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Ein kommunikationsbasiertes Gefahrstellenwarnsystem für Motorräder

Lattke, Benedikt (2021)
Ein kommunikationsbasiertes Gefahrstellenwarnsystem für Motorräder.
doi: 10.26083/tuprints-00019953
Buch, Erstveröffentlichung, Verlagsversion

Kurzbeschreibung (Abstract)

Unfallzahlen zeigen, dass Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit beim Motorradfahren erforderlich sind. Zusätzlichen Sicherheitsgewinn im Straßenverkehr verspricht die Vernetzung der Fahrzeuge zu einem kooperativen Verkehrssystem (Inter-Fahrzeug- Kommunikation). In Motorrädern schon heute teilweise vorhandene Fahrdynamiksensoren (z. B. Raddrehzahlsensoren oder Drehratensensoren zur Schräglagenbestimmung) liefern zahlreiche Informationen über aktuelle Fahrzustandsgrößen. Dies motiviert zur Kombination von Fahrdynamiksensoren mit Kommunikationstechnik in einem Fahrerassistenzsystem für Motorräder, welches sensorbasiert Gefahrstellen erkennt und über drahtlose Kommunikation Warnmeldungen an andere Verkehrsteilnehmer versendet. Kommunikationsbasierte Fahrerassistenzsysteme für Motorräder beschränkten sich bisher vor allem auf Kreuzungsszenarios. Erste kommunikationsbasierte Systeme zur Warnung vor Gefahrstellen, wie Baustellen oder Einsatzfahrzeugen, wurden realisiert. Mit Ausnahme eines Systems, das die Längsbeschleunigung eines bremsenden Motorrades auswertet, ist bisher kein System im Motorrad bekannt, das basierend auf der Auswertung von Fahrdynamiksensorik Gefahrstellen erkennt, um Warnmeldungen zu generieren. Daher werden in dieser Arbeit folgende Grundlagen zur Entwicklung eines kommunikationsbasierten Warnsystems für Motorräder untersucht:

• Identifizierung von relevanten Gefahrstellen, die zu Unfällen führen, die durch das genannte Fahrerassistenzsystem vermieden werden können.

• Analyse der Fahrdynamik von Motorrädern zur Ableitung von Kriterien, die auf der Auswertung der Daten von Sensoren im Motorrad basieren und relevanten Gefahrstellen bzw. kritischen Fahrsituationen eindeutig zuzuordnen sind.

• Untersuchungen zur Gestaltung und Bewertung von Warnmaßnahmen in einem kommunikationsbasierten Fahrerassistenzsystem für Motorräder.

