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Die Ökonomie des Glaubens. Die Evangelische Kirche in Hessen/Nassau und der Sprung in die Moderne 1945-1980.

Schmunk, Stefan (2012)
Die Ökonomie des Glaubens. Die Evangelische Kirche in Hessen/Nassau und der Sprung in die Moderne 1945-1980.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Die evangelischen Landeskirchen Westdeutschlands durchlebten nach Ende des Zweiten Weltkriegs strukturelle Veränderungsprozesse nie gekannten Ausmaßes. Diese grundlegenden Veränderungen betrafen ihre konstitutionelle, strukturelle und personelle Verfasstheit und die wahrgenommenen sozialen Aufgaben, die sie zu einem zentralen Träger des Sozial- und Wohlfahrtsstaates machten. Der Auslöser für diesen Sprung in die Moderne, der zwischen 1958 und 1970 in einer unumkehrbaren Dynamik und Geschwindigkeit stattfand, war der rasant wachsende Wohlstand Westdeutschlands, gemeinhin als das „Wirtschaftswunder“ bezeichnet, an dem die Kirchen durch die Kopplung der Kirchen- an die Einkommenssteuer ökonomisch partizipierten. Die evangelischen Kirchen erlebten eine „Zeit der Erquickung“, wie Martin Niemöller voller Freude auf der Synode der EKHN 1961 ausrief, und die dazu führte, „dass man sich um Geld keine Sorgen mehr machen“ müsse. Neben dem Aufbau einer Leistungsverwaltung, die diese Modernisierung erst ermöglichte, erfolgte zugleich ein erheblicher materieller Ausbau kirchlicher Präsenz: Hunderte Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser und Kindergärten wurden im Gebiet der EKHN binnen der kurzen Zeitspanne von zehn Jahren gebaut, der Gebäudebestand verdoppelte sich. Begleitet wurde dies durch die Schaffung zahlreicher neue Pfarr- und Pfarrvikarstellen nicht nur auf kirchengemeindlicher Ebene, sondern besonders im übergemeindlichen kirchlichen Dienst, so beispielsweise in der Polizei-, Gefängnis-, Militär-, Kriegsdienstverweigerer-, Krankenhaus- und Arbeiterseelsorge. Die Ev. Landeskirchen versuchten u.a. dadurch, mit der sich pluralisierenden Gesellschaft Schritt zu halten, und wurden in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen seelsorgerisch tätig. Getragen wurde dieser kirchliche Modernisierungsprozess vor allem von einer zwischen 1905 und 1914 geborenen Generation. Diese strömten ab Mitte der 1920er Jahre in großer Zahl an die Universitäten, um durch ein Theologiestudium einen Beruf zu ergreifen, der ihnen ökonomische und gesellschaftliche Absicherung versprach. Diese späteren Pfarrer, die in einer Zeit von existentiellen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Wirren und Brüchen aufwuchsen und sozialisiert wurden, können deshalb als „Generation der Depression“ bezeichnet werden. Sie besetzten spätestens ab Mitte der 1950er Jahre auf allen Ebenen zentrale kirchliche Ämter. Gerade das Zusammentreffen von neuen zuvor ungeahnten finanziellen Handlungsmöglichkeiten mit einer jüngeren Theologengeneration nach 1945 war der Dreh- und Angelpunkt des Modernisierungsprozesses. Im Zentrum der Dissertation steht die Analyse der EKHN und ihrer Kirchengemeinden im Zeitraum von 1945 bis 1980. Durch die Verwendung einer mikrohistorischen komparatistischen Methodik, in deren Mittelpunkt eine Finanzanalyse steht und mit der die Wechselwirkungen von lokalen und überregionalen Ebenen untersucht wurde, soll die Komplexität kirchlicher Strukturen und deren Veränderungen aufgeschlüsselt werden.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2012
Autor(en): Schmunk, Stefan
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Die Ökonomie des Glaubens. Die Evangelische Kirche in Hessen/Nassau und der Sprung in die Moderne 1945-1980.
Sprache: Deutsch
Referenten: Dipper, Prof. Dr. Christof ; Schott, Prof. Dr. Dieter
Publikationsjahr: 6 November 2012
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 30 Mai 2011
URL / URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-31566
Kurzbeschreibung (Abstract):

