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Quantifizierung der Wirkungen des Straßenverkehrs auf Partikel- und Stickoxid-Immissionen

Kohoutek, Sven (2011)
Quantifizierung der Wirkungen des Straßenverkehrs auf Partikel- und Stickoxid-Immissionen.
Technische Universität Darmstadt
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Vor dem Hintergrund einer häufigen Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid werden häufig restriktive Maßnahmen für den städtischen Straßenverkehr, der als ein Hauptverursacher an der Belastung mit diesen Schadstoffen gilt, geplant und umgesetzt. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Wirkungen von Maßnahmen der Verkehrssteuerung, mit denen der Verkehrsablauf, die Verkehrsnachfrage und die Verkehrszusammensetzung beeinflusst werden können. Die Quantifizierung der immissionsbezogenen Wirkungen der genannten verkehrlichen Kenngrößen gestaltet sich aber schwierig: Heutige Modelle weisen aufgrund der komplexen Wirkungszusammenhänge, aber auch aufgrund ungenauer sowie zeitlich und/oder räumlich stark aggregierter Eingangsgrößen, häufig Abweichungen zu gemessenen Werten in einer Größenordnung von 20 bis 40 Prozent auf. Bei einem voraussichtlichen Reduktionspotenzial einzelner Maßnahmen der Verkehrssteuerung im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich erscheint daher eine optimale Maßnahmenauswahl und Maßnahmen¬ausgestaltung durch eine dynamische, umweltabhängige Verkehrssteuerung nur eingeschränkt möglich. Im Rahmen des Forschungsprojekts „AMONES - Anwendung und Analyse modellbasierter Netzsteuerungsverfahren in städtischen Straßen¬netzen“, welches mit Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen der Förderinitiative Mobilität 21 gefördert wurde, wurde der Themenkomplex vertieft untersucht. Das wesentliche Ziel von AMONES war die Analyse der verkehrlichen und umweltbezogenen Wirkungen von netzbezogenen Lichtsignal¬steuerungsverfahren. In dieser Arbeit stehen hingegen die punktuellen Wirkungs¬mechanismen zwischen verkehrlichen und immissionsbezogenen Kenngrößen im Vordergrund. Besonders berücksichtigt werden dabei die Wirkungen kurzzeitiger Schwankungen der verkehrlichen Kenngrößen. Dazu wird ein Verfahren zur Ermittlung der immissionsbezogenen Reduktionspotenziale bei einer Beeinflussung des Verkehrsablaufs, der Verkehrs¬nachfrage und der Verkehrszusammensetzung entwickelt. Das Verfahren wird exemplarisch auf die in AMONES erhobenen Daten angewendet und auf seine Verallgemeinerbarkeit und auf seine mögliche Eignung als ergänzendes Modul in einer umweltadaptiven Verkehrssteuerung geprüft. Zur Quantifizierung der verkehrlichen Reduktionspotenziale wird ein Erklärungsmodell für die lokale Immissionskonzentration entwickelt. Das Erklärungsmodell basiert auf einem multiplen regressionsanalytischen Ansatz und verwendet zeitlich hochaufgelöste verkehrliche, meteorologische und immissions¬bezogene Kenngrößen zur Ermittlung von Wirkungsmechanismen zwischen Einfluss¬größen und Immissions¬konzentrationen. Ein wesentliches Merkmal des Verfahrens ist die Unterscheidung zwischen Wirkungen auf zwei zeitlichen Ebenen: - Auf einer makroskopischen Ebene werden Wirkungen untersucht, die sich aus längerfristigen Eingriffen in den Tagesgang der verkehrlichen Einflussgrößen ergeben. - Auf einer mikroskopischen Ebene werden Wirkungen untersucht, die sich aus kurzzeitigen Eingriffen, zum Beispiel in einzelnen Umläufen der LSA-Steuerung, ergeben. Die Wirkungen der verkehrlichen Einflussgrößen werden anhand der Erklärungsmodelle differenziert für die unterschiedlichen zeitlichen Ebenen und für die untersuchten Schadstoffkenngrößen quantifiziert. Das entwickelte Verfahren wird auf Daten aus Luftqualitätsmessungen und Verkehrserhebungen angewendet, die im Rahmen von AMONES in der Seestadt Bremerhaven und in der Freien und Hansestadt Hamburg in einem Zeitraum von jeweils zwei Wochen durchgeführt wurden. Die erhobenen Zeitreihen stellen für die Untersuchung zwar eine kleine und saisonal beeinflusste, jedoch in Bezug auf die Datenqualität hochwertige Stichprobe dar. Eine erste qualitative Interpretation der Daten zeigt, dass die beiden Testfelder sich