Čičković, Marko (2022)
Einbeziehung der Time History zur Auswertung von Tragfähigkeitsmessungen mittels Falling Weight Deflectometer (FWD).
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00021219
Ph.D. Thesis, Primary publication, Publisher's Version
Abstract
Die Verkehrsinfrastruktur hat in der Gesamtgesellschaft einen kaum zu unterschätzenden Wert. So ermöglich erst eine funktionstüchtige Verkehrsinfrastruktur den Austausch von Waren, sichert beziehungsweise schafft Arbeitsplätze und ermöglicht auch einen gewissen gesellschaftlichen Austausch – insgesamt sorgt die Verkehrsinfrastruktur also für Wohlstand materieller und ideeller Art. Im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030, den das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) herausgegeben hat, wird ein Gesamtin-vestitionsvolumen von ca. 270 Mrd. € bis zum Jahr 2030 ausgewiesen, wovon ca. 133 Mrd. € für den Verkehrsträger Straße vorgesehen sind, wovon wiederum 67 Mrd. € für die Erhaltung des Bundesfernstraßennetzes als Bedarf ermittelt wurden (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016). Der betrachtete Zeithorizont dieser Investitionen umfasst den Zeitraum zwischen 2016 und 2030. Straßen des untergeordneten Netzes, also Landes-, Kreis- und kommunale Straßen sind in dieser Berechnung nicht berücksichtigt. Hieraus geht hervor, dass enorme finanzielle Mittel für die Erhaltung des gesamten Straßennetzes notwendig sind und es daher eine wichtige Aufgabe ist, Bedarfe und Ausmaße von Erhaltungsmaßnahmen identifizieren zu können. Grundsätzlich dient die auf Bundesfernstraßen im Vier-Jahres-Rhythmus stattfindende Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) als Datenbasis, um erhaltungsbedürftige Abschnitte zu definieren und darauf aufbauend Erhaltungsmaßnahmen zu planen. Jedoch konzentrieren sich die in der ZEB enthaltenen Messverfahren auf oberflächlich sichtbare Merkmale einer Verkehrsflächenbefestigung und können daher wenig zum Zustand der strukturellen Substanz aussagen. Hier können Tragfähigkeitsmessverfahren als komplementäres Messverfahren eingesetzt werden, da diese zum einen zerstörungsfrei arbeiten, zum anderen auch durch die Art der Messverfahren selbst (Beanspruchung → Messung der mechanischen Reaktion der Befestigung) direkte Rückschlüsse auf die strukturelle Substanz zulassen. Vergleiche zwischen Zustandsgrößen der ZEB und Tragfähigkeitsgrößen (messtechnische Erfassung mittels Traffic Speed Deflectometer (TSD)) zeigten, dass nur ein geringer Zusammenhang besteht (Čičković, Bald & Middendorf, 2020). Eines der Tragfähigkeitsmessverfahren ist das Falling Weight Deflectometer (FWD), welches bereits seit einigen Jahrzehnten international im Einsatz ist und punktuell die Tragfähigkeit erfasst. Das Messprinzip ist simpel: Das FWD erzeugt über Gewichtplatten eine Last, die über Gummipuffer und eine Lastplatte in die zu untersuchende Verkehrsflächenbefestigung eingetragen wird. Der zugehörige Kraftstoß entspricht dabei der Beanspruchung eines Lkw-Rads. Die hervorgerufene Verformung wird mithilfe von Geophonen erfasst. Diese Geophone sind in unterschiedlichen Entfernungen zum Lastmittelpunkt angebracht und können so die gesamte Verformungsmulde abbilden. Da der Kraftstoß des FWD keinerlei Horizontalkomponente aufweist, gibt es hier auch keinerlei Asymmetrien, die berücksichtigt werden müssten. Der derzeitige Stand der Technik ist, dass der Maximalwert der Verformung an jedem Geophon verwendet wird, um eine stationäre Verformungsmulde zu konstruieren. Diese