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Raumzeitliche Dynamik der Aktivität neuronaler Populationen im visuellen Kortex der Katze

Vögler, Sebastian (2014)
Raumzeitliche Dynamik der Aktivität neuronaler Populationen im visuellen Kortex der Katze.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Die Großhirnrinde stellt beim Säuger einen wichtigen Bereich des Zentralnervensystems dar, der sich mit der Verarbeitung von sensorischen Informationen befasst. Anatomisch ist diese Struktur durch ihren kolumnären Aufbau gekennzeichnet. Diese Kolumnen oder Zellsäulen sind hoch spezialisierte neuronale Entitäten, die z.B. im visuellen Kortex hoch spezialisiert einzelne Aspekte visueller Stimuli analysieren und repräsentieren. Zum Verständnis der neuronalen Mechanismen, die der Verarbeitung sensorischer Informationen zugrunde liegen, ist es allerdings von großer Bedeutung, nicht nur Signale von einzelnen Orten in der Großhirnrinde zu sammeln, sondern neuronale Aktivität großflächig und simultan über weite Bereiche eines Rindenareals abzuleiten. Dies lässt sich sehr gut mit optischen Ableitverfahren bewerkstelligen. Besonders die Methodik des Voltage Sensitive Dye Imagings (VSDI) ist für solche Zwecke prädestiniert, denn mit dieser Methode können simultan die Aktivität tausender Neurone im visuellen Kortex der Katze in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung visualisiert werden.

Während der Datenanalyse hat sich herausgestellt, dass die Antwortstärke auf einen Stimulus trotz konstanter Versuchsbedingungen sehr stark variieren kann. Dies ist sowohl auf der Basis von elektrophysiologisch gewonnen Daten der Fall wie auch auf der Basis von optischen Ableitungen aufgefallen. Um zu überprüfen, ob diese Variationen zumindest in den optisch gewonnenen Daten auf Störeinflüsse durch Artefakte resultierend aus den Kreislauffunktionen des Versuchstieres, wie z.B. dem Herzschlag der Katze, wurden die Daten mit Hilfe einer Independent Component Analyse (ICA) von Artefakten bereinigt. Durch Einsatz der ICA konnte insbesondere das Herzschlagartefakt beseitigt und die Datenqualität signifikant erhöht werden. Die Variationen innerhalb der neuronalen Antwortstärke waren jedoch weiterhin feststellbar. Um zu überprüfen, ob diese Variationen auf technische Störsignale zurückzuführen sind, wurden die das VSDI beeinflussenden Störsignale untersucht und durch die Integration eines neuen Aufnahmesystems minimiert. Zu diesem Ziel wurde das bisherige CCD-basierte Kamerasystem auf ein CMOS Kamerasystem gewechselt. Wie sich dann zeigte, konnte nach weitgehender Beseitigung aller biologischen und Minimierung aller technischen Störquellen die Variationen innerhalb der optischen Daten trotz konstanter Versuchsbedingungen weiterhin festgestellt werden. Diese Ergebnisse führten zu der Hypothese, dass die Variationen neuronalen Ursprungs sind und auf Schwankungen innerhalb der neuronalen Spontanaktivität zurückzuführen sind.

Die raum-zeitliche Analyse der Spontanaktivität hat ergeben, dass spontan Aktivitätsmuster auftreten, die den entsprechenden Mustern der evozierter Aktivität sehr stark ähneln. Unabhängig von diesen Mustern war zu beobachten, dass auch die Aktivitäten innerhalb der Spontanaktivität variieren - Phasen hoher und Phasen geringer Spontanaktivität konnten identifiziert werden. Da die Aktivität innerhalb der spontanen- und der evozierten Aktivität variiert, wurde untersucht, ob die neuronale Spontanaktivität innerhalb des primären visuellen Kortex die Stimulus evozierte Aktivität der Neurone beeinflusst. Es ließ sich zeigen, dass während Phasen hoher Spontanaktivität die Antwort auf den Stimulus signifikant erhöht und während Phasen geringer Spontanaktivität signifikant erniedrigt ist. Zurückzuführen sind diese Ergebnisse auf den Erregungsgrad der Neurone kurz vor Beginn der Stimulation.