hinsichtlich ihrer verkehrlichen und meteorologischen Randbedingungen deutlich unterscheiden: So ist die mittlere Verkehrsstärke im Testfeld Bremerhaven 30 Prozent niedriger als im Testfeld Hamburg – bei einer um 70 Prozent höheren mittleren Windgeschwindigkeit. Im Anschluss an die Datenaufbereitung und die qualitative Interpretation wird eine umfassende Zusammenhangsanalyse durchgeführt: Mittels eines frequenzanalytischen Ansatzes werden zunächst mikroskopische Zusammenhänge zwischen verkehrlichen und immissionsbezogenen Kenngrößen überprüft, um die Zweckmäßigkeit der zeitlich hochaufgelösten Datenerfassung und Datenanalyse zu hinterfragen. Auf Grundlage der hochaufgelösten Daten (5 s Auflösung) ist hier ein signifikanter spektraler Zusammenhang zwischen verkehrlichen und immissionsbezogenen Kenngrößen erkennbar, der mit der Periode der jeweils geschalteten Umlaufzeit am Knotenpunkt auftritt. Die Annahme, dass die kurzzeitigen Schwankungen in den Immissionszeitreihen maßgeblich von den Schwankungen der verkehrlichen Kenngrößen bestimmt werden, wird damit bestätigt. Anschließend werden in einer Korrelationsuntersuchung die wesentlichen Einfluss-größen auf die gemessenen Immissionen identifiziert. Mittels einer Regressionsanalyse werden schließlich 30 Erklärungsmodelle für die gemessenen Immissionskonzentrationen (differenziert nach Schad¬stoffen, Testfeldern und Messwochen) entwickelt, fachlich interpretiert und hinsichtlich ihrer Modellgüte qualitativ bewertet. Die Modelle auf der makroskopischen, tagesgangbezogenen Ebene erklären mit Ausnahme der groben Feinstaubfraktion PM10-PM2,5 etwa 80 Prozent und damit einen hohen Anteil der Varianz der gemessenen Schadstoffkonzentration. Der relative Standardfehler der Modelle liegt im Mittel bei etwa 20 Prozent und die visuelle Prüfung zeigt eine hohe Ähnlichkeit mit den gemessenen Zeitreihen. Insgesamt werden die Modelle anhand der definierten Kriterien mindestens als „befriedigend“, die NOX- und PM2,5-Modelle für Hamburg als „gut“ bewertet. Die Modelle der groben Partikel (PM10-PM2,5) werden aufgrund der als „nicht ausreichend“ bewerteten Modellgüte für das Testfeld Bremerhaven und aufgrund den nicht signifikanten verkehrlichen Prädiktoren für das Testfeld Hamburg nicht weiter betrachtet. Die Untersuchungen auf der mikroskopischen, umlaufbezogenen Ebene zeigen deutlich, dass auch die kurzzeitigen Schwankungen in der Immissionskonzentration mit windbezogenen und verkehrlichen Eingangsgrößen in befriedigender bis guter Qualität modelliert werden können. Mit nicht mehr als vier Prädiktoren werden mindestens 30 Prozent, meist jedoch 40 bis 50 Prozent der Varianz der hochfrequenten Komponente der NOX- und PMX-Konzentration aufgeklärt. Die nicht erklärte Varianz ist vermutlich in nichtlinearen Abhängigkeiten und in der nicht erfassten Einflussgröße „Schadstoffklasse“ begründet. In nahezu allen Erklärungsmodellen besitzen Kenngrößen mit Bezug zum Schwerverkehr ein erhebliches Gewicht. Zufahrtsbeschränkungen für den Schwerverkehr zu Streckenabschnitten mit hohem Grenzwertüberschreitungsrisiko sind daher zur Reduktion der Immissionsbelastung grundsätzlich sinnvoll. Jedoch sollte insbesondere diese Maßnahme zur verträglichen Abwicklung entstehender Zielkonflikte und aufgrund der Dominanz meteorologischer Einflussgrößen nur dynamisch und situationsangepasst eingesetzt werden. Für den verkehrlich hochbelasteten Untersuchungsquerschnitt in Hamburg wird zudem mit der Einbindung der Kenngröße „Anfahrvorgänge“ im NOX-Erklärungs¬modell ein deutlicher Einfluss der Qualität des Verkehrsablaufs festgestellt. Eine Minimierung der Anzahl der Halte erscheint in diesem Zusammenhang sinnvoll. Mit der Kenngröße „Schwerverkehrs¬durchfahrten ohne Halt“ wird für die PM10-Belastung in Hamburg ebenfalls eine durch die Koordinierung beeinflussbare Kenngröße in das Modell eingebunden. Aufgrund der höheren fahrzeuginduzierten Turbulenz und der damit verbundenen Wiederaufwirbelung grober Partikel führt eine Verbesserung der Koordinierung hier allerdings zu einer Erhöhung der Immissionen. Zumindest aus Sicht des empirischen Modells ergibt sich damit ein Zielkonflikt für die Koordinierung. Am Messquerschnitt im Testfeld Bremerhaven, mit einem erheblich niedrigeren Auslastungsgrad, wird kein statistisch signifikanter Einfluss der Qualität des Verkehrsablaufs auf die Immissionen festgestellt. Mit den entwickelten Erklärungsmodellen können die Wirkungen der eingebundenen verkehrlichen Prädiktoren quantifiziert werden. Die ermittelten maximalen Reduktionspotenziale sind insbesondere für die NOX-Belastung erheblich: Eingriffe auf der zeitlich makroskopischen Ebene in den Tagesgang der Verkehrsnachfrage oder der Verkehrszusammensetzung könnten die lokalen Immissionen um 20 Prozent (Bremerhaven) bis 30 Prozent (Hamburg) reduzieren. Mit Eingriffen zur Verbesserung des Verkehrsablaufs könnten im Testfeld Hamburg ebenfalls Reduktionspotenziale bis zu 30 Prozent der lokalen NOX-Belastung realisiert werden. Für die zeitlich mikroskopische Ebene, zum Beispiel bei Eingriffen in einzelnen Umläufen der LSA-Steuerung mit dem Ziel der Minimierung einzelner Konzentrationsspitzen, ergeben sich für die NOX-Konzentration Reduktionspotenziale in einer Größenordnung von etwa 15 bis 20 Prozent. Die Reduktionspotenziale für die PMX-Immissionen sind, entsprechend dem Verursacheranteil des Verkehrs an der PMX-Gesamtbelastung, niedriger als für die NOX-Immissionen. Für die zeitlich makroskopische Ebene werden maximale Reduktionspotenziale in einer Größenordnung von 15 bis 20 Prozent festgestellt. Bei nahezu allen Modellen ergibt sich dieses Reduktionspotenzial aus einer Beeinflussung der Nachfrage des Schwerverkehrs. Lediglich im Testfeld Hamburg beeinflussen die Durchfahrten des Schwerverkehrs als Kenngröße zur Verkehrsqualität etwa 15 Prozent der lokalen PM10-Konzentration (siehe obenstehende Erläuterungen zum daraus resultierenden Zielkonflikt). Für die zeitlich mikroskopische Ebene der PMX-Immissionen betragen die Reduktionspotenziale grundsätzlich weniger als 5 Prozent. Festzuhalten ist ferner, dass in Bezug auf die ermittelten Wirkungsmechanismen und die festgestellten Reduktionspotenziale keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Kenngrößen PM10- und PM2,5-Konzentration festgestellt werden. Festzuhalten ist, dass die Datenerhebung und damit auch die Modellierung sowie die Quantifizierung von Reduktionspotenzialen für werktägliche Tageszeiten, das heißt für verkehrlich hochbelastete Zeiträume stattgefunden haben. Es ist davon auszugehen, dass die Reduktionspotenziale für größere Mittelungszeiträume unter Einbeziehung von Nachtzeiten, Wochenenden und Ferientagen niedriger sind. Nichtsdestotrotz sind es gerade die verkehrlichen Spitzenzeiten, zu denen eine Beeinflussung der verkehrlichen Kenngrößen durch eine Verkehrssteuerung an Tagen mit hohem Grenzwertüberschreitungsrisiko effektiv und effizient ist. Das entwickelte Verfahren kann einen Beitrag zur Weiterentwicklung bestehender Ansätze zur umweltabhängigen Verkehrssteuerung leisten. Unter umweltabhängiger Verkehrssteuerung wird hier die Verkehrslenkung in Abhängigkeit aktueller oder prognostizierter Immissionskenngrößen verstanden. Das Verfahren kann darin entweder als Baustein zur Immissionsmodellierung oder als vereinfachte Potenzialabschätzung implementiert werden. Der Baustein zur Immissionsmodellierung „erklärt“ oder prognostiziert die lokal gemessene Immissionskonzentration und schätzt Reduktionspotenziale ab. Die vereinfachte Potenzialabschätzung hingegen dient nicht der Modellierung von Immissionskonzentrationen. Statt dessen werden lediglich „realisierte Luftschadstoffreduktionen“ durch beeinflusste verkehrliche Kenngrößen unter Berücksichtigung der aktuellen meteorologischen Situation ermittelt, wobei das entwickelte Erklärungsmodell als pauschal gültig angenommen wird.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2011
Autor(en): Kohoutek, Sven
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Quantifizierung der Wirkungen des Straßenverkehrs auf Partikel- und Stickoxid-Immissionen
Sprache: Deutsch
Referenten: Boltze, Prof. Dr.- Manfred ; Weinbruch, Prof. Dr. Stephan
Publikationsjahr: 3 März 2011
Datum der mündlichen Prüfung: 21 Dezember 2010
URL / URN: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/2477/2/Kohoutek_2010_Wir...
