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Intuitive Interaktion: Eine Exploration von Komponenten, Einflussfaktoren und Gestaltungsansätzen aus der Perspektive des Nutzererlebens

Ullrich, Daniel (2014)
Intuitive Interaktion: Eine Exploration von Komponenten, Einflussfaktoren und Gestaltungsansätzen aus der Perspektive des Nutzererlebens.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Intuitive Interaktion gilt im Bereich technischer Produkte als unumstößliche Maxime. Der Intuitivitätsbegriff ist durchweg positiv konnotiert und wird dementsprechend auch gern in Marketingkampagnen aufgegriffen. Was genau das Prädikat intuitiv verspricht, ist jedoch nicht ganz klar. Teils wird der Begriff im Zusammenhang mit sogenannten natürlichen Technologien wie Touch oder Gestensteuerung verwendet (z.B. Antle et al., 2009; Knopfle & Voss, 2000; Macaranas, 2013), teils für die Bezeichnung von besonders reduzierten User Interfaces (z.B. Ntina et al., in press; Olmstead, 2012), teils auch einfach zur Bezeichnung von bereits bekannten, etablierten Interaktionskonzepten (z.B. Blackler et al., 2010; Hurtienne & Israel, 2007). Wo also liegt der wahre Schlüssel zur intuitiven Interaktion? Ein Blick in die Literatur der noch relativ jungen Forschungsdisziplin der intuitiven Interaktion bietet verschiedene Hinweise. Typische Bestandteile von Definitionen sind beispielsweise die Anwendung von Vorwissen (z.B. Blackler et al., 2002; Mohs, Hurtienne, Kindsmüller, et al., 2006; O’Brien et al., 2008a), die Unbewusstheit des Rückgriffs auf Vorwissen (z.B. Bærentsen, 2000; Blackler, 2006; Macaranas, 2013; Naumann et al., 2007), teilweise bestehen auch Bezüge zu klassischen Usability-Kriterien wie Effektivität (z.B. Mohs, Hurtienne, Kindsmüller, et al., 2006; Naumann et al., 2007). Insgesamt zeigen bestehende Ansätze somit relevante Kriterien und verwandte Konzepte auf, das Konzept wird durch umgebende Konzepte eingekreist. Was jedoch fehlt, ist eine nähere Beschreibung des Phänomens selbst – was macht intuitive Interaktion aus, wie fühlt sie sich an, wo liegen Unterschiede zur Gebrauchstauglichkeit? Die vorliegende Arbeit nähert sich dem Phänomen der intuitiven Interaktion aus einer Erlebnissicht. Anhand eines dualen Ansatzes kombiniere ich theorie- und empiriegeleitete Einsichten zur Intuition und beziehe mich hierbei sowohl auf die psychologische Entscheidungsforschung als auch auf Nutzerbefragungen im Bereich Mensch-Technik Interaktion. Mein Anliegen war es, das Erlebnis intuitive Interaktion in seiner Gesamtheit besser zu verstehen, konstituierende Komponenten und relevante Einflussfaktoren zu identifizieren, sowie mögliche Ansatzpunkte für die Forschung und Gestaltung zu explorieren. Diesem Ziel habe ich mich in einem schrittweisen Prozess genähert. Hieraus sind fünf Fachartikel entstanden. Artikel 1 beschreibt die Herleitung meines Modells der intuitiven Interaktion und die Konstruktion eines entsprechenden Fragebogens. Das INTUI-Modell unterscheidet vier Komponenten intuitiver Interaktion: Mühelosigkeit, Bauchgefühl, Verbalisierungsfähigkeit und Magisches Erleben. Basis für das Modell waren in der Fachliteratur aufgeführte Merkmale intuitiven Entscheidens sowie Nutzer-Interviews zur intuitiven Interaktion. Der INTUI-Fragebogen erfasst die vier Komponenten anhand von sechszehn Items. Verschiedene Typen intuitiver Interaktion können durch das Muster der relativen Ausprägung der Komponenten beschrieben werden, sogenannte INTUI-Pattern. Eine Reihe von drei Studien (N=64, N=37, N=233) diente zur Erprobung und Validierung des Fragebogens. Die Faktorenstruktur konnte repliziert werden, die interne Skalenkonsistenz war zufriedenstellend. Eine vergleichende Analyse von Erlebnissen intuitiver Interaktion zeigte produktspezifische INTUI-Pattern: Beispielsweise zeichnete sich intuitive Interaktion mit Haushaltsgeräten durch eine hohe Verbalisierungsfähigkeit aus, wohingegen intuitive Interaktion im Bereich Unterhaltungselektronik vor allem mit hohen Komponentenwerten für Bauchgefühl