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Regelung eines radbasierten inversen Doppelpendels unter Betrachtung hybrider Dynamik

Strah, Bruno (2012)
Regelung eines radbasierten inversen Doppelpendels unter Betrachtung hybrider Dynamik.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Für Rollstuhlfahrer können Treppen zu einer deutlichen Minderung der Mobilität führen. Die Problematik des Treppensteigens mit einem radbasierten Gerät sowie die hierzu notwendige Methodik stehen im Fokus dieser Arbeit. Das treppensteigende Gerät („Stair Climbing Device“ = SCD) wurde als ein elektrisch angetriebenes mechanisches System aufgebaut. Es kann als ein radbasiertes inverses Doppelpendel betrachtet werden. Der Winkel zwischen dem Ober- und Unterkörper ist verstellbar und die vier Räder (Vorder- und Hinterräder) sind am Unterkörper befestigt. Das SCD weist eine hohe Ähnlichkeit zum treppensteigenden Rollstuhl iBOT auf. Ein Unterschied zwischen beiden Geräten ist, dass das SCD beim Treppensteigen keine manuelle Unterstützung benötigt. Selbständiges Treppensteigen ist der entscheidende Vorteil der hier vorgestellten Methodik, weil weder Geländer immer zur Verfügung stehen noch sich Assistenten in der Nähe befinden. Überdies ist ein Treppensteigen mit unbemannten Fahrzeugen oder Robotern möglich. Das SCD besitzt nichtlineare und abhängig von der Situation veränderliche zeitkontinuierliche Eigenschaften. Durch die einseitigen Rad-Boden-Bindungen weist es zudem diskontinuierliche Phänomene auf: Zustandsübergang zum Rad-Boden-Kontakt und Auflösen des Rad-Boden-Kontakts. Aufgrund der Wechselwirkung dieser beiden Phänomene, wird die Dynamik des Gesamtsystems als hybride Dynamik bezeichnet. Ein hybrider Zustandsautomat stellt das Gesamtmodell des SCD dar. Es beinhaltet vier diskrete Zustände, von denen jeder mit einem zeitkontinuierlichen Modell beschrieben ist. Diese Modelle wurden nach Verwendung von Lagrangeschen Gleichungen 1. Art mit entsprechenden Bindungen (Zwangsbedingungen) bestimmt. Die exakte Linearisierung wird als Basis der vorgestellten regelungstechnischen Methodik verwendet, um die nichtlineare Eigenschaft des SCD zu kompensieren. Im diskreten Zustand „Bodenkontakt mit allen Rädern“ konnte die exakte Linearisierung mit vollem relativem Grad durchgeführt werden, was als Folge der gleichen Anzahl der Aktoren und Freiheitsgrade möglich war. Dies führt zu einem vollständig linearisierten und entkoppelten System. Im diskreten Zustand „Bodenkontakt mit Hinterrädern“ handelt es sich um ein System mit nicht vollem relativem Grad, was zu einer partiellen exakten Linearisierung führt. Der Winkel des Unterkörpers ändert sich zusätzlich und erhöht somit die Anzahl der Freiheitsgrade um eins. Die bestehende Unteraktuiertheit folgt aus der kleineren Anzahl der Aktoren gegenüber Freiheitsgraden. Die exakte Linearisierung führt hier zum Aufteilen des Regelungssystems in eine linearisierte externe Dynamik und eine restliche nichtlineare interne Dynamik, welche die Bewegung des Unterkörpers beschreibt. Die Ruhelage des Systems wurde mit einer Analyse der Nulldynamik als instabil identifiziert, weshalb zum Stabilisieren eine zusätzliche Maßnahme notwendig ist. Um die Zustandsübergänge „Absetzen“ und „Abheben“ zu realisieren, sind zunächst die Bedingungen ermittelt, welche die Zustandsübergänge ermöglichen. Danach ist das „Absetzen“ im Rahmen des Konzeptes der virtuellen Bindung entworfen. Eine entsprechende Ausgangsfunktion des Regelungssystems, welche die Bewegung des Unter- und Oberkörpers koppelt, ist entworfen, sodass bestimmte Kriterien erfüllt werden. Zunächst wird die lokale Stabilität des „Absetzens“ mit der Analyse der Nulldynamik geprüft. Weiterhin wird ein sanfter Bodenkontakt erreicht, indem die Geschwindigkeit des Unterkörpers beim Erreichen des Bodenkontakts gemindert wird. Das „Abheben“ wird einfacher mit einer entsprechenden Trajektorie des Oberkörpers ausgelöst. Das Verschwinden der Normalkraft zwischen den Rädern und dem Boden führt demnach zu dem Zustandsübergang. Die Neigung des Unterkörpers kann im Gegensatz zu anderen Freiheitsgraden nicht gemessen werden, weshalb es mittels Sensordatenfusion eines Neigungssensors und Drehratensensors präzise ermittelt wird. Somit ist die Anwendung der vorgestellten regelungstechnischen Methoden möglich. Die Leistungsfähigkeit der vorgestellten Regelung wird sowohl am realen System als auch in der Simulation demonstriert. Zusätzlich ist das SCD Modell anhand des Vergleiches der Simulationen und Messungen des realen Systems bewertet.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2012
Autor(en): Strah, Bruno
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Regelung eines radbasierten inversen Doppelpendels unter Betrachtung hybrider Dynamik
Sprache: Deutsch
Referenten: Rinderknecht, Prof. Dr.- S. ; Klingauf, Prof. Dr.- U.