Nach der Hypothese von Romei und Lange (Romei et al., 2008a, Romei et al., 2010, Lange et al., 2013) wird die Erregbarkeit kortikaler Neurone von der oszillatorischen Aktivität im Alphaband stark beeinflusst. Die Hypothese besagt, dass während Phasen hoher Alphaaktivität die kortikale Erregbarkeit reduziert ist. Da es noch keinen direkten Beweis für diese Hypothese gibt, habe ich sie mit Hilfe meiner Daten überprüft. Aufgrund der hohen zeitlichen Auflösung der VSD-Daten war es möglich, den Erregungsgrad der Neurone und die vorherrschende oszillatorische Power im Alphaband zeitgleich zu visualisieren. Simultan zu den optischen Daten wurde die Alphaaktivität innerhalb der elektrophysiologisch abgeleiteten Daten in Area 18 und im posteromedialen lateralen Teil des suprasylvischen Kortex (PMLS) gemessen. Die Analyse hat ergeben, dass während Phasen geringer Spontanaktivität und somit eines niedrigem kortikalen Erregungsgrads die Alphaaktivität in Area 18 und in PMLS signifikant erhöht ist. Diese Daten liefern somit zum ersten Mal den direkten Nachweis zur Bestätigung der Hypothese (Romei et al., 2008a, Romei et al., 2010, Lange et al., 2013), dass während Phasen hoher Alphaaktivität die Erregbarkeit kortikaler Neurone reduziert ist. Weiterführend erbrachte eine Kohärenzanalyse den Nachweis, dass eine Interaktion zwischen den neuronalen Netzwerken in Area 18 und PMLS besteht. Die Kohärenz zwischen beiden Arealen ist während Phasen hoher Alphaaktivität hoch (>0.5) und die Berechnung der Phasenverschiebung ergab, dass die Alphaaktivität von PMLS ausgeht. Die Daten liefern einen Hinweis auf eine top-down gesteuerte Modulation der neuronalen Erregbarkeit im primären visuellen Kortex. Zusammengefasst konnte gezeigt werden, dass die Variationen innerhalb der optischen Daten im Wesentlichen nicht auf biologische oder technische Störeinflüsse zurückzuführen sind, sondern neuronalen Ursprungs sind. Das Ausmaß der Spontanaktivität kurz vor Einsatz der Stimulation beeinflusst die Amplitude der evozierten Aktivität durch den Stimulus. Die Spontanaktivität wiederum ist abhängig von der oszillatorischen Aktivität im Alpha-Band, die vermutlich durch top-down gesteuerte Prozesse moduliert wird.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2014
Autor(en): Vögler, Sebastian
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Raumzeitliche Dynamik der Aktivität neuronaler Populationen im visuellen Kortex der Katze
Sprache: Deutsch
Referenten: Galuske , Prof. Dr. Ralf A. W. ; Laube, Prof. Dr. Bodo
Publikationsjahr: 16 April 2014
Ort: Darmstadt
Verlag: TU Prints
Datum der mündlichen Prüfung: 16 April 2014
URL / URN: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/3962
Kurzbeschreibung (Abstract):

Die Großhirnrinde stellt beim Säuger einen wichtigen Bereich des Zentralnervensystems dar, der sich mit der Verarbeitung von sensorischen Informationen befasst. Anatomisch ist diese Struktur durch ihren kolumnären Aufbau gekennzeichnet. Diese Kolumnen oder Zellsäulen sind hoch spezialisierte neuronale Entitäten, die z.B. im visuellen Kortex hoch spezialisiert einzelne Aspekte visueller Stimuli analysieren und repräsentieren. Zum Verständnis der neuronalen Mechanismen, die der Verarbeitung sensorischer Informationen zugrunde liegen, ist es allerdings von großer Bedeutung, nicht nur Signale von einzelnen Orten in der Großhirnrinde zu sammeln, sondern neuronale Aktivität großflächig und simultan über weite Bereiche eines Rindenareals abzuleiten. Dies lässt sich sehr gut mit optischen Ableitverfahren bewerkstelligen. Besonders die Methodik des Voltage Sensitive Dye Imagings (VSDI) ist für solche Zwecke prädestiniert, denn mit dieser Methode können simultan die Aktivität tausender Neurone im visuellen Kortex der Katze in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung visualisiert werden.