einherging. Artikel 2 untersucht die Rolle der Vorerfahrung von Nutzern bei der intuitiven Interaktion sowie Zusammenhänge zur Aufgabenperformanz. Zwei Studien (N=115, N=37) zeigten signifikante Veränderungen des INTUI-Pattern in Abhängigkeit von der Nutzer-Expertise: Nutzer mit einem hohen Ausmaß an Vorerfahrung bewerteten die Interaktion als müheloser. Nutzer mit einem niedrigen Ausmaß hingegen bewerteten die Produkte höher auf den Skalen Magisches Erleben und Bauchgefühl. Artikel 3 berichtet Effekte weiterer Einflussfaktoren im Kontext der intuitiven Interaktion. In Übereinstimmung mit Reihenfolge-Effekten bei der Eindrucksbildung (Primacy-Recency-Effekte, vergleiche z.B. Hogg & Vaughan, 2008) zeigte eine Studie zum Einflussfaktor Urteilsintegration (N=33) eine überproportionale Berücksichtigung von zu Anfang oder Ende einer Aufgabe stattfindenden Interaktionen für das globale Intuitivitätsurteil. Die Exploration des Effekts des Nutzungsmodus (Goal Mode vs. Action Mode, N=115) zeigte spezifische Effekte für das resultierende INTUI-Pattern: Im Action Mode stand die Komponente Magisches Erleben im Vordergrund, im Goal Mode waren Verbalisierungsfähigkeit und Bauchgefühl stärker ausgeprägt. Eine Analyse von begleitenden Emotionen zeigte abermals einen Effekt der Nutzer-Vorerfahrung: bei erstmaliger Nutzung lagen die emotionalen Reaktionen im Bereich hohen Arousals und neutral-positiver Valenz, bei wiederholter Nutzung wanderten die Werte in den Bereich niedrigen Arousals, bei weiterhin neutral-positiver Valenz. Abschließend werden weiterführende Fragestellungen und modelltheoretische Ableitungen diskutiert. Eine Ableitung aus den Ergebnissen zum Einflussfaktor Vorerfahrung ist das Modell der Nutzungsdomänen: Ähnlich wie die Expertise in einer Produktdomäne das INTUI-Pattern beeinflusst und über die Zeit verändert, könnte dies auch der Fall sein für die Distanz zwischen Anwendungsdomäne und Ursprungsdomäne (Ursprung des Vorwissens, das intuitive Interaktion ermöglicht). Das Modell nimmt an, dass Magisches Erleben und Bauchgefühl mit der Transferdistanz ansteigen, wohingegen Mühelosigkeit und Verbalisierungsfähigkeit abnehmen. Artikel 4 präsentiert ein integratives Modell der intuitiven Interaktion, das die bisherigen Forschungsergebnisse zusammenfasst und anhand von Beispielen sowie Ableitungen für Forschung und Gestaltung diskutiert. Das integrative Modell unterscheidet zwischen Einflussfaktoren erster Ordnung (Produkt, Nutzer, Kontext) und zwischen diesen liegenden Einflussfaktoren zweiter Ordnung (Transferdistanz, Nutzungsmodus, Urteilsintegration). Die Verknüpfung der bislang einzeln beforschten Faktoren in einem integrativen Modell verdeutlicht nun auch mögliche Verbindungen und wechselseitige Einflüsse zwischen den Faktoren, wie beispielsweise die Transferdistanz als ein wichtiges Bindeglied zwischen Produkt und Nutzer (bzw. dessen Vorerfahrung). Der Artikel schließt mit einer Diskussion bislang noch nicht abschließend geklärter Forschungsfragen. Eine besondere Herausforderung bildet hier die Komponente Verbalisierungsfähigkeit. Anders als aus der Entscheidungsforschung und unserer Alltagserfahrung bekannt – eine Entscheidung wird dann als besonders intuitiv erlebt, wenn keine bewusste Reflexion stattfindet und die Grundlage des eigenen Handeln kaum zu verbalisieren ist – kann als positiv und intuitiv erlebte Interaktion mit Technik durchaus mit reflektierten Entscheidungen/Handlungsschritten einhergehen. Unter Berücksichtigung von Forschungsergebnissen im Bereich Affordances wird die Komplexität des Produkts als ein in diesem Zusammenhang zu berücksichtigender Faktor vorgeschlagen. Artikel 5 untersucht die Abbildung von intuitiver Nutzung durch die INTUI-Komponenten im Vergleich zu Definitionskomponenten anderer Forscher sowie die Vorhersagen des Domänenmodells. In einer empirischen Studie (N=152) zeigte sich für alle abgefragten Komponenten eine signifikante Zustimmung, für die INTUI-Komponenten war die Zustimmung am stärksten. Paarweise Kontraste zeigten eine