stationäre Verformungsmulde wird anschließend verwendet, um Tragfähigkeitsgrößen zu ermitteln und darauf aufbauend die untersuchte Verkehrsflächenbefestigung hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit zu bewerten. Das FWD ist aber grundsätzlich in der Lage, auch die zeitlichen Verläufe der Kraft und Verformungen abzuspeichern. Diese sogenannte Time History wird allerdings bisher in keinster Weise verwendet, um Tragfähigkeitsgrößen zu berechnen. Ziel dieser Arbeit ist es, auf Grundlage einer ausgiebigen Literaturstudie und messtechnischer Erfahrung, Kennwerte zu identifizieren, die auf Basis der Time History des FWD berechnet werden können und hieraus einen Mehrwert für die Bewertung der Tragfähigkeit zu erzeugen. In der Wissenschaft sind bislang nur wenige Kennwerte bekannt, die mithilfe der Time History des FWD berechnet werden können: die dissipierte Energie Wdiss, die Wellenausbreitungsgeschwindigkeit vW und der Phasenverschiebungswinkel δ. Alle drei Kennwerte nutzen den Umstand, dass Verkehrsflächenbefestigungen kein ideal-elastisches Materialverhalten aufweisen, sondern auch viskose Anteile besitzen. Daher entspricht der Entlastungspfad nie vollständig dem Belastungspfad. Bisherige Untersuchungen stellten die Hypothese auf, dass die Kennwerte aus der Time History des FWD vor allem das Materialverhalten der gebundenen Schichten ansprechen, das heißt vor allem Steifigkeitsänderungen bei hohen Temperaturen können bei Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt detektiert werden. Gleichzeitig wird auch festgestellt, dass Steifigkeitsabnahmen der ungebundenen Schichten während der Tauperiode vor allem durch die dissipierte Energie Wdiss erkannt werden können. Mechanisch gesehen steht die dissipierte Energie Wdiss in direktem Zusammenhang mit dem Schaden, den ein Belastungszyklus auslöst und der Materialermüdung. Daher ergibt dieser dynamische Kennwert, im Gegensatz zu den bisher vorhandenen, konventionellen Tragfähigkeitskennwerten, eine direkte Verbindung zur vorherrschenden Materialermüdung. Datengrundlage zur Reproduktion der dynamischen Tragfähigkeitskennwerte ist zum einen eine modelltheoretische Untersuchung anhand eines Spektralelementmethodenmodells, zum anderen experimentelle Untersuchungen an insgesamt elf Messstrecken unterschiedlicher konstruktiver Ausbildung. Die insgesamt elf Messstrecken umfassen Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (neun Messtrecken), eine Verkehrsflächenbefestigung aus Beton und eine Verkehrsflächenbefestigung aus ungebundenem Material. Die Messungen fanden im Laufe des Kalenderjahrs 2017 statt und deckten verschiedene Wetter- und Jahreszeitenlagen ab. Es wurde ein Messraster mit einer Maschenweite von 25 m gewählt, bei einer Gesamtstreckenlänge von jeweils 500 m und bei sieben Messstrecken wurde in zwei Messlinien gemessen (Fahrstreifenmitte und rechte Rollspur). Zur Feststellung des Aufbaus der Messstrecken wurden Bohrkerne entnommen, anhand derer die Schichtdicken erfasst wurden. Die Analyse der Tragfähigkeitsmessungen ergibt eine starke Abnahme der Tragfähigkeit der ungebundenen Schichten während der Tauperiode. Dies äußert sich durch eine starke Abnahme des Schichtmoduls der ungebundenen Schichten M0 auf Seiten der konventionellen Tragfähigkeitskennwerte. Auf Seiten der dynamischen Tragfähigkeitskennwerte kann eine starke Zunahme der dissipierten Energie Wdiss beobachtet werden. Steifigkeitsänderungen der gebundenen Schichten infolge hoher Temperaturen im Sommer können ebenso beobachtet