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Molekulardynamik-Simulationen zur Untersuchung der wechselseitigen Abhängigkeit von Lösungsmittel- und Proteindynamik

Wohlfromm, Timothy (2023)
Molekulardynamik-Simulationen zur Untersuchung der wechselseitigen Abhängigkeit von Lösungsmittel- und Proteindynamik.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00023327
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Proteine sind an vielen physiologischen Prozessen in Zellen beteiligt und als solche unverzichtbar für das Leben. Es gilt als gesichert, dass für die Ausübung biologischer Funktionen, die Dynamik des Proteins von zentraler Bedeutung ist. Es wird angenommen, dass die molekulare Umgebung des Proteins entscheidend für dessen Dynamik ist. Insbesondere das Lösungsmittel spielt eine zentrale Rolle, da davon ausgegangen wird, dass Proteine ohne ein geeignetes Lösungsmittel keine funktionsrelevante Dynamik aufweisen. Trotz intensivster Bemühungen gibt es bis heute kein qualitatives Modell, das die dynamischen Phänomene von Proteinen erklären könnte. Im Rahmen dieser Arbeit wird untersucht, wie Protein- und Lösungsmitteldynamik zusammenhängen. Zu diesem Zweck werden Molekulardynamik-Simulation verwendet, da sie ein vielseitiges Werkzeug sind, um Zusammenhänge auf konzeptioneller Ebene anhand von Modellsystemen zu verstehen. Proteine werden der weichen Materie zugeordnet. Als solche sind sie insbesondere glasbildende Systeme, wodurch angenommen werden kann, dass bestehende theoretische Überlegungen zum Glasübergang für das Verständnis der Proteindynamik relevant sind. In diesem Kontext werden zunächst Systeme zu Glyzerin, einem prominenten Glasbildner, implementiert, simuliert und analysiert. Dabei gelingt es durch Analysen an einzelnen Untergruppen des Systems die experimentell beobachtete ungewöhnlich große Trennung zwischen Rotation- und Translationsdynamik nachzubilden. Es wird gezeigt, dass – entgegen der Annahme einer großen Flexibilität – das Glyzerinmolekül auf der Zeitskala der untersuchten Reorientierungsdynamik als starr angenommen werden muss. Die Analyse einzelner Molekülkomponenten bestätigt, dass die experimentell beobachteten Anomalien bei Glyzerin auf die anisotrope Spinverteilung des Moleküls zurückzuführen sind. Darüber hinaus konnten zuvor heuristisch eingeführte experimentelle Auswerteverfahren durch Replikation im Modellsystem verifiziert werden. Zusätzlich werden Protein-Wasser-Mischsysteme in neutralen, geometrisch beschränkten Systemen untersucht, deren Form an die Startkonfiguration des Proteins angepasst wird. Die Größe der so entstandenen Pore und die Starrheit der begrenzenden Wand können systematisch variiert werden. Diese gezielte Variation der Umgebungsparameter erlaubt es, die gegenseitige Abhängigkeit von Protein- und Lösungsmitteldynamik zu zeigen, was der weit verbreiteten Annahme eines einseitigen Einflusses des Lösungsmittels auf die Proteindynamik widerspricht. Der funktionale Zusammenhang der Korrelationszeiten für Systemkomponenten in der Nähe der gemeinsamen Grenzfläche deutet auf eine Abhängigkeit in Form eines Potenzgesetzes hin. Unterhalb eines kritischen Hydratationsgrades nimmt die Proteinmobilität bei weiterer Verringerung des Hydratationswassers rapide ab; oberhalb stellt sich bulk-artige Dynamik ein. In den untersuchten Systemen ist diese Grenze erreicht, wenn die Masse des Hydratationswassers das 1.5-fache der Masse des Proteins beträgt. Die räumlich aufgelösten Analysen zeigen, dass die Wirkung der Porenwand auf die Wasserdynamik zwar stark, aber kurzreichweitig und damit im Wesentlichen auf die ersten beiden Wasserschichten beschränkt ist.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2023
Autor(en): Wohlfromm, Timothy
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Molekulardynamik-Simulationen zur Untersuchung der wechselseitigen Abhängigkeit von Lösungsmittel- und Proteindynamik
Sprache: Deutsch
Referenten: Vogel, Prof. Dr. Michael ; Liebchen, Prof. Dr. Benno
Publikationsjahr: 2023
Ort: Darmstadt
Kollation: 116 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 8 Februar 2022
DOI: 10.26083/tuprints-00023327
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/23327
Kurzbeschreibung (Abstract):

Proteine sind an vielen physiologischen Prozessen in Zellen beteiligt und als solche unverzichtbar für das Leben. Es gilt als gesichert, dass für die Ausübung biologischer Funktionen, die Dynamik des Proteins von zentraler Bedeutung ist. Es wird angenommen, dass die molekulare Umgebung des Proteins entscheidend für dessen Dynamik ist. Insbesondere das Lösungsmittel spielt eine zentrale Rolle, da davon ausgegangen wird, dass Proteine ohne ein geeignetes Lösungsmittel keine funktionsrelevante Dynamik aufweisen. Trotz intensivster Bemühungen gibt es bis heute kein qualitatives Modell, das die dynamischen Phänomene von Proteinen erklären könnte. Im Rahmen dieser Arbeit wird untersucht, wie Protein- und Lösungsmitteldynamik zusammenhängen. Zu diesem Zweck werden Molekulardynamik-Simulation verwendet, da sie ein vielseitiges Werkzeug sind, um Zusammenhänge auf konzeptioneller Ebene anhand von Modellsystemen zu verstehen. Proteine werden der weichen Materie zugeordnet. Als solche sind sie insbesondere glasbildende Systeme, wodurch angenommen werden kann, dass bestehende theoretische Überlegungen zum Glasübergang für das Verständnis der Proteindynamik relevant sind. In diesem Kontext werden zunächst Systeme zu Glyzerin, einem prominenten