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Ionen- und Moleküldynamik in wässrigen Salzlösungen im Bulk und in Nanoporen

Schneider, Sarah (2022)
Ionen- und Moleküldynamik in wässrigen Salzlösungen im Bulk und in Nanoporen.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00021855
Dissertation, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Wässrige Salzlösungen sind in vielfältiger Weise von signifikanter Bedeutung in Natur und Technologie. Sie weisen bereits als Flüssigkeit in der Volumenphase (nachfolgend als Bulk bezeichnet) eine reichhaltige Phänomenologie auf. In vielen biologischen, geologischen oder technologischen Gegebenheiten kommen sie in geometrischen Einschränkungen (nachfolgend als Confinement bezeichnet) auf Nanometerskala vor. Solche räumlichen Begrenzungen erhöhen die Komplexität der strukturellen und dynamischen Eigenschaften zusätzlich. Daher ist es wichtig, die dynamischen Eigenschaften im Detail und über einen großen Temperaturbereich zu untersuchen. Dabei wird ausgenutzt, dass die Zugabe von Salz und Einschränkung durch Confinement die Kristallisation von Wasser unterdrücken. In dieser Arbeit werden LiCl-H2O- und LiCl-D2O-Lösungen im Bulk und in MCM-41- und SBA-15-Silicananoporen mit wohldefinierter zylindrischer Porengeometrie und einstellbaren Porendurchmessern im Bereich von 2.8 nm bis 6.8 nm untersucht. Verschiedene 1H-, 2H- und 7Li-magnetische Kernspinresonanz (engl.: nuclear magnetic resonance) (NMR)-Methoden erlauben die isotopenselektive Untersuchung der lokalen und diffusiven Dynamik der Wassermoleküle bzw. der Lithiumionen. Unter Ausnutzung der Tatsache, dass die Kristallisation in diesen Systemen unterdrückt bzw. erschwert ist, wird ein breiter Temperaturbereich bis in das tief unterkühlte Regime abgedeckt. Darüber hinaus ermöglicht die Kombination verschiedener NMR-Techniken den Zugang zu einem weiten Bereich an Zeit- und Längenskalen. Ergänzend werden Glasübergangstemperaturen mittels Differenzkalorimetrie und pH-Werte gemessen. Im Bulk stimmen die Korrelationszeiten und Diffusionskoeffizienten der Wassermoleküle mit denen der Lithiumionen im schwach unterkühlten Bereich überein, was darauf hindeutet, dass die Bewegungen stark gekoppelt sind. Darüber hinaus wird eine fragile Temperaturabhängigkeit festgestellt und die Stokes-Einstein-Beziehung in diesem Temperaturbereich bestätigt. Im tief unterkühlten Bereich treten verschiedene Entkopplungsphänomene auf. Vor allem folgt die Rotationsbewegung der Wassermoleküle unterhalb von etwa 145 K nicht der glasartigen Verlangsamung der untersuchten Salzlösungen, sondern ähnelt in diesem Temperaturbereich der Dynamik von anderen wässrigen Mischungen. Dieser Prozess wird in der Regel als ν-Prozess bezeichnet und gemeinhin als sekundärer universeller wasserbezogener Prozess in wässrigen Systemen betrachtet. Diese gemeinsame Tieftemperaturwasserdynamik wird durch eine großwinklige Reorientierung geprägt und zeigt eine Arrheniustemperaturabhängigkeit. Es zeigt sich, dass die Silicaconfinements eine Verlangsamung der Lösungsdynamik auf allen Längenskalen verursachen, die bei niedrigeren Temperaturen und in engeren Poren stärker ist und für die Lithiumionen deutlicher ausfällt als für die Wassermoleküle. Innerhalb der Poren ist eine temperaturabhängige Entkopplung von lokaler und langreichweitiger Dynamik im schwach unterkühlten Bereich nicht zu beobachten. Bei niedrigeren Temperaturen wird eine bimodale Wasserdynamik und in ausreichend großen unmodifizierten Poren (d > 3 nm) ebenfalls eine bimodale Lithiumdynamik beobachtet. Diese Bimodalität lässt sich auf eine bulkartige Dynamik in den Porenzentren und eine deutlich verlangsamte Bewegung an den 3Porenwänden zurückführen. Die langsame Komponente deutet auf eine Stern-Schicht hin, allerdings ergaben die Ergebnisse keine Hinweise auf vollständig immobile Wasser- oder Ionenspezies. Daher kann es sich nicht um eine statische Stern-Schicht handeln. Neben dem Porendurchmesser können weitere Porencharakteristika wie