werden, allerdings sind deren Auswirkungen auf die dynamischen Tragfähigkeitskennwerte bei weitem nicht so groß wie Steifigkeitsänderungen der ungebundenen Schichten. Bei der Analyse der Untersuchungsergebnisse der Verkehrsflächenbefestigung aus Beton (MS 3) zeigen sich kaum Veränderungen der Tragfähigkeitsgrößen. Die Ergebnisse der Messungen auf einer ungebundenen Befestigung (in Lettland) zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Steifigkeit der ungebundenen Schichten und der dissipierten Energie Wdiss. Die Zunahme von visko-elastischen Effekten, die aufgrund hoher Temperaturen im Asphalt zu beobachten wären, kann auf Grundlage der experimentellen Untersuchungen nicht bestätigt werden. Die teilweise großen Unterschiede der Tragfähigkeitsgrößen zwischen rechter Rollspur und Fahrstreifenmitte können mechanisch aufgrund der Lage der Beanspruchung (Plattenmitte oder Plattenrand) begründet werden. Plattenstatische Berechnungen bestätigen die ungefähre Größenordnung der Unterschiede in der quantitativen Ausprägung von Tragfähigkeits¬kennwerten, je nachdem ob die Beanspruchung in Plattenmitte oder nahe des Plattenrands erfolgt. Die modelltheoretische Untersuchung wird mithilfe einer Spektralelementmethode (SEM) durchgeführt, bei der das 2S2P1D-Modell für Asphalt angewendet wird. Die SEM-Simulation ermöglich durch die Rückrechnung in der Frequenzdomäne eine Berücksichtigung viskoser Materialverhaltensanteile und es kann der Kraftstoß des FWD nachempfunden werden – Output ist eine Time History der Kraft und der Verformungen. Bei der Parameterstudie wird zum einen ein elastischer und visko-elastischer Fall betrachtet, bei dem die Asphaltkörpertemperatur und damit die Steifigkeit der gebundenen Schichten (Asphalt) variiert wird. In einem weiteren Fall wird die Steifigkeit der ungebundenen Schicht bei gleichbleibenden Eigenschaften der gebundenen Schichten variiert. Dabei zeigt sich, dass im elastischen Betrachtungsfall keinerlei Veränderungen der dynamischen Tragfähigkeitskennwerte zu verzeichnen sind. Beim visko-elastischen Betrachtungsfall kommt es zu einer Zunahme der dissipierten Energie Wdiss. Gleiches lässt sich bei der Abnahme der Steifigkeit der ungebundenen Schichten beobachten. Um die konventionellen mit den dynamischen Tragfähigkeitskennwerten zu vergleichen, wird auf Basis einer Voruntersuchung ein hyperbolischer Zusammenhang angenommen, das heißt die dissipierte Energie Wdiss verändert sich überproportional im Bereich niedriger Steifigkeiten der gebundenen und ungebundenen Schichten (repräsentiert durch die konventionellen Tragfähigkeitskennwerte). Dieser Zusammenhang wird sowohl beim Schichtmodul der ungebundenen Schichten M0 als auch bei der charakteristischen Steifigkeit der lastverteilenden Schicht M1h3 bestätigt. Eine statistische Analyse der Zusammenhänge zeigt jedoch, dass der Zusammenhang zwischen der charakteristischen Steifigkeit der lastverteilenden Schicht M1h3 und der dissipierten Energie Wdiss bedingt wird durch den Zusammenhang zwischen dem Schichtmodul M0 und der charakteristischen Steifigkeit M1h3. Die Korrelations- und Regressionsanalyse zeigt auch, dass der Zusammenhang zwischen dissipierter Energie Wdiss und dem Schichtmodul M0 stärker ist. Dies kann dadurch begründet werden, dass bei der Berechnung der dissipierten Energie Wdiss der Verformungsverlauf im Lastmittelpunkt herangezogen wird und dieser in hohem Maße auch von der Steifigkeit der ungebundenen Schichten abhängig ist. So ergibt sich, dass die dissipierte Energie Wdiss