Glasbildner, implementiert, simuliert und analysiert. Dabei gelingt es durch Analysen an einzelnen Untergruppen des Systems die experimentell beobachtete ungewöhnlich große Trennung zwischen Rotation- und Translationsdynamik nachzubilden. Es wird gezeigt, dass – entgegen der Annahme einer großen Flexibilität – das Glyzerinmolekül auf der Zeitskala der untersuchten Reorientierungsdynamik als starr angenommen werden muss. Die Analyse einzelner Molekülkomponenten bestätigt, dass die experimentell beobachteten Anomalien bei Glyzerin auf die anisotrope Spinverteilung des Moleküls zurückzuführen sind. Darüber hinaus konnten zuvor heuristisch eingeführte experimentelle Auswerteverfahren durch Replikation im Modellsystem verifiziert werden. Zusätzlich werden Protein-Wasser-Mischsysteme in neutralen, geometrisch beschränkten Systemen untersucht, deren Form an die Startkonfiguration des Proteins angepasst wird. Die Größe der so entstandenen Pore und die Starrheit der begrenzenden Wand können systematisch variiert werden. Diese gezielte Variation der Umgebungsparameter erlaubt es, die gegenseitige Abhängigkeit von Protein- und Lösungsmitteldynamik zu zeigen, was der weit verbreiteten Annahme eines einseitigen Einflusses des Lösungsmittels auf die Proteindynamik widerspricht. Der funktionale Zusammenhang der Korrelationszeiten für Systemkomponenten in der Nähe der gemeinsamen Grenzfläche deutet auf eine Abhängigkeit in Form eines Potenzgesetzes hin. Unterhalb eines kritischen Hydratationsgrades nimmt die Proteinmobilität bei weiterer Verringerung des Hydratationswassers rapide ab; oberhalb stellt sich bulk-artige Dynamik ein. In den untersuchten Systemen ist diese Grenze erreicht, wenn die Masse des Hydratationswassers das 1.5-fache der Masse des Proteins beträgt. Die räumlich aufgelösten Analysen zeigen, dass die Wirkung der Porenwand auf die Wasserdynamik zwar stark, aber kurzreichweitig und damit im Wesentlichen auf die ersten beiden Wasserschichten beschränkt ist.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Proteins are involved in many physiological processes in cells and as such are essential for life. It is considered verified that for the execution of biological functions, the dynamics of the protein is of central importance. The molecular environment of the protein is thought to be critical to its function-related dynamics. In particular, the solvent plays a central role, as proteins are believed to lack dynamics without a suitable solvent. Despite the most intensive efforts, to date there is no qualitative model that could explain the dynamical phenomena of proteins. In this work, we investigate how protein and solvent dynamics are related. For this purpose, we use molecular dynamics simulations because they are suitable for understanding relationships at a conceptual level using model systems. Proteins are classified as soft matter. As such, they are particularly glass-forming systems, suggesting that existing theoretical considerations of the glass transition are relevant to understanding protein dynamics. In this context, simulations with glycerol, a prominent glass former, are first implemented, simulated, and analyzed. Here, subensemble analyses succeed in reproducing the unusually large separation between rotational and translational dynamics observed experimentally. It is shown that - contrary to the assumption of great flexibility - the glycerol molecule must be assumed to be rigid on the time scale of the reorientation dynamics studied. Analysis of individual molecular components confirms that the experimentally observed anomalies in glycerol are due to the anisotropic spin distribution of the molecule. In addition, the experimental evaluation procedures previously introduced heuristically could be verified by replication in the model system. In addition, protein-water mixtures are studied in neutral, geometrically constrained systems whose shape is adapted to the initial configuration of the protein. The size of the resulting pore and the stiffness of the confining wall can be systematically varied. This selective variation of environmental parameters allows us to demonstrate the interdependence of protein and solvent dynamics, contradicting the widely held assumption of a unilateral influence of the solvent on protein dynamics. The functional correlation of correlation times for system components near the common interface suggests dependence in the form of a power law. Below a critical hydration level, protein mobility decreases rapidly as the hydration water is further reduced; above this level, bulk-like dynamics are established. In the systems studied, this limit is reached when the mass of hydration water is 1.5 times the mass of the protein. The spatially resolved analyses show that the effect of the pore wall on the water dynamics is strong but short-range and thus essentially limited to the first two water layers.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-233275
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 05 Fachbereich Physik
05 Fachbereich Physik > Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)
05 Fachbereich Physik > Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM) > Molekulare Dynamik in kondensierter Materie
Hinterlegungsdatum: 20 Apr 2023 12:03
Letzte Änderung: 24 Apr 2023 13:28
PPN:
Referenten: Vogel, Prof. Dr. Michael ; Liebchen, Prof. Dr. Benno
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 8 Februar 2022
Export:
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