klare Trennung der INTUI-Komponenten und der anderen Definitions-Komponenten, jedoch jeweils keine signifikanten Unterschiede innerhalb der beiden Gruppen. Dies zeigt, dass das INTUI-Modell ein gutes Abbild dessen ist, was Nutzer allgemein unter intuitiver Interaktion verstehen und verdeutlicht zudem den Mehrwert gegenüber bestehenden Modellen und Definitionen. Die bislang nur theoretischen Überlegungen im Rahmen des Domänen-Transfer-Modells konnten empirisch bestätigt werden. Bei einer paarweisen Gegenüberstellung von neun verschiedenen Nutzungsszenarien unterschiedlicher Transferdistanz stuften die Studienteilnehmer jeweils das Szenario mit höherer Transferdistanz als den treffenderen Fall intuitiver Interaktion ein und beurteilten auch die Komponenten Magisches Erleben und Bauchgefühl als höher. Für das Szenario mit geringerer Transferdistanz waren hingegen die Komponenten Mühelosigkeit und Verbalisierungsfähigkeit stärker ausgeprägt. Auch zeigte sich eine Sensibilität für graduelle Unterschiede in der Transferdistanz (gering, mittel, hoch), was die Annahme der Transferdistanz als zugrundeliegenden Faktor bestärkt. Weiterhin beschreibt Artikel 5 die Balance zwischen Transferdistanz und Abrufbarkeit des relevanten Vorwissens als generalisierbares Designprinzip. Die vorliegende Arbeit liefert einen weiteren Beitrag zur Beantwortung der Frage nach dem Schlüssel intuitiver Interaktion. Der Frage nach dem Schlüssel voraus ging allerdings zunächst die Frage nach dem aufzuschließenden Tor, dem Erlebnis intuitive Interaktion. Das INTUI-Modell liefert ein erweitertes Verständnis intuitiver Interaktion sowie Gestaltungsansätze für verschiedene INTUI-Pattern. Der INTUI-Fragebogen eröffnet die Möglichkeit, diese auch in Evaluations- und Forschungsstudien abzubilden. Die Beschreibung von Nutzungserlebnissen anhand der relativen Ausprägung der vier INTUI-Komponenten erlaubt eine Differenzierung von verschiedenen Typen intuitiver Nutzung. Neben der Kategorisierung zu Forschungszwecken können INTUI-Pattern auch zur Skizzierung des intendierten Nutzungserlebnisses im Design genutzt werden. Insbesondere Artikel 4 und Artikel 5 diskutierten zudem Ansatzpunkte für die Ableitung von konkreten Designprinzipien zur Unterstützung spezifischer Komponenten der intuitiven Interaktion. Limitationen der vorliegenden Studien und weiterführende Fragestellungen werden diskutiert.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2014
Autor(en): Ullrich, Daniel
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Intuitive Interaktion: Eine Exploration von Komponenten, Einflussfaktoren und Gestaltungsansätzen aus der Perspektive des Nutzererlebens
Sprache: Deutsch
Referenten: Vogt, Prof. Dr. Joachim ; Borcherding, Prof. Dr. Katrin
Publikationsjahr: 7 Oktober 2014
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 2 Oktober 2014
URL / URN: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/4195
Kurzbeschreibung (Abstract):

Intuitive Interaktion gilt im Bereich technischer Produkte als unumstößliche Maxime. Der Intuitivitätsbegriff ist durchweg positiv konnotiert und wird dementsprechend auch gern in Marketingkampagnen aufgegriffen. Was genau das Prädikat intuitiv verspricht, ist jedoch nicht ganz klar. Teils wird der Begriff im Zusammenhang mit sogenannten natürlichen Technologien wie Touch oder Gestensteuerung verwendet (z.B. Antle et al., 2009; Knopfle & Voss, 2000; Macaranas, 2013), teils für die Bezeichnung von besonders reduzierten User Interfaces (z.B. Ntina et al., in press; Olmstead, 2012), teils auch einfach zur Bezeichnung von bereits bekannten, etablierten Interaktionskonzepten (z.B. Blackler et al., 2010; Hurtienne & Israel, 2007). Wo also liegt der wahre Schlüssel zur intuitiven Interaktion? Ein Blick in die Literatur der noch relativ jungen Forschungsdisziplin der intuitiven Interaktion bietet verschiedene Hinweise. Typische Bestandteile von Definitionen sind beispielsweise die Anwendung von Vorwissen (z.B. Blackler et al., 2002; Mohs, Hurtienne, Kindsmüller, et al., 2006; O’Brien