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Untersuchungen zur Entstehung chromosomaler Translokationen nach ionisierender Bestrahlung

Künzel, Julia (2017)
Untersuchungen zur Entstehung chromosomaler Translokationen nach ionisierender Bestrahlung.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Für den Erhalt der genomischen Stabilität ist die Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen (DSBs) von besonderer Relevanz. Werden DSBs inkorrekt repariert, können daraus chromosomale Aberrationen resultieren, wie z. B. Translokationen. Translokationen entstehen durch die Verbindung falscher DNA-Enden während der DSB-Reparatur. Verschiedene Studien beschreiben das Auftreten von Translokationen in malignen Tumoren und postulieren folglich eine Korrelation zwischen Translokationen und einer Karzinogenese. Daher ist das Verständnis der DSB-Reparaturmechanismen, die eine Translokationsentstehung begünstigen, von großer Bedeutung im Bereich der Onkologie. Die wichtigsten Mechanismen für die Reparatur von DSBs sind die kanonische nicht-homologe Endverknüpfung (canonical non-homologous end-joining, c-NHEJ) und die homologe Rekombination (HR). DSBs können in allen Zellzyklusphasen über das NHEJ repariert werden, wobei neben dem c-NHEJ die Funktion eines alternativen (alt-) NHEJ innerhalb der DSB-Reparatur diskutiert wird. Die HR-vermittelte DSB-Reparatur ist dagegen auf die S- und G2-Phase beschränkt, da für die Reparatur die homologe Schwesterchromatide als Matrize benötigt wird. In der vorliegenden Arbeit wurde die Reparatur strahleninduzierter DSBs und die Entstehung von Translokationen in humanen G1-Phase-Zellen mittels Chromosomenstudien untersucht. Neben der Analyse von chromosomalen Brüchen, die einen Aufschluss über die Quantität der DSB-Reparatur erlaubt, sollte die Auswertung von chromosomalen Translokationen einen Einblick in die Qualität der DSB-Reparatur ermöglichen und das Verständnis für die Entstehung von Translokationen erweitern. Im ersten Teil der Arbeit wurde daher die vorzeitige Chromosomenkondensation (premature chromosome condensation, PCC) über die Methode der Polyethylen-vermittelten Zellfusion in G1-Phase-Zellen etabliert. Anschließend wurde die PCC-Methode mit der 3-Farben-FISH-Technik kombiniert, wodurch eine Analyse chromosomaler Brüche und chromosomaler Translokationen in der G1-Phase möglich wurde. Im zweiten Teil der Arbeit wurden die Reparatur chromosomaler Brüche und die Entstehung chromosomaler Translokationen in Wildtyp (WT)-Zellen im Vergleich zu reparaturdefizienten Zellen analysiert. In G1-WT-Zellen zeigten die Reparatur chromosomaler Brüche und die Ausbildung von Translokationen eine schnelle und eine langsame Komponente. Obwohl die Mehrheit der Chromosomenbrüche (ca. 80 %) mit schneller Kinetik repariert wird, entstehen über die langsame Reparatur der verbleibenden 20 % der Chromosomenbrüche etwa 50 % aller detektierten Translokationen. Folglich konnte in der vorliegenden Arbeit eine vermehrte Fehlerhaftigkeit der langsamen Reparaturkomponente in G1-WT-Zellen nachgewiesen werden. In weiteren Chromosomenanalysen wurde gezeigt, dass die Qualität der langsamen DSB-Reparatur in Abhängigkeit des DNA-Resektion vermittelnden Proteins CtIP steht. Darüber hinaus wurde ein Einfluss der Proteinkinase Plk3 auf die Translokationsentstehung innerhalb der langsamen Reparaturkomponente detektiert. Andere Studien konnten eine Abhängigkeit zwischen einer Plk3-induzierten Phosphorylierung von CtIP und einer DSB-Resektion in der G1-Phase nachweisen. In folgenden Chromosomenanalysen wurde der CtIP- und Plk3-abhängige Reparaturweg weiter klassifiziert und der Einfluss der alt-NHEJ Proteine PARP1 sowie Lig1/3 auf die DSB-Reparatur untersucht. Hierbei konnte keine Beteiligung des alt-NHEJ innerhalb der DSB-Reparatur bzw. der Translokationsentstehung in G1-WT-Zellen detektiert werden. Die Analyse von XLF- und Lig4-defekten c-NHEJ-Mutanten zeigte zwar eine quantitativ und qualitativ verschlechterte Reparatur, aber ebenfalls keinen Einfluss des alt-NHEJ. Darüber hinaus konnte eine Abhängigkeit der langsamen DSB-Reparatur von der c-NHEJ-Kernkomponente DNA-PK und der Nuklease Artemis gezeigt werden. Folglich postulieren die Studien der vorliegenden Arbeit, dass die Reparatur von DSBs in G1-WT-Zellen ausschließlich über das c-NHEJ erfolgt, wobei die Entstehung von Translokationen innerhalb der langsamen Reparaturkomponente anscheinend in Abhängigkeit einer DSB-Resektion verläuft. Im dritten Teil der Arbeit wurde die Grundlage der Translokationsentstehung innerhalb der schnellen DSB-Reparaturkomponente untersucht. Frühere Studien beschreiben das Auftreten von Translokationen in transkriptionell aktiven Bereichen. Daher wurde die chromosomale Reparatur in Abhängigkeit der DNA-Transkription betrachtet. Nach BAF180-Depletion konnte gezeigt werden, dass ein fehlerhaftes Chromatinremodelling die Quantität der schnellen DSB-Reparaturkomponente verlangsamt, allerdings im weiteren Verlauf quantitativ und qualitativ nicht beeinflusst. Nach Inhibition der RNA-Polymerase II konnte keine Veränderung der Reparatur-Quantität sowie der Qualität der schnellen Reparaturkomponente beobachtet werden. Überraschenderweise wurde innerhalb der langsamen Reparaturkomponente eine Abhängigkeit der Reparatur-Qualität von der Transkription detektiert. Zusammenfassend postulieren die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, dass neben der DNA-Resektion auch die DNA-Transkription entscheidend ist für die Ausbildung von Translokationen während der langsamen DSB-Reparatur in der G1-Phase. Hierbei könnte der Einfluss der Transkription auf die langsame DSB-Reparatur durch eine schadensabhängige Synthese von reparaturrelevanten Proteinen oder durch andere transkriptionsinduzierte Prozesse, wie z. B. eine veränderte Chromatindynamik, begründet sein. In weiterführenden Untersuchungen könnten diese Aspekte verifiziert werden.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2017
Autor(en): Künzel, Julia
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Untersuchungen zur Entstehung chromosomaler Translokationen nach ionisierender Bestrahlung
Sprache: Deutsch
Referenten: Löbrich, Prof. Dr. Markus ; Süß, Prof. Dr. Beatrix
Publikationsjahr: 2017
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 18 August 2017
URL / URN: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/6824
Kurzbeschreibung (Abstract):

Für den Erhalt der genomischen Stabilität ist die Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen (DSBs) von besonderer Relevanz. Werden DSBs inkorrekt repariert, können daraus chromosomale Aberrationen resultieren, wie z. B. Translokationen. Translokationen entstehen durch die Verbindung falscher DNA-Enden während der DSB-Reparatur. Verschiedene Studien beschreiben das Auftreten von Translokationen in malignen Tumoren und postulieren folglich eine Korrelation zwischen Translokationen und einer Karzinogenese. Daher ist das Verständnis der DSB-Reparaturmechanismen, die eine Translokationsentstehung begünstigen, von großer Bedeutung im Bereich der Onkologie. Die wichtigsten Mechanismen für die Reparatur von DSBs sind die kanonische nicht-homologe Endverknüpfung (canonical non-homologous end-joining, c-NHEJ) und die homologe Rekombination (HR). DSBs können in allen Zellzyklusphasen über das NHEJ repariert werden, wobei neben dem c-NHEJ die Funktion eines alternativen (alt-) NHEJ innerhalb der DSB-Reparatur diskutiert wird. Die HR-vermittelte DSB-Reparatur ist dagegen auf die S- und G2-Phase beschränkt, da für die Reparatur die homologe Schwesterchromatide als Matrize benötigt wird. In der vorliegenden Arbeit wurde die Reparatur strahleninduzierter DSBs und die Entstehung von Translokationen in humanen G1-Phase-Zellen mittels Chromosomenstudien untersucht. Neben der Analyse von chromosomalen Brüchen, die einen Aufschluss über die Quantität der DSB-Reparatur erlaubt, sollte die Auswertung von chromosomalen Translokationen einen Einblick in die Qualität der DSB-Reparatur ermöglichen und das Verständnis für die Entstehung von Translokationen erweitern. Im ersten Teil der Arbeit wurde daher die vorzeitige Chromosomenkondensation (premature chromosome condensation, PCC) über die Methode der Polyethylen-vermittelten Zellfusion in G1-Phase-Zellen etabliert. Anschließend wurde die PCC-Methode mit der 3-Farben-FISH-Technik kombiniert, wodurch eine Analyse chromosomaler Brüche und chromosomaler Translokationen in der G1-Phase möglich wurde. Im zweiten Teil der Arbeit wurden die Reparatur chromosomaler Brüche und die Entstehung chromosomaler Translokationen in Wildtyp (WT)-Zellen im Vergleich zu reparaturdefizienten