Während der Datenanalyse hat sich herausgestellt, dass die Antwortstärke auf einen Stimulus trotz konstanter Versuchsbedingungen sehr stark variieren kann. Dies ist sowohl auf der Basis von elektrophysiologisch gewonnen Daten der Fall wie auch auf der Basis von optischen Ableitungen aufgefallen. Um zu überprüfen, ob diese Variationen zumindest in den optisch gewonnenen Daten auf Störeinflüsse durch Artefakte resultierend aus den Kreislauffunktionen des Versuchstieres, wie z.B. dem Herzschlag der Katze, wurden die Daten mit Hilfe einer Independent Component Analyse (ICA) von Artefakten bereinigt. Durch Einsatz der ICA konnte insbesondere das Herzschlagartefakt beseitigt und die Datenqualität signifikant erhöht werden. Die Variationen innerhalb der neuronalen Antwortstärke waren jedoch weiterhin feststellbar. Um zu überprüfen, ob diese Variationen auf technische Störsignale zurückzuführen sind, wurden die das VSDI beeinflussenden Störsignale untersucht und durch die Integration eines neuen Aufnahmesystems minimiert. Zu diesem Ziel wurde das bisherige CCD-basierte Kamerasystem auf ein CMOS Kamerasystem gewechselt. Wie sich dann zeigte, konnte nach weitgehender Beseitigung aller biologischen und Minimierung aller technischen Störquellen die Variationen innerhalb der optischen Daten trotz konstanter Versuchsbedingungen weiterhin festgestellt werden. Diese Ergebnisse führten zu der Hypothese, dass die Variationen neuronalen Ursprungs sind und auf Schwankungen innerhalb der neuronalen Spontanaktivität zurückzuführen sind.

Die raum-zeitliche Analyse der Spontanaktivität hat ergeben, dass spontan Aktivitätsmuster auftreten, die den entsprechenden Mustern der evozierter Aktivität sehr stark ähneln. Unabhängig von diesen Mustern war zu beobachten, dass auch die Aktivitäten innerhalb der Spontanaktivität variieren - Phasen hoher und Phasen geringer Spontanaktivität konnten identifiziert werden. Da die Aktivität innerhalb der spontanen- und der evozierten Aktivität variiert, wurde untersucht, ob die neuronale Spontanaktivität innerhalb des primären visuellen Kortex die Stimulus evozierte Aktivität der Neurone beeinflusst. Es ließ sich zeigen, dass während Phasen hoher Spontanaktivität die Antwort auf den Stimulus signifikant erhöht und während Phasen geringer Spontanaktivität signifikant erniedrigt ist. Zurückzuführen sind diese Ergebnisse auf den Erregungsgrad der Neurone kurz vor Beginn der Stimulation.

