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Ein Beitrag zur Simulation der Sichtfreihaltung an Personenkraftwagen

Demel, Daniel (2021)
Ein Beitrag zur Simulation der Sichtfreihaltung an Personenkraftwagen.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00017616
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Neben den klassischen Themen der Aerodynamik, wie der Reduktion des Luftwiderstands oder des Geräuschpegels in der Fahrgastzelle, gehört die Sichtfreihaltung zu den aerodynamischen Aufgaben bei der Fahrzeugentwicklung. Die Sicht der Fahrzeugführenden auf die Fahrbahn und das Umfeld sowie die Funktionen diverser Sensoren am Fahrzeug müssen zu jeder Zeit und selbst unter widrigen Wetterverhältnissen sichergestellt werden. Dazu werden sowohl aktive Maßnahmen wie Scheibenwischer oder Reinigungssysteme als auch passive Maßnahmen wie Wasserfang- und -führungskonzepte ausgelegt.

Die Überprüfung der Maßnahmen erfolgt meist experimentell im Umweltwindkanal, in dem verschiedene Wetterszenarien nachgestellt und untersucht werden können. Da zur Durchführung solcher Tests ein Prototyp benötigt wird, finden diese erst in einer späten Fahrzeugentwicklungsphase statt. Zu diesem Zeitpunkt ist jede notwendige Geometrieanpassung äußerst kostenintensiv und nur schwer umzusetzen. Aus diesem Grund und im Zuge von verkürzten Entwicklungszyklen wächst der Wunsch nach einer Methodik zur Simulation des externen Wassermanagements in einer frühen Entwicklungsphase. Zahlreiche Veröffentlichungen verdeutlichen einerseits das enorme Potential von numerischen Simulationen und andererseits den Bedarf an der Weiterentwicklung von Mehrphasenmodellen.

Numerische Strömungssimulationen ermöglichen einen detaillierten Einblick in das Strömungsfeld und helfen beim Auffinden von Optimierungspotentialen, ohne einen physischen Prototyp zu benötigen. Einphasige Strömungssimulationen wurden bereits umfassend validiert und werden heute erfolgreich im Fahrzeugentwicklungsprozess eingesetzt. Mehrphasenströmungen hingegen sind wesentlich komplexer und weniger gut verstanden. Trotz der in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegenen Rechenleistung stellen mehrphasige Strömungssimulationen weiterhin eine Herausforderung dar. Das Ziel der Promotion ist neben dem Wissensaufbau im Bereich der Mehrphasensimulationen ein Verfahren zur Abschätzung des externen Wassermanagements in frühen Entwicklungsphasen zu erarbeiten. Zur Realisierung einer solchen Berechnung und zur Berücksichtigung der verschiedenen Längen- und Zeitskalen werden mehrere Mehrphasenmodelle – im Besonderen Lagrange-Partikel, Fluidfilmmodell und Volume-of-Fluid-Methode – miteinander kombiniert.

Eine Voraussetzung für zuverlässige Ergebnisse bei Mehrphasensimulationen ist die korrekte Abbildung der turbulenten Luftströmung. Zur Überprüfung der Güte der Aerodynamiksimulation werden die berechneten Grenzschichtprofile nahe der Seitenscheibe mit Messungen im Windkanal gegenübergestellt. Dabei zeigt sich eine sehr gute Übereinstimmung, zumal das Hauptaugenmerk auf einem sehr kleinen Bereich innerhalb der Simulationsdomain mit dem gesamten Fahrzeug liegt. Die an einem generischen Testfall mit periodisch bewegter Geometrie gewonnenen Erkenntnisse dienen als Basis für die Entwicklung einer Methodik zur realitätsnahen Abbildung der Scheibenwischerbewegung in einer Simulation. Die Bewegung der Scheibenwischer beeinflusst die instationäre Fahrzeugumströmung bis zum Heck, woraus eine geringe Erhöhung des Widerstandsbeiwerts resultiert. Validierungsmessungen im Windkanal mit und ohne Scheibenwischerbewegung bestätigen für verschiedene Anströmgeschwindigkeiten sowohl den Betrag als auch die Richtung der von den Simulationen vorhergesagten Änderung.