Die Identifizierung von relevanten Gefahrstellen beruht auf der Auswertung einer Unfalldatenbank und einer Motorradfahrer-Befragung zu Gefahrstellen. Als potentiell vermeidbar und relevant erweisen sich demnach Unfälle aufgrund von nicht angepasster Kurvengeschwindigkeit, Reibwertsprüngen (z. B. durch Ölflecken, Rollsplitt), Fahrbahnschäden (z. B. Bodenwellen, Unebenheiten) und Hindernissen (z. B. liegengebliebene Fahrzeuge). Ein neues aus der Definition des Allgemeinen Unebenheits-Index (AUN) abgeleitetes Kriterium zur Erkennung von Gefahrstellen aufgrund unebener Fahrbahn basiert auf der Leistungsdichte der vertikalen Radgeschwindigkeit. Zur Bestimmung des Kriteriums werden Fahrzeuglängsgeschwindigkeit und Radvertikalbeschleunigung gemessen und in einer Signalkette verarbeitet. Bei Versuchen auf Fahrbahnen unterschiedlicher Unebenheit bewährt sich das Kriterium zur Erkennung von unebenen Fahrbahnen (AUN > 18 cm3). Die kumulierte Energiedichte der vertikalen Radgeschwindigkeit im Wellenlängenbereich von 0,5 m bis 2,5 m erweist sich als unabhängig von Art und Form eines einzelnen erhabenen Fahrbahnschadens. Ein neues daraus abgeleitetes Kriterium zeigt in Probandenversuchen einen eindeutigen Zusammenhang zu von Fahrern gewünschten Warngeschwindigkeiten. Demnach bewährt sich dieses Kriterium als Maß für die subjektiv empfundene Gefährlichkeit eines einzelnen erhabenen Fahrbahnschadens. Die Analyse von Ausweichmanövern führt zur Definition eines ” Standard- Ausweichmanövers“, das durch Musterverläufe von Rollrate und Rollwinkel beschrieben wird. Vergleiche der entsprechenden Messgrößen mit den Musterverläufen durch Bestimmung eines Korrelationsfaktors ermöglichen einen Rückschluss auf Ausweichmanöver. In Ausweichversuchen ermittelte Werte der Korrelationsfaktoren zeigen mit wenigen Ausnahmen eindeutige Unterschiede zu ” fahrdynamisch ähnlichen“ Manövern (z. B. Überholmanöver). Damit kann dieses neue Kriterium zur Erkennung von Ausweichmanövern herangezogen werden. Eine Zusammenfassung bereits bekannter Möglichkeiten zur Erkennung der anderen identifizierten Gefahrstellen ergänzt die Kriterien zur Gefahrstellenerkennung. Dies beinhaltet die Bestimmung des Reibwertes bei Geradeausfahrt sowie die Erkennung kritischer Kurvenfahrsituationen, z. B. aufgrund nicht angepasster Kurvengeschwindigkeit. Neben einem Modul zur Erkennung von Gefahrstellen ist eines zur Warnung des Fahrers Bestandteil eines kommunikationsbasierten Warnsystems. Daher werden unter Berücksichtigung motorradspezifischer Anforderungen neue Methoden zur Gestaltung und Bewertung von Warnmaßnahmen im Motorrad abgeleitet und angewendet. Daraus resultiert eine zweistufige Warnstrategie, bestehend aus einer informierenden und einer alarmierenden Warnstufe. Mit den Warnelementen Warnblitz, LED-Leiste, Display, haptischer Sitz, Warnton und Sprachwarnung werden für jede Warnstufe drei Gestaltungsvarianten realisiert. Zur Bewertung erfolgt eine Probandenstudie (n = 36). In dieser führen alle drei Varianten der ersten, informierenden Warnstufe zu signifikanten Geschwindigkeitsunterschieden im Vergleich zu ungewarnten Fahrten. Eine Variante, bestehend aus Display und haptischen Sitz, bewährt sich hinsichtlich aller gestellten Anforderungen. Dies gilt insbesondere für den Gefahrstellenerwartungsgrad und die Verzeihlichkeit im Falle einer Falschwarnung. Bei der zweiten, alarmierenden Warnstufe führt nur eine der realisierten Varianten, bestehend aus Sprachwarnung und LED-Leiste, zu einem signifikanten Geschwindigkeitsunterschied zu ungewarnten Fahrern. Die Verzeihlichkeit hinsichtlich einer Falschwarnung ist bei allen Varianten niedriger als bei der ersten Warnstufe. Mit Ausnahme dieses Punktes bewährt sich die genannte Kombination hinsichtlich der Anforderungen. In der vorliegenden Arbeit wird somit die gesamte Kette der Gefahrstellenerkennung und Fahrerwarnung untersucht. Daraus ergeben sich wichtige Grundlagen zur Entwicklung eines kommunikationsbasierten Warnsystems für Motorräder. Dies beinhaltet validierte Kriterien zur sensorbasierten Erkennung von Gefahrstellen sowie in Probandenversuchen bewährte Gestaltungsbeispiele für eine wirksame, akzeptierte und angemessene Warnung von Motorradfahrern.

