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Physikalische Parameter bei der Inkorporation von Radon und seinen Folgeprodukten im Modell und Organismus

Papenfuß, Franziska (2021)
Physikalische Parameter bei der Inkorporation von Radon und seinen Folgeprodukten im Modell und Organismus.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00017624
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Das radioaktive Edelgas Radon ist allgegenwärtig in unserer Umwelt und trägt zu einem signifikanten Anteil der jährlichen Strahlenbelastung bei. Inhalierte Zerfallsprodukte akkumulieren in der Lunge und sind die zweithäufigste Ursache für die Induktion von Lungenkrebs nach Rauchen. Auf der anderen Seite wird Radon zur Behandlung von entzündlichen Krankheiten wie beispielsweise rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew eingesetzt. Dennoch ist der Wirkungsmechanismus der Radontherapie bis heute weitestgehend ungeklärt. Es existieren jedoch erste Hinweise auf eine Wirkung über die Stimulation des Immunsystems. Zur Risikoeinschätzung sowie der Aufklärung des Wirkungsmechanismus der Radontherapie ist eine akkurate Dosisbestimmung und Kenntnis der Radonverteilung im Körper essentiell. Derzeitige Verfahren zur Dosisabschätzung beruhen jedoch auf unsicherheitsbehafteten, retrospektiven epidemiologischen Studien oder biokinetischen Modellen, in die Daten aus Tierexperimenten einfließen, die auf den menschlichen Organismus übertragen werden. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit Aktivitätsmessungen an einem Probanden direkt nach Radonexposition zur Dosisbestimmung in der abdominalen sowie thorakalen Region vorgestellt. Nach einstündiger Inhalation von Radon und seinen Zerfallsprodukten in einem Therapiestollen wurden extern gamma-Spektren der gamma-emittierenden Radonzerfallsprodukte Blei (Pb-214) und Bismut (Bi-214) in der abdominalen und thorakalen Region eines freiwilligen Probanden aufgenommen. Aus diesen Spektren wurde der zeitliche Aktivitätsverlauf der Nuklide bestimmt und durch Kenntnis der Zerfallskaskade von Radon Rückschlüsse auf die in der Körperregion applizierte Dosis gezogen. Zudem wurden aus dem Zeitverlauf der Aktivitäten unterschiedliche Verweildauern von Radon in den einzelnen Körperregionen ermittelt und mit ihren physiologischen Charakteristika verknüpft. Um die in der Arbeit verwendete Messmethode zu validieren, wurden im Vorfeld Absorptionsmessungen der Zerfallsprodukte auf einem luftdurchströmten Filtersystem durchgeführt. Die so erhaltenen Daten können einheitlich in einem Modell mit rein physikalischen Parametern beschrieben und verstanden werden. Bei den Probandenmessungen hingegen musste die Modellvorstellung zur konsistenten Beschreibung der Daten um biologische Komponenten wie aktive Transportprozesse und unterschiedliche Gewebeeigenschaften erweitert werden. Ein weiteres Hindernis war die inhomogene Verteilung von Radon in den gemessenen Körperregionen, die bei der Aktivitätsbestimmung von Pb-214 und Bi-214 eine große Rolle spielt. Bei den Probandenmessungen werden Dosiskonversionsfaktoren, die die Exposition mit einer bekannten Radonaktivitätskonzentration bei bekannter Expositionsdauer in eine Dosis überführen, für die abdominale und thorakale Region bestimmt. Diese betragen im Abdomen 1,55+/-0,33 microGy und im Thorax 1,11+/-0,35 microGy für eine einstündige Exposition bei 55 kBq/m^3 . Somit liegen sie in derselben Größenordnung wie derzeitige Modelle des Strahlenschutzes vorhersagen, jedoch weisen sie um einen Faktor 2-4 höhere Dosiswerte auf. Des Weiteren kann ein linearer Zusammenhang zwischen der Radonaktivitätskonzentration während der Exposition und der applizierten Dosis verifiziert und jeweils zwei verschiedene Verweildauern für Radon in der abdominalen sowie thorakalen Region bestimmt werden. Daraus wird der Dosisanteil durch lang- sowie kurzzeitig gespeichertes Radon ermittelt, wobei etwa ein Drittel des Radons länger im Körper verbleibt und dabei für über 80 % der applizierten Dosis durch Radoninkorporation verantwortlich ist. Im Gegensatz zu der Vorhersage bisheriger Modelle deuten die in der Arbeit durchgeführten Messungen auf einen fast doppelt so hohen Anteil inkorporierten Radons hin, das nach Exposition schnell aus dem Körper abtransportiert wird. Zudem konnte ein größerer Anteil lang gespeicherten Radons in der abdominalen als in der thorakalen Region detektiert werden, was mit dem höheren subkutanen Fettgehalt im Abdomen korreliert wurde. In dieser Arbeit werden durch direkte Aktivitätsmessungen am Probanden Dosiskonversionsfaktoren für verschiedene Körperregionen bestimmt. Die hier präsentierten Experimente liefern das erste in dieser Präzision erhobene Datenset, das ohne weitere Modellierungen eine inhomogene Verteilung von Radon im menschlichen Körper zeigt. Zusätzlich bietet es die Möglichkeit bisher existierende Modelle auf ihre Richtigkeit zu prüfen und anzupassen, um eine verbesserte Dosisabschätzung durch Radonexposition im Strahlenschutz und zur Untersuchung der entzündungshemmenden Wirkung von Radon zu erlangen.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2021