et al., 2008a), die Unbewusstheit des Rückgriffs auf Vorwissen (z.B. Bærentsen, 2000; Blackler, 2006; Macaranas, 2013; Naumann et al., 2007), teilweise bestehen auch Bezüge zu klassischen Usability-Kriterien wie Effektivität (z.B. Mohs, Hurtienne, Kindsmüller, et al., 2006; Naumann et al., 2007). Insgesamt zeigen bestehende Ansätze somit relevante Kriterien und verwandte Konzepte auf, das Konzept wird durch umgebende Konzepte eingekreist. Was jedoch fehlt, ist eine nähere Beschreibung des Phänomens selbst – was macht intuitive Interaktion aus, wie fühlt sie sich an, wo liegen Unterschiede zur Gebrauchstauglichkeit? Die vorliegende Arbeit nähert sich dem Phänomen der intuitiven Interaktion aus einer Erlebnissicht. Anhand eines dualen Ansatzes kombiniere ich theorie- und empiriegeleitete Einsichten zur Intuition und beziehe mich hierbei sowohl auf die psychologische Entscheidungsforschung als auch auf Nutzerbefragungen im Bereich Mensch-Technik Interaktion. Mein Anliegen war es, das Erlebnis intuitive Interaktion in seiner Gesamtheit besser zu verstehen, konstituierende Komponenten und relevante Einflussfaktoren zu identifizieren, sowie mögliche Ansatzpunkte für die Forschung und Gestaltung zu explorieren. Diesem Ziel habe ich mich in einem schrittweisen Prozess genähert. Hieraus sind fünf Fachartikel entstanden. Artikel 1 beschreibt die Herleitung meines Modells der intuitiven Interaktion und die Konstruktion eines entsprechenden Fragebogens. Das INTUI-Modell unterscheidet vier Komponenten intuitiver Interaktion: Mühelosigkeit, Bauchgefühl, Verbalisierungsfähigkeit und Magisches Erleben. Basis für das Modell waren in der Fachliteratur aufgeführte Merkmale intuitiven Entscheidens sowie Nutzer-Interviews zur intuitiven Interaktion. Der INTUI-Fragebogen erfasst die vier Komponenten anhand von sechszehn Items. Verschiedene Typen intuitiver Interaktion können durch das Muster der relativen Ausprägung der Komponenten beschrieben werden, sogenannte INTUI-Pattern. Eine Reihe von drei Studien (N=64, N=37, N=233) diente zur Erprobung und Validierung des Fragebogens. Die Faktorenstruktur konnte repliziert werden, die interne Skalenkonsistenz war zufriedenstellend. Eine vergleichende Analyse von Erlebnissen intuitiver Interaktion zeigte produktspezifische INTUI-Pattern: Beispielsweise zeichnete sich intuitive Interaktion mit Haushaltsgeräten durch eine hohe Verbalisierungsfähigkeit aus, wohingegen intuitive Interaktion im Bereich Unterhaltungselektronik vor allem mit hohen Komponentenwerten für Bauchgefühl einherging. Artikel 2 untersucht die Rolle der Vorerfahrung von Nutzern bei der intuitiven Interaktion sowie Zusammenhänge zur Aufgabenperformanz. Zwei Studien (N=115, N=37) zeigten signifikante Veränderungen des INTUI-Pattern in Abhängigkeit von der Nutzer-Expertise: Nutzer mit einem hohen Ausmaß an Vorerfahrung bewerteten die Interaktion als müheloser. Nutzer mit einem niedrigen Ausmaß hingegen bewerteten die Produkte höher auf den Skalen Magisches Erleben und Bauchgefühl. Artikel 3 berichtet Effekte weiterer Einflussfaktoren im Kontext der intuitiven Interaktion. In Übereinstimmung mit Reihenfolge-Effekten bei der Eindrucksbildung (Primacy-Recency-Effekte, vergleiche z.B. Hogg & Vaughan, 2008) zeigte eine Studie zum Einflussfaktor Urteilsintegration (N=33) eine überproportionale Berücksichtigung von zu Anfang oder Ende einer Aufgabe stattfindenden Interaktionen für das globale Intuitivitätsurteil. Die Exploration des Effekts des Nutzungsmodus (Goal Mode vs. Action Mode, N=115) zeigte spezifische Effekte für das resultierende INTUI-Pattern: Im Action Mode stand die Komponente Magisches Erleben im Vordergrund, im Goal Mode waren Verbalisierungsfähigkeit und Bauchgefühl stärker ausgeprägt. Eine Analyse von begleitenden Emotionen zeigte abermals einen Effekt der Nutzer-Vorerfahrung: bei erstmaliger Nutzung lagen die emotionalen Reaktionen im Bereich hohen Arousals und neutral-positiver Valenz, bei wiederholter Nutzung wanderten die Werte in den Bereich niedrigen Arousals, bei