Nachdem gezeigt wurde, dass die einphasige Strömungssimulation mit bewegten Scheibenwischern plausible Werte liefert und das Experiment gut abbildet, werden in einem weiteren Zwischenschritt zur gesamtheitlichen Scheibenwischersimulation vom Fahrzeug abgeleitete, mehrphasige Grundlagenexperimente und -simulationen durchgeführt. Hierbei wird die Komplexität reduziert und der Fokus auf ein spezielles Phänomen wie den Filmaufbruch gelegt. Für verschiedene Luftanströmgeschwindigkeiten und Wasservolumenströme wird in einem wasserfesten, vertikalen Windkanal der Filmaufbruch in Rinnsale untersucht. Pro Konfiguration wird der Versuch mehrfach wiederholt, um die Schwankung in den Benetzungsmustern festzuhalten. Durch den Vergleich der grafisch ausgewerteten Benetzungsmuster von Experiment und Simulation können Schwachstellen in den physikalischen Modellen zum Flüssigkeitstransport aufgedeckt und ausgebessert werden. Eine umgesetzte Verbesserung stellt das Verfahren zur Vorgabe eines Kontaktwinkelteppichs auf der Oberfläche dar, womit auch in den Simulationen eine gewisse Streubreite in den Benetzungsmustern erzeugt wird.

Um das Benetzungsverhalten auf der Fahrzeugoberfläche während der Scheibenwischerbewegung zu untersuchen, wird eine definierte Wassereintrittsquelle auf dem Dach des Versuchsfahrzeugs angebracht. Dadurch werden bekannte und in die Simulation übertragbare Randbedingungen geschaffen, die einen qualitativen und quantitativen Abgleich ermöglichen. Die Validierung der Simulationen erfolgt anhand von Benetzungsmustern auf der Front- und Seitenscheibe, Wasserverteilungen und Rinnsalfließgeschwindigkeiten für verschiedene Anströmgeschwindigkeiten und A-Säulengeometrien. Dabei wird eine herausragende Übereinstimmung zwischen Experiment und Simulation erzielt. Zuletzt wird die entwickelte Simulationsmethodik hinsichtlich der Eignung zur Vorhersage der Seitenscheibenbenetzung während eines Beregnungsversuchs im Umweltwindkanal analysiert und bewertet. Hierbei wird insbesondere auf die Herausforderungen und die Unterschiede zum bewährten Sichtfreihaltungsversuch eingegangen.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2021
Autor(en): Demel, Daniel
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Ein Beitrag zur Simulation der Sichtfreihaltung an Personenkraftwagen
Sprache: Deutsch
Referenten: Tropea, Prof. Cameron ; Wagner, Prof. Andreas ; Schütz, Hon.-Prof. Thomas
Publikationsjahr: 2021
Ort: Darmstadt
Kollation: X, 167 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 20 April 2021
DOI: 10.26083/tuprints-00017616
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/17616
Kurzbeschreibung (Abstract):

Neben den klassischen Themen der Aerodynamik, wie der Reduktion des Luftwiderstands oder des Geräuschpegels in der Fahrgastzelle, gehört die Sichtfreihaltung zu den aerodynamischen Aufgaben bei der Fahrzeugentwicklung. Die Sicht der Fahrzeugführenden auf die Fahrbahn und das Umfeld sowie die Funktionen diverser Sensoren am Fahrzeug müssen zu jeder Zeit und selbst unter widrigen Wetterverhältnissen sichergestellt werden. Dazu werden sowohl aktive Maßnahmen wie Scheibenwischer oder Reinigungssysteme als auch passive Maßnahmen wie Wasserfang- und -führungskonzepte ausgelegt.

Die Überprüfung der Maßnahmen erfolgt meist experimentell im Umweltwindkanal, in dem verschiedene Wetterszenarien nachgestellt und untersucht werden können. Da zur Durchführung solcher Tests ein Prototyp benötigt wird, finden diese erst in einer späten Fahrzeugentwicklungsphase statt. Zu diesem Zeitpunkt ist jede notwendige Geometrieanpassung äußerst kostenintensiv und nur schwer umzusetzen. Aus diesem Grund und im Zuge von verkürzten Entwicklungszyklen wächst der Wunsch nach einer Methodik zur Simulation des externen Wassermanagements in einer frühen Entwicklungsphase. Zahlreiche Veröffentlichungen verdeutlichen einerseits das enorme Potential von numerischen Simulationen und andererseits den Bedarf an der Weiterentwicklung von Mehrphasenmodellen.