Funktionalisierung einen entscheidenden Einfluss auf die Dynamik von wässrigen Salzlösungen in Confinement nehmen. Daher werden die Auswirkungen von Funktionalisierungen mit (3- Aminopropyl)triethoxysilan (APTES)- bzw. einem thiazolbasierten Farbstoff auf die Dynamik untersucht. Die gemittelte Dynamik, die in der Nähe von Raumtemperatur untersucht wird, ist in den funktionalisierten Confinements langsamer als in den unmodifizierten Confinements vergleichbarer Größe. Auch mit Funktionalisierung zeigt sich bei ausreichend tiefen Temperaturen eine Bimodalität der Wasserdynamik, die mit einer verlangsamten Wasserspezies und einer bulkartigen Spezies assoziiert werden kann. Für die Lithiumionen zeigt sich selbst bei großen Durchmessern über 3 nm keine Bimodalität. Vermutlich wirken die funktionellen Gruppen als sterische Hindernisse und die geladenen funktionellen Gruppen erzeugen eine inhomogene Verteilung der Oberflächenladung, was nicht nur zu einer allgemeinen Verlangsamung der Lösungsdynamik führt, sondern auch die Bildung einer definierten Grenzflächenschicht erschwert. Neben der Größe der Poren ist also auch die Beschaffenheit der Wände ein wichtiger Parameter für die Dynamik der wässrigen LiCl-Lösungen. Es zeigt sich jedoch, dass Änderungen des pH-Werts als Folge der Oberflä- chenfunktionalisierung von begrenzter Bedeutung für das dynamische Verhalten sind.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2022
Autor(en): Schneider, Sarah
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Ionen- und Moleküldynamik in wässrigen Salzlösungen im Bulk und in Nanoporen
Sprache: Deutsch
Referenten: Vogel, Prof. Dr. Michael ; Buntkowsky, Prof. Dr. Gerd
Publikationsjahr: 2022
Ort: Darmstadt
Kollation: 170 Seiten
Datum der mündlichen Prüfung: 4 Juli 2022
DOI: 10.26083/tuprints-00021855
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/21855
Kurzbeschreibung (Abstract):

Wässrige Salzlösungen sind in vielfältiger Weise von signifikanter Bedeutung in Natur und Technologie. Sie weisen bereits als Flüssigkeit in der Volumenphase (nachfolgend als Bulk bezeichnet) eine reichhaltige Phänomenologie auf. In vielen biologischen, geologischen oder technologischen Gegebenheiten kommen sie in geometrischen Einschränkungen (nachfolgend als Confinement bezeichnet) auf Nanometerskala vor. Solche räumlichen Begrenzungen erhöhen die Komplexität der strukturellen und dynamischen Eigenschaften zusätzlich. Daher ist es wichtig, die dynamischen Eigenschaften im Detail und über einen großen Temperaturbereich zu untersuchen. Dabei wird ausgenutzt, dass die Zugabe von Salz und Einschränkung durch Confinement die Kristallisation von Wasser unterdrücken. In dieser Arbeit werden LiCl-H2O- und LiCl-D2O-Lösungen im Bulk und in MCM-41- und SBA-15-Silicananoporen mit wohldefinierter zylindrischer Porengeometrie und einstellbaren Porendurchmessern im Bereich von 2.8 nm bis 6.8 nm untersucht. Verschiedene 1H-, 2H- und 7Li-magnetische Kernspinresonanz (engl.: nuclear magnetic resonance) (NMR)-Methoden erlauben die isotopenselektive Untersuchung der lokalen und diffusiven Dynamik der Wassermoleküle bzw. der Lithiumionen. Unter Ausnutzung der Tatsache, dass die Kristallisation in diesen Systemen unterdrückt bzw. erschwert ist, wird ein breiter Temperaturbereich bis in das tief unterkühlte Regime abgedeckt. Darüber hinaus ermöglicht die Kombination verschiedener NMR-Techniken den Zugang zu einem weiten Bereich an Zeit- und Längenskalen. Ergänzend werden Glasübergangstemperaturen mittels Differenzkalorimetrie und pH-Werte gemessen. Im Bulk stimmen die Korrelationszeiten und Diffusionskoeffizienten der Wassermoleküle mit denen der Lithiumionen im schwach unterkühlten Bereich überein, was darauf hindeutet, dass die Bewegungen stark gekoppelt sind. Darüber hinaus wird eine fragile Temperaturabhängigkeit festgestellt und die Stokes-Einstein-Beziehung in diesem Temperaturbereich bestätigt. Im tief unterkühlten Bereich treten verschiedene Entkopplungsphänomene auf. Vor allem folgt die Rotationsbewegung