Ecology |
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Hinterlegungsdatum: | 31 Jan 2022 13:13 | ||||
Letzte Änderung: | 01 Feb 2022 07:06 | ||||
PPN: | |||||
Referenten: | Jürgens, Prof. Dr. Andreas ; Gross, PD Dr. Jürgen | ||||
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 9 November 2021 | ||||
Export: | |||||
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