Kurzbeschreibung (Abstract):

Vor dem Hintergrund einer häufigen Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid werden häufig restriktive Maßnahmen für den städtischen Straßenverkehr, der als ein Hauptverursacher an der Belastung mit diesen Schadstoffen gilt, geplant und umgesetzt. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Wirkungen von Maßnahmen der Verkehrssteuerung, mit denen der Verkehrsablauf, die Verkehrsnachfrage und die Verkehrszusammensetzung beeinflusst werden können. Die Quantifizierung der immissionsbezogenen Wirkungen der genannten verkehrlichen Kenngrößen gestaltet sich aber schwierig: Heutige Modelle weisen aufgrund der komplexen Wirkungszusammenhänge, aber auch aufgrund ungenauer sowie zeitlich und/oder räumlich stark aggregierter Eingangsgrößen, häufig Abweichungen zu gemessenen Werten in einer Größenordnung von 20 bis 40 Prozent auf. Bei einem voraussichtlichen Reduktionspotenzial einzelner Maßnahmen der Verkehrssteuerung im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich erscheint daher eine optimale Maßnahmenauswahl und Maßnahmen¬ausgestaltung durch eine dynamische, umweltabhängige Verkehrssteuerung nur eingeschränkt möglich. Im Rahmen des Forschungsprojekts „AMONES - Anwendung und Analyse modellbasierter Netzsteuerungsverfahren in städtischen Straßen¬netzen“, welches mit Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen der Förderinitiative Mobilität 21 gefördert wurde, wurde der Themenkomplex vertieft untersucht. Das wesentliche Ziel von AMONES war die Analyse der verkehrlichen und umweltbezogenen Wirkungen von netzbezogenen Lichtsignal¬steuerungsverfahren. In dieser Arbeit stehen hingegen die punktuellen Wirkungs¬mechanismen zwischen verkehrlichen und immissionsbezogenen Kenngrößen im Vordergrund. Besonders berücksichtigt werden dabei die Wirkungen kurzzeitiger Schwankungen der verkehrlichen Kenngrößen. Dazu wird ein Verfahren zur Ermittlung der immissionsbezogenen Reduktionspotenziale bei einer Beeinflussung des Verkehrsablaufs, der Verkehrs¬nachfrage und der Verkehrszusammensetzung entwickelt. Das Verfahren wird exemplarisch auf die in AMONES erhobenen Daten angewendet und auf seine Verallgemeinerbarkeit und auf seine mögliche Eignung als ergänzendes Modul in einer umweltadaptiven Verkehrssteuerung geprüft. Zur Quantifizierung der verkehrlichen Reduktionspotenziale wird ein Erklärungsmodell für die lokale Immissionskonzentration entwickelt. Das Erklärungsmodell basiert auf einem multiplen regressionsanalytischen Ansatz und verwendet zeitlich hochaufgelöste verkehrliche, meteorologische und immissions¬bezogene Kenngrößen zur Ermittlung von Wirkungsmechanismen zwischen Einfluss¬größen und Immissions¬konzentrationen. Ein wesentliches Merkmal des Verfahrens ist die Unterscheidung zwischen Wirkungen auf zwei zeitlichen Ebenen: - Auf einer makroskopischen Ebene werden Wirkungen untersucht, die sich aus längerfristigen Eingriffen in den Tagesgang der verkehrlichen Einflussgrößen ergeben. - Auf einer mikroskopischen Ebene werden Wirkungen untersucht, die sich aus kurzzeitigen Eingriffen, zum Beispiel in einzelnen Umläufen der LSA-Steuerung, ergeben. Die Wirkungen der verkehrlichen Einflussgrößen werden anhand der Erklärungsmodelle differenziert für die unterschiedlichen zeitlichen Ebenen und für die untersuchten Schadstoffkenngrößen quantifiziert. Das entwickelte Verfahren wird auf Daten aus Luftqualitätsmessungen und Verkehrserhebungen angewendet, die im Rahmen von AMONES in der Seestadt Bremerhaven und in der Freien und Hansestadt Hamburg in einem Zeitraum von jeweils zwei Wochen durchgeführt wurden. Die erhobenen Zeitreihen stellen für die Untersuchung zwar eine kleine und saisonal beeinflusste, jedoch in Bezug auf die Datenqualität hochwertige Stichprobe dar. Eine erste qualitative Interpretation der Daten zeigt, dass die beiden Testfelder sich hinsichtlich ihrer verkehrlichen und meteorologischen Randbedingungen deutlich unterscheiden: So ist die mittlere Verkehrsstärke im Testfeld Bremerhaven 30 Prozent niedriger als im Testfeld Hamburg – bei einer um 70 Prozent höheren mittleren Windgeschwindigkeit. Im Anschluss an die Datenaufbereitung und die qualitative Interpretation wird eine umfassende Zusammenhangsanalyse durchgeführt: Mittels eines frequenzanalytischen Ansatzes werden zunächst mikroskopische Zusammenhänge zwischen verkehrlichen und immissionsbezogenen Kenngrößen überprüft, um die Zweckmäßigkeit der zeitlich hochaufgelösten Datenerfassung und Datenanalyse zu hinterfragen. Auf Grundlage der hochaufgelösten Daten (5 s