der Wassermoleküle unterhalb von etwa 145 K nicht der glasartigen Verlangsamung der untersuchten Salzlösungen, sondern ähnelt in diesem Temperaturbereich der Dynamik von anderen wässrigen Mischungen. Dieser Prozess wird in der Regel als ν-Prozess bezeichnet und gemeinhin als sekundärer universeller wasserbezogener Prozess in wässrigen Systemen betrachtet. Diese gemeinsame Tieftemperaturwasserdynamik wird durch eine großwinklige Reorientierung geprägt und zeigt eine Arrheniustemperaturabhängigkeit. Es zeigt sich, dass die Silicaconfinements eine Verlangsamung der Lösungsdynamik auf allen Längenskalen verursachen, die bei niedrigeren Temperaturen und in engeren Poren stärker ist und für die Lithiumionen deutlicher ausfällt als für die Wassermoleküle. Innerhalb der Poren ist eine temperaturabhängige Entkopplung von lokaler und langreichweitiger Dynamik im schwach unterkühlten Bereich nicht zu beobachten. Bei niedrigeren Temperaturen wird eine bimodale Wasserdynamik und in ausreichend großen unmodifizierten Poren (d > 3 nm) ebenfalls eine bimodale Lithiumdynamik beobachtet. Diese Bimodalität lässt sich auf eine bulkartige Dynamik in den Porenzentren und eine deutlich verlangsamte Bewegung an den 3Porenwänden zurückführen. Die langsame Komponente deutet auf eine Stern-Schicht hin, allerdings ergaben die Ergebnisse keine Hinweise auf vollständig immobile Wasser- oder Ionenspezies. Daher kann es sich nicht um eine statische Stern-Schicht handeln. Neben dem Porendurchmesser können weitere Porencharakteristika wie Funktionalisierung einen entscheidenden Einfluss auf die Dynamik von wässrigen Salzlösungen in Confinement nehmen. Daher werden die Auswirkungen von Funktionalisierungen mit (3- Aminopropyl)triethoxysilan (APTES)- bzw. einem thiazolbasierten Farbstoff auf die Dynamik untersucht. Die gemittelte Dynamik, die in der Nähe von Raumtemperatur untersucht wird, ist in den funktionalisierten Confinements langsamer als in den unmodifizierten Confinements vergleichbarer Größe. Auch mit Funktionalisierung zeigt sich bei ausreichend tiefen Temperaturen eine Bimodalität der Wasserdynamik, die mit einer verlangsamten Wasserspezies und einer bulkartigen Spezies assoziiert werden kann. Für die Lithiumionen zeigt sich selbst bei großen Durchmessern über 3 nm keine Bimodalität. Vermutlich wirken die funktionellen Gruppen als sterische Hindernisse und die geladenen funktionellen Gruppen erzeugen eine inhomogene Verteilung der Oberflächenladung, was nicht nur zu einer allgemeinen Verlangsamung der Lösungsdynamik führt, sondern auch die Bildung einer definierten Grenzflächenschicht erschwert. Neben der Größe der Poren ist also auch die Beschaffenheit der Wände ein wichtiger Parameter für die Dynamik der wässrigen LiCl-Lösungen. Es zeigt sich jedoch, dass Änderungen des pH-Werts als Folge der Oberflä- chenfunktionalisierung von begrenzter Bedeutung für das dynamische Verhalten sind.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Aqueous salt solutions are, in a variety of ways, of vital importance in nature and technology. They show a rich phenomenology already as bulk liquids. In many biological, geological, or technological situations, they are confined to nanosized geometries. Such confinements further enhance the complexity of the structural and dynamical properties. Therefore, it is important to investigate the dynamical properties in detail and over a wide temperature range. In doing so, it is exploited that the addition of salt and confinement to water suppresses crystallization. In this work, LiCl-H2O and LiCl-D2O solutions are studied in the bulk and confined to MCM-41 and SBA-15 nanopores with well-defined cylindrical pore geometry and adjustable pore diameters in the range of 2.8 nm to 6.8 nm. Various 1H, 2H, and 7Li nuclear magnetic resonance (NMR) methods allow isotope-selective studies of the local and diffusive dynamics of water molecules and lithium ions, respectively. Exploiting the suppression of crystallization, a wide temperature range is