Autor(en): Papenfuß, Franziska
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Physikalische Parameter bei der Inkorporation von Radon und seinen Folgeprodukten im Modell und Organismus
Sprache: Deutsch
Referenten: Friedrich, PD Dr. Thomas ; Schneck, Prof. Dr. Emanuel
Publikationsjahr: 2021
Ort: Darmstadt
Kollation: xviii, 109 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 17 Februar 2021
DOI: 10.26083/tuprints-00017624
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/17624
Kurzbeschreibung (Abstract):

Das radioaktive Edelgas Radon ist allgegenwärtig in unserer Umwelt und trägt zu einem signifikanten Anteil der jährlichen Strahlenbelastung bei. Inhalierte Zerfallsprodukte akkumulieren in der Lunge und sind die zweithäufigste Ursache für die Induktion von Lungenkrebs nach Rauchen. Auf der anderen Seite wird Radon zur Behandlung von entzündlichen Krankheiten wie beispielsweise rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew eingesetzt. Dennoch ist der Wirkungsmechanismus der Radontherapie bis heute weitestgehend ungeklärt. Es existieren jedoch erste Hinweise auf eine Wirkung über die Stimulation des Immunsystems. Zur Risikoeinschätzung sowie der Aufklärung des Wirkungsmechanismus der Radontherapie ist eine akkurate Dosisbestimmung und Kenntnis der Radonverteilung im Körper essentiell. Derzeitige Verfahren zur Dosisabschätzung beruhen jedoch auf unsicherheitsbehafteten, retrospektiven epidemiologischen Studien oder biokinetischen Modellen, in die Daten aus Tierexperimenten einfließen, die auf den menschlichen Organismus übertragen werden. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit Aktivitätsmessungen an einem Probanden direkt nach Radonexposition zur Dosisbestimmung in der abdominalen sowie thorakalen Region vorgestellt. Nach einstündiger Inhalation von Radon und seinen Zerfallsprodukten in einem Therapiestollen wurden extern gamma-Spektren der gamma-emittierenden Radonzerfallsprodukte Blei (Pb-214) und Bismut (Bi-214) in der abdominalen und thorakalen Region eines freiwilligen Probanden aufgenommen. Aus diesen Spektren wurde der zeitliche Aktivitätsverlauf der Nuklide bestimmt und durch Kenntnis der Zerfallskaskade von Radon Rückschlüsse auf die in der Körperregion applizierte Dosis gezogen. Zudem wurden aus dem Zeitverlauf der Aktivitäten unterschiedliche Verweildauern von Radon in den einzelnen Körperregionen ermittelt und mit ihren physiologischen Charakteristika verknüpft. Um die in der Arbeit verwendete Messmethode zu validieren, wurden im Vorfeld Absorptionsmessungen der Zerfallsprodukte auf einem luftdurchströmten Filtersystem durchgeführt. Die so erhaltenen Daten können einheitlich in einem Modell mit rein physikalischen Parametern beschrieben und verstanden werden. Bei den Probandenmessungen hingegen musste die Modellvorstellung zur konsistenten Beschreibung der Daten um biologische Komponenten wie aktive Transportprozesse und unterschiedliche Gewebeeigenschaften erweitert werden. Ein weiteres Hindernis war die inhomogene Verteilung von Radon in den gemessenen Körperregionen, die bei der Aktivitätsbestimmung von Pb-214 und Bi-214 eine große Rolle spielt. Bei den Probandenmessungen werden Dosiskonversionsfaktoren, die die Exposition mit einer bekannten Radonaktivitätskonzentration bei bekannter Expositionsdauer in eine Dosis überführen, für die abdominale und thorakale Region bestimmt. Diese betragen im Abdomen 1,55+/-0,33 microGy und im Thorax 1,11+/-0,35 microGy für eine einstündige Exposition bei 55 kBq/m^3 . Somit liegen sie in derselben Größenordnung wie derzeitige Modelle des Strahlenschutzes vorhersagen, jedoch weisen sie um einen Faktor 2-4 höhere Dosiswerte auf. Des Weiteren kann ein linearer Zusammenhang zwischen der Radonaktivitätskonzentration während der Exposition und der applizierten Dosis verifiziert und jeweils zwei verschiedene Verweildauern für Radon in der abdominalen sowie thorakalen Region bestimmt werden. Daraus wird der Dosisanteil durch lang- sowie kurzzeitig gespeichertes Radon ermittelt, wobei etwa ein Drittel des Radons länger im Körper verbleibt und dabei für über 80 % der applizierten Dosis durch Radoninkorporation verantwortlich ist. Im Gegensatz zu der Vorhersage bisheriger Modelle deuten die in der Arbeit durchgeführten Messungen auf einen fast doppelt so hohen Anteil inkorporierten Radons hin, das nach Exposition schnell aus dem Körper abtransportiert wird. Zudem konnte ein größerer Anteil lang gespeicherten Radons in der abdominalen als in der thorakalen Region detektiert werden, was mit dem höheren subkutanen Fettgehalt im Abdomen korreliert wurde. In dieser Arbeit werden durch direkte Aktivitätsmessungen am Probanden Dosiskonversionsfaktoren für verschiedene Körperregionen bestimmt. Die hier präsentierten Experimente liefern das erste in dieser Präzision erhobene Datenset, das ohne weitere Modellierungen eine inhomogene Verteilung von Radon im menschlichen Körper zeigt. Zusätzlich bietet es die Möglichkeit bisher existierende Modelle auf ihre Richtigkeit zu prüfen und anzupassen, um eine verbesserte Dosisabschätzung durch Radonexposition im Strahlenschutz und zur Untersuchung der entzündungshemmenden Wirkung von Radon zu erlangen.