Publikationsjahr: 16 Juli 2012
Ort: Darmstadt, Deutschland
Datum der mündlichen Prüfung: 3 Juli 2012
URL / URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-30507
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Kurzbeschreibung (Abstract):

Für Rollstuhlfahrer können Treppen zu einer deutlichen Minderung der Mobilität führen. Die Problematik des Treppensteigens mit einem radbasierten Gerät sowie die hierzu notwendige Methodik stehen im Fokus dieser Arbeit. Das treppensteigende Gerät („Stair Climbing Device“ = SCD) wurde als ein elektrisch angetriebenes mechanisches System aufgebaut. Es kann als ein radbasiertes inverses Doppelpendel betrachtet werden. Der Winkel zwischen dem Ober- und Unterkörper ist verstellbar und die vier Räder (Vorder- und Hinterräder) sind am Unterkörper befestigt. Das SCD weist eine hohe Ähnlichkeit zum treppensteigenden Rollstuhl iBOT auf. Ein Unterschied zwischen beiden Geräten ist, dass das SCD beim Treppensteigen keine manuelle Unterstützung benötigt. Selbständiges Treppensteigen ist der entscheidende Vorteil der hier vorgestellten Methodik, weil weder Geländer immer zur Verfügung stehen noch sich Assistenten in der Nähe befinden. Überdies ist ein Treppensteigen mit unbemannten Fahrzeugen oder Robotern möglich. Das SCD besitzt nichtlineare und abhängig von der Situation veränderliche zeitkontinuierliche Eigenschaften. Durch die einseitigen Rad-Boden-Bindungen weist es zudem diskontinuierliche Phänomene auf: Zustandsübergang zum Rad-Boden-Kontakt und Auflösen des Rad-Boden-Kontakts. Aufgrund der Wechselwirkung dieser beiden Phänomene, wird die Dynamik des Gesamtsystems als hybride Dynamik bezeichnet. Ein hybrider Zustandsautomat stellt das Gesamtmodell des SCD dar. Es beinhaltet vier diskrete Zustände, von denen jeder mit einem zeitkontinuierlichen Modell beschrieben ist. Diese Modelle wurden nach Verwendung von Lagrangeschen Gleichungen 1. Art mit entsprechenden Bindungen (Zwangsbedingungen) bestimmt. Die exakte Linearisierung wird als Basis der vorgestellten regelungstechnischen Methodik verwendet, um die nichtlineare Eigenschaft des SCD zu kompensieren. Im diskreten Zustand „Bodenkontakt mit allen Rädern“ konnte die exakte Linearisierung mit vollem relativem Grad durchgeführt werden, was als Folge der gleichen Anzahl der Aktoren und Freiheitsgrade möglich war. Dies führt zu einem vollständig linearisierten und entkoppelten System. Im diskreten Zustand „Bodenkontakt mit Hinterrädern“ handelt es sich um ein System mit nicht vollem relativem Grad, was zu einer partiellen exakten Linearisierung führt. Der Winkel des Unterkörpers ändert sich zusätzlich und erhöht somit die Anzahl der Freiheitsgrade um eins. Die bestehende Unteraktuiertheit folgt aus der kleineren Anzahl der Aktoren gegenüber Freiheitsgraden. Die exakte Linearisierung führt hier zum Aufteilen des Regelungssystems in eine linearisierte externe Dynamik und eine restliche nichtlineare interne Dynamik, welche die Bewegung des Unterkörpers beschreibt. Die Ruhelage des Systems wurde mit einer Analyse der Nulldynamik als instabil identifiziert, weshalb zum Stabilisieren eine zusätzliche Maßnahme notwendig ist. Um die Zustandsübergänge „Absetzen“ und „Abheben“ zu realisieren, sind zunächst die Bedingungen ermittelt, welche die Zustandsübergänge ermöglichen. Danach ist das „Absetzen“ im Rahmen des Konzeptes der virtuellen Bindung entworfen. Eine entsprechende Ausgangsfunktion des Regelungssystems, welche die Bewegung des Unter- und Oberkörpers koppelt, ist entworfen, sodass bestimmte Kriterien erfüllt werden. Zunächst wird die lokale Stabilität des „Absetzens“ mit der Analyse der Nulldynamik geprüft. Weiterhin wird ein sanfter Bodenkontakt erreicht, indem die Geschwindigkeit des Unterkörpers beim Erreichen des Bodenkontakts gemindert wird. Das „Abheben“ wird einfacher mit einer entsprechenden Trajektorie des Oberkörpers ausgelöst. Das Verschwinden der Normalkraft zwischen den Rädern und dem Boden führt demnach zu dem Zustandsübergang. Die Neigung des Unterkörpers kann im Gegensatz zu anderen Freiheitsgraden nicht gemessen werden, weshalb es mittels Sensordatenfusion eines Neigungssensors und Drehratensensors präzise ermittelt wird. Somit ist die Anwendung der vorgestellten regelungstechnischen Methoden möglich. Die Leistungsfähigkeit der vorgestellten Regelung wird sowohl am realen System als auch in der Simulation demonstriert. Zusätzlich ist das SCD Modell anhand des Vergleiches der Simulationen und Messungen des realen Systems bewertet.