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Experimentelle Analyse und phänomenologisch basierte Modellierung des Deformationsverhaltens von prismatischen Lithium-Ionen-Zellen unter mechanischer Last

Kotter, Philip (2020)
Experimentelle Analyse und phänomenologisch basierte Modellierung des Deformationsverhaltens von prismatischen Lithium-Ionen-Zellen unter mechanischer Last.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.25534/tuprints-00014040
Dissertation, Erstveröffentlichung

Kurzbeschreibung (Abstract)

Bei der Entwicklung von Automobilen nehmen elektrifizierte Antriebe mit Lithium-Ionen-Batterien eine zunehmend bedeutende Rolle ein. Ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal für Fahrzeuge ist eine hinreichende Reichweite. Die Maximierung des hierfür notwendigen Energieinhalts bedingt Dimensionen der Energiespeicher, die einen signifikanten Gewichts- und Volumenanteil einnehmen und aufgrund dessen in die Fahrzeugstruktur integriert werden. Folglich entfallen vormals in der Rohkarosserie verortete mechanische Funktionen im Gesamtfahrzeug auf den Hochvoltspeicher und dessen Gehäuse - insbesondere bezüglich der passiven Sicherheit. Deren Ziele werden in diesem Zusammenhang - neben dem klassischen Insassenschutz - um den Schutz des energetischen Materials im Inneren erweitert. Limitierend ist hierbei die mechanische Belastbarkeit der zur Batterie aggregierten Einzelzellen, da deren Überschreitung zu zellinternen Kurzschlüssen mit möglichem thermischem Durchgehen der Zellen führt. Diese ist gesamthaft weitgehend und hinsichtlich des im automobilen Bereich verbreiteten prismatischen Zellformats gänzlich unerforscht.

Mittels eines extensiven Versuchsprogramms werden die Eigenschaften dieses Zelltyps analysiert. Vier Parameter werden vorgeschlagen, um die mechanische Performanz zu charakterisieren und eine Vergleichbarkeit hinsichtlich interessierender Einflussgrößen zu ermöglichen. Hierbei sind eine dehnratensensitive Verfestigungsreaktion, Kompressibilität und Belastbarkeit zu beobachten. Der elektrische Ladegrad als zentrale Eigenschaft des Betriebs zeigt hingegen einen vernachlässigbaren Einfluss. Hinsichtlich der Belastungsrichtung relativ zum internen, laminaren Aufbau weisen die Zellen signifikante Unterschiede in der Belastbarkeit auf. Industriell standardisierte, zunehmende Reifegrade der Prüflinge identischer Bauform korrelieren positiv mit den statistischen Maßzahlen der Kennwerte. Folglich eignen sich bereits frühe Prototypen zur Analyse für die Auslegung und gegebenenfalls Homologationen.

Aufgrund des automobilen Anwendungsfalls wird ein homogenisiertes Ersatzmaterial zur Abbildung der identifizierten Phänomene plastischen Materialverhaltens vorgeschlagen. Durch die analytische Beschreibung der experimentellen Szenarien basierend auf dem Prinzip der virtuellen Arbeit leiten sich konstitutive Ansatzfunktionen zur Beschreibung der Verfestigung her. Diese werden aufgrund des makroskopisch inkompressiblen Verhaltens mit einem Von-Mises-Fließkriterium in eine Finite-Elemente-Methode implementiert und parametriert. Zur Kalibrierung dient ein durch statistische Versuchsplanung erzeugter Trainingsdatensatz für die als Antwortfläche eingesetzten künstlichen neuralen Netze. Der Abgleich zu den Versuchsergebnissen mittels kleinster Quadrate ergibt einen Parametersatz, der eine Prognose der Verfestigung als Maß der plastischen Dissipation mit einem Pearson-Korrelationskoeffizienten > 0,8 über fünf Größenordnungen an Belastungsgeschwindigkeiten ermöglicht. Die vorgeschlagene Beurteilung der Kritikalität von Lasteinträgen erfolgt durch die virtuelle Ermittlung von Dehnung und Dehnrate mit anschließendem Vergleich zu den normierten Intrusionen und Deformationsgeschwindigkeiten. Abschließend ist festzustellen, dass die in Crash-Situationen auftretenden Residualgeschwindigkeiten beim Auftreffen auf die Zellen zu hoch sind, um eine Belastung und Deformation bei zukünftigen Fahrzeugkonzepten mit ausreichender Sicherheit zuzulassen.