Typ des Eintrags: Buch
Erschienen: 2021
Autor(en): Lattke, Benedikt
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Ein kommunikationsbasiertes Gefahrstellenwarnsystem für Motorräder
Sprache: Deutsch
Referenten: Winner, Prof. Dr. Hermann ; Klingauf, Prof. Dr. Uwe
Publikationsjahr: 2021
Ort: Darmstadt
Kollation: XIV, 143 Seiten
DOI: 10.26083/tuprints-00019953
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/19953
Kurzbeschreibung (Abstract):

Unfallzahlen zeigen, dass Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit beim Motorradfahren erforderlich sind. Zusätzlichen Sicherheitsgewinn im Straßenverkehr verspricht die Vernetzung der Fahrzeuge zu einem kooperativen Verkehrssystem (Inter-Fahrzeug- Kommunikation). In Motorrädern schon heute teilweise vorhandene Fahrdynamiksensoren (z. B. Raddrehzahlsensoren oder Drehratensensoren zur Schräglagenbestimmung) liefern zahlreiche Informationen über aktuelle Fahrzustandsgrößen. Dies motiviert zur Kombination von Fahrdynamiksensoren mit Kommunikationstechnik in einem Fahrerassistenzsystem für Motorräder, welches sensorbasiert Gefahrstellen erkennt und über drahtlose Kommunikation Warnmeldungen an andere Verkehrsteilnehmer versendet. Kommunikationsbasierte Fahrerassistenzsysteme für Motorräder beschränkten sich bisher vor allem auf Kreuzungsszenarios. Erste kommunikationsbasierte Systeme zur Warnung vor Gefahrstellen, wie Baustellen oder Einsatzfahrzeugen, wurden realisiert. Mit Ausnahme eines Systems, das die Längsbeschleunigung eines bremsenden Motorrades auswertet, ist bisher kein System im Motorrad bekannt, das basierend auf der Auswertung von Fahrdynamiksensorik Gefahrstellen erkennt, um Warnmeldungen zu generieren. Daher werden in dieser Arbeit folgende Grundlagen zur Entwicklung eines kommunikationsbasierten Warnsystems für Motorräder untersucht:

• Identifizierung von relevanten Gefahrstellen, die zu Unfällen führen, die durch das genannte Fahrerassistenzsystem vermieden werden können.

• Analyse der Fahrdynamik von Motorrädern zur Ableitung von Kriterien, die auf der Auswertung der Daten von Sensoren im Motorrad basieren und relevanten Gefahrstellen bzw. kritischen Fahrsituationen eindeutig zuzuordnen sind.

• Untersuchungen zur Gestaltung und Bewertung von Warnmaßnahmen in einem kommunikationsbasierten Fahrerassistenzsystem für Motorräder.