Die evangelischen Landeskirchen Westdeutschlands durchlebten nach Ende des Zweiten Weltkriegs strukturelle Veränderungsprozesse nie gekannten Ausmaßes. Diese grundlegenden Veränderungen betrafen ihre konstitutionelle, strukturelle und personelle Verfasstheit und die wahrgenommenen sozialen Aufgaben, die sie zu einem zentralen Träger des Sozial- und Wohlfahrtsstaates machten. Der Auslöser für diesen Sprung in die Moderne, der zwischen 1958 und 1970 in einer unumkehrbaren Dynamik und Geschwindigkeit stattfand, war der rasant wachsende Wohlstand Westdeutschlands, gemeinhin als das „Wirtschaftswunder“ bezeichnet, an dem die Kirchen durch die Kopplung der Kirchen- an die Einkommenssteuer ökonomisch partizipierten. Die evangelischen Kirchen erlebten eine „Zeit der Erquickung“, wie Martin Niemöller voller Freude auf der Synode der EKHN 1961 ausrief, und die dazu führte, „dass man sich um Geld keine Sorgen mehr machen“ müsse. Neben dem Aufbau einer Leistungsverwaltung, die diese Modernisierung erst ermöglichte, erfolgte zugleich ein erheblicher materieller Ausbau kirchlicher Präsenz: Hunderte Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser und Kindergärten wurden im Gebiet der EKHN binnen der kurzen Zeitspanne von zehn Jahren gebaut, der Gebäudebestand verdoppelte sich. Begleitet wurde dies durch die Schaffung zahlreicher neue Pfarr- und Pfarrvikarstellen nicht nur auf kirchengemeindlicher Ebene, sondern besonders im übergemeindlichen kirchlichen Dienst, so beispielsweise in der Polizei-, Gefängnis-, Militär-, Kriegsdienstverweigerer-, Krankenhaus- und Arbeiterseelsorge. Die Ev. Landeskirchen versuchten u.a. dadurch, mit der sich pluralisierenden Gesellschaft Schritt zu halten, und wurden in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen seelsorgerisch tätig. Getragen wurde dieser kirchliche Modernisierungsprozess vor allem von einer zwischen 1905 und 1914 geborenen Generation. Diese strömten ab Mitte der 1920er Jahre in großer Zahl an die Universitäten, um durch ein Theologiestudium einen Beruf zu ergreifen, der ihnen ökonomische und gesellschaftliche Absicherung versprach. Diese späteren Pfarrer, die in einer Zeit von existentiellen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Wirren und Brüchen aufwuchsen und sozialisiert wurden, können deshalb als „Generation der Depression“ bezeichnet werden. Sie besetzten spätestens ab Mitte der 1950er Jahre auf allen Ebenen zentrale kirchliche Ämter. Gerade das Zusammentreffen von neuen zuvor ungeahnten finanziellen Handlungsmöglichkeiten mit einer jüngeren Theologengeneration nach 1945 war der Dreh- und Angelpunkt des Modernisierungsprozesses. Im Zentrum der Dissertation steht die Analyse der EKHN und ihrer Kirchengemeinden im Zeitraum von 1945 bis 1980. Durch die Verwendung einer mikrohistorischen komparatistischen Methodik, in deren Mittelpunkt eine Finanzanalyse steht und mit der die Wechselwirkungen von lokalen und überregionalen Ebenen untersucht wurde, soll die Komplexität kirchlicher Strukturen und deren Veränderungen aufgeschlüsselt werden.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

The Protestant Churches of Western Germany underwent immense structural changes after WW2. Those changes concerned their constitution, structure, and staff as well as their social work which turned them into one of the pillars of the German social welfare system. The trigger for this transformation, accelerating dynamically between 1958 and 1970, was the so called German "Wirtschaftswunder". The churches profited economically from this fast-paced increase in general prosperity because of the linking of German income tax to church tax. As Martin Niemöller happily put it at the EKHN synod in 1961, the Protestant churches experienced a "Zeit der Erquickung", concluding „dass man sich um Geld keine Sorgen mehr machen“ [müsse]. The EKHN expanded its administration and, at the same time, built hundreds of new church houses, parish halls, vicarages, and kindergartens. Also, it created a large number of new rectorates not only in the parishes as such, but also in the pastoral care for the police, in jails, in the military, for conscientious objectors, in hospitals, and for workers. With these measures, the EKHN tried to keep up with a changing and multiplying society. The generation of theologians, implementing those changes, was born between 1905 and 1914. They studied theology in the 1920s in the hope of getting an economically and socially distinguished job. Their disruptive experiences of the Weimar Republic, the Third Reich, and WW2 qualifies them for being labeled a "Generation of the Depression". In the mid-1950s at the latest, they occupied all central Church offices. This younger generation of theologians in combination with a financial scope unknown before to any Church in Germany formed the pivot of all modernisation processes. The analysis of the EKHN and its parishes between 1945 and 1980 forms the center of this doctoral dissertation. Using methods of microhistory and comparative history for a financial analysis from local to supraregional levels, the dissertation examines the complexities of Church structures and their transformations.

Englisch
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 200 Religion > 230 Theologie, Christentum
900 Geschichte und Geografie > 943 Geschichte Deutschlands
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften > Institut für Geschichte
02 Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften
Hinterlegungsdatum: 28 Nov 2012 16:13
Letzte Änderung: 05 Mär 2013 10:04
PPN:
Referenten: Dipper, Prof. Dr. Christof ; Schott, Prof. Dr. Dieter
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 30 Mai 2011
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