TU Darmstadt / ULB / TUbiblio

Mechanisches Verhalten von Natrium-Bismut-Titanat Piezokeramiken

Vögler, Malte (2018)
Mechanisches Verhalten von Natrium-Bismut-Titanat Piezokeramiken.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Im Rahmen dieser Arbeit wurde das mechanische Verhalten, insbesondere das Bruchverhalten von bleifreien NBT-xBT Piezokeramiken experimentell untersucht. Hierfür wurden drei Kompositionen über eine konventionelle Mischoxidroute hergestellt.

Mittels Resonanzfrequenz- und Dämpfungsanalyse wurde der E-Modul als Funktion der Temperatur zwischen 25 °C und 800 °C für ungepolte sowie gepolte Proben bestimmt. Die hohe Sensibilität des E-Moduls gegenüber strukturellen Änderungen konnte genutzt werden, um die Übergangstemperatur von der ferroelektrischen Phase in den ergodischen Relaxorzustand zu bestimmen. Besonders deutlich konnte dies an der NBT-0,06BT Keramik demonstriert werden. Hier wurde durch das Polen eine langreichweitige ferroelektrische Ordnung induziert, welche beim Aufheizen ein zusätzliches scharfes Minimum bei der Übergangstemperatur erzeugte. Des Weiteren konnte anhand der Entwicklung der E-Moduln die jeweiligen Burns Temperaturen bestimmt werden. Auf der Grundlage eines Zwei-Phasen-Kompositmodells wurde ein Vorgehen demonstriert, mit welchem eine quantitative Bestimmung des Volumenanteils der PNRs in Abhängigkeit der Temperatur möglich ist.

Die Aufnahme der Dehnung unter uniaxialer Druckspannung zeigte bei allen drei Kompositionen ein nicht-lineares Verhalten mit einer deutlichen remanenten Dehnung nach Entlastung. Hervorgerufen wurde dieses Verhalten allerdings durch zwei unterschiedliche physikalische Effekte. Während in NBT-0,03BT und NBT-0,12BT das ferroelastische Schalten von Domänen für die hohe nicht-lineare Dehnung verantwortlich ist, ist in ungepoltem NBT-0,06BT der spannungsinduzierte Übergang in eine langreichweitige ferroelektrische Domänenstruktur entscheidend. Die benötigten Grenzwertspannungen (die Koerzitivspannungen in NBT-0,03BT und NBT-0,12BT, bzw. die Transformationsspannung in NBT-0,06BT) liegen dabei zwischen -134 MPa und -322 MPa. Dies ist vergleichbar mit ferroelastisch harten PZT Keramiken, was für einen Verstärkungsmechanismus, welcher auf einer spannungsinduzierten Prozesszonenbildung beruht, keine gute Voraussetzung ist.

Die Bruchzähigkeit von kurzen Oberflächenrissen wurde mittels der SCF-Methode untersucht. Hierbei wurde im ungepolten Zustand eine Bruchzähigkeit von 1,46 MPa√m bis 1,54 MPa√m ausgemacht. Durch das Polen der Proben parallel zu den Rissflanken und senkrecht zur Ausbreitungsrichtung wurde eine Erhöhung auf 1,68 MPa√m bis 2,01 MPa√m erreicht. Mit diesen hohen Werten liegt NBT-xBT über den meisten anderen bleifreien und bleihaltigen ferroelektrischen Keramiken. Ein theoretisches Modell wurde aufgestellt, um die Bruchzähigkeiten anhand von ausschließlich messbaren Materialeigenschaften wie dem E-Modul, der remanenten Dehnung und der Grenzwertspannung abschätzen zu können. Der Vergleich der theoretischen Vorhersage mit den gemessenen Ergebnissen zeigt eine gute Übereinstimmung und demonstriert die Fähigkeit des Modells, auch den Einfluss durch vorausgegangene Polungsprozeduren und Temperatur berücksichtigen zu können. Die erzielten hohen Bruchzähigkeiten und die hohen Grenzwertspannungen ließen die Vermutung aufkommen, dass die intrinsische Bruchzähigkeit in NBT-xBT sehr hoch liegen muss.