geeignet ist, um Aussagen über die Steifigkeiten der gebundenen und ungebundenen Schichten treffen zu können, jedoch die Aussageschärfe für die ungebundenen Schichten deutlich stärker ist. Schließlich lässt sich feststellen, dass die Betrachtung der Time History Vorteile bietet hinsichtlich des Verständnisses dynamischer Prozesse bei der Beanspruchung von Verkehrsflächenbefestigungen und sich hieraus Kennwerte ableiten lassen, die signifikanter auf Schwächen in der strukturellen Substanz schließen lassen. Gleichzeitig lassen sich aus der Time History auch Potentiale bezüglich der Qualitätssicherung von FWD-Tragfähigkeitsmessungen identifizieren, da eine Verwendung der Time History zur genaueren Analyse der Vergleichbarkeit unterschiedlicher Messgeräte herangezogen werden kann. Außerdem ergibt sich aus den experimentellen Untersuchungen die Fragestellung, inwieweit die bisherigen Normierungsverfahren ergänzt werden müssen um die Steifigkeitsveränderung der ungebundenen Schichten während der Tauperiode.
Item Type: | Ph.D. Thesis | ||||
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Erschienen: | 2022 | ||||
Creators: | Čičković, Marko | ||||
Type of entry: | Primary publication | ||||
Title: | Einbeziehung der Time History zur Auswertung von Tragfähigkeitsmessungen mittels Falling Weight Deflectometer (FWD) | ||||
Language: | German | ||||
Referees: | Bald, Prof. Dr. J. Stefan ; Sivapatham, Prof. Dr. Pahirangan ; Riedl, Prof. Dr. Steffen | ||||
Date: | 2022 | ||||
Place of Publication: | Darmstadt | ||||
Collation: | 272 Seiten in verschiedenen Zählungen | ||||
Refereed: | 28 January 2022 | ||||
DOI: | 10.26083/tuprints-00021219 | ||||
URL / URN: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/21219 | ||||
Abstract: | Die Verkehrsinfrastruktur hat in der Gesamtgesellschaft einen kaum zu unterschätzenden Wert. So ermöglich erst eine funktionstüchtige Verkehrsinfrastruktur den Austausch von Waren, sichert beziehungsweise schafft Arbeitsplätze und ermöglicht auch einen gewissen gesellschaftlichen Austausch – insgesamt sorgt die Verkehrsinfrastruktur also für Wohlstand materieller und ideeller Art. Im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030, den das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) herausgegeben hat, wird ein Gesamtin-vestitionsvolumen von ca. 270 Mrd. € bis zum Jahr 2030 ausgewiesen, wovon ca. 133 Mrd. € für den Verkehrsträger Straße vorgesehen sind, wovon wiederum 67 Mrd. € für die Erhaltung des Bundesfernstraßennetzes als Bedarf ermittelt wurden (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016). Der betrachtete Zeithorizont dieser Investitionen umfasst den Zeitraum zwischen 2016 und 2030. Straßen des untergeordneten Netzes, also Landes-, Kreis- und kommunale Straßen sind in dieser Berechnung nicht berücksichtigt. Hieraus geht hervor, dass enorme finanzielle Mittel für die Erhaltung des gesamten Straßennetzes notwendig sind und es daher eine wichtige Aufgabe ist, Bedarfe und Ausmaße von Erhaltungsmaßnahmen identifizieren zu können. Grundsätzlich dient die auf Bundesfernstraßen im Vier-Jahres-Rhythmus stattfindende Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) als Datenbasis, um erhaltungsbedürftige Abschnitte zu definieren und darauf aufbauend Erhaltungsmaßnahmen zu planen. Jedoch konzentrieren sich die in der ZEB enthaltenen Messverfahren auf oberflächlich sichtbare Merkmale einer Verkehrsflächenbefestigung und können daher wenig zum Zustand der strukturellen Substanz aussagen. Hier können Tragfähigkeitsmessverfahren