weiterhin neutral-positiver Valenz. Abschließend werden weiterführende Fragestellungen und modelltheoretische Ableitungen diskutiert. Eine Ableitung aus den Ergebnissen zum Einflussfaktor Vorerfahrung ist das Modell der Nutzungsdomänen: Ähnlich wie die Expertise in einer Produktdomäne das INTUI-Pattern beeinflusst und über die Zeit verändert, könnte dies auch der Fall sein für die Distanz zwischen Anwendungsdomäne und Ursprungsdomäne (Ursprung des Vorwissens, das intuitive Interaktion ermöglicht). Das Modell nimmt an, dass Magisches Erleben und Bauchgefühl mit der Transferdistanz ansteigen, wohingegen Mühelosigkeit und Verbalisierungsfähigkeit abnehmen. Artikel 4 präsentiert ein integratives Modell der intuitiven Interaktion, das die bisherigen Forschungsergebnisse zusammenfasst und anhand von Beispielen sowie Ableitungen für Forschung und Gestaltung diskutiert. Das integrative Modell unterscheidet zwischen Einflussfaktoren erster Ordnung (Produkt, Nutzer, Kontext) und zwischen diesen liegenden Einflussfaktoren zweiter Ordnung (Transferdistanz, Nutzungsmodus, Urteilsintegration). Die Verknüpfung der bislang einzeln beforschten Faktoren in einem integrativen Modell verdeutlicht nun auch mögliche Verbindungen und wechselseitige Einflüsse zwischen den Faktoren, wie beispielsweise die Transferdistanz als ein wichtiges Bindeglied zwischen Produkt und Nutzer (bzw. dessen Vorerfahrung). Der Artikel schließt mit einer Diskussion bislang noch nicht abschließend geklärter Forschungsfragen. Eine besondere Herausforderung bildet hier die Komponente Verbalisierungsfähigkeit. Anders als aus der Entscheidungsforschung und unserer Alltagserfahrung bekannt – eine Entscheidung wird dann als besonders intuitiv erlebt, wenn keine bewusste Reflexion stattfindet und die Grundlage des eigenen Handeln kaum zu verbalisieren ist – kann als positiv und intuitiv erlebte Interaktion mit Technik durchaus mit reflektierten Entscheidungen/Handlungsschritten einhergehen. Unter Berücksichtigung von Forschungsergebnissen im Bereich Affordances wird die Komplexität des Produkts als ein in diesem Zusammenhang zu berücksichtigender Faktor vorgeschlagen. Artikel 5 untersucht die Abbildung von intuitiver Nutzung durch die INTUI-Komponenten im Vergleich zu Definitionskomponenten anderer Forscher sowie die Vorhersagen des Domänenmodells. In einer empirischen Studie (N=152) zeigte sich für alle abgefragten Komponenten eine signifikante Zustimmung, für die INTUI-Komponenten war die Zustimmung am stärksten. Paarweise Kontraste zeigten eine klare Trennung der INTUI-Komponenten und der anderen Definitions-Komponenten, jedoch jeweils keine signifikanten Unterschiede innerhalb der beiden Gruppen. Dies zeigt, dass das INTUI-Modell ein gutes Abbild dessen ist, was Nutzer allgemein unter intuitiver Interaktion verstehen und verdeutlicht zudem den Mehrwert gegenüber bestehenden Modellen und Definitionen. Die bislang nur theoretischen Überlegungen im Rahmen des Domänen-Transfer-Modells konnten empirisch bestätigt werden. Bei einer paarweisen Gegenüberstellung von neun verschiedenen Nutzungsszenarien unterschiedlicher Transferdistanz stuften die Studienteilnehmer jeweils das Szenario mit höherer Transferdistanz als den treffenderen Fall intuitiver Interaktion ein und beurteilten auch die Komponenten Magisches Erleben und Bauchgefühl als höher. Für das Szenario mit geringerer Transferdistanz waren hingegen die Komponenten Mühelosigkeit und Verbalisierungsfähigkeit stärker ausgeprägt. Auch zeigte sich eine Sensibilität für graduelle Unterschiede in der Transferdistanz (gering, mittel, hoch), was die Annahme der Transferdistanz als zugrundeliegenden Faktor bestärkt. Weiterhin beschreibt Artikel 5 die Balance zwischen Transferdistanz und Abrufbarkeit des relevanten Vorwissens als generalisierbares Designprinzip. Die vorliegende Arbeit liefert einen weiteren Beitrag zur Beantwortung der Frage nach dem Schlüssel intuitiver Interaktion. Der Frage nach dem Schlüssel voraus ging allerdings zunächst die Frage nach dem