Auflösung) ist hier ein signifikanter spektraler Zusammenhang zwischen verkehrlichen und immissionsbezogenen Kenngrößen erkennbar, der mit der Periode der jeweils geschalteten Umlaufzeit am Knotenpunkt auftritt. Die Annahme, dass die kurzzeitigen Schwankungen in den Immissionszeitreihen maßgeblich von den Schwankungen der verkehrlichen Kenngrößen bestimmt werden, wird damit bestätigt. Anschließend werden in einer Korrelationsuntersuchung die wesentlichen Einfluss-größen auf die gemessenen Immissionen identifiziert. Mittels einer Regressionsanalyse werden schließlich 30 Erklärungsmodelle für die gemessenen Immissionskonzentrationen (differenziert nach Schad¬stoffen, Testfeldern und Messwochen) entwickelt, fachlich interpretiert und hinsichtlich ihrer Modellgüte qualitativ bewertet. Die Modelle auf der makroskopischen, tagesgangbezogenen Ebene erklären mit Ausnahme der groben Feinstaubfraktion PM10-PM2,5 etwa 80 Prozent und damit einen hohen Anteil der Varianz der gemessenen Schadstoffkonzentration. Der relative Standardfehler der Modelle liegt im Mittel bei etwa 20 Prozent und die visuelle Prüfung zeigt eine hohe Ähnlichkeit mit den gemessenen Zeitreihen. Insgesamt werden die Modelle anhand der definierten Kriterien mindestens als „befriedigend“, die NOX- und PM2,5-Modelle für Hamburg als „gut“ bewertet. Die Modelle der groben Partikel (PM10-PM2,5) werden aufgrund der als „nicht ausreichend“ bewerteten Modellgüte für das Testfeld Bremerhaven und aufgrund den nicht signifikanten verkehrlichen Prädiktoren für das Testfeld Hamburg nicht weiter betrachtet. Die Untersuchungen auf der mikroskopischen, umlaufbezogenen Ebene zeigen deutlich, dass auch die kurzzeitigen Schwankungen in der Immissionskonzentration mit windbezogenen und verkehrlichen Eingangsgrößen in befriedigender bis guter Qualität modelliert werden können. Mit nicht mehr als vier Prädiktoren werden mindestens 30 Prozent, meist jedoch 40 bis 50 Prozent der Varianz der hochfrequenten Komponente der NOX- und PMX-Konzentration aufgeklärt. Die nicht erklärte Varianz ist vermutlich in nichtlinearen Abhängigkeiten und in der nicht erfassten Einflussgröße „Schadstoffklasse“ begründet. In nahezu allen Erklärungsmodellen besitzen Kenngrößen mit Bezug zum Schwerverkehr ein erhebliches Gewicht. Zufahrtsbeschränkungen für den Schwerverkehr zu Streckenabschnitten mit hohem Grenzwertüberschreitungsrisiko sind daher zur Reduktion der Immissionsbelastung grundsätzlich sinnvoll. Jedoch sollte insbesondere diese Maßnahme zur verträglichen Abwicklung entstehender Zielkonflikte und aufgrund der Dominanz meteorologischer Einflussgrößen nur dynamisch und situationsangepasst eingesetzt werden. Für den verkehrlich hochbelasteten Untersuchungsquerschnitt in Hamburg wird zudem mit der Einbindung der Kenngröße „Anfahrvorgänge“ im NOX-Erklärungs¬modell ein deutlicher Einfluss der Qualität des Verkehrsablaufs festgestellt. Eine Minimierung der Anzahl der Halte erscheint in diesem Zusammenhang sinnvoll. Mit der Kenngröße „Schwerverkehrs¬durchfahrten ohne Halt“ wird für die PM10-Belastung in Hamburg ebenfalls eine durch die Koordinierung beeinflussbare Kenngröße in das Modell eingebunden. Aufgrund der höheren fahrzeuginduzierten Turbulenz und der damit verbundenen Wiederaufwirbelung grober Partikel führt eine Verbesserung der Koordinierung hier allerdings zu einer Erhöhung der Immissionen. Zumindest aus Sicht des empirischen Modells ergibt sich damit ein Zielkonflikt für die Koordinierung. Am Messquerschnitt im Testfeld Bremerhaven, mit einem erheblich niedrigeren Auslastungsgrad, wird kein statistisch signifikanter Einfluss der Qualität des Verkehrsablaufs auf die Immissionen festgestellt. Mit den entwickelten Erklärungsmodellen können die Wirkungen der eingebundenen verkehrlichen Prädiktoren quantifiziert werden. Die ermittelten maximalen Reduktionspotenziale sind insbesondere für die NOX-Belastung erheblich: Eingriffe auf der zeitlich makroskopischen Ebene in den Tagesgang der Verkehrsnachfrage oder der Verkehrszusammensetzung könnten die lokalen Immissionen um 20 Prozent (Bremerhaven) bis 30 Prozent (Hamburg) reduzieren. Mit Eingriffen zur Verbesserung des Verkehrsablaufs könnten im Testfeld Hamburg ebenfalls Reduktionspotenziale bis zu 30 Prozent der lokalen NOX-Belastung realisiert werden. Für die zeitlich mikroskopische Ebene, zum Beispiel bei Eingriffen in einzelnen Umläufen der LSA-Steuerung mit dem Ziel der Minimierung einzelner Konzentrationsspitzen, ergeben sich für die NOX-Konzentration Reduktionspotenziale in einer Größenordnung von etwa 