als komplementäres Messverfahren eingesetzt werden, da diese zum einen zerstörungsfrei arbeiten, zum anderen auch durch die Art der Messverfahren selbst (Beanspruchung → Messung der mechanischen Reaktion der Befestigung) direkte Rückschlüsse auf die strukturelle Substanz zulassen. Vergleiche zwischen Zustandsgrößen der ZEB und Tragfähigkeitsgrößen (messtechnische Erfassung mittels Traffic Speed Deflectometer (TSD)) zeigten, dass nur ein geringer Zusammenhang besteht (Čičković, Bald & Middendorf, 2020). Eines der Tragfähigkeitsmessverfahren ist das Falling Weight Deflectometer (FWD), welches bereits seit einigen Jahrzehnten international im Einsatz ist und punktuell die Tragfähigkeit erfasst. Das Messprinzip ist simpel: Das FWD erzeugt über Gewichtplatten eine Last, die über Gummipuffer und eine Lastplatte in die zu untersuchende Verkehrsflächenbefestigung eingetragen wird. Der zugehörige Kraftstoß entspricht dabei der Beanspruchung eines Lkw-Rads. Die hervorgerufene Verformung wird mithilfe von Geophonen erfasst. Diese Geophone sind in unterschiedlichen Entfernungen zum Lastmittelpunkt angebracht und können so die gesamte Verformungsmulde abbilden. Da der Kraftstoß des FWD keinerlei Horizontalkomponente aufweist, gibt es hier auch keinerlei Asymmetrien, die berücksichtigt werden müssten. Der derzeitige Stand der Technik ist, dass der Maximalwert der Verformung an jedem Geophon verwendet wird, um eine stationäre Verformungsmulde zu konstruieren. Diese stationäre Verformungsmulde wird anschließend verwendet, um Tragfähigkeitsgrößen zu ermitteln und darauf aufbauend die untersuchte Verkehrsflächenbefestigung hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit zu bewerten. Das FWD ist aber grundsätzlich in der Lage, auch die zeitlichen Verläufe der Kraft und Verformungen abzuspeichern. Diese sogenannte Time History wird allerdings bisher in keinster Weise verwendet, um Tragfähigkeitsgrößen zu berechnen. Ziel dieser Arbeit ist es, auf Grundlage einer ausgiebigen Literaturstudie und messtechnischer Erfahrung, Kennwerte zu identifizieren, die auf Basis der Time History des FWD berechnet werden können und hieraus einen Mehrwert für die Bewertung der Tragfähigkeit zu erzeugen. In der Wissenschaft sind bislang nur wenige Kennwerte bekannt, die mithilfe der Time History des FWD berechnet werden können: die dissipierte Energie Wdiss, die Wellenausbreitungsgeschwindigkeit vW und der Phasenverschiebungswinkel δ. Alle drei Kennwerte nutzen den Umstand, dass Verkehrsflächenbefestigungen kein ideal-elastisches Materialverhalten aufweisen, sondern auch viskose Anteile besitzen. Daher entspricht der Entlastungspfad nie vollständig dem Belastungspfad. Bisherige Untersuchungen stellten die Hypothese auf, dass die Kennwerte aus der Time History des FWD vor allem das Materialverhalten der gebundenen Schichten ansprechen, das heißt vor allem Steifigkeitsänderungen bei hohen Temperaturen können bei Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt detektiert werden. Gleichzeitig wird auch festgestellt, dass Steifigkeitsabnahmen der ungebundenen Schichten während der Tauperiode vor allem durch die dissipierte Energie Wdiss erkannt werden können. Mechanisch gesehen steht die dissipierte Energie Wdiss in direktem Zusammenhang mit dem Schaden, den ein Belastungszyklus auslöst und der Materialermüdung. Daher ergibt dieser dynamische Kennwert, im Gegensatz zu den bisher vorhandenen, konventionellen Tragfähigkeitskennwerten, eine direkte Verbindung zur vorherrschenden