aufzuschließenden Tor, dem Erlebnis intuitive Interaktion. Das INTUI-Modell liefert ein erweitertes Verständnis intuitiver Interaktion sowie Gestaltungsansätze für verschiedene INTUI-Pattern. Der INTUI-Fragebogen eröffnet die Möglichkeit, diese auch in Evaluations- und Forschungsstudien abzubilden. Die Beschreibung von Nutzungserlebnissen anhand der relativen Ausprägung der vier INTUI-Komponenten erlaubt eine Differenzierung von verschiedenen Typen intuitiver Nutzung. Neben der Kategorisierung zu Forschungszwecken können INTUI-Pattern auch zur Skizzierung des intendierten Nutzungserlebnisses im Design genutzt werden. Insbesondere Artikel 4 und Artikel 5 diskutierten zudem Ansatzpunkte für die Ableitung von konkreten Designprinzipien zur Unterstützung spezifischer Komponenten der intuitiven Interaktion. Limitationen der vorliegenden Studien und weiterführende Fragestellungen werden diskutiert.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
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Intuitive interaction represents an established design goal in the field of technical products. The term intuitive carries a thoroughly positive connotation, and, therefore, is often picked up in advertisement and marketing campaigns. However, it is not clear what exactly it promises. Sometimes the term intuitive interaction is used in association with so-called natural input technologies like touch or gesture control (e.g., Antle et al., 2009; Knopfle & Voss, 2000; Macaranas, 2013). In other cases, intuitive denotes especially minimalistic user interfaces (e.g., Ntina et al., in press; Olmstead, 2012) or the copying of already well-known and established interaction concepts (e.g., Blackler et al., 2010; Hurtienne & Israel, 2007). So what is the true key to intuitive interaction? Searching the literature of the fairly young research discipline of intuitive interaction provides several cues. For example, typical elements of existing definitions are the application of previously acquired knowledge (e.g., Blackler et al., 2002; Mohs, Hurtienne, Kindsmüller, et al., 2006; O’Brien et al., 2008a) as well as the unconsciousness of this process (e.g., Bærentsen, 2000; Blackler, 2006; Macaranas, 2013; Naumann et al., 2007). Also, some definitions of intuitive interaction refer to classical usability criteria such as effectiveness (e.g., Mohs, Hurtienne, Kindsmüller, et al., 2006; Naumann et al., 2007). Altogether, existing approaches show up relevant criteria and related phenomena, which is a helpful first step in narrowing down the concept. However, what is missing is a deeper understanding of the phenomenon of intuitive interaction itself – its essential components, its experiential qualities, and its differences to usability. The present work approaches the phenomenon of intuitive interaction from an experience perspective. Based on a dual approach I integrate theoretical insights from psychological research on intuitive decision making and empirical insights from user studies in the field of human-computer interaction (HCI). My primary research aims were to offer a better understanding of the experience of intuitive interaction as a whole, to identify its constituent components and relevant influencing factors as well as possible starting points for research and design. My stepwise research process is documented in five scientific articles. Article 1 presents the development of my model and a questionnaire to assess intuitive interaction. The INTUI-model differentiates between four components of intuitive interaction: Effortlessness, Gut Feeling, Verbalizability, and Magical Experience. These components are based on central elements in theories on intuitive decision making and also user interviews on intuitive interaction. The INTUI-questionnaire assesses the four components by a total of sixteen items. Different types of intuitive interaction can be described by the different components’ relative specification, so-called INTUI-pattern. The INTUI-questionnaire was tested and validated