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Modellierung und Analyse urbaner informeller Siedlungen für infrastrukturelle Planungen

Friesen, John (2021)
Modellierung und Analyse urbaner informeller Siedlungen für infrastrukturelle Planungen.
doi: 10.26083/tuprints-00019414
Buch, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

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Kurzbeschreibung (Abstract)

Weltweit lebt im Jahr 2020 etwa ein Achtel der Bevölkerung in urbaner Armut. Die Siedlungsstrukturen dieser Menschen sind unabhängig von lokalen Regularien entstanden und weisen häufig spezielle morphologische Charakteristika und einen mangelhaften Zugang zu Infrastrukturen auf. Für die Bewohner dieser als informelle Siedlungen bezeichneten Areale resultieren dadurch starke Benachteilungen. Obwohl in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten zur Untersuchung dieser Siedlungsart durchgeführt wurde, sind speziell technikwissenschaftliche Perspektiven bisher nicht vorhanden. Eine solche Perspektive wird in der vorliegenden Arbeit eingenommen und unter Rückgriff auf den erkenntnistheoretischen Ansatz von C. S. Peirce ausgearbeitet. Dabei wird einerseits ein neuartiges, einfaches Modell der Siedlungsentstehung entwickelt und untersucht, ein Vergleich des Modells mit realen Siedlungsverteilungen durchführt, sowie das Vorgehen an sich reflektiert.

Unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Stadtforschung, welche (i) die Heterogenität von Städten betont und (ii) die Entwicklung von Städten mit denen von Organismen vergleicht, wird ein bekanntes kontinuumsmechanisches Modell der diffusionsgetriebenen Instabilität zur Beschreibung der Morphogenese von Organismen aufgegriffen und auf die Entstehung informeller Siedlungen übertragen. Das Modell beschreibt die Entstehung informeller Siedlungen aus einer Wechselwirkung zweier sozialer Gruppen, arm und reich, wobei das Verhalten der beiden Gruppen durch zwei Arten der Migration beschrieben wird: (i) der Fernmigration, die den Zuzug der Bevölkerung vom Land in die Stadt beschreibt und Geburten- und Sterberaten enthält, sowie (ii) der Kurzstreckenmigation, die durch die Mobilität der jeweiligen Gruppen innerhalb der Stadt beschrieben wird. Eine lineare Stabilitätsanalyse führt zur Aussage, dass informelle Siedlungen sich in einem regelmäßigen Muster anordnen, in dem sowohl der Abstand der Siedlungen, als auch die Siedlungsgröße konstant ist. Die typischen Skalen informeller Siedlungen sind dabei dem Modell nach im zwischenmenschlichen Verhalten immanent vorhanden und werden diesem nicht durch die Randbedingungen der betrachteten Städte aufgeprägt.

Diesen theoretischen Überlegungen werden empirische Daten von Siedlungsverteilungen in acht Städten des globalen Südens gegenübergestellt, in denen unter Verwendung von Satellitendaten informelle Siedlungsareale identifiziert werden. Dabei werden die Größenverteilungen, sowie die räumlichen Anordnungen der informellen Siedlungen untersucht. Die Analyse zeigt, dass sich die Größen der über 7000 untersuchten informeller Siedlungen ähneln und 85% aller Siedlungen eine Grundfläche zwischen 10-3 und 10-1 km² aufweisen. Daneben wird untersucht, welchen Einfluss die Klassifikation auf das Ergebnis hat und die Robustheit des Ergebnisses durch eine Sensitivitätsanalyse bestätigt. Eine Ähnlichkeit in der räumlichen Anordnung oder eine regelmäßige Anordnung der Siedlungen kann allerdings nicht identifiziert werden. Vielmehr ordnen sich die informellen Siedlungen innerhalb einer Stadt in Clustern an. Die ermittelte Skala kann als Eingangsgröße für die Entwicklung von Konzepten zur infrastrukturellen Versorgung dieser Siedlungen oder als Mindestauflösung epidemiologischer Analysen betrachtet werden.