Materialermüdung. Datengrundlage zur Reproduktion der dynamischen Tragfähigkeitskennwerte ist zum einen eine modelltheoretische Untersuchung anhand eines Spektralelementmethodenmodells, zum anderen experimentelle Untersuchungen an insgesamt elf Messstrecken unterschiedlicher konstruktiver Ausbildung. Die insgesamt elf Messstrecken umfassen Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (neun Messtrecken), eine Verkehrsflächenbefestigung aus Beton und eine Verkehrsflächenbefestigung aus ungebundenem Material. Die Messungen fanden im Laufe des Kalenderjahrs 2017 statt und deckten verschiedene Wetter- und Jahreszeitenlagen ab. Es wurde ein Messraster mit einer Maschenweite von 25 m gewählt, bei einer Gesamtstreckenlänge von jeweils 500 m und bei sieben Messstrecken wurde in zwei Messlinien gemessen (Fahrstreifenmitte und rechte Rollspur). Zur Feststellung des Aufbaus der Messstrecken wurden Bohrkerne entnommen, anhand derer die Schichtdicken erfasst wurden. Die Analyse der Tragfähigkeitsmessungen ergibt eine starke Abnahme der Tragfähigkeit der ungebundenen Schichten während der Tauperiode. Dies äußert sich durch eine starke Abnahme des Schichtmoduls der ungebundenen Schichten M0 auf Seiten der konventionellen Tragfähigkeitskennwerte. Auf Seiten der dynamischen Tragfähigkeitskennwerte kann eine starke Zunahme der dissipierten Energie Wdiss beobachtet werden. Steifigkeitsänderungen der gebundenen Schichten infolge hoher Temperaturen im Sommer können ebenso beobachtet werden, allerdings sind deren Auswirkungen auf die dynamischen Tragfähigkeitskennwerte bei weitem nicht so groß wie Steifigkeitsänderungen der ungebundenen Schichten. Bei der Analyse der Untersuchungsergebnisse der Verkehrsflächenbefestigung aus Beton (MS 3) zeigen sich kaum Veränderungen der Tragfähigkeitsgrößen. Die Ergebnisse der Messungen auf einer ungebundenen Befestigung (in Lettland) zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Steifigkeit der ungebundenen Schichten und der dissipierten Energie Wdiss. Die Zunahme von visko-elastischen Effekten, die aufgrund hoher Temperaturen im Asphalt zu beobachten wären, kann auf Grundlage der experimentellen Untersuchungen nicht bestätigt werden. Die teilweise großen Unterschiede der Tragfähigkeitsgrößen zwischen rechter Rollspur und Fahrstreifenmitte können mechanisch aufgrund der Lage der Beanspruchung (Plattenmitte oder Plattenrand) begründet werden. Plattenstatische Berechnungen bestätigen die ungefähre Größenordnung der Unterschiede in der quantitativen Ausprägung von Tragfähigkeits¬kennwerten, je nachdem ob die Beanspruchung in Plattenmitte oder nahe des Plattenrands erfolgt. Die modelltheoretische Untersuchung wird mithilfe einer Spektralelementmethode (SEM) durchgeführt, bei der das 2S2P1D-Modell für Asphalt angewendet wird. Die SEM-Simulation ermöglich durch die Rückrechnung in der Frequenzdomäne eine Berücksichtigung viskoser Materialverhaltensanteile und es kann der Kraftstoß des FWD nachempfunden werden – Output ist eine Time History der Kraft und der Verformungen. Bei der Parameterstudie wird zum einen ein elastischer und visko-elastischer Fall betrachtet, bei dem die Asphaltkörpertemperatur und damit die Steifigkeit der gebundenen Schichten (Asphalt) variiert wird. In einem weiteren Fall wird die Steifigkeit der ungebundenen Schicht bei gleichbleibenden Eigenschaften der gebundenen Schichten variiert. Dabei zeigt sich, dass im elastischen Betrachtungsfall keinerlei Veränderungen der dynamischen Tragfähigkeitskennwerte zu verzeichnen sind. Beim