Die Identifizierung von relevanten Gefahrstellen beruht auf der Auswertung einer Unfalldatenbank und einer Motorradfahrer-Befragung zu Gefahrstellen. Als potentiell vermeidbar und relevant erweisen sich demnach Unfälle aufgrund von nicht angepasster Kurvengeschwindigkeit, Reibwertsprüngen (z. B. durch Ölflecken, Rollsplitt), Fahrbahnschäden (z. B. Bodenwellen, Unebenheiten) und Hindernissen (z. B. liegengebliebene Fahrzeuge). Ein neues aus der Definition des Allgemeinen Unebenheits-Index (AUN) abgeleitetes Kriterium zur Erkennung von Gefahrstellen aufgrund unebener Fahrbahn basiert auf der Leistungsdichte der vertikalen Radgeschwindigkeit. Zur Bestimmung des Kriteriums werden Fahrzeuglängsgeschwindigkeit und Radvertikalbeschleunigung gemessen und in einer Signalkette verarbeitet. Bei Versuchen auf Fahrbahnen unterschiedlicher Unebenheit bewährt sich das Kriterium zur Erkennung von unebenen Fahrbahnen (AUN > 18 cm3). Die kumulierte Energiedichte der vertikalen Radgeschwindigkeit im Wellenlängenbereich von 0,5 m bis 2,5 m erweist sich als unabhängig von Art und Form eines einzelnen erhabenen Fahrbahnschadens. Ein neues daraus abgeleitetes Kriterium zeigt in Probandenversuchen einen eindeutigen Zusammenhang zu von Fahrern gewünschten Warngeschwindigkeiten. Demnach bewährt sich dieses Kriterium als Maß für die subjektiv empfundene Gefährlichkeit eines einzelnen erhabenen Fahrbahnschadens. Die Analyse von Ausweichmanövern führt zur Definition eines ” Standard- Ausweichmanövers“, das durch Musterverläufe von Rollrate und Rollwinkel beschrieben wird. Vergleiche der entsprechenden Messgrößen mit den Musterverläufen durch Bestimmung eines Korrelationsfaktors ermöglichen einen Rückschluss auf Ausweichmanöver. In Ausweichversuchen ermittelte Werte der Korrelationsfaktoren zeigen mit wenigen Ausnahmen eindeutige Unterschiede zu ” fahrdynamisch ähnlichen“ Manövern (z. B. Überholmanöver). Damit kann dieses neue Kriterium zur Erkennung von Ausweichmanövern herangezogen werden. Eine Zusammenfassung bereits bekannter Möglichkeiten zur Erkennung der anderen identifizierten Gefahrstellen ergänzt die Kriterien zur Gefahrstellenerkennung. Dies beinhaltet die Bestimmung des Reibwertes bei Geradeausfahrt sowie die Erkennung kritischer Kurvenfahrsituationen, z. B. aufgrund nicht angepasster Kurvengeschwindigkeit. Neben einem Modul zur Erkennung von Gefahrstellen ist eines zur Warnung des Fahrers Bestandteil eines kommunikationsbasierten Warnsystems. Daher werden unter Berücksichtigung motorradspezifischer Anforderungen neue Methoden zur Gestaltung und Bewertung von Warnmaßnahmen im Motorrad abgeleitet und angewendet. Daraus resultiert eine zweistufige Warnstrategie, bestehend aus einer informierenden und einer alarmierenden Warnstufe. Mit den Warnelementen Warnblitz, LED-Leiste, Display, haptischer Sitz, Warnton und Sprachwarnung werden für jede Warnstufe drei Gestaltungsvarianten realisiert. Zur Bewertung erfolgt eine Probandenstudie (n = 36). In dieser führen alle drei Varianten der ersten, informierenden Warnstufe zu signifikanten Geschwindigkeitsunterschieden im Vergleich zu ungewarnten Fahrten. Eine Variante, bestehend aus Display und haptischen Sitz, bewährt sich hinsichtlich aller gestellten Anforderungen. Dies gilt insbesondere für den Gefahrstellenerwartungsgrad und die Verzeihlichkeit im Falle einer Falschwarnung. Bei der zweiten, alarmierenden Warnstufe führt nur eine der realisierten Varianten, bestehend aus Sprachwarnung und LED-Leiste, zu einem signifikanten Geschwindigkeitsunterschied zu ungewarnten Fahrern. Die Verzeihlichkeit hinsichtlich einer Falschwarnung ist bei allen Varianten niedriger als bei der ersten Warnstufe. Mit Ausnahme dieses Punktes bewährt sich die genannte Kombination hinsichtlich der Anforderungen. In der vorliegenden Arbeit wird somit die gesamte Kette der Gefahrstellenerkennung und Fahrerwarnung untersucht. Daraus ergeben sich wichtige Grundlagen zur Entwicklung eines kommunikationsbasierten Warnsystems für Motorräder. Dies beinhaltet validierte Kriterien zur sensorbasierten Erkennung von Gefahrstellen sowie in Probandenversuchen bewährte Gestaltungsbeispiele für eine wirksame, akzeptierte und angemessene Warnung von Motorradfahrern.

Status: Verlagsversion
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-199536
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Fachgebiet Fahrzeugtechnik (FZD)
16 Fachbereich Maschinenbau > Fachgebiet Fahrzeugtechnik (FZD) > Motorrad
Hinterlegungsdatum: 29 Nov 2021 13:44
Letzte Änderung: 30 Nov 2021 06:16
PPN:
Referenten: Winner, Prof. Dr. Hermann ; Klingauf, Prof. Dr. Uwe
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