in a series of three studies (N=64, N=37, N=233) which replicated the assumed factorial structure and showed satisfactory values of internal scale consistency. A comparative analysis of experience reports on intuitive interaction revealed product specific INTUI-pattern: While intuitive interaction with home appliances was particularly marked by high Verbalizability, intuitive interaction with consumer electronics was rather characterized by high values for Gut Feeling. Article 2 explores the role of users’ prior knowledge and relations to task performance. Two studies (N=115, N=37) revealed significant changes in the INTUI-pattern depending on one’s expertise in the product domain: users with a high degree of prior knowledge rated the interaction as more effortless than users with little prior knowledge. In contrast, the latter gave higher ratings for Magical Experience and Gut Feeling. Article 3 reports further influencing factors in the context of intuitive interaction. One study (N=33) explored the influencing factor of judgment formation. In line with research on attitude formation (primacy-recency-effects, cf. Hogg & Vaughan, 2008), results showed that interactions at the beginning or end of a task were more relevant for the global judgment of intuitiveness than interactions in the middle part. Another study explored the effect of usage mode (goal mode vs. action mode, N=115) on the resulting INTUI-pattern. Depending on the usage mode, different components of intuitive interaction were dominating: While Magical Experience was most important in action mode Verbalizability and Gut Feeling were more prominent in goal mode. An analysis of related emotions showed an effect of users’ prior knowledge: For first time use, the emotional experience was marked by high arousal and neutral-positive valence whereas repeated use was marked by neutral-positive valence in combination with low arousal. The article concludes with a discussion of future research steps and model theoretical implications. Based on my previous research on the impact of prior knowledge, I suggest a model of usage domains, which depicts the effect of domain transfer distance within intuitive interaction. My previous research showed that growing expertise within a product domain leads to changes in the INTUI-pattern over time. Similarly, the distance between the application domain and the source of prior knowledge enabling intuitive interaction may affect the INTUI-pattern as well. High transfer distance may offer a higher specification of Magical Experience and Gut Feeling, whereas low transfer distance may lead to a higher specification of Effortlessness and Verbalizability. Article 4 presents an integrative model of intuitive interaction. It summarizes so far research results, discusses these by means of examples, and points out implications for research and design. The integrative model differentiates between first level influencing factors (product, user, context) and second level influencing factors (domain transfer distance, usage mode, judgment formation). This combination of factors which until then had been researched in isolation highlights possible connections and mutual interactions between them. For example, the concept of transfer distance builds an important mediating factor between the product and users’ prior knowledge. Finally, the article reveals still unclear aspects of intuitive interaction. One particular challenge is formed by the Verbalizability component. In decision making research and daily life experiences, a decision is denoted as highly intuitive if there is no conscious reflection and the basis of one’s decision can hardly be verbalized. In contrast, when speaking of intuitive interaction with a product or system this may still involve reflective steps of action. While referring to research on affordances, I suggest a product’s complexity as one important factor to be considered in this matter. Article 5 investigates the representation of intuitive interaction through