Diese wurde mittels der Auswertung von Rissöffnungsprofilen von Vickers-Radialrissen bestimmt. Durch das Anpassen der Irwin-Parabel in den ersten 30 μm - 50 μm hinter der Rissspitze konnte in erster Näherung eine intrinsische Bruchzähigkeit unter der Annahme des ebenen Spannungszustandes von 1,24 MPa√m - 1,47 MPa√m bzw. unter der Annahme des ebenen Dehnungszustandes von 1,34 MPa√m - 1,58 MPa√m berechnet werden. Diese liegt etwa 80 % über einer Referenzmessung an kommerzieller, ferroelastisch weicher PZT Keramik (PIC 151). Es wird vermutet, dass die hohe intrinsische Bruchzähigkeit vor allem von den strukturellen Eigenschaften von NBT herrührt. Diese Ergebnisse formten weiter das Bild, dass NBT-xBT über kaum relevante zähigkeitserhöhende Verstärkungsmechanismen verfügt.

Dies wurde abschließend durch Untersuchungen an CT-Proben bestätigt. Die aufgenommenen Risswiderstandskurven zeigten ein sehr flaches Verhalten und somit keinen signifikanten Verstärkungsmechanismus. Die ermittelten Risswiderstände lagen unterhalb der mittels SCF-Methode berechneten Werte, was vor allem durch die Unterschiede im Spannungszustand und der Rissgeschwindigkeit begründet wurde. Um herauszufinden, ob sich überhaupt eine remanente spannungsinduzierte Prozesszone in NBT-0,06BT Keramiken an den Rissflanken gebildet hat, wurden röntgendiffraktografische Untersuchungen an den Bruchflächen von CT-Proben durchgeführt. Die Experimente ergaben keine Hinweise auf eine solche ausgerichtete tetragonale oder rhomboedrische langreichweitige Struktur.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2018
Autor(en): Vögler, Malte
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Mechanisches Verhalten von Natrium-Bismut-Titanat Piezokeramiken
Sprache: Deutsch
Referenten: Rödel, Prof. Dr. Jürgen ; Xu, Prof. Dr. Bai-Xiang
Publikationsjahr: 2018
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 22 Juni 2018
URL / URN: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/7556
Kurzbeschreibung (Abstract):

Im Rahmen dieser Arbeit wurde das mechanische Verhalten, insbesondere das Bruchverhalten von bleifreien NBT-xBT Piezokeramiken experimentell untersucht. Hierfür wurden drei Kompositionen über eine konventionelle Mischoxidroute hergestellt.

Mittels Resonanzfrequenz- und Dämpfungsanalyse wurde der E-Modul als Funktion der Temperatur zwischen 25 °C und 800 °C für ungepolte sowie gepolte Proben bestimmt. Die hohe Sensibilität des E-Moduls gegenüber strukturellen Änderungen konnte genutzt werden, um die Übergangstemperatur von der ferroelektrischen Phase in den ergodischen Relaxorzustand zu bestimmen. Besonders deutlich konnte dies an der NBT-0,06BT Keramik demonstriert werden. Hier wurde durch das Polen eine langreichweitige ferroelektrische Ordnung induziert, welche beim Aufheizen ein zusätzliches scharfes Minimum bei der Übergangstemperatur erzeugte. Des Weiteren konnte anhand der Entwicklung der E-Moduln die jeweiligen Burns Temperaturen bestimmt werden. Auf der Grundlage eines Zwei-Phasen-Kompositmodells wurde ein Vorgehen demonstriert, mit welchem eine quantitative Bestimmung des Volumenanteils der PNRs in Abhängigkeit der Temperatur möglich ist.