Im Rahmen der Dissertation wird ein durchgängiger Prozess zur systematischen, experimentellen Charakterisierung der dynamischen Eigenschaften von Lithium-Ionen-Zellen entwickelt und in eine crashmechanische Modellierung für die Finite-Elemente-Methode implementiert. Am Beispiel des bislang unerforschten prismatischen Zellformats werden existierende Modellierungsansätze teils bestätigt und der Stand der Technik insbesondere um Erkenntnisse hinsichtlich des Betriebszustands, des dynamischen Verhaltens und des technischen Heranreifens der Komponente erweitert.

Typ des Eintrags: Dissertation
Erschienen: 2020
Autor(en): Kotter, Philip
Art des Eintrags: Erstveröffentlichung
Titel: Experimentelle Analyse und phänomenologisch basierte Modellierung des Deformationsverhaltens von prismatischen Lithium-Ionen-Zellen unter mechanischer Last
Sprache: Deutsch
Referenten: Melz, Prof. Dr. Tobias ; Becker, Prof. Dr. Wilfried
Publikationsjahr: 2020
Ort: Darmstadt
Datum der mündlichen Prüfung: 27 November 2019
DOI: 10.25534/tuprints-00014040
URL / URN: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/14040
Kurzbeschreibung (Abstract):

Bei der Entwicklung von Automobilen nehmen elektrifizierte Antriebe mit Lithium-Ionen-Batterien eine zunehmend bedeutende Rolle ein. Ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal für Fahrzeuge ist eine hinreichende Reichweite. Die Maximierung des hierfür notwendigen Energieinhalts bedingt Dimensionen der Energiespeicher, die einen signifikanten Gewichts- und Volumenanteil einnehmen und aufgrund dessen in die Fahrzeugstruktur integriert werden. Folglich entfallen vormals in der Rohkarosserie verortete mechanische Funktionen im Gesamtfahrzeug auf den Hochvoltspeicher und dessen Gehäuse - insbesondere bezüglich der passiven Sicherheit. Deren Ziele werden in diesem Zusammenhang - neben dem klassischen Insassenschutz - um den Schutz des energetischen Materials im Inneren erweitert. Limitierend ist hierbei die mechanische Belastbarkeit der zur Batterie aggregierten Einzelzellen, da deren Überschreitung zu zellinternen Kurzschlüssen mit möglichem thermischem Durchgehen der Zellen führt. Diese ist gesamthaft weitgehend und hinsichtlich des im automobilen Bereich verbreiteten prismatischen Zellformats gänzlich unerforscht.

Mittels eines extensiven Versuchsprogramms werden die Eigenschaften dieses Zelltyps analysiert. Vier Parameter werden vorgeschlagen, um die mechanische Performanz zu charakterisieren und eine Vergleichbarkeit hinsichtlich interessierender Einflussgrößen zu ermöglichen. Hierbei sind eine dehnratensensitive Verfestigungsreaktion, Kompressibilität und Belastbarkeit zu beobachten. Der elektrische Ladegrad als zentrale Eigenschaft des Betriebs zeigt hingegen einen vernachlässigbaren Einfluss. Hinsichtlich der Belastungsrichtung relativ zum internen, laminaren Aufbau weisen die Zellen signifikante Unterschiede in der Belastbarkeit auf. Industriell standardisierte, zunehmende Reifegrade der Prüflinge identischer Bauform korrelieren positiv mit den statistischen Maßzahlen der Kennwerte. Folglich eignen sich bereits frühe Prototypen zur Analyse für die Auslegung und gegebenenfalls Homologationen.

Aufgrund des automobilen Anwendungsfalls wird ein homogenisiertes Ersatzmaterial zur Abbildung der identifizierten Phänomene plastischen Materialverhaltens vorgeschlagen. Durch die analytische Beschreibung der experimentellen Szenarien basierend auf dem Prinzip der virtuellen Arbeit leiten sich konstitutive Ansatzfunktionen zur Beschreibung der Verfestigung her. Diese werden aufgrund des makroskopisch inkompressiblen Verhaltens mit einem Von-Mises-Fließkriterium in eine Finite-Elemente-Methode implementiert und parametriert. Zur Kalibrierung dient ein durch statistische Versuchsplanung erzeugter Trainingsdatensatz für die als Antwortfläche eingesetzten künstlichen neuralen Netze. Der Abgleich zu den Versuchsergebnissen mittels kleinster Quadrate ergibt einen Parametersatz, der eine Prognose der Verfestigung als Maß der plastischen Dissipation mit einem Pearson-Korrelationskoeffizienten > 0,8 über fünf Größenordnungen an Belastungsgeschwindigkeiten ermöglicht. Die vorgeschlagene Beurteilung der Kritikalität von Lasteinträgen erfolgt durch die virtuelle Ermittlung von Dehnung und Dehnrate mit anschließendem Vergleich zu den normierten Intrusionen und Deformationsgeschwindigkeiten. Abschließend ist festzustellen, dass die in Crash-Situationen auftretenden Residualgeschwindigkeiten beim Auftreffen auf die Zellen zu hoch sind, um eine Belastung und Deformation bei zukünftigen Fahrzeugkonzepten mit ausreichender Sicherheit zuzulassen.