Nach der Hypothese von Romei und Lange (Romei et al., 2008a, Romei et al., 2010, Lange et al., 2013) wird die Erregbarkeit kortikaler Neurone von der oszillatorischen Aktivität im Alphaband stark beeinflusst. Die Hypothese besagt, dass während Phasen hoher Alphaaktivität die kortikale Erregbarkeit reduziert ist. Da es noch keinen direkten Beweis für diese Hypothese gibt, habe ich sie mit Hilfe meiner Daten überprüft. Aufgrund der hohen zeitlichen Auflösung der VSD-Daten war es möglich, den Erregungsgrad der Neurone und die vorherrschende oszillatorische Power im Alphaband zeitgleich zu visualisieren. Simultan zu den optischen Daten wurde die Alphaaktivität innerhalb der elektrophysiologisch abgeleiteten Daten in Area 18 und im posteromedialen lateralen Teil des suprasylvischen Kortex (PMLS) gemessen. Die Analyse hat ergeben, dass während Phasen geringer Spontanaktivität und somit eines niedrigem kortikalen Erregungsgrads die Alphaaktivität in Area 18 und in PMLS signifikant erhöht ist. Diese Daten liefern somit zum ersten Mal den direkten Nachweis zur Bestätigung der Hypothese (Romei et al., 2008a, Romei et al., 2010, Lange et al., 2013), dass während Phasen hoher Alphaaktivität die Erregbarkeit kortikaler Neurone reduziert ist. Weiterführend erbrachte eine Kohärenzanalyse den Nachweis, dass eine Interaktion zwischen den neuronalen Netzwerken in Area 18 und PMLS besteht. Die Kohärenz zwischen beiden Arealen ist während Phasen hoher Alphaaktivität hoch (>0.5) und die Berechnung der Phasenverschiebung ergab, dass die Alphaaktivität von PMLS ausgeht. Die Daten liefern einen Hinweis auf eine top-down gesteuerte Modulation der neuronalen Erregbarkeit im primären visuellen Kortex. Zusammengefasst konnte gezeigt werden, dass die Variationen innerhalb der optischen Daten im Wesentlichen nicht auf biologische oder technische Störeinflüsse zurückzuführen sind, sondern neuronalen Ursprungs sind. Das Ausmaß der Spontanaktivität kurz vor Einsatz der Stimulation beeinflusst die Amplitude der evozierten Aktivität durch den Stimulus. Die Spontanaktivität wiederum ist abhängig von der oszillatorischen Aktivität im Alpha-Band, die vermutlich durch top-down gesteuerte Prozesse moduliert wird.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The cerebral cortex in mammals is an important area within the central nervous system for processing sensory information. This anatomical structure is characterized by its columnar organization. These columns are highly specialized neuronal entities and for example in the visual cortex columns analyze and represent individual aspects of visual stimuli. To understand the neural mechanisms underlying the processing of sensory information, however, it is of great importance, not only to collect signals from different locations in the cerebral cortex, but record neuronal activity over a large area and over a wide range of the cortex simultaneously. This can be accomplished with optical imaging. In particular, the methodology of the Voltage -Sensitive Dye Imaging (VSDI) is ideal for such purposes, because this method can simultaneously record the activity of thousands of neurons in the cat’s visual cortex with a high temporal and spatial resolution. During the data analysis it has been found that the response strength to a stimulus can vary greatly despite constant experimental conditions. This observation can be found within the electrophysiological and the optical imaging data. To verify if these variations in at least the optical data result from artifacts corresponding to interferences due to the animal’s circuit functions, such as the cat 's heartbeat , the data were cleaned from artifacts with the help of a Independent Component Analysis (ICA). By using ICA in particular the heartbeat artifact could be eliminated and the data quality increased significantly. The variations in the neural response strength, however, were still detectable. To verify whether these variations are due to technical noise signals, the noise affecting the VSDI was examined and noise was minimized by the integration of a new recording system. To this end, the existing CCD -based camera system has been switched to a CMOS camera system. After extensive removal of all biological and technical noise sources, the variations within the optical data could still be found, despite constant experimental conditions. These findings led to the hypothesis that the variations are of neuronal origin and are due to variations within the neural spontaneous activity. The spatiotemporal analysis of the spontaneous activity showed that spontaneous activity patterns occur, which are very similar to the corresponding patterns of evoked activity. Regardless of these patterns it was observed that as well within the spontaneous activity the neural activity varies - periods of high and low phases of spontaneous activity could be identified. Since the activity varied within the spontaneous and within the evoked activity it was tested whether the neuronal spontaneous activity of the primary visual cortex affects the stimulus evoked activity of neurons. It has been shown that during periods of high spontaneous activity the response to the stimulus is significantly increased and during periods of low spontaneous activity the response strength is significantly decreased. These results are due to the degree of excitation of the neurons just before the start of stimulation. According to the hypothesis of Romei and Lange (Romei et al. , 2008a , Romei et al. , 2010 , Lange et al. , 2013) the excitability of cortical neurons is strongly modulated by the oscillatory activity in the alpha band. The hypothesis is that during periods of high alpha activity the cortical excitability is reduced. Since there is no direct evidence for this hypothesis, I have checked the hypothesis with my data. Due to the high temporal resolution of the VSD data it was possible to visualize simultaneously the degree of excitation of the neurons and the dominant oscillatory power in the alpha band at the same time. Simultaneous to the optical data, the alpha activity was measured electrophysiologically in Area 18 and in the posteromedial lateral part of the suprasylvian cortex (PMLS). The analysis has shown that during periods of low spontaneous activity and thus a low cortical excitation level, the alpha activity in Area 18 and PMLS is significantly increased. These data thus provide for the first time direct evidence confirming the hypothesis (Romei et al. , 2008a , Romei et al. , 2010 , Lange et al. , 2013) that during periods of high alpha activity the excitability of cortical neurons is reduced. In addition, a coherence analysis demonstrated that there is an interaction between the neural networks in Area 18 and PMLS. The coherence between the two areas during periods of high alpha activity is high (> 0.5) and the calculation of the phase shift showed that the alpha activity origins in PMLS. The data provide an evidence of a top-down controlled modulation of neuronal excitability in the primary visual cortex. Summarizing the above, it could be shown that the variations in the optical imaging data are substantially not related to biological or technical interference, but neural origin. The extent of spontaneous activity on just before stimulation affects the amplitude of the stimulus evoked activity. The spontaneous activity in turn depends on the oscillatory activity in the alpha band, which is probably modulated by top-down controlled processes.

Englisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-39629
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 570 Biowissenschaften, Biologie
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 10 Fachbereich Biologie > Systemische Neurophysiologie
10 Fachbereich Biologie
Hinterlegungsdatum: 25 Mai 2014 19:55
Letzte Änderung: 25 Mai 2014 19:55
PPN:
Referenten: Galuske , Prof. Dr. Ralf A. W. ; Laube, Prof. Dr. Bodo
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 16 April 2014
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