the four INTUI-components and tests the theoretical assumptions of the domain transfer model in an empirical study (N=152). Besides an internal validation of the INTUI-model the study also compares the INTUI-components to components of intuitive interaction suggested within other researchers’ definitions. Participants’ ratings showed significant agreement to all explored components. However, the INTUI-components evoked the strongest level of agreement. Pairwise comparisons revealed a clear separation between the INTUI-components and the other components but no significant differences within the two groups. The study showed that the INTUI-model provides a meaningful picture of users’ understanding of intuitive interaction and emphasized the added value over existing models and definitions. Moreover, the study provided an experimental test of so far only theoretical assumptions of the domain transfer model. In a pairwise comparison of nine usage scenarios of varying transfer distance participants consistently rated the scenario with higher transfer distance as the clearer case of intuitive interaction. Also, they gave higher ratings for Magical Experience and Gut Feeling for the scenario of higher transfer distance but higher ratings for Effortlessness and Verbalizability for the scenario of lower transfer distance. Moreover, the study revealed a sensibility for gradual differences in transfer distance (low, medium, high). This gradual effect further validated the theoretical assumption of transfer distance as an underlying factor. With regards to practical implications, the article discusses how study results may be used as a basis for general design principles. More specifically, it suggests a balance between cues to activate prior knowledge on one hand (supporting access to prior knowledge, being a basic prerequisite for intuitive interaction) and the non-apparentness of those cues on the other hand (supporting unconscious access to prior knowledge, being essential for the magical experience of intuitive interaction). The present research represents one further step in the search for the key to intuitive interaction. In my approach, the question for the key, however, was preceded by a closer view on the mystery to be unlocked, i.e., the experience of intuitive interaction. The INTUI-model provides an enhanced understanding of intuitive interaction as well as design recommendations for different INTUI-pattern. Moreover, the INTUI-questionnaire provides the possibility to assess these in evaluation and research studies. The description of usage experiences through the relative specification of the four INTUI-components enables a differentiation between different types of intuitive interaction. Besides a categorization for research purposes the INTUI-pattern approach may also be used as a design specification of the intended user experience. Especially article 4 and article 5 present starting points for the derivation of design principles supporting particular components of intuitive interaction. The present studies’ limitations and implications for future research are discussed.

Englisch
Freie Schlagworte: Intuitive Interaktion, User Experience, Usability
Schlagworte:
Einzelne SchlagworteSprache
Intuitive Interaction, Intuitive UseEnglisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-41950
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 000 Allgemeines, Informatik, Informationswissenschaft > 004 Informatik
100 Philosophie und Psychologie > 150 Psychologie
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 03 Fachbereich Humanwissenschaften > Institut für Psychologie
03 Fachbereich Humanwissenschaften
Hinterlegungsdatum: 19 Okt 2014 19:55
Letzte Änderung: 19 Okt 2014 19:55
PPN:
Referenten: Vogt, Prof. Dr. Joachim ; Borcherding, Prof. Dr. Katrin
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 2 Oktober 2014
Schlagworte:
Einzelne SchlagworteSprache
Intuitive Interaction, Intuitive UseEnglisch
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