TU Darmstadt / ULB / TUbiblio

Analyse stochastischer Reaktionssysteme anhand der Extrema der stationären Fokker-Planck-Gleichung

Mendler, Marc (2021)
Analyse stochastischer Reaktionssysteme anhand der Extrema der stationären Fokker-Planck-Gleichung.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00017519
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Die Analyse stochastischer Reaktionsnetzwerke anhand einer Master- oder Fokker-Planck-Gleichung ist in der Regel deutlich komplexer und weniger anschaulich als eine Beschreibung als deterministisches dynamisches System und meist nur numerisch möglich. Dennoch lassen sich viele interessante Phänomene, wie beispielsweise der Einfluss intrinsischen Rauschens, nur in stochastischen Modellen untersuchen. In dieser Arbeit wird daher ein Formalismus entwickelt, der – ausgehend von den Maxima und Minima der Fokker-Planck-Gleichung – eine Analyse stochastischer Reaktionsnetzwerke ermöglicht, die ebenso leicht zu handhaben ist wie die deterministische Beschreibung. Hierzu führen wir zunächst das sogenannte Konvektionsfeld α ein, dessen Nullstellen mit den Extrema der eindimensionalen, stationären Fokker-Planck-Gleichung übereinstimmen. Mithilfe dieser Größe analysieren wir rauschinduzierte stochastische Bifurkationen im Schlögl-Modell. Hierbei zeigt sich, dass sowohl stabile Systemzustände, die durch eine Erhöhung des intrinsischen Rauschens zerstört werden, als auch rauschinduzierte Bistabilität durch das Konvektionsfeld korrekt vorhergesagt werden. Bei der anschließenden Erweiterung des Formalismus auf mehrdimensionale Systeme ist jedoch der einfache Zusammenhang zwischen den Nullstellen von α und den Extrema der Fokker-Planck-Gleichung im Allgemeinen nicht mehr gegeben. Wir entwickeln daher eine Näherung für große Systemgrößen N, die eine Übertragung des Konvektionsfelds zumindest auf Systeme mit ausreichend großer Teilchenzahl ermöglicht. Anhand verschiedener Beispielsysteme lässt sich feststellen, dass diese Näherung für die meisten relevanten Reaktionsnetzwerke in weiten Teilen des Zustandsraum erfüllt ist. Mithilfe des Konvektionsfelds lassen sich zudem Phasenportraits des stochastischen Systems definieren, die in weiten Teilen die gleichen Eigenschaften aufweisen wie ihre deterministischen Pendants. Mit ihrer Hilfe analysieren wir unter anderem ein Modell nahrungssuchender Ameisen ohne Lösen der Fokker-Planck-Gleichung und unter Anwendung der gleichen mathematischen Methoden wie im deterministischen Fall. Für die hierbei erzielten Ergebnisse war ein Lösen der Fokker-Planck-Gleichung bislang unumgänglich. Anhand einesweiteren Beispiels aus der Populationsdynamik, dem sogenannten Rosenzweig-MacArthur-Modell, können wir außerdem eine neue Art von Bifurkation identifizieren, die nur in stochastischen Systemen auftreten kann: die Nullklinen-Lücken-Bifurkation. Diese lässt sich direkt aus den stochastischen Phasenportraits ablesen. Zuletzt erweitern wir unseren Formalismus um eine Methode zur Vorhersage stationärer Wahrscheinlichkeitsströme, die ebenfalls ohne Lösen der Fokker-Planck-Gleichung auskommt. Mit ihrer Hilfe stellen wir fest, dass an Orten, an denen unsere Näherung für kleine Systemgrößen versagt, in der Regel Dipolströme auftreten. Durch Anwendung auf verschiedene Beispielsysteme validieren wir die Vorhersagen dieser Methode. Hierbei analysieren wir unter anderem die unphysikalischen Ströme, die in der Fokker-Planck-Gleichung auftreten, wenn die zugrunde liegende Mastergleichung detailliertes Gleichgewicht aufweist.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2021
Autor(en): Mendler, Marc
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Analyse stochastischer Reaktionssysteme anhand der Extrema der stationären Fokker-Planck-Gleichung
Sprache: Deutsch
Referenten: Drossel, Prof. Dr. Barbara ; Liebchen, Prof. Dr. Benno
Publikationsjahr: 2021
Ort: Darmstadt
Kollation: x, 100 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 7 Dezember 2020
DOI: 10.26083/tuprints-00017519
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/17519
Kurzbeschreibung (Abstract):