Die Aufnahme der Dehnung unter uniaxialer Druckspannung zeigte bei allen drei Kompositionen ein nicht-lineares Verhalten mit einer deutlichen remanenten Dehnung nach Entlastung. Hervorgerufen wurde dieses Verhalten allerdings durch zwei unterschiedliche physikalische Effekte. Während in NBT-0,03BT und NBT-0,12BT das ferroelastische Schalten von Domänen für die hohe nicht-lineare Dehnung verantwortlich ist, ist in ungepoltem NBT-0,06BT der spannungsinduzierte Übergang in eine langreichweitige ferroelektrische Domänenstruktur entscheidend. Die benötigten Grenzwertspannungen (die Koerzitivspannungen in NBT-0,03BT und NBT-0,12BT, bzw. die Transformationsspannung in NBT-0,06BT) liegen dabei zwischen -134 MPa und -322 MPa. Dies ist vergleichbar mit ferroelastisch harten PZT Keramiken, was für einen Verstärkungsmechanismus, welcher auf einer spannungsinduzierten Prozesszonenbildung beruht, keine gute Voraussetzung ist.

Die Bruchzähigkeit von kurzen Oberflächenrissen wurde mittels der SCF-Methode untersucht. Hierbei wurde im ungepolten Zustand eine Bruchzähigkeit von 1,46 MPa√m bis 1,54 MPa√m ausgemacht. Durch das Polen der Proben parallel zu den Rissflanken und senkrecht zur Ausbreitungsrichtung wurde eine Erhöhung auf 1,68 MPa√m bis 2,01 MPa√m erreicht. Mit diesen hohen Werten liegt NBT-xBT über den meisten anderen bleifreien und bleihaltigen ferroelektrischen Keramiken. Ein theoretisches Modell wurde aufgestellt, um die Bruchzähigkeiten anhand von ausschließlich messbaren Materialeigenschaften wie dem E-Modul, der remanenten Dehnung und der Grenzwertspannung abschätzen zu können. Der Vergleich der theoretischen Vorhersage mit den gemessenen Ergebnissen zeigt eine gute Übereinstimmung und demonstriert die Fähigkeit des Modells, auch den Einfluss durch vorausgegangene Polungsprozeduren und Temperatur berücksichtigen zu können. Die erzielten hohen Bruchzähigkeiten und die hohen Grenzwertspannungen ließen die Vermutung aufkommen, dass die intrinsische Bruchzähigkeit in NBT-xBT sehr hoch liegen muss.

Diese wurde mittels der Auswertung von Rissöffnungsprofilen von Vickers-Radialrissen bestimmt. Durch das Anpassen der Irwin-Parabel in den ersten 30 μm - 50 μm hinter der Rissspitze konnte in erster Näherung eine intrinsische Bruchzähigkeit unter der Annahme des ebenen Spannungszustandes von 1,24 MPa√m - 1,47 MPa√m bzw. unter der Annahme des ebenen Dehnungszustandes von 1,34 MPa√m - 1,58 MPa√m berechnet werden. Diese liegt etwa 80 % über einer Referenzmessung an kommerzieller, ferroelastisch weicher PZT Keramik (PIC 151). Es wird vermutet, dass die hohe intrinsische Bruchzähigkeit vor allem von den strukturellen Eigenschaften von NBT herrührt. Diese Ergebnisse formten weiter das Bild, dass NBT-xBT über kaum relevante zähigkeitserhöhende Verstärkungsmechanismen verfügt.

Dies wurde abschließend durch Untersuchungen an CT-Proben bestätigt. Die aufgenommenen Risswiderstandskurven zeigten ein sehr flaches Verhalten und somit keinen signifikanten Verstärkungsmechanismus. Die ermittelten Risswiderstände lagen unterhalb der mittels SCF-Methode berechneten Werte, was vor allem durch die Unterschiede im Spannungszustand und der Rissgeschwindigkeit begründet wurde. Um herauszufinden, ob sich überhaupt eine remanente spannungsinduzierte Prozesszone in NBT-0,06BT Keramiken an den Rissflanken gebildet hat, wurden röntgendiffraktografische Untersuchungen an den Bruchflächen von CT-Proben durchgeführt. Die Experimente ergaben keine Hinweise auf eine solche ausgerichtete tetragonale oder rhomboedrische langreichweitige Struktur.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