15 bis 20 Prozent. Die Reduktionspotenziale für die PMX-Immissionen sind, entsprechend dem Verursacheranteil des Verkehrs an der PMX-Gesamtbelastung, niedriger als für die NOX-Immissionen. Für die zeitlich makroskopische Ebene werden maximale Reduktionspotenziale in einer Größenordnung von 15 bis 20 Prozent festgestellt. Bei nahezu allen Modellen ergibt sich dieses Reduktionspotenzial aus einer Beeinflussung der Nachfrage des Schwerverkehrs. Lediglich im Testfeld Hamburg beeinflussen die Durchfahrten des Schwerverkehrs als Kenngröße zur Verkehrsqualität etwa 15 Prozent der lokalen PM10-Konzentration (siehe obenstehende Erläuterungen zum daraus resultierenden Zielkonflikt). Für die zeitlich mikroskopische Ebene der PMX-Immissionen betragen die Reduktionspotenziale grundsätzlich weniger als 5 Prozent. Festzuhalten ist ferner, dass in Bezug auf die ermittelten Wirkungsmechanismen und die festgestellten Reduktionspotenziale keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Kenngrößen PM10- und PM2,5-Konzentration festgestellt werden. Festzuhalten ist, dass die Datenerhebung und damit auch die Modellierung sowie die Quantifizierung von Reduktionspotenzialen für werktägliche Tageszeiten, das heißt für verkehrlich hochbelastete Zeiträume stattgefunden haben. Es ist davon auszugehen, dass die Reduktionspotenziale für größere Mittelungszeiträume unter Einbeziehung von Nachtzeiten, Wochenenden und Ferientagen niedriger sind. Nichtsdestotrotz sind es gerade die verkehrlichen Spitzenzeiten, zu denen eine Beeinflussung der verkehrlichen Kenngrößen durch eine Verkehrssteuerung an Tagen mit hohem Grenzwertüberschreitungsrisiko effektiv und effizient ist. Das entwickelte Verfahren kann einen Beitrag zur Weiterentwicklung bestehender Ansätze zur umweltabhängigen Verkehrssteuerung leisten. Unter umweltabhängiger Verkehrssteuerung wird hier die Verkehrslenkung in Abhängigkeit aktueller oder prognostizierter Immissionskenngrößen verstanden. Das Verfahren kann darin entweder als Baustein zur Immissionsmodellierung oder als vereinfachte Potenzialabschätzung implementiert werden. Der Baustein zur Immissionsmodellierung „erklärt“ oder prognostiziert die lokal gemessene Immissionskonzentration und schätzt Reduktionspotenziale ab. Die vereinfachte Potenzialabschätzung hingegen dient nicht der Modellierung von Immissionskonzentrationen. Statt dessen werden lediglich „realisierte Luftschadstoffreduktionen“ durch beeinflusste verkehrliche Kenngrößen unter Berücksichtigung der aktuellen meteorologischen Situation ermittelt, wobei das entwickelte Erklärungsmodell als pauschal gültig angenommen wird.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Legal thresholds for particulate matter (PM10) and for nitrogen dioxide (NO2) are exceeded frequently in Germany’s cities and agglomerations. Since road traffic causes a relevant portion of the total emissions, restrictive measures are being planned and implemented in order to reduce PM10 and NO2 concentrations. Yet the quantification of the effects of these measures is difficult: Today’s dispersion modeling tools often show an uncertainty of about 20 % to 40 % relative to measured values. This uncertainty is due to complex interrelationships, but also due to inaccurate or strongly aggregated input parameters. As the expected reduction potential of most traffic control measures is around a low double-digit-percentage, an optimal measure selection process by a dynamic, environment-responsive traffic control is not yet possible. Hence, this thesis concentrates on the quantification of effects of traffic control measures on roadside pollution concentration. The mentioned topic was analyzed within the research project ‘AMONES’ which stands for ‘Application and Analysis of model-based network control systems in urban road networks’ and was funded by German Federal Ministry of Transport, Building and Urban Development. The main aim of AMONES was to analyze the effects of network-based traffic signal control on traffic parameters and roadside pollution concentration. While AMONES focuses on networks, this thesis concentrates on the quantification of local interrelationships between traffic parameters and roadside pollution concentration under special consideration of short time fluctuation of traffic parameters. A procedure is being developed in order to determine the reduction potential of an optimized traffic flow, traffic demand and traffic composition. This procedure uses data collected within AMONES and is being evaluated with regard to its possible application