Zellen analysiert. In G1-WT-Zellen zeigten die Reparatur chromosomaler Brüche und die Ausbildung von Translokationen eine schnelle und eine langsame Komponente. Obwohl die Mehrheit der Chromosomenbrüche (ca. 80 %) mit schneller Kinetik repariert wird, entstehen über die langsame Reparatur der verbleibenden 20 % der Chromosomenbrüche etwa 50 % aller detektierten Translokationen. Folglich konnte in der vorliegenden Arbeit eine vermehrte Fehlerhaftigkeit der langsamen Reparaturkomponente in G1-WT-Zellen nachgewiesen werden. In weiteren Chromosomenanalysen wurde gezeigt, dass die Qualität der langsamen DSB-Reparatur in Abhängigkeit des DNA-Resektion vermittelnden Proteins CtIP steht. Darüber hinaus wurde ein Einfluss der Proteinkinase Plk3 auf die Translokationsentstehung innerhalb der langsamen Reparaturkomponente detektiert. Andere Studien konnten eine Abhängigkeit zwischen einer Plk3-induzierten Phosphorylierung von CtIP und einer DSB-Resektion in der G1-Phase nachweisen. In folgenden Chromosomenanalysen wurde der CtIP- und Plk3-abhängige Reparaturweg weiter klassifiziert und der Einfluss der alt-NHEJ Proteine PARP1 sowie Lig1/3 auf die DSB-Reparatur untersucht. Hierbei konnte keine Beteiligung des alt-NHEJ innerhalb der DSB-Reparatur bzw. der Translokationsentstehung in G1-WT-Zellen detektiert werden. Die Analyse von XLF- und Lig4-defekten c-NHEJ-Mutanten zeigte zwar eine quantitativ und qualitativ verschlechterte Reparatur, aber ebenfalls keinen Einfluss des alt-NHEJ. Darüber hinaus konnte eine Abhängigkeit der langsamen DSB-Reparatur von der c-NHEJ-Kernkomponente DNA-PK und der Nuklease Artemis gezeigt werden. Folglich postulieren die Studien der vorliegenden Arbeit, dass die Reparatur von DSBs in G1-WT-Zellen ausschließlich über das c-NHEJ erfolgt, wobei die Entstehung von Translokationen innerhalb der langsamen Reparaturkomponente anscheinend in Abhängigkeit einer DSB-Resektion verläuft. Im dritten Teil der Arbeit wurde die Grundlage der Translokationsentstehung innerhalb der schnellen DSB-Reparaturkomponente untersucht. Frühere Studien beschreiben das Auftreten von Translokationen in transkriptionell aktiven Bereichen. Daher wurde die chromosomale Reparatur in Abhängigkeit der DNA-Transkription betrachtet. Nach BAF180-Depletion konnte gezeigt werden, dass ein fehlerhaftes Chromatinremodelling die Quantität der schnellen DSB-Reparaturkomponente verlangsamt, allerdings im weiteren Verlauf quantitativ und qualitativ nicht beeinflusst. Nach Inhibition der RNA-Polymerase II konnte keine Veränderung der Reparatur-Quantität sowie der Qualität der schnellen Reparaturkomponente beobachtet werden. Überraschenderweise wurde innerhalb der langsamen Reparaturkomponente eine Abhängigkeit der Reparatur-Qualität von der Transkription detektiert. Zusammenfassend postulieren die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, dass neben der DNA-Resektion auch die DNA-Transkription entscheidend ist für die Ausbildung von Translokationen während der langsamen DSB-Reparatur in der G1-Phase. Hierbei könnte der Einfluss der Transkription auf die langsame DSB-Reparatur durch eine schadensabhängige Synthese von reparaturrelevanten Proteinen oder durch andere transkriptionsinduzierte Prozesse, wie z. B. eine veränderte Chromatindynamik, begründet sein. In weiterführenden Untersuchungen könnten diese Aspekte verifiziert werden.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The repair of DNA double-strand breaks (DSBs) is of utmost importance for the preservation of genomic stability. If DSBs are repaired incorrectly, chromosomal aberrations (e. g. translocations) can arise. Translocations result from misrejoining of wrong DNA ends during DSB repair. Several studies describe that translocations are found in malignant tumors and therefore postulated a correlation between translocations and carcinogenesis. Hence, it is of particular interest in the field of cancer research to understand the DSB repair mechanisms that facilitate translocation formation. The two major repair pathways for the repair of DSBs are canonical non-homologous end joining (c-NHEJ) and homologous recombination (HR). DSBs can be repaired by c-NHEJ in all cell cycle phases although the contribution of an alternative (alt-) NHEJ pathway is discussed in the literature. HR, on the other hand, is only