Numerische Strömungssimulationen ermöglichen einen detaillierten Einblick in das Strömungsfeld und helfen beim Auffinden von Optimierungspotentialen, ohne einen physischen Prototyp zu benötigen. Einphasige Strömungssimulationen wurden bereits umfassend validiert und werden heute erfolgreich im Fahrzeugentwicklungsprozess eingesetzt. Mehrphasenströmungen hingegen sind wesentlich komplexer und weniger gut verstanden. Trotz der in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegenen Rechenleistung stellen mehrphasige Strömungssimulationen weiterhin eine Herausforderung dar. Das Ziel der Promotion ist neben dem Wissensaufbau im Bereich der Mehrphasensimulationen ein Verfahren zur Abschätzung des externen Wassermanagements in frühen Entwicklungsphasen zu erarbeiten. Zur Realisierung einer solchen Berechnung und zur Berücksichtigung der verschiedenen Längen- und Zeitskalen werden mehrere Mehrphasenmodelle – im Besonderen Lagrange-Partikel, Fluidfilmmodell und Volume-of-Fluid-Methode – miteinander kombiniert.

Eine Voraussetzung für zuverlässige Ergebnisse bei Mehrphasensimulationen ist die korrekte Abbildung der turbulenten Luftströmung. Zur Überprüfung der Güte der Aerodynamiksimulation werden die berechneten Grenzschichtprofile nahe der Seitenscheibe mit Messungen im Windkanal gegenübergestellt. Dabei zeigt sich eine sehr gute Übereinstimmung, zumal das Hauptaugenmerk auf einem sehr kleinen Bereich innerhalb der Simulationsdomain mit dem gesamten Fahrzeug liegt. Die an einem generischen Testfall mit periodisch bewegter Geometrie gewonnenen Erkenntnisse dienen als Basis für die Entwicklung einer Methodik zur realitätsnahen Abbildung der Scheibenwischerbewegung in einer Simulation. Die Bewegung der Scheibenwischer beeinflusst die instationäre Fahrzeugumströmung bis zum Heck, woraus eine geringe Erhöhung des Widerstandsbeiwerts resultiert. Validierungsmessungen im Windkanal mit und ohne Scheibenwischerbewegung bestätigen für verschiedene Anströmgeschwindigkeiten sowohl den Betrag als auch die Richtung der von den Simulationen vorhergesagten Änderung.

Nachdem gezeigt wurde, dass die einphasige Strömungssimulation mit bewegten Scheibenwischern plausible Werte liefert und das Experiment gut abbildet, werden in einem weiteren Zwischenschritt zur gesamtheitlichen Scheibenwischersimulation vom Fahrzeug abgeleitete, mehrphasige Grundlagenexperimente und -simulationen durchgeführt. Hierbei wird die Komplexität reduziert und der Fokus auf ein spezielles Phänomen wie den Filmaufbruch gelegt. Für verschiedene Luftanströmgeschwindigkeiten und Wasservolumenströme wird in einem wasserfesten, vertikalen Windkanal der Filmaufbruch in Rinnsale untersucht. Pro Konfiguration wird der Versuch mehrfach wiederholt, um die Schwankung in den Benetzungsmustern festzuhalten. Durch den Vergleich der grafisch ausgewerteten Benetzungsmuster von Experiment und Simulation können Schwachstellen in den physikalischen Modellen zum Flüssigkeitstransport aufgedeckt und ausgebessert werden. Eine umgesetzte Verbesserung stellt das Verfahren zur Vorgabe eines Kontaktwinkelteppichs auf der Oberfläche dar, womit auch in den Simulationen eine gewisse Streubreite in den Benetzungsmustern erzeugt wird.

Um das Benetzungsverhalten auf der Fahrzeugoberfläche während der Scheibenwischerbewegung zu untersuchen, wird eine definierte Wassereintrittsquelle auf dem Dach des Versuchsfahrzeugs angebracht. Dadurch werden bekannte und in die Simulation übertragbare Randbedingungen geschaffen, die einen qualitativen und quantitativen Abgleich ermöglichen. Die Validierung der Simulationen erfolgt anhand von Benetzungsmustern auf der Front- und Seitenscheibe, Wasserverteilungen und Rinnsalfließgeschwindigkeiten für verschiedene Anströmgeschwindigkeiten und A-Säulengeometrien. Dabei wird eine herausragende Übereinstimmung zwischen Experiment und Simulation erzielt. Zuletzt wird die entwickelte Simulationsmethodik hinsichtlich der Eignung zur Vorhersage der Seitenscheibenbenetzung während eines Beregnungsversuchs im Umweltwindkanal analysiert und bewertet. Hierbei wird insbesondere auf die Herausforderungen und die Unterschiede zum bewährten Sichtfreihaltungsversuch eingegangen.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