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Stairs can considerably decrease mobility of wheelchair drivers. The stair-climbing issue with a wheeled device and the appropriate control methods are in the focus of this work. The considered stair-climbing device (SCD) is an electrically driven mechanical system. The SCD is a wheeled double inverted pendulum. The angle between its upper and lower body is adjustable where the four wheels (front and rear) are connected to the lower body. The SCD has high similarity with the stair-climbing wheelchair iBOT. A difference between these devices is that the SCD may negotiate steps without manual support. Autonomy is the main advantage of the method presented here, because handrails do not exist everywhere nor is an assistant always nearby. Moreover, stair climbing with unmanned devices or robots is possible. The SCD has nonlinear situation-changing continuous-time properties. Furthermore, discontinuous phenomena exist due to wheel-to-ground unilateral constraints: transition to contact and transition to detachment. Because of the interaction of both phenomena, hybrid nonlinear dynamics characterize the entire system. The overall SCD model is represented by a hybrid automaton. It consists of four discrete states, where each of the discrete state is described with a continuous-time model. These models were derived using Lagrange equations of the 1st kind considering appropriate constraints. Feedback linearization is used as a basis for the control design in order to linearize the nonlinear SCD system. Full-state linearization is applied in the discrete state “all-wheel-to-ground contact” due to the full relative degree. This is a consequence of the equal number of actuators and the degrees of freedom (DOF). It leads to a completely linearized and decoupled system. In the discrete state “rear-wheel-to-ground contact” the relative degree is not full, which is leading to a partial input-output linearization. In contrast to the discrete state “all-wheel-to-ground contact”, the SCD inclination is varying, increasing the DOF by one. The existing underactuation is a consequence of the smaller number of actuators compared to DOF. The feedback linearization now divides the control system into a linearized external dynamics and the remaining internal (still) nonlinear dynamics. The internal dynamics refer to the SCD inclination dynamics. The equilibrium point was qualified as unstable by analyzing the corresponding zero dynamics. Therefore, an additional control action is needed in order to stabilize the system in the equilibrium point. To realize discrete state transitions “settling” (transition to contact) and “liftoff” (transition to detachment), conditions allowing the state transitions are determined first. The “settling” is then developed within the virtual constraints framework. A certain control system output function coupling the motion of the lower and the upper body is determined to fulfill specific criteria. Firstly, local stability of the “settling” motion was proved by analyzing the zero dynamics. Secondly, the ground is smoothly reached due to decreasing lower body velocity at wheel-to-ground contact. The “liftoff” is initiated simpler by a specific motion trajectory of the upper body. Thus the disap-pearing normal wheel-to-ground force leads to the discrete state transition. Since the lower body inclination cannot be measured directly like other DOF, it is accurately determined by means of data fusion of an inclinometer and a gyroscope. Hence, the presented control methods can be applied. The control performance is demonstrated on the real system as well as in simulation. Additionally, the SCD model quality is evaluated based on comparison of the simulations and the real system measurements.

Englisch
Freie Schlagworte: treppensteigendes Gerät, Rollstuhl, radbasiertes inverses Doppelpendel, hybride nichtlineare Dynamik, einseitige Kontakte, unteraktuierte Systeme, exakte Linearisierung, interne Dynamik, Nulldynamik, virtuelle Bindungen, Sensordatenfusion
Schlagworte:
Einzelne SchlagworteSprache
stair climbing device, wheelchair, wheeled double inverted pendulum, hybrid nonlinear dynamics, unilateral constraints, underactuated systems, feedback linearization, internal dynamics, zero dynamics, virtual constraints, sensor data fusionEnglisch
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 600 Technik
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Institut für Mechatronische Systeme im Maschinenbau (IMS)
Hinterlegungsdatum: 13 Sep 2012 07:09
Letzte Änderung: 05 Mär 2013 10:03
PPN:
Referenten: Rinderknecht, Prof. Dr.- S. ; Klingauf, Prof. Dr.- U.
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 3 Juli 2012
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Einzelne SchlagworteSprache
stair climbing device, wheelchair, wheeled double inverted pendulum, hybrid nonlinear dynamics, unilateral constraints, underactuated systems, feedback linearization, internal dynamics, zero dynamics, virtual constraints, sensor data fusionEnglisch
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