available in S and G2 phase as this repair pathway requires the presence of the sister chromatid which serves as a template for repair synthesis. In this thesis, the repair of radiation-induced DSBs and the formation of translocations were analyzed by chromosomal studies in human G1 phase cells. Chromosomal breaks were studied to assess repair quantity, while chromosomal translocations were analyzed to assess repair quality and to gain further insight into the underlying mechanisms of translocation formation. Therefore, in the first part of this thesis a method for premature chromosome condensation (PCC) in G1 phase using polyethylene-mediated cell fusion was established. Subsequently, the PCC method was combined with 3-color-FISH technology, which made the analysis of chromosomal breaks and chromosomal translocations in G1 phase cells possible. In the second part of this thesis, the repair of chromosomal breaks and the generation of chromosomal translocations were compared between wild type (wt) cells and cells deficient in specific repair factors. In G1 wt cells, chromosome break repair and translocation formation showed a fast and a slow component. Although the majority of chromosome breaks (approximately 80 %) are repaired with fast kinetics, the slow repair of the remaining 20 % formed approximately 50 % of all detected translocations. Consequently, the data presented in this thesis demonstrate that the slow repair component in G1 wt cells is more error prone. Additional chromosomal studies showed that the repair quality of the slow component is dependent on CtIP, a protein involved in DSB end resection. Moreover, the data indicate that protein kinase Plk3 is involved in the generation of translocations in the slow repair component. Previous studies were able to show that Plk3-mediated phosphorylation of CtIP promotes end resection in G1. This CtIP- and Plk3-dependent repair pathway was further characterized using chromosomal analyses and the influence of the alt-NHEJ factors PARP1 and Lig1/3 on DSB repair was investigated. The results indicated that DSB repair and translocation formation in G1 wt cells is not completed by alt-NHEJ. Analysis of XLF- and Lig4-deficient c-NHEJ mutant cells showed that repair quality and quantity decreased in these cells but alt-NHEJ still does not play a role. Furthermore, the results show that the slow DSB repair component depends on the c-NHEJ core protein DNA-PK and the nuclease Artemis. Consequently, the results in this study argue that the repair of DSBs in G1 wt cells is completed exclusively by c-NHEJ and that the formation of translocations during the slow repair component seems to be dependent on DSB end resection. In the third part of this thesis, the formation of translocations during the fast repair component was analyzed. Previous studies have reported that translocations arise in transcriptionally active regions. Thus, the interplay between chromosomal repair and transcription was analyzed. After depletion of BAF180, the quantity of repair was delayed only during the fast repair component due to erroneous chromatin remodeling. After inhibition of RNA-Polymerase II, the repair quantity and quality in the fast repair component was not affected. Surprisingly, however, the data revealed that the repair quality in the slow repair component depends on transcription. In summary, the results in this thesis show that DSB end resection as well as transcription play essential roles during translocation formation in the slow component in G1 phase. The influence of transcription during slow DSB repair might indicate that a synthesis of repair proteins is triggered after damage induction. Alternatively, transcription-induced changes in the chromatin dynamic could play a role. Future studies should be conducted to gain further insight.

Englisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-68240
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 570 Biowissenschaften, Biologie
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 10 Fachbereich Biologie
Hinterlegungsdatum: 22 Okt 2017 19:55
Letzte Änderung: 22 Okt 2017 19:55
PPN:
Referenten: Löbrich, Prof. Dr. Markus ; Süß, Prof. Dr. Beatrix
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 18 August 2017
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