Zuletzt wird sowohl das Modell an sich, als auch seine Voraussetzungen systematisch analysiert und erkenntnistheoretisch eingeordnet. Obwohl einige der vom Modell getätigten Aussagen nicht durch die empirischen Ergebnisse bestätigt werden können, liefert das Vorgehen ein Beispiel für eine ganzheitliche und Betrachtung und Analyse gesellschaftsrelevanter Fragen aus einer technikwissenschaftlichen Perspektive.

Typ des Eintrags: Buch
Erschienen: 2021
Autor(en): Friesen, John
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Modellierung und Analyse urbaner informeller Siedlungen für infrastrukturelle Planungen
Sprache: Deutsch
Referenten: Pelz, Prof. Dr. Peter ; Taubenböck, Dr. Hannes
Publikationsjahr: 2021
Ort: Darmstadt
Kollation: XIV, 150 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 5 Mai 2021
DOI: 10.26083/tuprints-00019414
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/19414
Kurzbeschreibung (Abstract):

Weltweit lebt im Jahr 2020 etwa ein Achtel der Bevölkerung in urbaner Armut. Die Siedlungsstrukturen dieser Menschen sind unabhängig von lokalen Regularien entstanden und weisen häufig spezielle morphologische Charakteristika und einen mangelhaften Zugang zu Infrastrukturen auf. Für die Bewohner dieser als informelle Siedlungen bezeichneten Areale resultieren dadurch starke Benachteilungen. Obwohl in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten zur Untersuchung dieser Siedlungsart durchgeführt wurde, sind speziell technikwissenschaftliche Perspektiven bisher nicht vorhanden. Eine solche Perspektive wird in der vorliegenden Arbeit eingenommen und unter Rückgriff auf den erkenntnistheoretischen Ansatz von C. S. Peirce ausgearbeitet. Dabei wird einerseits ein neuartiges, einfaches Modell der Siedlungsentstehung entwickelt und untersucht, ein Vergleich des Modells mit realen Siedlungsverteilungen durchführt, sowie das Vorgehen an sich reflektiert.

Unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Stadtforschung, welche (i) die Heterogenität von Städten betont und (ii) die Entwicklung von Städten mit denen von Organismen vergleicht, wird ein bekanntes kontinuumsmechanisches Modell der diffusionsgetriebenen Instabilität zur Beschreibung der Morphogenese von Organismen aufgegriffen und auf die Entstehung informeller Siedlungen übertragen. Das Modell beschreibt die Entstehung informeller Siedlungen aus einer Wechselwirkung zweier sozialer Gruppen, arm und reich, wobei das Verhalten der beiden Gruppen durch zwei Arten der Migration beschrieben wird: (i) der Fernmigration, die den Zuzug der Bevölkerung vom Land in die Stadt beschreibt und Geburten- und Sterberaten enthält, sowie (ii) der Kurzstreckenmigation, die durch die Mobilität der jeweiligen Gruppen innerhalb der Stadt beschrieben wird. Eine lineare Stabilitätsanalyse führt zur Aussage, dass informelle Siedlungen sich in einem regelmäßigen Muster anordnen, in dem sowohl der Abstand der Siedlungen, als auch die Siedlungsgröße konstant ist. Die typischen Skalen informeller Siedlungen sind dabei dem Modell nach im zwischenmenschlichen Verhalten immanent vorhanden und werden diesem nicht durch die Randbedingungen der betrachteten Städte aufgeprägt.

Diesen theoretischen Überlegungen werden empirische Daten von Siedlungsverteilungen in acht Städten des globalen Südens gegenübergestellt, in denen unter Verwendung von Satellitendaten informelle Siedlungsareale identifiziert werden. Dabei werden die Größenverteilungen, sowie die räumlichen Anordnungen der informellen Siedlungen untersucht. Die Analyse zeigt, dass sich die Größen der über 7000 untersuchten informeller Siedlungen ähneln und 85% aller Siedlungen eine Grundfläche zwischen 10-3 und 10-1 km² aufweisen. Daneben wird untersucht, welchen Einfluss die Klassifikation auf das Ergebnis hat und die Robustheit des Ergebnisses durch eine Sensitivitätsanalyse bestätigt. Eine Ähnlichkeit in der räumlichen Anordnung oder eine regelmäßige Anordnung der Siedlungen kann allerdings nicht identifiziert werden. Vielmehr ordnen sich die informellen Siedlungen innerhalb einer Stadt in Clustern an. Die ermittelte Skala kann als Eingangsgröße für die Entwicklung von Konzepten zur infrastrukturellen Versorgung dieser Siedlungen oder als Mindestauflösung epidemiologischer Analysen betrachtet werden.