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The radioactive noble gas radon is pervasive in our environment and contributes significantly to the annual radiation exposure. Inhaled progeny accumulates in the lung and is the second leading cause for lung cancer induction after smoking. On the other hand, radon is used to treat inflammatory diseases as rheumatoid arthritis or ankylosing spondylitis. However, the underlying mechanism of radon therapy is widely unknown although there are first indication that radon stimulates the immune system leading to an anti-inflammatory response. For both, risk assessment and revealing the underlying mechanism of radon action, a precise dose determination is essential. Nevertheless, current dose assessments are based on uncertainty prone, retrospective epidemiological studies or biokinetic models, for which input data is partly gained from animal experiments making the transfer to human subjects necessary. Therefore, we present activity measurements at the abdomen and thorax of a voluntary patient directly after radon exposure to determine the applied dose. After an one-hour inhalation of radon and its progeny in a therapy gallery, gamma-spectra of the gamma-emitting radon decay products lead (Pb-214) and bismuth (Bi-214) were recorded at the probands abdomen and thorax. Afterwards, the temporal activity curves of those isotopes were calculated and by taking into account the decay series of radon the applied doses to the abdominal and thoracic body site were determined. Moreover, different retention times for those body regions are derived and linked to their physiological characteristics. To validate the used measuring method, absorption measurements of radon decay products on a filter system were conducted. The gained data are described and interpreted with a model involving solely physical parameters. This model had to be adapted for biological and physiological parameters like active transport and tissue characteristics to accurately describe the measurements in a voluntary patient. Another obstacle was the inhomogeneous distribution of radon in the measurement region that influences the activity determination of Pb-214 and Bi-214. The measurements in a voluntary patient lead to dose conversion factors, transferring the exposure to certain radon activity concentrations over a known time interval into a dose, for the abdominal and thoracic body site. They are given with 1.55+/-0.33 microGy in the abdomen and 1.11+/-0.35 microGy in the thorax for an one-hour exposure at radon activity concentrations of 55 kBq/m^3. Thus, they lie in the same order of magnitude as predicted by currently used dose assessment models in radiation protection, but show by a facor 2-4 higher values. Moreover, a linear relation between the radon activity concentration during exposure and the applied dose was verified and two different retention times for radon were determined in the abdominal and thoracic region each. Hence, the dose fraction for long- and short-stored radon was identified, whereby about one third of radon is retained longer while being responsible for over 80 % of the applied dose due to radon incorporation. As a result, our measurements indicate almost twice the amount of short-stored radon than predicted by currently used models. In addition, a higher amount of long-stored radon was found in the abdominal than the thoracic body region reflecting the higher subcutaneous fat content of the abdomen. In this thesis, dose conversion factors for distinct body regions are determined by direct activity measurements on a volunteer. Here presented experiments provide the first data set measured in such precision that directly shows the inhomogeneous radon distribution in the body without applying any model assumptions. Furthermore, the data allows for the testing and improvement of currently used models to obtain a more precise dose estimate from radon exposure for radiation protection purpose and for further investigations concerning the anti-inflammatory effects of radon.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-176245
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 05 Fachbereich Physik
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM))
05 Fachbereich Physik > Institut für Festkörperphysik (2021 umbenannt in Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)) > Biophysik
Hinterlegungsdatum: 23 Mär 2021 08:29
Letzte Änderung: 30 Mär 2021 07:52
PPN:
Referenten: Friedrich, PD Dr. Thomas ; Schneck, Prof. Dr. Emanuel
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 17 Februar 2021
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