Die Analyse stochastischer Reaktionsnetzwerke anhand einer Master- oder Fokker-Planck-Gleichung ist in der Regel deutlich komplexer und weniger anschaulich als eine Beschreibung als deterministisches dynamisches System und meist nur numerisch möglich. Dennoch lassen sich viele interessante Phänomene, wie beispielsweise der Einfluss intrinsischen Rauschens, nur in stochastischen Modellen untersuchen. In dieser Arbeit wird daher ein Formalismus entwickelt, der – ausgehend von den Maxima und Minima der Fokker-Planck-Gleichung – eine Analyse stochastischer Reaktionsnetzwerke ermöglicht, die ebenso leicht zu handhaben ist wie die deterministische Beschreibung. Hierzu führen wir zunächst das sogenannte Konvektionsfeld α ein, dessen Nullstellen mit den Extrema der eindimensionalen, stationären Fokker-Planck-Gleichung übereinstimmen. Mithilfe dieser Größe analysieren wir rauschinduzierte stochastische Bifurkationen im Schlögl-Modell. Hierbei zeigt sich, dass sowohl stabile Systemzustände, die durch eine Erhöhung des intrinsischen Rauschens zerstört werden, als auch rauschinduzierte Bistabilität durch das Konvektionsfeld korrekt vorhergesagt werden. Bei der anschließenden Erweiterung des Formalismus auf mehrdimensionale Systeme ist jedoch der einfache Zusammenhang zwischen den Nullstellen von α und den Extrema der Fokker-Planck-Gleichung im Allgemeinen nicht mehr gegeben. Wir entwickeln daher eine Näherung für große Systemgrößen N, die eine Übertragung des Konvektionsfelds zumindest auf Systeme mit ausreichend großer Teilchenzahl ermöglicht. Anhand verschiedener Beispielsysteme lässt sich feststellen, dass diese Näherung für die meisten relevanten Reaktionsnetzwerke in weiten Teilen des Zustandsraum erfüllt ist. Mithilfe des Konvektionsfelds lassen sich zudem Phasenportraits des stochastischen Systems definieren, die in weiten Teilen die gleichen Eigenschaften aufweisen wie ihre deterministischen Pendants. Mit ihrer Hilfe analysieren wir unter anderem ein Modell nahrungssuchender Ameisen ohne Lösen der Fokker-Planck-Gleichung und unter Anwendung der gleichen mathematischen Methoden wie im deterministischen Fall. Für die hierbei erzielten Ergebnisse war ein Lösen der Fokker-Planck-Gleichung bislang unumgänglich. Anhand einesweiteren Beispiels aus der Populationsdynamik, dem sogenannten Rosenzweig-MacArthur-Modell, können wir außerdem eine neue Art von Bifurkation identifizieren, die nur in stochastischen Systemen auftreten kann: die Nullklinen-Lücken-Bifurkation. Diese lässt sich direkt aus den stochastischen Phasenportraits ablesen. Zuletzt erweitern wir unseren Formalismus um eine Methode zur Vorhersage stationärer Wahrscheinlichkeitsströme, die ebenfalls ohne Lösen der Fokker-Planck-Gleichung auskommt. Mit ihrer Hilfe stellen wir fest, dass an Orten, an denen unsere Näherung für kleine Systemgrößen versagt, in der Regel Dipolströme auftreten. Durch Anwendung auf verschiedene Beispielsysteme validieren wir die Vorhersagen dieser Methode. Hierbei analysieren wir unter anderem die unphysikalischen Ströme, die in der Fokker-Planck-Gleichung auftreten, wenn die zugrunde liegende Mastergleichung detailliertes Gleichgewicht aufweist.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The analysis of stochastic reaction networks using Master or Fokker-Planck equations is usually much more complex and less intuitive than the description as a deterministic dynamical system. Furthermore it usually involves numerical calculations. Nevertheless, many interesting phenomena, such as the influence of intrinsic noise, can only be investigated in stochastic models. Therefore, the aim of this thesis is to develop a formalism that – starting with the maxima and minima of the Fokker-Planck equation – allows an analysis of stochastic reaction networks that is as easy to handle as the deterministic approach. In order to do so, we first introduce the so-called convective field α, whose roots coincide with the extrema of the one-dimensional stationary Fokker-Planck equation. Using this quantity we analyze noise-induced stochastic bifurcations inside the Schlögl model. Hereby we see that both stable states which are destroyed by an increase of intrinsic noise as well as noise-induced bistability can be predicted correctly. Extending the formalism to multidimensional systems we see, however, that the simple connection between the roots of α and the extrema of p is in general no longer valid. Therefore we develop an approximation for large system sizes N, which allows to apply the convective field at least to system with sufficiently large numbers of particles. Considering different example systems, we observe that for most reaction networks this approximation is valid in large regions of their state space. Using the convective field it is also possible to define phase portraits of the stochastic system, which have largely the same properties as their deterministic counterparts. With their help we can, among other things, analyze a model of foraging ants without solving the Fokker-Planck equation, using the same mathematical methods as in the deterministic setting. Up until now, the results of this analysis could only be obtained by solving the Fokker-Planck equation. Using another example from population dynamics, the Rosenzweig-McArthur model, we can also identify a new type of bifurcation that occurs only in stochastic systems: the nullcline gap bifurcation, which can be directly read from the stochastic phase portraits. Finally, we extend our formalism by a method for the prediction of stationary probability currents. With its help we discover that usually dipole currents emerge at places where our approximation for large N fails. Applying the method to different example systems, we verify its predictions. Hereby, among other things, we analyze the non-physical probability currents that occur in the Fokker-Planck equation when the underlying Master equation is in detailed balance.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-175199
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 05 Fachbereich Physik
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM))
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Statistische Physik und komplexe Systeme
Hinterlegungsdatum: 26 Mär 2021 10:17
Letzte Änderung: 30 Mär 2021 07:52
PPN:
Referenten: Drossel, Prof. Dr. Barbara ; Liebchen, Prof. Dr. Benno
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 7 Dezember 2020
Export:
Suche nach Titel in: TUfind oder in Google
Frage zum Eintrag Frage zum Eintrag

Optionen (nur für Redakteure)
Redaktionelle Details anzeigen Redaktionelle Details anzeigen