In addition to the classic topics of aerodynamics, such as reducing drag or cabin noise levels, maintaining a clear view through windows is one of the aerodynamic tasks in vehicle development. The driver's view of the road and the surroundings, as well as the functions of various sensors on the vehicle must be ensured at all times, even under bad weather conditions. For this purpose, active measures like windshield wipers or cleaning systems as well as passive measures like water trapping and guidance concepts are implemented.

These measures are usually tested experimentally in the environmental wind tunnel, where various weather scenarios can be simulated and investigated. To carry out such tests a prototype is required. Therefore, they can only be conducted in the late phase of the vehicle development process. However, at this stage any geometry adjustments that may be necessary are extremely cost-intensive and difficult to implement. For this reason and to shorten the development cycle, there is a growing desire for a virtual procedure to simulate external water management at an early stage. Numerous publications illustrate the enormous potential of numerical simulations while stressing the need for further development of multiphase models.

Numerical flow simulations enable a detailed insight into the flow field and help to identify potentials for optimization without needing a physical prototype. Single-phase flow simulations have been extensively validated and are already being used successfully in the vehicle development process. Multiphase flows on the other hand are much more complex and less well understood. Despite the enormous increase in computational power in recent decades, multiphase flow simulations continue to pose a challenge. The aim of this doctoral thesis is to build up knowledge in the field of multiphase simulations and to develop a procedure for estimating the external water management in early development phases. In order to realize such a calculation and to consider the different length and time scales several multiphase models – namely Lagrangian particles, fluid film model and volume of fluid method – are combined.

A requirement for reliable results of multiphase simulations is the correct prediction of the turbulent air flow. To verify the quality of the aerodynamics simulation, the calculated boundary layer profiles near the side window are compared with measurements in the wind tunnel. A very good agreement is shown, especially since the main focus is on a very small area within the simulation domain with the entire vehicle. The knowledge gained from a generic test case with periodically moving geometry serves as a basis for the development of a methodology for a realistic representation of the windshield wiper movement in a simulation. The movement of the windshield wipers influences the unsteady flow up to the rear of the vehicle. This leads to a slight increase in the drag coefficient. Validation measurements in the wind tunnel with and without wiper movement at different air flow velocities confirm both the amount and the direction of the change predicted by the simulations.

After it has been shown that the single-phase flow simulation with moving windshield wipers provides reasonable results and a good agreement with the experiment, basic multiphase experiments and simulations derived from a vehicle are carried out as an intermediate step towards holistic wiper simulations. Here, the complexity is reduced and the focus is placed on a specific phenomenon like the film breakup. The breakup of the film in rivulets is investigated for different air flow velocities and water volume flows in a waterproof vertical wind tunnel. For each configuration the experiment is repeated several times to record the fluctuations in the wetting patterns. By evaluating the wetting patterns of experiment and simulation graphically, weaknesses in the physical models for liquid transport can be detected and corrected. One such improvement that was implemented is the procedure for specifying a contact angle distribution on the surface, which results in a certain spread of the wetting patterns in the simulations.

To investigate the wetting behavior on a cars' surface during the wiper movement, a defined water inlet source was attached to the roof of the test vehicle. This is necessary to achieve a known set of boundary conditions which can be transferred to the simulation and to enable a qualitative and quantitative comparison. The validation of the simulations is done by means of wetting patterns on the front and side window, water distributions and flow velocities of the rivulets for different air flow velocities and A-pillar geometries. An excellent agreement between experiment and simulation is achieved. Finally, the developed simulation methodology is analyzed and evaluated with respect to its suitability for predicting the side window wetting during a rain test in the environmental wind tunnel. In particular, the challenges and the differences to the approved side window wetting test are discussed.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-176160
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Fachgebiet Strömungslehre und Aerodynamik (SLA)
Hinterlegungsdatum: 06 Mai 2021 07:35
Letzte Änderung: 11 Mai 2021 05:40
PPN:
Referenten: Tropea, Prof. Cameron ; Wagner, Prof. Andreas ; Schütz, Hon.-Prof. Thomas
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 20 April 2021
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