visko-elastischen Betrachtungsfall kommt es zu einer Zunahme der dissipierten Energie Wdiss. Gleiches lässt sich bei der Abnahme der Steifigkeit der ungebundenen Schichten beobachten. Um die konventionellen mit den dynamischen Tragfähigkeitskennwerten zu vergleichen, wird auf Basis einer Voruntersuchung ein hyperbolischer Zusammenhang angenommen, das heißt die dissipierte Energie Wdiss verändert sich überproportional im Bereich niedriger Steifigkeiten der gebundenen und ungebundenen Schichten (repräsentiert durch die konventionellen Tragfähigkeitskennwerte). Dieser Zusammenhang wird sowohl beim Schichtmodul der ungebundenen Schichten M0 als auch bei der charakteristischen Steifigkeit der lastverteilenden Schicht M1h3 bestätigt. Eine statistische Analyse der Zusammenhänge zeigt jedoch, dass der Zusammenhang zwischen der charakteristischen Steifigkeit der lastverteilenden Schicht M1h3 und der dissipierten Energie Wdiss bedingt wird durch den Zusammenhang zwischen dem Schichtmodul M0 und der charakteristischen Steifigkeit M1h3. Die Korrelations- und Regressionsanalyse zeigt auch, dass der Zusammenhang zwischen dissipierter Energie Wdiss und dem Schichtmodul M0 stärker ist. Dies kann dadurch begründet werden, dass bei der Berechnung der dissipierten Energie Wdiss der Verformungsverlauf im Lastmittelpunkt herangezogen wird und dieser in hohem Maße auch von der Steifigkeit der ungebundenen Schichten abhängig ist. So ergibt sich, dass die dissipierte Energie Wdiss geeignet ist, um Aussagen über die Steifigkeiten der gebundenen und ungebundenen Schichten treffen zu können, jedoch die Aussageschärfe für die ungebundenen Schichten deutlich stärker ist. Schließlich lässt sich feststellen, dass die Betrachtung der Time History Vorteile bietet hinsichtlich des Verständnisses dynamischer Prozesse bei der Beanspruchung von Verkehrsflächenbefestigungen und sich hieraus Kennwerte ableiten lassen, die signifikanter auf Schwächen in der strukturellen Substanz schließen lassen. Gleichzeitig lassen sich aus der Time History auch Potentiale bezüglich der Qualitätssicherung von FWD-Tragfähigkeitsmessungen identifizieren, da eine Verwendung der Time History zur genaueren Analyse der Vergleichbarkeit unterschiedlicher Messgeräte herangezogen werden kann. Außerdem ergibt sich aus den experimentellen Untersuchungen die Fragestellung, inwieweit die bisherigen Normierungsverfahren ergänzt werden müssen um die Steifigkeitsveränderung der ungebundenen Schichten während der Tauperiode. |
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Alternative Abstract: |
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Status: | Publisher's Version | ||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-212199 | ||||
Classification DDC: | 600 Technology, medicine, applied sciences > 620 Engineering and machine engineering | ||||
Divisions: | 13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences 13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institutes of Transportation 13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institutes of Transportation > Transportation Infrastructure Engineering |
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Date Deposited: | 18 Jul 2022 12:55 | ||||
Last Modified: | 19 Jul 2022 05:30 | ||||
PPN: | |||||
Referees: | Bald, Prof. Dr. J. Stefan ; Sivapatham, Prof. Dr. Pahirangan ; Riedl, Prof. Dr. Steffen | ||||
Refereed / Verteidigung / mdl. Prüfung: | 28 January 2022 | ||||
Export: | |||||
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