as an element of an environment-responsive traffic control. To quantify the traffic-related reduction potential a descriptive model for local road side pollution is developed. This model is based on a multiple regression approach and uses high resolution traffic, meteorological and pollution data as input variables to describe the interrelationships between influencing variables and roadside pollution concentration. One important aspect of the developed approach is that it distinguishes between influences on different temporal levels: - On a macroscopic level, influences are analyzed which result from an optimization of the daily cycle of the traffic parameters. - On a microscopic level, influences are analyzed which result from a short-time optimization of the traffic parameters, for example during single cycles of the traffic control. The influences of the traffic parameters are quantified separately for the two temporal levels and the different pollutants by use of the descriptive models. The developed approach uses data from air quality measurements and traffic data collection during the AMONES project in the German city of Bremerhaven and the city of Hamburg. The collected time series (two weeks in each city) represent a small and only seasonal representative sample size but are of high quality. A first qualitative interpretation of the data shows that the two cities differ a lot regarding the collected traffic and meteorological parameters: While the mean traffic volume in Bremerhaven is about 30% lower than in Hamburg, the local wind speed is about 70% higher. Possible traffic influences in Bremerhaven on roadside pollution should therefore be lower than in Hamburg. After data preparation and qualitative interpretation an extensive correlation analysis is conducted. An approach based on spectral analysis is used to check for microscopic correlations between traffic and pollution parameters. A significant periodic correlation between the pollution concentrations and the traffic parameters is found for the high resolution (5 sec) data. The periods correspond exactly to the cycle times at the intersections. This result confirms the assumption, that short-time fluctuations in the pollution time series are strongly correlated to short-time fluctuations in the traffic time series. In the next step the relevant influencing parameters on the roadside pollution concentration are identified by conducting a ‘common’ correlation analysis in time view. The high number of potential meteorological and traffic-related influencing factors is reduced to a small number of technically plausible parameters by applying a multi-step selection process. Then a regression analysis is conducted in which 30 models for the different pollutants, measuring sites und measuring weeks are developed and assessed qualitatively. The models are rated qualitatively by coefficient of determination, by relative standard error and by visual check for absolute and relative similarity between measured and modeled time series. All models for the daily cycle explain about 80 % of the variance of the measured pollution concentration. The relative standard error is about 20 % and visual comparison shows high similarity to the measured time series. Therefore all models are rated at least ‘satisfactory’, the NOX- and PM2,5-Models for Hamburg are rated ‘good’. The models for the big particle fraction PM10-2,5 are rejected, as the predictors for the Bremerhaven-model are not plausible and as there are no significant traffic-related predictors for the Hamburg-model. The models for the microscopic (short-time) level show clearly, that short time variation of the pollution time series is influenced strongly by short time variation of wind- and traffic-related parameters. With no more than four predictors about 40 % to 50 % of the short-time variation of NOX and PMX-concentration can be explained. The variance of the residuals is supposedly related to nonlinearities which were not considered in the linear model as well as to the emission standard of vehicles, which could not be collected during the field measurements. Parameters related to heavy vehicles show high significance for nearly all developed models. Hence, access restrictions could to be a suitable measure for sections with high risk of threshold exceedence. Since severe goal conflicts arise with this measure and since influences of meteorological parameters dominate influences of traffic parameters, the measure should be implemented as a dynamic, situation based