Im Rahmen der Dissertation wird ein durchgängiger Prozess zur systematischen, experimentellen Charakterisierung der dynamischen Eigenschaften von Lithium-Ionen-Zellen entwickelt und in eine crashmechanische Modellierung für die Finite-Elemente-Methode implementiert. Am Beispiel des bislang unerforschten prismatischen Zellformats werden existierende Modellierungsansätze teils bestätigt und der Stand der Technik insbesondere um Erkenntnisse hinsichtlich des Betriebszustands, des dynamischen Verhaltens und des technischen Heranreifens der Komponente erweitert.

Alternatives oder übersetztes Abstract:
Alternatives AbstractSprache

Electrified drives with lithium-ion batteries are playing an increasingly important role in the development of automobiles. A differentiating factor for vehicles is a sufficient range. Maximizing the energy content requires dimensions of the electric energy storage systems, which take up a significant proportion of weight and volume and are therefore integrated into the vehicle structure. As a result, mechanical functions previously located in the car body are transfered to the batteries and its housing - especially with regard to passive safety. In this context, their objectives are extended - in addition to classic occupant protection - to include the protection of the energetic material inside the vehicle. A limiting factor here is the mechanical loading of the individual cells aggregated to form the battery, since exceeding these cababilities leads to cell-internal short circuits with possible thermal runaway of the cells. This is largely unexplored with regard to the prismatic cell format that is widely used in the automotive industry.

The properties of this cell type are analyzed with an extensive experimental program. Four parameters are proposed to characterize the mechanical performance and to enable a comparison with respect to interesting parameters. Here, a strain rate-sensitive hardening behavior, compressibility and capability are observed. In contrast, the electrical charge level as a central property of operation shows a negligible influence. With regard to the direction of loading relative to the internal, laminar structure, the cells show significant differences in load capacity. Industrially standardized, increasing degrees of maturity of test objects of identical design correlate positively with the statistical measures of the characteristic values. Consequently, early prototypes are already suitable for analysis for design and, if necessary, homologation.

Due to the automotive application case, a homogenized substitute material is proposed to mimic the identified phenomena of plastic material behavior. By the analytical description of the experimental scenarios based on the principle of virtual work, constitutive functions for the description of the hardening are derived. These are implemented and parameterized in a finite element method based on the macroscopically incompressible behavior with a von Mises flow criterion. Artificial neural networks trained via a design of experiments are used as response surfaces for calibration. The comparison to the experimental results with a least squares method results in a parameter set that allows a prediction of the strain hardening as a measure of plastic dissipation with a correlation coefficient > 0.8 over five orders of magnitude of loading velocities. The proposed evaluation of the criticality of loads is performed by the virtual determination of strain and strain rate with subsequent comparison to the normalized intrusions and deformation velocities. In conclusion, it can be stated that the residual speeds occurring in crash situations when hitting the cells are too high to allow loading and deformation with sufficient safety in future vehicle concepts.

Within the scope of the dissertation, a continuous process for the systematic, experimental characterization of the dynamic properties of lithium-ion cells is developed and implemented in a crash mechanical modeling approach for the finite element method. Using the so far unexplored prismatic cell format as an example, existing modelling approaches are partly confirmed and the state of the art is extended in particular by findings regarding the operating state, the dynamic behaviour and the technical maturation of the component.

Englisch
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-140409
Sachgruppe der Dewey Dezimalklassifikatin (DDC): 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Fachbereich(e)/-gebiet(e): 16 Fachbereich Maschinenbau
16 Fachbereich Maschinenbau > Fachgebiet Systemzuverlässigkeit, Adaptronik und Maschinenakustik (SAM)
Hinterlegungsdatum: 14 Okt 2020 11:05
Letzte Änderung: 20 Okt 2020 05:12
PPN:
Referenten: Melz, Prof. Dr. Tobias ; Becker, Prof. Dr. Wilfried
Datum der mündlichen Prüfung / Verteidigung / mdl. Prüfung: 27 November 2019
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