In this work the mechanical properties, especially the fracture toughness of NBT-xBT piezoceramics, were characterized by various experimental methods. Therefore, three compositions were synthesized using the conventional solid-state oxide route. A detailed analysis of the Young’s modulus for poled and unpoled samples between 25 °C und 800 °C was made, utilizing resonance frequency damping analysis (RFDA). The high sensitivity of the Young’s modulus in respect to small structural distortions was used to determine the transition temperature from the ferroelectric to the ergodic relaxor state. The results of BNT-0.06BT (where the FE phase was induced by poling) are remarkable. In comparison to the unpoled sample, a sharp minimum was observed at the transition temperature. Furthermore, it was possible to determine the respective Burns temperatures based on the development of the Young’s moduli. Based on a two-phase composite model, a novel procedure was developed and applied to quantify the volume fraction of the polar nanoregions (PNRs) as a function of temperature. Uniaxial stress-strain measurements revealed a non-linear behavior with a significant remanent strain after the relief of the stress for all three compositions. Depending on the composition, two different effects are responsible for this observation. While in NBT-0.03BT and NBT-0.12BT ferroelastic domain switching leads to high non-linear strain, unpoled NBT-0.06BT shows a stress induced relaxor to ferroelectric transition accompanied by a non-linear strain response. The corresponding critical stresses (the coercive stress in NBT-0.03BT and NBT-0.12BT; the transformation stress in NBT-0.06BT) are found to be between -134 MPa and -322 MPa. These high values are comparable to ferroelastic hard doped PZT ceramics, which would limit the process zone size at the crack tip and therefore, the expected toughening. The surface crack in flexure method was used to investigate the fracture toughness for small surface cracks. For unpoled samples, a fracture toughness between 1.46 MPa√m and 1.54 MPa√m was observed. Poling the samples parallel to the crack plane and perpendicular to the crack propagation direction leads to an increase in fracture toughness of 1.68 MPa√m to 2.01 MPa√m. These values surpass most lead-free and lead-containing ferroelectric ceramics. The results were contrasted to the predictions of an adapted transformation toughening-type model. The presented model is based on exclusively measurable material properties such as the Young’s modulus, the remanent strain and the critical stress. The comparison of the measured and the theoretical fracture toughness shows a good agreement and demonstrates the capability of the model, which can take the poling state as well as temperature into account. The observed high fracture toughness along with the high critical stress suggests that NBT-xBT must have a high intrinsic fracture toughness. To confirm this assumption, crack opening displacement profiles of indentation cracks were evaluated. By fitting the Irwin parabola within the first 30 μm - 50 μm behind the crack tip, an intrinsic fracture toughness of 1.24 MPa√m - 1.47 MPa√m (plane stress) and 1.34 MPa√m - 1.58 MPa√m (plane strain), respectively, could be approximated. This is about 80% higher than in soft PZT, shown by reference measurements on commercially available PIC 151 ceramic. The high intrinsic fracture toughness of the evaluated NBT-xBT compositions is likely due to the high intrinsic fracture toughness of pure NBT and supports the assumption, that NBT-xBT has only very limited relevant toughening mechanisms. This was confirmed by studies on compact tension (CT) samples. The recorded crack resistance curves showed a very flat behavior and thus no significant toughening effect. The total crack resistances were below the values calculated by the SCF method, which could be explained due to the differences in the stress state and velocity of crack propagation. To find out whether a remanent stress-induced process zone is formed in NBT-0.06BT during crack propagation, ex situ x-ray diffraction experiments were performed on the fracture surfaces of CT samples. Low angle synchrotron measurements revealed no remanent transformation on the fracture surface at all, supporting the absence of a rising R-curve.

Englisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-75565
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 500 Naturwissenschaften
500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften
11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften > Materialwissenschaft
11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften > Materialwissenschaft > Fachgebiet Nichtmetallisch-Anorganische Werkstoffe
Hinterlegungsdatum: 15 Jul 2018 19:56
Letzte Änderung: 15 Jul 2018 19:56
PPN:
Referenten: Rödel, Prof. Dr. Jürgen ; Xu, Prof. Dr. Bai-Xiang
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 22 Juni 2018
Export:
Suche nach Titel in: TUfind oder in Google
Frage zum Eintrag Frage zum Eintrag

Optionen (nur für Redakteure)
Redaktionelle Details anzeigen Redaktionelle Details anzeigen