approach. Number of stops, which is a traffic flow related parameter, shows high influence in the NOX-model for the highly saturated section in the city of Hamburg. A traffic flow related parameter is included in the PM10-model for Hamburg as well. Yet, in this case a goal conflict arises regarding coordination: An increasing number of heavy vehicles passing without stop, lead to increased resuspensation of the bigger particles in the PM10-fraction. Because improved coordination increases vehicle-induced turbulence, this effect is plausible. The measurements in Bremerhaven, with quite low saturation degree in the observed section, indicate no significance of traffic flow parameters. The developed models are able to describe the influences of the traffic related input parameters well. The quantified reduction potentials are remarkable, especially for the NOX pollution concentration. By optimization within the macroscopic level, regarding the daily cycle of traffic demand or traffic composition, local NOX-concentration can be reduced by 20 % (Bremerhaven) up to 30 % (Hamburg). Optimization of traffic flow can reduce the NOX-concentration up to 30%. Number of stops shows to be an optimization criterion of high relevance. Regarding the microscopic approach, short-time optimization within one cycle can reduce single peaks in pollution concentration by 15 % to 20 %. The reduction potential for PMX-concentration is lower than for NOX, compared to the traffic related share to overall emissions. The estimated reduction potential for the macroscopic approach is between 15 % and 20 %. As for the NOX-models, the reduction potential can be achieved in most cases by reducing number of heavy vehicles. Only for the PM10-concentration in the city of Hamburg, the number of heavy vehicles passing by without stop, shows significant influence up to 15 %, regarding the mean measured concentration. Yet, the goal conflict mentioned above has to be considered. The reduction potential for the microscopic approach is below 5 %. Mentioned should be further, that the PM10 and the PM2.5-models are quite similar regarding the influencing factors and the quantified reduction potentials. One possible future application for the developed approach could be an environment-related traffic control. Depending on current or forecasted pollution concentrations, measures can be activated in order to redirect or to coordinate urban traffic. The implementation of this approach can be realized in two ways. Firstly as a pollution concentration model which is able to explain or to forecast local pollution concentration as well as the traffic related share in the pollution concentration. Secondly, as a simplified module to estimate only the environment-related effects of optimized traffic parameters. Under consideration of the current traffic and meteorological situation the simplified module will only estimate ‘realized environmental effects’ based on the once calibrated regression model. In general, the developed approach is recommended primarily for some hotspots in the road network, due to the high effort which is required for data collection, data preparation and data analysis. Further investigations should be conducted in order to cope with goal conflicts in the context with environment-related traffic measures. Regarding environment-related traffic control, a better integration between dispersion models and statistic empiric models is recommended to estimate roadside pollution concentration. Furthermore, knowledge regarding the quantification of non-exhaust particle concentration and particle number concentration should be deepened.

Englisch
Freie Schlagworte: Straßenverkehr; Emissionen; Feinstaub; Partikel; Stickoxid; PM10; NOx; Immissionen; Verkehrsfluss;
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
500 Naturwissenschaften und Mathematik > 550 Geowissenschaften
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften > Geowissenschaften > Fachgebiet Umweltmineralogie
13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften > Verbund Institute für Verkehr
11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften > Geowissenschaften
11 Fachbereich Material- und Geowissenschaften
13 Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften
Hinterlegungsdatum: 10 Mär 2011 07:47
Letzte Änderung: 24 Mai 2018 12:04
PPN:
Referenten: Boltze, Prof. Dr.- Manfred ; Weinbruch, Prof. Dr. Stephan
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 21 Dezember 2010
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