Zuletzt wird sowohl das Modell an sich, als auch seine Voraussetzungen systematisch analysiert und erkenntnistheoretisch eingeordnet. Obwohl einige der vom Modell getätigten Aussagen nicht durch die empirischen Ergebnisse bestätigt werden können, liefert das Vorgehen ein Beispiel für eine ganzheitliche und Betrachtung und Analyse gesellschaftsrelevanter Fragen aus einer technikwissenschaftlichen Perspektive.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

By 2020, about one-eighth of the world's population will be living in urban poverty. The settlement structures of these people have developed independently of local regulations and often have special morphological characteristics and inadequate access to infrastructure. For the inhabitants of these areas, known as informal settlements, this results in severe deprivation. Although a great deal of scholarly work has been done in the first two decades of the 21st century to study this type of settlement, specifically technoscientific perspectives have been lacking. Such a perspective is adopted in this paper and elaborated by drawing on the epistemological approach of C. S. Peirce. On the one hand, a novel, simple model of settlement formation is developed and examined, a comparison of the model with real settlement distributions is carried out, and the procedure itself is reflected upon.

Drawing on insights from urban research, which (i) emphasizes the heterogeneity of cities and (ii) compares the development of cities with that of organisms, a well-known continuum mechanics model of diffusion-driven instability is taken up to describe the morphogenesis of organisms and applied to the emergence of informal settlements. The model describes the emergence of informal settlements from an interaction of two social groups, poor and rich, where the behavior of the two groups is described by two types of migration: (i) long-distance migration, which describes the influx of population from the countryside to the city and includes birth and death rates, and (ii) short-distance migration, which is described by the mobility of the respective groups within the city. A linear stability analysis leads to the conclusion that informal settlements arrange themselves in a regular pattern in which both the distance between settlements and the settlement size are constant. According to the model, the typical scales of informal settlements are intrinsically present in interpersonal behavior and are not imposed on it by the boundary conditions of the cities under consideration.

These theoretical considerations are contrasted with empirical data of settlement distributions in eight cities of the global south, in which informal settlement areas are identified using satellite data. The size distributions, as well as the spatial arrangements of informal settlements, are examined. The analysis shows that the sizes of the more than 7000 informal settlements studied are similar and that 85% of all settlements have a footprint between 10-3 and 10-1 km². Besides, the influence of the classification on the result is investigated and the robustness of the result is confirmed by a sensitivity analysis. However, a similarity in spatial arrangement or a regular arrangement of the settlements cannot be identified. Rather, the informal settlements arrange themselves in clusters within a city. The determined scale can be considered as an input variable for the development of concepts for the infrastructural supply of these settlements or as a minimum resolution of epidemiological analyses.

Last, both the model itself and its assumptions are systematically analyzed and epistemologically classified. Although some of the statements made by the model cannot be confirmed by the empirical results, the approach provides an example of a holistic and consideration and analysis of socially relevant issues from a technoscientific perspective.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-194144
Zusätzliche Informationen:

Erscheint auch im Shaker Verlag mit der ISBN 978-3-8440-8130-5 als Nr. 26 der Reihe "Forschungsberichte zur Fluidsystemtechnik".

Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Institut für Fluidsystemtechnik (FST) (seit 01.10.2006)
16 Fachbereich Maschinenbau > Institut für Fluidsystemtechnik (FST) (seit 01.10.2006) > Urbanisierung und Infrastruktur
TU-Projekte: KSB|1311|Strukturbildung in M
Hinterlegungsdatum: 07 Sep 2021 12:04
Letzte Änderung: 25 Jul 2024 09:55
PPN:
Referenten: Pelz, Prof. Dr. Peter ; Taubenböck, Dr. Hannes
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 5 Mai 2021
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