covered down to the supercooled regime. Moreover, a combination of various NMR techniques provides access to wide ranges of time and length scales. In addition, differential scanning calorimetry (DSC) measurements are performed to determine the glass transition temperatures as well as pH measurements to classify the pH. In the bulk, the correlation times and diffusion coefficients of the water molecules comply with those of the lithium ions in the weakly supercooled regime, revealing strongly coupled motions. Moreover, a fragile temperature dependence is found and the Stokes-Einstein relation is obeyed in this temperature range. Several decoupling phenomena occur in the deeply supercooled region. Most importantly, the reorientational motion of water molecules does not follow the glassy slowdown of the studied salt solutions below about 145 K, but resembles the dynamics of other aqueous mixtures in this temperature range. This process is usually denoted as the ν process, and is commonly considered as a secondary universal water-related process in aqueous systems. This common low-temperature water dynamics involves by large-angle reorientation and shows an Arrhenius temperature dependence. The silica confinements are found to cause a slowdown of the solution dynamics on all length scales, which is stronger at lower temperatures and in narrower pores and more pronounced for the lithium ions than for the water molecules. A temperature-dependent decoupling of local and long-range dynamics within the pores is not observed in the weakly supercooled region. At lower temperatures, bimodal water dynamics is detected, while bimodal lithium dynamics is only detected in sufficiently large unmodified pores (d > 3 nm). This bimodality can be associated with bulk-like dynamics in the pore centers and significantly slowed motion at the pore walls. The slow component suggests a Stern layer, however, the results do not yield evidence of a truly immobile water or ionic species, so it cannot be a static Stern layer. In addition to the pore diameter, other pore characteristics such as functionalization can have a decisive influence on the dynamics of aqueous salt solutions in confinement. Therefore, the effects of functionalizations with (3-aminopropyl)triethoxysilane (APTES) and a thiazole-based dye on the dynamics are investigated. The averaged dynamics studied near ambient temperatures is slower in the functionalized than in the unmodified confinements with comparable pore diameter. At sufficiently low temperatures, the bimodality for the water dynamics is shown to be associated with a slowed water species and a bulk-like species also in the functionalized pores. For the lithium ions, there is no bimodality in the functionalized pores even for diameters larger than 3 nm. Presumably, the functional groups act as steric hindrances and the charged functional groups lead to an uneven distribution of the surface charge, resulting in not only a general slowdown of the solution dynamics but rendering it also difficult to form a defined interfacial layer. Thus, in addition to the size of the pores, the nature of the walls is an important criterion for the dynamics of the aqueous LiCl solutions. On the other hand, changes in pH in response to surface functionalization are of limited importance for the dynamical behaviour.

Englisch
Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-218552
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 530 Physik
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 05 Fachbereich Physik
05 Fachbereich Physik > Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM)
05 Fachbereich Physik > Institut für Physik Kondensierter Materie (IPKM) > Molekulare Dynamik in kondensierter Materie
Hinterlegungsdatum: 12 Aug 2022 09:09
Letzte Änderung: 16 Aug 2022 08:22
PPN:
Referenten: Vogel, Prof. Dr. Michael ; Buntkowsky, Prof. Dr. Gerd
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 4 Juli 2022
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